York Kautt
eines Kommunikationscodes
der Massenmedien
[transcript] Kultur- und Medientheorie
York Kautt
Image
York Kautt (Dr. rer. pol.) ist wissenschaftlicher Mitarbeiter an der
Universität Gießen. Seine Forschungsschwerpunkte sind Kultur- und
Medientheorie sowie empirische Kulturanalyse.
YORK KAUTT
Image.
Zur Genealogie eines Kommunikationscodes
der Massenmedien
[transcript ]
Diese Arbeit wurde 2006 als Dissertation zur Erlangung des Doktor-
grades an der Universität Kassel vorgelegt und angenommen.
Q029
This work is licensed under a Creative Commons
Attribution-NonCommercial-NoDerivatives 3.0 License.
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation
in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte
bibliografische Daten sind im Internet über
http://dnb.d-nb.de abrufbar.
© 2008 transcript Verlag, Bielefeld
Umschlaggestaltung: Kordula Röckenhaus, Bielefeld
Lektorat & Satz: York Kautt
Druck: Majuskel Medienproduktion GmbH, Wetzlar
ISBN 978-3-89942-826-1
Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier mit chlorfrei
gebleichtem Zellstoff.
Besuchen Sie uns im Internet:
http://www.transcript-verlag.de
Bitte fordern Sie unser Gesamtverzeichnis
und andere Broschüren an unter:
info@transcript-verlag.de
DANKSAGUNG
Besonderer Dank gilt Prof. Dr. Herbert Willems und Prof. Dr. Johannes Weiß für
vielfältige Anregungen und Unterstützungen in den letzten Jahren.
Engagierte technische Hilfe und zweckdienliche Leihgaben verdanke ich Henrik
Groß, Kristina Lehfeldt, Dirk Medebach, Sebastian Pranz, Thomas Bruns und Stefan
Seeberger.
Herzlicher Dank geht nicht zuletzt an meine Eltern, die mich immer unterstützt
und gefördert haben. Kirstin, Malte und Hannes danke ich für ihre stets erfrischende
Teilnahme an diesem Forschungsprojekt, das in bestimmter Weise auch zu ihrem
wurde.
INHALT
Einleitung
2.1
2.2
2.3
Image als historisches Alltagsphänomen:
Eine Perspektive im Umfeld der Image-Forschung
Image als »Vorstellungsbild« (Kleining)
Image als Begriff der Markt- und Konsumforschung
Image als Rahmen und Rahmung der Interaktionsordnung (Goffman)
Image als »Pseudoereignis« (Boorstin)
Wozu Image? Ausgangspunkte der Luhmann’schen Theorie symbolisch
generalisierter Kommunikationsmedien
Technische Bildmedien und die Entwicklung von Image am
Beispiel der Photographiegeschichte des 19. Jahrhunderts
Einleitung
Bezugsproblem I: Oberfläche und/als Tiefe —
technische Bilder als Kommunikationsmedien
2.1.1 Pose und Retouche: Problemlösungen der Portraitphotographie
Bezugsproblem Il: Die Reichweite sozialer Redundanz —
technische Bilder als Verbreitungsmedien
2.2.1 Markt- und Publikumsorientierung
2.2.2 (Selbst-)Dynamisierung: Der Zwang zum Neuen
2.2.3 Die Realität technischer Bilder als Bezugsrahmen
der Lebenswirklichkeit
Zusammenfassung: Die Kommunikation von Erscheinungsbildern
und das System der Massenmedien
3. Die Entwicklung von Image-Kommunikation in der Werbung:
Eine theoretische und empirisch-analytische Untersuchung
Einleitung
3.1 Zum methodischen Vorgehen
3.1.1 Theorie und Empirie
3.1.2 Datenbasis
3.1.3 Qualitative Analyse
3.2 Die Entfaltung der Bildlichkeit
3.2.1 Kommunikation unter Anwesenden als zentraler
Bezugsrahmen der Werbung um 1900
3.2.2 Schrift als Bild: Typographie
3.2.3 Rahmen, Ornament und Zeichnung
3.2.4 Photographie
3.2.5 Die Anzeigenseite als Bilder-Rahmen
3.2.6 Namen
3.2.7 Die Thematisierung der Marke
3.2.8 Die Beziehung von Text und Bild
3.3 Werbung und das System der Massenmedien
3.3.1 Symbolische Generalisierung, Codierung und Programmierung
3.3.2 Operative Schließung, Reflexivität und strukturelle Kopplungen
3.4 Exemplarische Ressourcen der Image-Programmierung
3.4.1 Schichtorientierter Status
3.4.2 Weiblichkeit und Männlichkeit
3.4.3 Gute Form
3.4.4 Modernität
3.4.5 Tradition
3.4.6 Jugendlichkeit
3.4.7 Seriosität
3.4.8 Menschlichkeit
3.4.9 Erotik
3.4.10 Realismus
4. Schlußbemerkungen
Literatur
97
97
101
101
104
109
118
121
126
132
139
147
149
150
155
161
170
182
190
197
217
236
243
251
256
270
278
286
307
317
333
EINLEITUNG
Das Wort Image taucht in der Alltagssprache und den Diskursen der Massenmedien
etwa in den 50er Jahren des 20. Jahrhunderts auf.' Inzwischen ist es längst üblich, von
den verschiedensten Objekten auch als einem Image zu sprechen: Organisationen,’
Institutionen,’ Wirtschaftsunternehmen,* Prominente,’ käufliche Produkte,‘ Politiker,’
Urlaubsorte,® Nationalstaaten bzw. Regionen,” Sportarten, Berufe,'' Altersklassen’?
und unzählige andere Dinge können offenkundig ein jeweils für sie charakteristisches
Image besitzen. Dabei weist nicht nur die weltweite Verbreitung des englischen
Wortes darauf hin, daß wir es mit einem globalen Thema zu tun haben.” Auch die als
Image bezeichneten Formen sind häufig transnationale bzw. transkulturelle Gebilde.
1 Daß die USA Vorreiter der Entwicklung sind, kann man z.B. daran erkennen, daß Boors-
tin den alltäglichen Gebrauch des Image-Begriffs in Bezug auf Institutionen, Personen,
Produkte und Unternehmen hier für das Ende der 1950er Jahre diagnostiziert (vgl. 1964,
163 f.), während vergleichbare Beobachtungen für den europäischen Raum fehlen. Er-
kennbar ist zudem, daß sich Beschreibungen entsprechender Phänomene in den deut-
schen Massenmedien zunächst auf US-amerikanische Verhältnisse beziehen, wobei eng-
lische Wörter übernommen werden. So berichtet die in der vorliegenden Untersuchung
analysierte »Berliner Illustrierte Zeitung« schon seit den 1920er Jahren in regelmäßigen
Abständen über »Publicity«, womit meistens das Streben prominenter Medienpersön-
lichkeiten nach einer guten Bildberichterstattung gemeint ist.
2 Vgl. Noelle-Neumann 1970.
3 Ур]. Mueller-Fohrbrodt 1975.
4 Vgl. Herbst 2006.
5 Vgl. Faulstich/Korte (Hg.) 1997.
6 Vgl. Ruppel 1965; Müller 1971.
7 Ур]. Schwartzenberg 1980.
8 Vgl. Wellhoener 1992.
9 Ур]. Silbermann 1989; Kunczik 1990; Leggewie 2006.
10 Vgl. Meyer 1973.
11 Vgl. Pöttker 1997; Bentele/Seidenglanz 2005.
12 Vgl. Tartler 1961.
13 Daß das Wort Image auch im angloamerikanischen Sprachraum neben »Bild« eine neue
Bedeutung erhält, kann man Furbanks Abhandlung zum »Public Image« entnehmen (vgl.
Furbank 1970, 141-149; vgl. auch Boorstin a.a.O.).
10 | IMAGE. ZUR GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN
Images von Filmstars oder Konsumgütermarken geben hierfür prägnante Beispiele.
Man kann ohne Übertreibung sagen: Die Image-Kultur der (Welt-)Gesellschaft ist ein
Zentralbereich der (Welt-)Alltagskultur.
Anlaß genug danach zu fragen, unter welchen historischen Voraussetzungen und
Bedingungen das Phänomen im 20. Jahrhundert Kontur gewinnt und Karriere macht.
Warum und wozu bildet sich Image? Und wie lassen sich die Objekte näher beschrei-
ben, auf die sich eben dieses Wort bezieht? Diese Fragen drängen sich um so mehr
auf, als sie bislang von den Sozial- und Kulturwissenschaften nicht gestellt werden.
Auch in dem breit erschlossenen Forschungsfeld einer visuellen Kultur der Moderne
— deren Entwicklung aufs engste mit der Entstehung von Image verbunden ist — blei-
ben entsprechende Fragestellungen bislang ausgespart.'*
Fragt man nun nach der Genealogie von Image verdeutlicht bereits die oben ste-
hende Aufzählung, daß eine Beschreibung und Erklärung nicht an einer Klassifizie-
rung von Gegenstandsbereichen ansetzen kann. Von einem Prominenten, einem Beruf
oder einer Sportart als einem Image zu sprechen bedeutet vielmehr, einen spezifischen
Sinn an das jeweilige Objekt als eine Beschreibung heranzutragen, die sich von ande-
ren möglichen Beschreibungen unterscheidet. Schon in der sachlichen Heterogenität
dessen, worauf sich Image alltagssprachlich beziehen kann, wird erkennbar, daß es
um eine bestimmte Perspektive, um eine bestimmte Beobachtung geht, die die jewei-
ligen Objekte charakterisiert und vergleichbar macht. Daß es sich um eine neuartige
Perspektive historisch jüngeren Datums handelt, wird deutlich, wenn man nach Er-
satzbegriffen für Image Ausschau hält. Man sieht dann schnell, daß es sich keineswegs
nur um einen modischen Anglizismus handelt, für den sich leicht adäquate Synonyme
finden lassen. Ehre, Ruf, Prestige, Reputation oder Ansehen etwa meinen Ähnliches,
aber keineswegs dasselbe. Nicht bestritten ist damit, daß Image im Alltag und in der
Semantik der Massenmedien synonym zu diesen Wörtern verwendet werden kann.
Kaum zu übersehen ist jedoch, daß sich dessen Bedeutung häufig nicht durch andere
(z.B. deutsche) Vokabeln ausdrücken läßt.
Es gibt also einen spezifischen Eigensinn des Wortes, für den sich vorliegende
Untersuchung interessiert. Sie geht dabei von diesem Sachverhalt als einer (auch ohne
Forschung) überprüfbaren Tatsache aus und fragt von dort aus nach der Entwicklung
von Image als einem spezifischen Modus der Objektbeschreibung bzw. der Herstellung
von (Image-)Identität. Daß sich dieses Vorgehen, indem es die Definition von Image
14 Das ist um so erstaunlicher, als »visual culture« seit längerem nicht nur ein Untersu-
chungsgegenstand verschiedener Disziplinen (von der Kunstgeschichte bis hin zur all-
gemeinen Bildwissenschaft), sondern auch ein Theorieprogramm ist, dem man z.B. De-
batten um Begriffe wie »iconic turn« (Boehm 1994), »pictorial turn« (Mitchell 1997)
oder »imagic turn« (Fellmann 1991) zuordnen kann. Zu einem Überblick über die Klas-
siker und die aktuellen Diskurse der (Theorie der) visual culture vgl. exemplarisch Jenks
(Hg.) 1995; Evans/Hall 1999; Roeck 2003; Dalle Vacche 2003; Bachmann-Medick 2006;
Mersmann/Schulz (Hg.) 2006; Dikovitskaya 2006; Mirzoeff (Hg.) 1998.
EINLEITUNG | 11
mit einer theoretischen wie empirisch-analytischen Rekonstruktion dessen verbindet,
was in der Gesellschaft als Image entwickelt und beschrieben wird, grundlegend von
den vorliegenden Image-Begriffen der Sozialwissenschaften unterscheidet, wird ein-
leitend über die Darstellung einschlägiger Image-Konzepte (vgl. 1.1 bis 1.4) sowie
über eine Spezifikation der gewählten Perspektive im Anschluß an Luhmanns Theorie
der »symbolisch generalisierten Kommunikationsmedien« (vgl. 1.5) gezeigt.
Ausgehend von der Beobachtung, daß insbesondere die über die modernen Bild-
medien kommunizierten Objekte mit Images belegt werden, verfolgt das zweite Kapitel
die Hypothese, daß die Einführung eben dieser Medien (Photographie, Film, Fernsehen)
und die Ausdifferenzierung einer bildbasierten »Realität der Massenmedien« (Luhmann
1996) von entscheidender Bedeutung ist. Die Photographiegeschichte des 19. Jahrhun-
derts steht dabei exemplarisch im Mittelpunkt der Betrachtung. Deren Rekonstruktion
will zeigen, daß und inwiefern technische Bilder die Ausbildung von Image provozieren.
Da die Untersuchung über die Analyse der Materialien zwei verschiedene Strukturebe-
nen technischer Bilder als zentrale Bezugsprobleme von Image diagnostiziert – nämlich
zum einen ihre spezifische Darstellungsform und zum anderen ihre massenhafte Repro-
duzierbarkeit, sind die entsprechenden Überlegungen in zwei Unterkapitel gegliedert,
die die gesellschaftlichen Folgen der Photographie als Kommunikationsmedium (vgl.
2.1) einerseits und als Verbreitungsmedium (vgl. 2.2) andererseits in den Blick nehmen,
wobei die Portraitphotographie aus einleitend dargestellten Gründen (vgl. 2.1) als ex-
emplarischer Untersuchungsgegenstand gewählt wird.
Das dritte Kapitel geht der Frage nach, inwiefern und wozu gerade die massenme-
diale Werbung Image zu einer regelgeleiteten Kommunikationsform (Image-Kommuni-
kation) entwickelt. Diese Frage wird nicht nur theoretisch, sondern auch im Rahmen ei-
ner empirischen Analyse behandelt, die im wesentlichen die Entwicklung der Werbung
zwischen 1900 und 1960 fokussiert. Warum dieser Zeitraum von besonderer Bedeutung
ist, erläutert ein einleitender Abschnitt zum methodischen Vorgehen (3.1), der in erster
Linie die Auswahl der Materialien sowie das qualitative Analyseverfahren beschreibt
und begründet. Die nachfolgende Ergebnisdarstellung rekonstruiert den Strukturwan-
del der Werbungskommunikationen in Richtung Bildlichkeit als einen Funktionswandel
des Werbens (vgl. 3.2), bevor die moderne Werbung in Auseinandersetzung mit system-
theoretischen Begriffen und Argumentationszusammenhängen Luhmanns als ein Be-
reich des Systems der Massenmedien konzeptualisiert wird (vgl. 3.3). Die spezifischen,
Werbung konstituierenden Operationen und Unterscheidungen (Beobachtungen) sind
hier ebenso Thema wie die Mechanismen, mit denen die Werbung in einer spezifischen
und spezifisch engen Beziehung zu ihrer Umwelt steht. Im letzten Abschnitt des Ka-
pitels werden diejenigen Ergebnisse der empirischen Analyse vorgestellt, die sich auf
die zuvor als Programmressourcen definierten Werbungsthemen und deren Aufführung
als Image-Kommunikationen beziehen. Die Schlußbemerkungen fassen wesentliche Er-
gebnisse zusammen und weisen auf einige Forschungsdesiderata hin, die sich aus der
Konzeption von Werbung als einen auf Image-Kommunikation spezialisierten Bereich
des Systems der Massenmedien ergeben.
1. IMAGE ALS HISTORISCHES ALLTAGSPHÄNOMEN:
ЕТМЕ PERSPEKTIVE IM UMFELD DER IMAGE-FORSCHUNG
Der Image-Begriff ist, insbesondere in Frankreich und dem angloamerikanischen
Sprachraum in der Psychologie seit dem Ende des 19. Jahrhunderts gebräuchlich und
bedeutet hier in etwa das, was in deutschsprachigen psychologischen Studien zur sel-
ben Zeit unter dem Terminus des »Vorstellungsbildes« gefaßt wird.! Der ursprüngliche
Sinn des Wortes (von engl. image / von lat. imago, Bild) ist hier insofern relevant, als
sich die Psychologie, z.B. in der Tradition der Würzburger Schule, mit der »Erfas-
sung der Anschaulichkeit von Denkvorgängen und Bewußtseinsinhalten überhaupt«
befaßt oder insofern sie wie Freuds Tiefenpsychologie mit dem Imago-Begriff »eine
im Unbewußten existierende typenhafte Vorstellung von realen Personen oder Phan-
tasiegestalten« bezeichnet, »zu denen im Kindesalter die ersten engen Beziehungen
geknüpft worden waren (z.B. Mutter-Imago).« (Brachfeld 1976, 216) Die Einführung
und Verbreitung des Image-Begriffs in den Sozial- und Kulturwissenschaften erfolgt
jedoch nur bedingt im Anschluß an die Psychologie. Wirkungsmächtig sind vielmehr
die Begriffsprägungen der Wirtschaftspsychologie und der (zunächst amerikanischen)
Absatzforschung. Vor allem in letzterer ist der Begriff seit einer Veröffentlichung von
Gardner und Levy (1955) als Terminus technicus gebräuchlich. Ein Blick in die neu-
ere Literatur verdeutlicht schnell, daß die gängigen Image-Konzepte hier wie in den
Sozial- und Kulturwissenschaften den Aspekt der Typisierung und Generalisierung
als Bezugsrahmen der Definition von Image wählen. Eine Definition Brachfelds, der
zufolge man Image verstehen könne als »Gesamtheit der an einen Gegenstand ge-
knüpften Vorstellungen, Emotionen und Wertungen, wobei die Gegenstände in der
Wirtschaftspsychologie Produkte oder Marken, in der Sozialpsychologie und Sozio-
logie Individuen, Gruppen oder Institutionen sein können« (ebd., 215), liefert entspre-
chend immer noch eine geeignete Formel für die prägenden Begriffsvarianten, von
denen im folgenden vier exemplarisch skizziert werden.
1 Vgl. Brachfeld 1976, 215.
14 | IMAGE. ZUR GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN
1.1 Image als »Vorstellungsbild« (Kleining)
Die Untersuchungen von Kleining sind um so bemerkenswerter, als man es hier
nicht nur mit einer bis heute wirkungsmächtigen Einführung des Begriffs in den
deutschen Sprachraum, sondern zugleich mit einem Konzept zu tun hat, das den
psychologischen und sozialpsychologischen? Begriffsprägungen bereits in den
1950er Jahren eine genuin soziologische hinzufügen und entsprechend die Ei-
genart sozialer Images erfassen will.’ Das erstaunt bei der Lektüre zunächst, da
in einem ersten Schritt die individuelle Persönlichkeit als Fundament der Image-
Bildung eingeführt und Image als Konstruktion im Bewußtsein des einzelnen im
Sinne einer individuellen »Vorstellung« angenommen wird: »Verschiedene Per-
sonen haben verschiedene Vorstellungsbilder von ein und derselben Sache, und
ihre jeweiligen Images sind verschieden, weil sie selbst verschiedene Menschen
sind, die mit der Realität auf ihre Weise umgehen.« (Kleining 1961, 146) Während
die Aufgabe der Psychologie und der Sozialpsychologie in der Untersuchung indi-
vidueller Ausprägungen von Images bestehe, bestünde der Zuständigkeitsbereich
der Soziologie darin, die überindividuellen Komponenten (das »Allgemeine«,
»Kollektive«, »Typisierte«) von Images zu rekonstruieren.* Kleining geht es dem-
entsprechend in seinen Untersuchungen nicht um personenbezogene, sondern um
gruppenspezifische, andauernde Vorstellungen, die er »kollektive Images« nennt
und als solche mit Methoden der empirischen Sozialforschung rekonstruiert. Ein
Beispiel gibt die von ihm durchgeführte qualitative Studie, in der die kollektiven
Vorstellungen von etwa 64.000 BRD-Bürgern in Bezug auf das Wort »Gesell-
schaft« über Fragebögen und Interviews erhoben und ausgewertet wurden. Im
Ergebnis wird festgestellt, daß die Vorstellungen der befragten Individuen in Ab-
hängigkeit zu der jeweiligen Gruppenzugehörigkeit (abgeleitet über Kategorien
wie Einkommen, Bildung, Geschlecht) zwar variieren, Images aber in jedem Fall
als überindividuelle, semantische Konstrukte vorliegen und als solche typologi-
2 Den Image-Begriff der (Sozial-)Psychologie sieht Kleining in seiner Zeit wie folgt be-
setzt: »Ein Image ist das Ergebnis der Projektion psychischer Energie auf einen gege-
benen Reiz oder es ist die Art, wie eine Gegebenheit dadurch einem Subjekt erscheint.
In einem Image finden sich also, in verarbeiteter Form, zwei Faktoren oder Wirkungen
wieder: solche, die von der Person ausgehen, die sich ein Bild macht, und solche, die
von dem Reiz, dem Gegenstand oder dem Objekt stammen, von dem ein Bild entworfen
wird.« (Kleining 1961, 146)
3 Ур]. zuerst Moore/Kleining 1956 und Kleining 1961.
In Anlehnung an den psychoanalytischen Imago-Begriff spricht allerdings bereits Bur-
row (1925) von »social images«, womit er den Begriff für die Sozialpsychologie frucht-
bar machen will, indem er darunter nicht nur »subjektiv repräsentierte« Objektbezüge,
sondern auch solche versteht, die durch ein »kollektives Unbewußtes« strukturiert sind
(vgl. Brachfeld 1976, 216).
1. IMAGE ALS HISTORISCHES ALLTAGSPHÄNOMEN |15
siert und näher charakterisiert werden können.? Kleinings Image-Begriff ist eine
Art Meta-Begriff, in den andere (z.B. wissenssoziologische) Begriffe wie z.B.
Rahmen, Deutungsmuster,’ Skript, (Stereo-)Typ inkludiert sind, d.h. Begriffe,
mit denen die Soziologie Strukturen bezeichnet, die »Deutungen der Realität«
(ebd., 155) anleiten.? Passend zu dieser Begriffsoffenheit spricht Kleining von der
Image-Bildung als dem Prozeß des »Sich-ein-Bild-Machens« und setzt Wörter
wie »Vorstellungssysteme« und »Vorstellungsbilder« synonym zu Image ein.
1.2 Image als Begriff der Markt- und Konsumforschung
Auch und gerade in der wirtschaftspraktischen Markt- und Konsumforschung werden
Image-Begriffe in ähnlicher Bedeutungsweise gebraucht.!® Diese Forschungsansät-
ze sind hier von besonderem Interesse, weil sie massenmedial vermittelte Kommu-
nikationen aus naheliegenden Gründen zum Untersuchungsgegenstand machen: Da
der Konsum in der modernen Gesellschaft in erster Linie über verschiedene Verbrei-
tungsmedien (Zeitungen/Zeitschriften, Rundfunk, Film, Fernsehen usw.) und über
Werbung reguliert wird, muß eine anwendungsbezogene Theorie die entsprechenden
Kommunikationsformen fokussieren. Bereits Levy und Gardner (1955, 35) sprechen
von einem »public image« von Produkten im Sinne eines »Charakters« oder einer
»Persönlichkeit«, das für den Gesamtstatus des Produktes (und dessen Verkaufspoten-
tial) wichtiger sei als dessen technische Daten. Doch wenngleich schon in den 1950er
Jahren deutlich wird, daß Produkte ein Image haben und als Images zu instrumentieren
sind, bleibt eine sozial- oder kulturwissenschaftliche Aufklärung des Begriffs aus.!!
Der Diskurs setzt vielmehr das Vorhandensein des im Alltag etablierten Image-Be-
5 Eine Spezifizierung von Images ergibt sich bei Kleining nur empirisch-analytisch, und
zwar insofern, als verschiedene Gruppen verschiedene Vorstellungssysteme von ver-
schiedenen Weltsachverhalten haben, so daß diese typologisierend differenziert und be-
schrieben werden können.
Vgl. z.B. Goffman 1977.
Vgl. z.B. Oevermann 1993.
Vgl. z.B. Kruse 1986.
Eine Nähe zu diesen Begriffen ergibt sich auch durch die Betonung der Latenz von Ima-
ges, die Kleining jedoch nicht weiter ausführt (vgl. 1961, 151).
10 Die Entwicklung setzt in den USA und zwar, wiederum in den 1950er Jahren, ein (vgl.
Schnierer 1999, 93-96). Daß deutschsprachige Studien mit Beginn der 1960er Jahren
nachziehen kann man zahlreichen Literaturbelegen in Müller 1971 entnehmen.
11 Wenn z.B. danach gefragt wird, wie Vereine oder Kirchen Mitglieder (besser) anwerben
oder wie Parteien (besser) Wähler mobilisieren können, ist die Wissenschaft spezifisch
zweckorientiert. Einen breiten Überblick über dieses Forschungsfeld bis zu den 1990er
Jahren bietet eine Bibliographie von Worthmann, die sich in Faulstich (Hg.) 1992 findet
(177-207).
von
16 | IMAGE. ZUR GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN
griffs in seiner diffusen Bedeutung voraus und bindet ihn in den Kontext strategischer
Handlungsanweisungen und Ratschläge ein oder operiert mit Definitionen, die sich
wiederum auf kognitive oder kommunikativ vermittelte Typisierungsprozesse sowie
deren Voraussetzungen und Rahmenbedingungen stützen.!? Die Nutzenorientierung
führt dabei vor allem zu der Frage, wie Rezipienten/Konsumenten an die kommu-
nizierten Images erlebend und handelnd anschließen. Die Feststellung und Analyse
von Korrelationen zwischen konkreten Bewertungen einzelner Kommunikations-
offerten und unterschiedlichen Konsumentenpositionierungen (z.B. Geschlecht, Alter,
Bildung, Einkommensverhältnisse, Lebensstil, (Sub-)Kultur) spielt entsprechend eine
wichtige Rolle.'3 Und weil die Rezipienten über den Erfolg eines Images entscheiden,
wird die Frage nach dem Rezept für die Konstruktion von »public images« als eine
Frage nach dem Selbst der Rezipienten thematisiert. Sozialpsychologische Image-
Konzepte dominieren diesen Forschungsbereich.!* Vorstellungen, die das individuelle
Selbst konstituieren und bedingen, werden dabei als entscheidender Generator und
als eine einschränkende Variable des Konsumhandelns aufgefaßt. Gardner markiert
in seinem wirkungsmächtigen Aufsatz mit dem Titel »Symbols for Sale« diesen Aus-
gangspunkt der Konsumforschung — auch in Bezug auf die Werbung — indem er das
Self-Image der Konsumenten dem Public-Image der Produkte gegenüberstellt und in
der Herstellung einer bestimmten Beziehung dieser Images zueinander die Aufgabe
der Werbung sieht: »[...] the product will be used and enjoyed, [...] when it joins with,
meshes with, ads to, or reinforces the way the consumer thinks about himself« (Levy
1959, 119, zit. п. Schnierer 1999, 94).
Über das Selbstbild (Self-Image) erklärt sich also die Präferenz für ein Produkt,
wobei, so die weitere These, das Image der Produkte zu dem Self-Image passen bzw.
in dieses integriert werden können muß. In einer nahezu unüberschaubaren Anzahl
theoretisch-programmatischer wie empirischer Analysen wird der Ansatz des Self-
Images seit den 1950er Jahren verifiziert, spezifiziert, kritisiert und moduliert — und
12 So umfaßt das »aufgebaute Image« eines Unternehmens/einer Organisation für Regen-
thal »1. die Vorstellbarkeit der Organisation [...]; 2. Bekanntheit der Organisation [...]; 3.
Prestige der Organisation [...]; Vergleichbarkeit [...] mit anderen Anbietern« (Regenthal
2002, 61). Zu einem ähnlichen Verständnis von »Corporate Image« als einem »Spiegel
der Identität« mit wünschenswerten Eigenschaften vgl. Herbst 1998, 20-24.
13 Auf die Interpretation von Korrelationen als solchen kann dabei getrost verzichtet wer-
den — es genügt, die jeweiligen Präferenzen der typologisierten Gruppen zu erkennen.
14 Relevant sind insbesondere die Unterscheidung von Fremd- und Selbstbild sowie eine Be-
schreibung von Rückkopplungsprozessen zwischen diesen Bildern, in denen (den Prozes-
sen) sich Images konsolidieren (vgl. dazu ausführlich Dreitzel 1962). Vgl. zu einer Anwen-
dung dieser Unterscheidung auf das Image von Organisationen Bentele/Seidenglanz 1995,
12 ff. Folgt man Schnierer, wird in den entsprechenden Studien »zum Zweck einer knappen
Definition des Selbstkonzeptes [...] am häufigsten Morris Rosenberg zitiert, nach dem das
Selbstkonzept die »totality of the individual’s thoughts and feelings having reference to
himself as an object: umfaßt (Rosenberg 1979, 7)« (Schnierer 1999, 94).
1. IMAGE ALS HISTORISCHES ALLTAGSPHÄNOMEN |17
zwar immer auch im Blick auf die praktische Umsetzbarkeit der Ergebnisse.!? Die
starke Orientierung an den Rezipienten macht Schnierers Subsumierung der verschie-
denen wirtschaftspraktischen Image-Konzepte unter den Begriff der »Konsumenten-
forschung« durchaus plausibel.!® Die spezifische, massenmedial vermittelte Form von
Images, deren inszenatorische Grammatik ist in diesem Forschungsbereich nur inso-
fern von Belang, als sie für die Erklärung der Beziehung von Self-Image und Public-
Image von Bedeutung ist. Dies gilt auch und gerade für die theoretische Beschreibung
werblich konstruierter Produkt-Images, wie die vieldiskutierte These von Produkten
als einer Verlängerung des Selbst (vextended self«!7) verdeutlicht. Hier wird näm-
lich die Arbeit am Self-Image im Rückgriff auf die konsumierbaren Symbole sowie
das Maß an Image-(In-)Kongruenz (Self-Image/Produkt-Image) thematisiert, d.h. das
Maß der Identifikation des Konsumenten mit den »produktiven< Symbolen und de-
ren Möglichkeit, als Ausdruck des Selbst zu fungieren. So geht z.B. Biel bei seiner
Konzeption des Produkt-Images von den Kognitionen des Konsumenten aus, die das
Produkt-Image als eine Gesamtheit von »three contributing subimages« generieren:
»(a) the image of the provider of the product, or corporate image; (b) the image of the
user; and (c) the image of ће product itself« (Biel 1993, 71). Die Werbung partizipiert
an diesen Images nur als Element eines verzweigteren Image-Komplexes (den an-
dernorts gewonnenen »Use-« und »User-Images«). Dieses Konzept läuft dann, ganz
ähnlich wie bei Kleining (s.o.), auf einen Image-Begriff im Sinne von Vorstellung
hinaus, wobei sich die Verschiedenheit der Images neben den individuellen bzw. grup-
penspezifischen Verschiedenheiten der Vorstellungen durch die Verschiedenheit von
Gegenstandsbereichen ergibt. So haben verschiedene Konsumenten von Autofabrika-
ten (»Produkt-Image«), Nutzern dieser Fabrikate (»User-Image«) und dem Vorgang
des Autofahrens (»Use-Image«) andere Sub-Images als bei den Produkten »Haushalts-
reiniger< oder »Inline-Skates« usw. und über diese Kategorien und deren Beziehungen
werden im Rahmen dieser Untersuchungen verschiedene Images differenziert.
15 Schon 1959 bringt Levy (119) eine begriffliche Verfeinerung ein, indem er wie in der so-
zialpsychologischen Selbstkonzeptforschung zwischen »actual« und »ideal« Self-Image
unterscheidet und im Anschluß daran (wie viele Autoren nach ihm in modulierender
Weise) die Frage stellt, welche Dimension dieses Selbstbildes für die Präferenz eines
bestimmten Produktes die entscheidende ist. In der weiteren Debatte werden z.B. Fra-
gen nach der Zeit- und Situationsabhängigkeit des Selbstbildes oder dessen Bedingtheit
durch kulturelle Werte und Normen einerseits und Persönlichkeitsstrukturen andererseits
diskutiert. Zu einem mit zahlreichen Literaturhinweisen versehenen Überblick über die
verschiedenen, unterschiedlich soziologisch oder psychologisch fundierten Varianten
dieses Forschungsansatzes vgl. Schnierer 1999, 93-115.
16 Vgl. Schnierer 1999, 93-112.
17 Ausgehend von der Annahme: »We regard our possessions as part of ourselves« (Belk
1988, 139).
18 | IMAGE. ZUR GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN
1.3 Image als Rahmen und Rahmung der Interaktionsordnung
(Goffman)
Den vorgestellten Image-Konzepten ist der in der Soziologie besonders prominent
gewordene Image-Begriff von Goffman insofern ähnlich, als auch dieser zunächst
Kurzbeschreibungen von psychischen und sozialen Systemen meint, die als »sozi-
ale Wegweiser« und » Anweiser« »orientieren und entlasten, Komplexität und Kon-
tingenz reduzieren. Images sind mehr oder weniger reduktive und identifikatorische
Metatexte, Rahmen und Rahmungen, deren Kürzelhaftigkeit praktisch verdeckt
ist.« (Willems 1997, 153)!® In seiner Arbeit über »Interaktionsrituale« (Goffman
1986), die das Verhalten in direkter Kommunikation ethnographisch rekonstruiert,
schränkt Goffman den Begriff des Images jedoch in mehreren Hinsichten ein. Als
Bezugsrahmen deutlich erkennbar werden zum einen die soziale Situation als der
exklusive »Ort< der Konstruktion dieser »Kurzbeschreibungen« sowie der Fokus
auf lebenswirkliche Individuen als Objekte/Subjekte dieser Kurzbeschreibungen.
Schon im ersten Satz seiner Überlegungen zu den »Techniken der Imagepflege«
markiert Goffman das unausweichliche Eingebundensein des Individuums in den
Austausch mit anderen als einen Sachverhalt, der eine »Imagepflege« nahelegt bzw.
notwendig macht:
Jeder Mensch lebt in einer Welt sozialer Begegnungen, die ihn in direkten oder indirekten
Kontakt mit anderen Leuten bringt. Bei jedem dieser Kontakte versucht er, eine bestimmte
Strategie im Verhalten zu verfolgen, ein Muster verbaler und nichtverbaler Handlungen, die
seine Beurteilung der Situation und dadurch seine Einschätzung der Teilnehmer, besonders
seiner selbst ausdrückt. (Goffman 1986, 10)
Eine weitere definitorische Einschränkung von Image bringt Goffman durch die Re-
servierung des Begriffs für wertorientierte Kurzbeschreibungen ins Spiel:
Der Terminus Image kann als der positive soziale Wert definiert werden, den man für sich
für die Verhaltensstrategie erwirbt, von der die anderen annehmen, man verfolge sie in einer
bestimmten Interaktion. Image ist ein in Termini sozial anerkannter Eigenschaften umschrie-
benes Selbstbild — ein Bild, das die anderen übernehmen können. Jemand kann z.B. einen
guten Eindruck von seinem Beruf oder seiner religiösen Einstellung vermitteln, indem er sich
selbst gut darzustellen weiß. (Ebd.)!?
18 Die Nähe zu Kleinings Vorstellungssystemen ergibt sich neben dem Aspekt des Schablo-
nencharakters also in der Annahme einer latenten Funktionsweise von Images.
19 An anderen Textstellen geht Goffman allerdings von einem weiter gefaßten Begriff
von Image im Sinne einer wertneutralen Beschreibung aus. Betont wird dann eher
die Kontinuität von Zuschreibungen als Generator von Images: »Von einer Person
kann man sagen, daß sie ein gewisses Image hat, besitzt oder es wahrt, wenn ihre
1. IMAGE ALS HISTORISCHES ALLTAGSPHÄNOMEN |19
Von der Orientierung der beteiligten Akteure an positiven Werten ausgehend,
spricht Goffman in expliziter Anlehnung an die Alltagssprache”® von »Face-Work«
als dem Prozeß der Image-Arbeit bzw. verwendet er »Gesicht« synonym zu Image.?!
Denn ein »Gesicht« ist etwas, das man verlieren kann — Gesichtsverluste treten dann
ein, wenn Achtung entzogen wird. Die Rede davon, daß Individuen »Sorge um ihr
Image tragen«, daß sie versuchen, das »Image zu wahren« (»maintain face«), oder
daß sie Angst haben, »ihr Image zu verlieren« (»to lose face«), stellt Image als ein
in Abstufungen vorhandenes »Gut« dar. Der Begriff impliziert, daß die Existenz von
Image prinzipiell zur Disposition steht und daß Images »entzogen« werden können
(ebd., 15).22
Goffman bezeichnet mit dem Begriff des Images also keineswegs nur die Strate-
gien der Image-Arbeit, die das Individuum für sich selbst verfolgt. Er hat vor allem
die Beschreibung einer rituellen Ordnung im Sinn, die sich der wechselseitigen Be-
zogenheit der Interagierenden und den damit notwendigerweise verbundenen Wert-
schätzungen und Achtungsbekundungen verdankt und diese strukturiert. Entsprechend
versteht er Image-Arbeit nicht nur als ein »Pluspunktesammeln« einzelner Akteure,
sondern als eine wechselseitige Bezugnahme, die den Interessen der verschiedenen
Individuen und damit zugleich der Fortsetzbarkeit der Interaktion überhaupt dienlich
ist. Auch wenn die Aufrechterhaltung von Images nicht das Ziel der Interaktion ist, so
Verhaltensstrategie ein konsistentes Image vermittelt, das durch Urteile und Aus-
sagen anderer Teilnehmer, durch die Umgebung dieser Situation bestätigt wird.«
(1986, 11)
20 »In our Anglo-American Society, as in some others, the phrase >to lose face< seams to
mean to be in wrong face, to be out of face, or to be shamefaced. The phrase »to save
one’s face< appears to refer to the process by which the person sustains an impression
for others that he has not lost face. Following Chinese usage, one can say that »to give
face« is to arrange for another to take a better line than he might otherwise have been able
to take, the other thereby gets face given him, this being one way in which he can gain
face.« (Goffman 1982, 9)
21 Im englischen Original heißt es: »The term face may be defined as the positive social va-
lue a person effectively claims for himself by the line others assume he has taken during
a particular contact.« (Goffman 1982, 5)
22 Insofern kommt Goffmans Image-Begriff solchen wie Ehre und Ruf nahe. Daß die Ehre
von Personen verletzt oder gar vernichtet werden kann, gehört zum Alltagswissen (»Ist
der Ruf erst ruiniert...«). Über die Annahme des strategischen Handelns als immanentes
Element der Image-Arbeit geht Goffman darüber hinaus von der Möglichkeit aus, daß
»Jemand gar kein Image« besitzt — nämlich dann, »wenn er an einer Interaktion mit an-
deren teilnimmt, ohne eine der Verhaltensstrategien bereit zu haben, die von Teilnehmern
in solchen Situationen erwartet werden.« (Ebd., 13)
20 | IMAGE. Zus GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN
ist sie dennoch eine Bedingung für ѕіе.23 Die situative Face-Work ist also an eine
situationsübergreifende Struktur, einen (Image-)Rahmen gebunden, und nimmt in Be-
zug auf diesen als jeweils spezifische, situativ vorliegende Rahmung eine Form an,
die die teilnehmenden Individuen bzw. deren Images bestimmt.”* Die Analyse der
Techniken der Imagepflege ist dabei zugleich eine Analyse der Maßnahmen, die in
die strukturell instabilen (flüchtigen) und immer bedrohten Image-Verhältnisse ein ge-
wisses Maß an Kontinuität und Stabilität (»Harmonie«) bringen: Sowohl das Erzielen
von Image-Gewinnen (»Pluspunkten«) wie auch das Vermeiden von Image-Verlusten
(»Minuspunkten«) wird in einer Struktur von Ritualen reproduziert, die »wie traditio-
nelle Züge in einem Spiel oder traditionelle Schritte in einem Tanz« (Goffman 1986,
18) den Einzelnen in eine »expressive Ordnung« integrieren, für die jeder der Akteure
mit die Verantwortung übernimmt und in der die »doppelte Wirkung der Regeln von
Selbstachtung und Rücksichtnahme« darin besteht, »daß sich jemand bei einer Be-
gegnung tendenziell so verhält, daß er beides wahrt: sein eigenes Image und das der
Interaktionspartner«. (Ebd., 16)25
Die »inhaltlichen« Kriterien, mit denen die Wahrung von Images erfolgt, spielen
für Goffmans Image-Konzept im wesentlichen keine Rolle. Er beläßt es bei einigen
wenigen Hinweisen wie z.B. dem, daß gute Images auf der Basis »sozial anerkannter«
Eigenschaften zugewiesen werden (s.o.). Von Interesse ist für Goffman vielmehr die
23 Vgl. ebd., 17. In ähnlicher Weise beschreibt Luhmann (vgl. 1972 und 1997) »Achtungs-
kommunikation« als ein funktionales Systemelement »einfacher Sozialsysteme« mit der
Aufgabe, die Systemgrenze zu konturieren und als eine Form sozialer Kontrolle, Kon-
tingenz und Komplexität des Verhaltens der Akteure für das System zu reduzieren und
Reproduktionschancen des Systems zu erhöhen. Luhmann nimmt jedoch im Unterschied
zu Goffman an, daß sich Interaktion durch seine jeweils eigene Geschichte als System
bildet (von seiner Umwelt abgrenzt) und daß diese Geschichtlichkeit/Selbststeuerung des
Systems über »Themen« erzeugt wird, die in die Interaktion eingebracht werden. Vgl. zu
Anschlußmöglichkeiten der Goffman’schen Theorie der Interaktion und der Systemthe-
orie Willems 1997, 34-39.
24 Auch als Rahmungen sind die konkreten Images soziale Gebilde: »Immer aber ist das
eigene soziale Image, selbst wenn es persönlichster Besitz und Zentrum der eigenen Si-
cherheit und des Vergnügens sein kann, nur eine Anleihe der Gesellschaft; es wird einem
entzogen, es sei denn, man verhält sich dessen würdig. Anerkannte Eigenschaften und
ihre Beziehung zum Image machen aus jedem Menschen seinen eigenen Gefängniswär-
ter; dies ist ein fundamentaler sozialer Zwang, auch wenn jeder Mensch seine Zelle gerne
mag.« (Goffman 1986, 15)
25 Goffman verdeutlicht den Aspekt der Gemeinsamkeit der Image-Arbeit u.a. an Alltagsbe-
griffen wie Fauxpas, Etikette, Takt sowie an Kommunikationsformen, die Image-Schäden
vermeiden sollen (z.B. Ironie, Witz, Undeutlichkeit). Wie Goffman anmerkt, stellt die
wechselseitige Akzeptanz von Verhaltensstrategien jedoch faktisch eher die Ausnahme
dar. Die gegenseitige Anerkennung bilde lediglich einen allgemeinen »Arbeitskonsens«
für Interaktionen, und zwar insbesondere bei »direkten Gesprächen« (vgl. ebd., 17).
1. IMAGE ALS HISTORISCHES ALLTAGSPHÄNOMEN |21
analytische Rekonstruktion der rituellen Ordnung als solcher, z.B. über eine systema-
tische Darstellung von Handlungsschritten, die diese Ordnung aufführen und damit
Images (re-)produzieren?° — Goffman spricht von »Ausdruckssystemen«.?’ Daß es
ihm damit um eine voraussetzungsreiche Praxis von Techniken geht, deren Beherr-
schung als eine Eigenschaft des Selbst fungieren können muß, betont Willems:
Goffman versteht diese Dispositionen (Eigenschaften«) des Selbstes ganz im Sinne der [...]
Habituskonzeption als Entsprechungen einer bestimmten Klasse von existenzbedingenden
Praxisstrukturen, nämlich als »sekundäre« Korrelate »syntaktischer Beziehungen zwischen
den Handlungen verschiedener gleichzeitig anwesender Personen. D.h., die als »kulturspezi-
fische Matrix von Möglichkeiten« institutionalisierten »Praktiken zur Wahrung des Images:
werden im Sozialisationsprozeß habituell. (Willems 1997, 206)
1.4 Image als »Pseudoereignis« (Boorstin)
Einen Zugang zu einer historischen Perspektive auf das Alltagskulturphänomen Image
eröffnet die Untersuchung des Historikers Boorstin mit dem Titel »The Image or what
happened to the american dream?« (1961)2% Sie identifiziert die Entwicklung von Image
und Images mit der Einführung der modernen Massenmedien, insbesondere der bildge-
benden Verfahren und der durch diese verursachten »graphischen Revolution«. Obwohl
dieser Ausgangspunkt sowie einige Beschreibungen historischer Begebenheiten immer
noch plausibel erscheinen, 2? wird man sein Image-Konzept für die hier zugrunde liegen-
de Fragestellung kaum noch übernehmen können. Das Problem liegt vor allem in einer
unzureichenden Spezifizierung des Begriffs und in einem sehr weit gefaßten Verständnis
26 Goffman beschreibt entsprechend ein Repertoire grundsätzlicher »Techniken der Image-
pflege«, die typischerweise zu jedermanns Verhalten im Umgang mit anderen gehören
(vgl. ebd., 21-33).
27 Neben diversen symbolischen Möglichkeiten, Achtung zum Ausdruck zu bringen, fun-
gieren Gefühle insofern als soziale Handlungsschritte, als der Körper die Emotionen sei-
nes Besitzers veräußert und mit den zum Ausdruck gebrachten Gefühlen (Stolz, Scham,
Ehrgefühl, Herzlosigkeit, Würde) die Interagierenden über den Stand der (rituellen) Din-
ge informiert und damit den weiteren Handlungsverlauf beeinflußt. Ohne die Berück-
sichtigung der zum Ausdruck gebrachten Emotionen, so Goffman, wäre das Verständnis
der Interaktionsordnung kaum möglich (vgl. 1986, 29).
28 Die folgenden Zitate beziehen sich auf die deutsche Erstausgabe von 1964.
29 Zum Beispiel stellt Boorstin fest, daß die technischen Bildmedien eine wichtige Rolle
spielen, indem sie Images »vervielfachen und verlebendigen« und daß sie, neben ande-
ren Lebensbedingungen der Moderne, die Rezipientenaufmerksamkeit verknappen und
deshalb in den Massenmedien eine »Ikonographie der Geschwindigkeit« ausgearbeitet
wird, deren Anfänge er auf 1850 datiert, also auf die Zeit, in der die »billboards« (Rekla-
metafeln) entstehen (vgl. 1964, 172 £.).
22 | IMAGE. Zus GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN
der Massenmedien als den Generatoren von Images. Deutlich wird beides in der zentra-
len Diagnose, daß sich mit den Massenmedien ein neuartiger Ereignistyp entwickle, den
er »Pseudoereignis« (engl.: »pseudo-event«) nennt. Wie der Name schon sagt, sind da-
mit »falsche< Ereignisse gemeint — Pseudoereignisse, so die Annahme Boorstins, stehen
der Wirklichkeit gegenüber?” und stellen sich als »synthetische« Konstruktionen vor die
yreale Realität«, die demnach als solche zugänglich vorausgesetzt wird 2) Den Begriff
des Images setzt Boorstin dabei auf der Ebene der Pseudoereignisse an bzw. verwendet
er die Begriffe z.T. auch synonym, wie nicht zuletzt an der weitgehenden Entsprechung
der Definitionen von Image einerseits und von Pseudoereignis andererseits zu erkennen
ist: Images sind »Phantasiebilder«, »Abbilder«, »Illusionen« und »Einbildungen«, d.h.,
sie sind als Pseudoereignisse durch ihren (die Realität verdeckenden) Scheincharakter
wesentlich bestimmt. Als Verbreitungsmedien konstituieren und stabilisieren die tech-
nischen Bildmedien also den Verblendungszusammenhang, den die Images herstellen.?
Die an zahlreichen Beispielen aus der Alltags-, Hoch- und der politischen Kultur ent-
lang geführte Darstellung beschreibt die Entwicklung in Richtung Image als eine durch
die (Bild-)Massenmedien verursachte Verfallsgeschichte und konzentriert sich dabei
mehr auf die Beschreibung der » Auflösung der Formen« (so eine Kapitelüberschrift) im
Sinne einer Auflösung (Relevanzminimierung) schriftbasierter (z.B. literarischer) Dis-
kurse und Wissensbestände als auf die Herausarbeitung der Besonderheiten der neuen,
visuellen Medienkultur. Obwohl Boorstin die Bedeutung der »Graphischen Revoluti-
on« immer wieder betont, stellt er in Bezug auf die neu entstehenden Pseudoereignisse
weniger deren spezifische Grammatik als die Falschheit erfundener (Bild-)Berichter-
stattungen in den Vordergrund.?3 Diese Zielrichtung wird auch in der Kontrastierung der
30 Vgl. ebd., z.B. 15, 37.
31 Den Standards epistemologischer Forschung (von Kant bis Konstruktivismus) kann diese
Begriffsbildung nicht genügen. Boorstin selbst stellt in der Einleitung seiner Abhandlung
fest, daß die Definition von Pseudoereignis im Sinne von »falscher Realität: einer Erklä-
rung der damit implizierten »realen Realität« (die er durch die Pseudoereignisse zunehmend
verdrängt sieht) bedürfe, doch läßt er dieses Problem in der Arbeit durchgehend unberück-
sichtigt. Dieses Defizit schmälert jedoch nicht die Leistung der Arbeit, die darin besteht,
daß er den Image-Begriff zur Entstehung der (Bild-)Massenmedien in Beziehung setzt.
32 Auch die spezifischen Charakteristika von Pseudoereignis sind allesamt in denen von
»Image« enthalten. Images sind Boorstin zufolge: 1. »synthetisch« (geplant, um einen
bestimmten Eindruck zu machen); 2. »überzeugend« (durch Darstellungen, die Glaub-
würdigkeit erzeugen); 3. »passiv« (sie erzeugen einen »Konformismus«, der sich an
Images/Leitbildern ausrichtet); 4. »lebensnah und konkret« (durch »lebendige Anschau-
ungsbilder«); 5. »vereinfacht« (komplexitätsreduziert und daher verständlich); 6. »zwei-
deutig« (als Bilder lassen sie Interpretationsspielräume offen), vgl. ebd., 161-169.
33 Bezeichnenderweise bezieht sich der Nachweis dieser Falschheit dann meist auf schrift-
liche Mitteilungen. So werden z.B. im Falle der Werbung fast ausschließlich Slogans
oder textbasierte (»falsche<) Qualitäts-Hinweise und (falsche) Argumentationen themati-
siert (vgl. ebd., 184-197).
1. IMAGE ALS HISTORISCHES ALLTAGSPHÄNOMEN |23
Begriffe Ideal und Image deutlich, die Boorstin im Anschluß an eine bekannte Metapher
zum Ausdruck bringt: Während Ideale als unveränderliche Orientierungen des Han-
delns und Verhaltens fungierten, so wie einst die ungreifbaren Sterne am Himmel dem
Seefahrer in der Nacht den Weg wiesen, seien die zunehmend an die Stelle der Ideale
tretenden Images nur noch wandelbare Leitbilder”*, die nach Bedarf ausgetauscht wer-
den könnten. Daß Boorstin in diesem Wandel einen neuen Utilitarismus erkennt, dessen
moralische Minderwertigkeit (Falschheit) eine zentrale Eigenschaft der so definierten
Images (Leitbilder) ist, mag folgendes Zitat verdeutlichen:
Ideale werden gebraucht, weil sie in ihrer vollkommenen Form irgendwie schwer zu errei-
chen sind. Ein Image dagegen ist etwas, auf das wir einen Anspruch erheben. Es muß unseren
Zwecken dienen. Leitbilder sind Mittel. Wenn das Leitbild einer Firma ihr (oder das Leitbild
eines Menschen ihm) nicht nützlich ist, wird es aufgegeben. (Ebd., 172, vgl. auch 158 f.)
Boorstin geht es also im Grunde mit seiner Beschreibung des »Zeitalters der Images«
um die Beschreibung einer massenmedial gesteuerten Gesellschaft, die im Unter-
schied zu ihren (nicht dargestellten) Vorläufern über keine stabilen Normen und Idea-
le mehr verfügt und sich gleichsam statt dessen an wandelbaren Leitbildern (Images)
orientiert, die den verschiedensten und ständig wechselnden Zwecken unterstellt wer-
den können. Und weil Boorstin Images in diesem Sinne als Leitbilder definiert, sieht
er in der Soziologie eine Wissenschaft, die den historischen Dekonstruktionsprozeß
der Ideale flankiert: Indem die Soziologie mit ihren Statistiken Durchschnittswerte
erzeugt (z.B. in Bezug auf Themen wie geschlechtsspezifisches oder abweichendes
Verhalten usw.), (Wunsch-)Vorstellungen typisiert oder moderne Werte und deren
Wandel beschreibt, stellt sie temporalisierte wie temporalisierende »Normmodelle«
bereit, die als vorübergehende Leitbilder des Verhaltens und Handelns wirksam wer-
den (ebd., 175).35
34 Während die deutsche Übersetzung die Wörter »Leitbild« und »Image« (vermutlich aus
stilistischen Gründen) abwechselnd zum Einsatz bringt, spricht Boorstin durchgehend
von Image und unterscheidet lediglich Firmen-Images als »Corporate-Images« (dt.:
»Firmen-Leitbilder«). Der Begriffswechsel in der Übersetzung ist insofern legitim, als
Boorstin fast durchgehend Leitbilder im Sinne von Pseudoereignissen meint.
35 Ein ähnliches Problem sieht Link, wenn er der empirischen Sozialforschung im 19. Jahr-
hundert eine zentrale Rolle bei der Entstehung des von ihm sogenannten »Normalismus«
zuschreibt (vgl. Link 1997).
24 | IMAGE. Zus GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN
1.5 Wozu Image? Ausgangspunkte der Luhmann’schen Theorie
symbolisch generalisierter Kommunikationsmedien
Man kann nun eine Gemeinsamkeit dieser Image-Konzepte — bei allen hier nicht wei-
ter eruierten Verschiedenheiten im Detail?® — darin sehen, daß sie alle eng verwandt
sind mit Begriffen wie Schema, Rahmen, Skript oder Deutungsmuster. Sie heben auf
die Typisierung des Sinnhaften zu Mustern ab, die als Vorstellungssysteme das Erle-
ben und Handeln von Menschen leiten und dies als soziale Konstruktion von Wirk-
lichkeit tun, insofern sie als kollektive Vorstellungsbilder fungieren. Typisierend läßt
sich sagen: Der Image-Begriff nimmt in der neueren Forschung jenen Platz ein, der in
der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts durch den Begriff des Stereotyps besetzt war.?7
Da es sich entsprechend um sehr allgemeine Erklärungs- und Beschreibungsansätze
handelt, deren Gegenstand sich in den verschiedensten Bereichen des Psychischen,
Sozialen, Kulturellen und Gesellschaftlichen ereignet, ist es durchaus verständlich,
daß der Image-Begriff ebenso wie die Begriffe Rahmen oder Schema in die verschie-
densten Fachwissenschaften Eingang gefunden hat, ja daß man von Image geradezu
als einem transdisziplinären Begriff der Kulturwissenschaften sprechen kann. Die An-
36 Zu einem weiterführenden Überblick über die Konzepte vgl. z.B. Hesse/Gelzleichter
1993, 411-415. Hier findet sich auch der Hinweis auf Iwands Begriffssystematik, der
sich nach wie vor die verfügbaren Begriffsvarianten zuordnen lassen: »a) Image, Bild,
Vorstellungsbild, Leitbild, Gesamterlebnis; b) Vorurteil, Stereotype, Klischee, Attitüde;
c) Imago, Tiefenbild, Archetyp; d) Anmutung, Eindruck; e) Ruf, Aura, Reputation, good/
bad will; f) Psychotyp; g) IKonik.« (Iwand 1974, 11 f.) Zu einer neueren Variante eines
psychologischen Konzepts, das auf den Vorurteilscharakter von Images (Vorstellungen)
abhebt, der sich mittels »psychologischer Mechanismen« in Prozessen der Komplexitäts-
reduktion, der Verallgemeinerung, der Überverdeutlichung und der Bewertung konstitu-
iert vgl. Bergler 1991, 47. Ein ähnlicher Image-Begriff findet sich in der sozialpsycho-
logischen Vorurteilsforschung, wenn diese auf die Beschreibung von Stereotypen zielt
(vgl. Koch-Hillebrecht 1978 und die Beiträge in Leithäuser u.a. (Hg.) 1977). Zu einem
psychologischen Verständnis von Images im Sinne »kognitiver Karten« vgl. Läge/Kälin
2005.
37 Мап denke etwa an Lippmanns Überlegungen zu Stereotypen im Rahmen seiner Theo-
rie einer »Public Opinion«, in denen Image synonym zu Stereotyp gebraucht wird (vgl.
Lippmann 1922). Gemeint sind hier nicht nur Schablonisierungen der Medienberichter-
stattung, sondern auch Typisierungsvorgänge, die menschlichem Denken und Kommu-
nizieren generell eigen sind. Auch in Gehlens wenig später verfaßten anthropologischen
und sozialpsychologischen Studien zielt der Stereotypenbegriff nicht exklusiv auf die
Sphäre der »Erfahrungen zweiter Hand« sondern, z.B. im Anschluß an die Gestaltpsy-
chologie, auf die allgemeine »Neigung unseres psychischen Apparates, alle Arten von
Unregelmäßigkeiten, Lücken, Unvollständigkeiten und Unschärfen im Gegebenen zu-
gunsten geschlossener, abgerundeter und maximal übersichtlicher Formen zu retouchie-
ren.« (Gehlen 1993, 188)
1. IMAGE ALS HISTORISCHES ALLTAGSPHÄNOMEN |25
wendungskontexte reichen jedenfalls von der Wissenssoziologie?® über die Kunstge-
schichte (Bildwissenschaft)” und die politische Ikonographie“" bis hin zur literatur-
wissenschaftlichen Narrationstheorie.*!
Nun ist jedoch nicht zu übersehen, daß Image-Begriffe im Sinne von Vorstel-
lungsbild nicht zur Klärung der Frage beitragen können, warum, inwiefern und wozu
sich das Phänomen Image im 20. Jahrhundert entwickelt. Es geht in den genannten
Ansätzen (die Studie von Boorstin ausgenommen) keineswegs um eine genealogi-
sche Beschreibung und Erklärung dessen, was in der Alltagskultur selbst als Image
bezeichnet wird. Und ebenso wenig spielt hier die Frage eine Rolle, ob und inwie-
fern es spezifische »Gegenstände« (soziale Konstruktionen) gibt, auf die sich die all-
tägliche Bezeichnung von Image bezieht. Entsprechend kann eine entwicklungsge-
schichtliche Perspektive auf Image an diesen Konzepten nicht anschließen.*? Um
so mehr kommt es hier darauf an, die Historizität des Phänomens theoretisch und
empirisch-analytisch genauer in den Blick zu nehmen und danach zu fragen, unter
welchen Voraussetzungen und Bedingungen eben jene spezifische Form der Typisie-
rung entsteht, die in etwa in den 1950er Jahren unter dem Namen Image die Bühne
der Alltagskultur betritt. Vorliegende Untersuchung schließt also an Boorstin an, in-
sofern sie Image als einen historischen Tatbestand rekonstruiert und dabei die Bild-
medien als einen zentralen Generator der Entwicklung betrachtet. Im Unterschied
zu Boorstin setzt sie jedoch nicht an der Frage nach dem ontologischen Status von
Image(s) bzw. an der Gegenüberstellung von falscher und richtiger Realität an. Die
Frage ist vielmehr, ob und inwiefern die Einführung der technischen Bildmedien die
Etablierung von Image unter funktionalen Gesichtspunkten notwendig macht und
welche Merkmale für die bezeichneten Phänomene charakteristisch sind. Um den
Ausgangspunkt dieser Fragestellung zu verdeutlichen, kann wiederum ein Blick auf
die erwähnten Image-Konzepte dienen. Auch in deren Kontext finden sich nämlich
(wenn auch selten) zeitdiagnostische Argumentationen, die eine bestimmte Funktio-
nalität von Images unter den Bedingungen der modernen Massenmedien annehmen.
Als funktional werden Images im Sinne von Vorstellungsbild oder Stereotyp näm-
38 Vgl. Dreitzel 1961; Knoblauch 2005.
39 Zu einem Sammelband, der verschiedene historische Bildkonzepte, vorwiegend aus dem
Bereich der Kunst und der (Selbst-)Darstellung von Machthabern, unter dem Image-
Begriff versammelt vgl. Köstler/Seidl (Hg.) 1998.
40 Zu Konzepten und empirischen Befunden einer neueren sozialwissenschaftlichen Theo-
rie der »visuellen Politik der Sichtbarkeit«, deren Ursprünge in der Kunstgeschichte zu
sehen sind, vgl. Holert (Hg.) 2000.
41 Vgl. Nünning/Nünning 2003.
42 Eine genealogische Perspektive auf Image im Sinne von »Vorstellung« anzulegen, würde
bedeuten, die Frage nach der Entstehung der Typisierung von Sinn (Vorstellungen) zu
stellen bzw. nach einem Formen- und Funktionswandel von Vorstellungssystemen im
allgemeinen zu fragen.
26 | IMAGE. Zus GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN
lich angesehen, weil sie Komplexität reduzieren und Orientierung in den zunehmend
unübersichtlichen Kommunikationsverhältnissen schaffen. Schon Lippmann geht in
seiner Studie »Public Opinion« (1922) von einem anwachsenden Bedarf an Stereoty-
pisierungen in der öffentlichen Sphäre aus und führt diesen auf die mit der Expansion
der Massenmedien einhergehenden Informationsquantitäten zurück. Er sieht, daß die
neue Informationsflut auch und gerade deshalb problematisch ist, weil (Rezipienten-)
Aufmerksamkeit prinzipiell eine knappe Ressource darstellt. Die Schablonisierung,
Generalisierung, Vereinfachung und Übertreibung von Mitteilungen übernimmt also
nicht nur Entlastungsfunktionen für Individuen (Komplexitätsreduktion), sondern
erscheint zudem als kommunikative Anpassungsform massenmedialer Sinnanbieter
an die neuen Konkurrenz- und Knappheitsbedingungen.*? Diese Perspektive, die für
eine allgemeine Theorie massenmedialer Kommunikation sicherlich von zentraler
Bedeutung ist und zu Recht bis in die aktuellen Debatten hinein eine wichtige Rolle
spielt, zeigt aber wiederum nur, daß der Image-Begriff hier auf verschiedenste Ty-
pisierungen zielt und die Funktionalität entsprechend in der Typisierung als solcher
gesehen und auf die Problemlagen der modernen »Informationsgesellschaft« bezo-
gen wird.** Schränkt man die Fragestellung jedoch auf einen spezifischen Typus von
Typisierungen ein, nämlich auf denjenigen, der sich in der Gesellschaft bzw. der All-
tagskultur an der Bezeichnung Image zu erkennen gibt, muß auch die Beschreibung
derjenigen Prozesse und Problemlagen enger gefaßt werden, die dieser spezifischen
Schematisierung vorausgehen bzw. diese entwicklungsgeschichtlich bedingen. Eine
solche Einschränkung erfolgt hier zum einen im Anschluß an die Luhmann’sche The-
опе der symbolisch generalisierten Kommunikationsmedien.*° Mit dieser Theorie
wird die Frage nach der Entwicklung von Image als eine Frage nach einer histori-
schen Konstellation gestellt, in der die Annahme und Akzeptanz bestimmter Mittei-
lungen zum Problem wird. Zum anderen und zugleich erfolgt eine nähere Ausein-
andersetzung mit der Frühgeschichte der Photographie und der Geschichte der bild-
basierten Werbung — mithin jenen Sphären kultureller (Re-)Produktion, die mit dem
Image-Begriff häufig assoziiert werden. Dieses Vorgehen folgt der Hypothese, daß
die soziokulturellen Folgen bereits oder gerade mit der ersten Variante technischer
Bildmedien, also zu der Zeit eines mit der Photographie einhergehenden Medienum-
bruchs, besonders deutlich werden.
Welche theoretischen Ausgangspunkte ergeben sich nun für die gewählte Frage-
stellung im Rahmen des Luhmann’schen Konzepts der symbolisch generalisierten
43 Insbesondere bei seinen Beschreibungen der Arbeit von Zeitungsredaktionen konkreti-
siert Lippmann diesen Sachverhalt (vgl. z.B. 1964, 244 ff.).
44 Zu einem Überblick über Studien, die den Image-Begriff dementsprechend auf die Be-
darfslagen einer »Informationsgesellschaft« beziehen, vgl. Hesse/Gelzleichter 1993,
416-419.
45 Vgl. Luhmann 1974.
1. IMAGE ALS HISTORISCHES ALLTAGSPHÄNOMEN |27
Kommunikationsmedien?*° Eine wesentliche Prämisse dieser Theorie liegt in der An-
nahme von Kommunikation als dem grundlegenden Vorgang, mit bzw. in dem sich
das Soziale ereignet. Da Kommunikation immer eine Mehrzahl von mitwirkenden
Bewußtseinen voraussetzt und als Vorgang wie als Kommunikationseinheit nicht
einem Einzelbewußtsein zugeordnet werden kann, sind Kommunikationen für Luh-
mann die spezifischen Operationen sozialer Systeme, bzw. ist Kommunikation »die
einzig genuin soziale Operation« (Luhmann 1997, 81). Als solche steht sie immer in
Bezug zu anderen Kommunikationen, ja sie existiert nicht ohne rekursive Vernetzung,
ohne »ein Netzwerk, an dessen Reproduktion jede einzelne Kommunikation selber
mitwirkt«. (Ebd., 83) Kommunikation, die Luhmann als Zusammenhang der Selekti-
onen Information, Mitteilung und Verstehen definiert,“ ist als basaler sozialer Prozeß
der »Stoff«, der Gesellschaft konstituiert:
Die Gesellschaft ist ein autopoietisches System, auf der Basis von sinnhafter Kommunikation.
Sie besteht aus Kommunikationen, sie besteht nur aus Kommunikationen, sie besteht aus al-
len Kommunikationen. Sie reproduziert Kommunikation durch Kommunikation. Was immer
sich als Kommunikation ereignet, ist dadurch Vollzug und zugleich Reproduktion der Gesell-
schaft. Weder in der Umwelt noch mit der Umwelt der Gesellschaft kann es daher Kommu-
nikation geben. Insofern ist das Kommunikationssystem der Gesellschaft ein geschlossenes
System. Sie ist aber nur in einer Umwelt, vor allem nur dank psychischen Bewußtseins, dank
organischen Lebens, dank physischer Materialisierungen, dank der Evolution von Sonnen
und Atomen möglich. (Luhmann 1984a, 311)
Eine erste für die Theorie der Kommunikationsmedien relevante Pointe besteht nun
darin, daß sie Kommunikation nicht als Prozeß der »Übertragung« von Informationen
zwischen Akteuren versteht. Wie Luhmann in Bezug auf verschiedene, die Kommuni-
kation bedingende Strukturen und Aprioris verdeutlicht, ist Kommunikation vielmehr
»unwahrscheinlich«. Die Wahrnehmung, das Bewußtsein oder die Kommunikation
selbst sind als komplexe Selektionsmechanismen aufzufassen, deren theoretische
Beschreibung die Annahme zurückweist, daß sich Kommunikation (wie in der auf
46 Zu einer vergleichenden Darstellung der Medienkonzepte von Parsons, Habermas und
Luhmann, die hier nicht näher thematisiert werden kann, vgl. Künzler 1989.
47 Vgl. dazu ausführlich z.B. Luhmann 1987. In Bezug auf die Frage nach der evolutiven
Entwicklung dieser synthetisierenden Selektionsleistungen schreibt Luhmann: »Ent-
scheidend dafür dürfte sein, daß Sprechen (und dieses nachahmende Gesten) eine Intenti-
on des Sprechers verdeutlicht, also eine Unterscheidung von Information und Mitteilung
und im weiteren dann eine Reaktion auf diesen Unterschied mit ebenfalls sprachlichen
Mitteln erzwingt. Erst dadurch entsteht überhaupt, als Komponente dieser Unterschei-
dung, eine Information mit Informationswert, d.h.: eine Information, die den Zustand des
sie prozessierenden Systems ändert (im Sinne des berühmten Diktums von Bateson: a
difference that makes a difference)« (Luhmann 1997, 85 Ё).
28 | IMAGE. Zus GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN
Technik bezogenen Informationstheorie) als Übergabe eines Kommunikats (einer In-
formation) von einem Sender an einen Empfänger konzipieren läßt. Plausibel wird
das besonders dann, wenn man wie Luhmann Kommunikation nicht vom Mittei-
lungshandeln, sondern vom Verstehen aus perspektiviert. Der Empfänger, dem das
Bewußtsein (die Gedanken) des anderen (des Senders) prinzipiell verschlossen ist
(sind), kann dessen Mitteilung nur über den Umweg der immer sozialen Kommuni-
kation und nur im Rahmen derjenigen Unterscheidungsleistungen verstehen, die an
der (Re-)Produktion von Kommunikation beteiligt sind. Da die Komplexität kommu-
nikativer Prozesse es als unwahrscheinlich erscheinen läßt, daß der Empfänger über-
haupt dieselben Unterscheidungen wie der Sender an Kommunikation anlegen kann,
daß also der Enkodierung überhaupt eine Dekodierung entsprechen kann,*® wird das
kommunikationstheoretische Modell der »Übertragung« (auch im erweiterten Sinne
der Annahme von En- und Dekodierungsprozessen) von Information zurückgewiesen
und durch die Theorie der Kommunikationsmedien ersetzt. Mit ihr will Luhmann
erklären, warum Kommunikation trotzdem funktioniert, d.h. wie es möglich ist, daß
Kommunikationen produziert und aneinander angeschlossen werden können.
Die Unwahrscheinlichkeit der Kommunikation ist also für Luhmann der allgemeine
Ausgangspunkt der Erklärung eines Bedarfs und der Entstehung der Kommunikations-
medien bis hin zu den regelgeleiteten (»codierten«, »programmierten«) »symbolisch ge-
neralisierten Kommunikationsmedien« wie etwa Liebe oder Macht, die Luhmann auch
als »themenorientierte Spezialsprachen« bezeichnet. Die Theorie der Kommunikations-
medien unterscheidet nun unterschiedliche Unwahrscheinlichkeiten und entsprechend
unterschiedliche Medien, die als Wahrscheinlichkeitssteigerungsmechanismen des
Funktionierens von Kommunikation gedacht sind: Auf der allgemeinsten Ebene geht es
Luhmann um die Unwahrscheinlichkeit des Sichereignens von Kommunikation über-
haupt. Denn, so die Überlegung, ohne eine bereits vorliegende Kommunikation gäbe
es keinen Anlaß zur Kommunikation. Da die Möglichkeit der Entstehung von Kommu-
nikation also bereits ihr Vorhandensein voraussetzt, stellt sich die Frage »wie denn die
Kommunikation selbst ihre eigene Unwahrscheinlichkeit des Sichereignens überwinden
kann« (Luhmann 1997, 190). Sie stellt sich um so mehr, als alle der an Kommunikation
beteiligten Komponenten (Information, Mitteilung, Verstehen) als Selektionsleistungen
jeweils anders möglich, d.h. kontingent sind und es daher unwahrscheinlich ist, daß
sich Bewußtseine und »psychische Systeme« auf Kommunikation überhaupt einlassen.
Die Unwahrscheinlichkeit der Kommunikation wird nun, so Luhmann, in der Kom-
munikation mit Hilfe der Unterscheidung von Medium und Form gelöst bzw. durch
die Unterscheidung von Medium und Form das Problem der Unwahrscheinlichkeit in
eine Form transformiert, die die (Re-)Produktionswahrscheinlichkeit von Kommunika-
tion steigert. Das Durchführen der Unterscheidung von Medium und Form bezeichnet
48 Obwohl, wie auch Luhmann feststellt, Kommunikation im Alltag meistens reibungsfrei
abläuft, kommt die Theorie nicht umhin festzustellen, daß »Konsens im Vollsinne einer
vollständigen Übereinstimmung unerreichbar ist.« (Luhmann 1997, 82)
1. IMAGE ALS HISTORISCHES ALLTAGSPHÄNOMEN |29
Luhmann als ein »Kommunikationsmedium«: »Wenn wir von »Kommunikationsme-
dium« sprechen, meinen wir immer die operative Verwendung der Differenz von me-
dialem Substrat und Form« — und Kommunikation, so Luhmann weiter, ist »nur als
Prozessieren dieser Differenz möglich« (ebd., 195). Das Kommunikationsmedium ist
also nicht das »mediale Substrat«*°, und es sind auch nicht die Formen, sondern es ist
das, was in der Unterscheidung und dem prozessualen Fortgang von Unterscheidungen
im Zusammenhang in Erscheinung tritt.
Kommunikationsmedien sind also Unterscheidungen von Medium und Form, die,
obwohl sie beobachterabhängig sind, die Unwahrscheinlichkeit des Sichereignens
von Kommunikation reduzieren. Ein plastisches Beispiel dafür ist die Medium-Form-
Unterscheidung, die das Kommunikationsmedium Sprache ermöglicht. Die einzel-
nen, ungekoppelten Laute bilden ein Medium, in dem sich die zu Wörtern aneinander-
gebundenen Laute der gesprochenen Sprache als Formen deutlich abheben und sich
als solche von dem Medium unterscheiden lassen. Betrachtet (hört) man hingegen
Wörter in ihrer Vielzahl und in ihrer spezifischen Abfolge, werden sie zu Medien, in
denen Sätze als Formen Kontur gewinnen. Medium und Form sind also aufeinander
bezogene Begriffe, die mit der Beobachterposition variieren — Medien können zu For-
men werden und umgekehrt. In jedem Fall ist, so Luhmann, die Form »stärker als das
mediale Substrat« und »setzt sich im Bereich der lose gekoppelten Elemente durch
[...]. Andererseits sind Formen weniger beständig als das mediale Substrat. Sie erhal-
ten sich nur über besondere Vorkehrungen wie Gedächtnis, Schrift, Buchdruck. Aber
selbst dann, wenn eine Form als wichtig bewahrt wird, und hierfür setzen wir den
Begriff der Semantik ein, bleibt die freie Kapazität des medialen Substrats zu immer
neuen Kopplungen erhalten.« (Ebd., 200) Es geht also um einen Prozeß des Koppelns
und Entkoppelns, denn »das Medium wird wieder freigegeben. Ohne Medium keine
Form und ohne Form kein Medium, und in der Zeit ist es möglich, diese Differenz
ständig zu reproduzieren.« (Ebd., 199)
Zum einen soll das Modell der Unterscheidung von Medium und Form erklären, wie
die Kommunikation Bedingungen herstellt, die ihre Reproduktion auf Dauer stellen:
Auf Grund dieser in sich asymmetrischen Form der Unterscheidung von medialem Substrat
und Form prozessieren Kommunikationssysteme Kommunikationen. Sie lenken damit die
Fokussierung von Sinn auf das, was jeweils geschieht und Anschluß sucht. So kommt es zur
Emergenz von Gesellschaft, und so reproduziert sich die Gesellschaft im Medium ihrer Kom-
munikation. Mit diesem komplexer gebauten Begriff ersetzen wir die übliche Vorstellung
eines Übertragungsmediums, dessen Funktion darin besteht, zwischen unabhängig lebenden
Organismen zu »vermitteln«. (Ebd., 201)
49 »Wo es auf größere Genauigkeit ankommt und nur die eine Seite der Unterscheidung im
Unterschied zu (und nicht in Einheit mit) der anderen bezeichnet werden soll, werden wir
[...] von medialem Substrat sprechen.« (Luhmann 1997, 195) Vorliegende Arbeit verfährt
entsprechend.
30 | IMAGE. ZUR GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN
Zum anderen wird festgestellt, daß die Anschlußfähigkeit für weitere Operationen
über die Medium-Form-Unterscheidung immer auf der Seite der Form — und nicht auf
der Seite des medialen Substrats — hergestellt wird. Das gilt für die Wahrnehmungsme-
dien wie für die Kommunikationsmedien: »Auch hier bilden, wenn man auf Sprache
abstellt, nicht schon Worte, sondern erst Sätze einen Sinn, der in der Kommunikation
prozessiert werden kann.« (Ebd.) Das bedeutet, daß auf der Ebene des Sinns erneut
— aber jetzt in anderer, spezifizierter Weise — das Problem der Unwahrscheinlichkeit
der Kommunikation entsteht. Jetzt geht es nicht mehr um die Unwahrscheinlichkeit
der Kommunikation an sich, sondern es geht um die Unwahrscheinlichkeit, daß das
Sinnangebot, das als Form kommuniziert wird, als solches angenommen wird, also
um die Unwahrscheinlichkeit der Annahme des jeweils spezifischen Sinns. In dem
Moment, in dem Sätze — um beim Beispiel der Sprache zu bleiben — Sinn als Form
fixieren stellt sich überhaupt erst die Frage nach Zustimmung oder Ablehnung, und
sie stellt sich notwendigerweise im Vollzug von Sprache permanent, insofern »jede
Kommunikation eine offene Situation herstellt, in der Annahme und Ablehnung des
Sinnvorschlages möglich sind«. (ЕЫа.)50
Von dieser Stufe aus entwickelt Luhmann das Theorem der symbolisch genera-
lisierten Kommunikationsmedien. Diese reagieren nicht nur auf das Problem, daß
Kommunikation prinzipiell Zustimmung bzw. Reaktanz evoziert, sondern auf vor-
aussetzungsvollere Bezugsprobleme, die sich in konkreten historischen Konstella-
tionen ergeben.°! Die Beschreibung der symbolisch generalisierten Kommunikati-
50 Luhmann geht daher von einer Ja/Nein-Codierung der Sprache aus. Zur argumentativen
Herleitung dieser Annahme vgl. ausführlich Luhmann, z.B. 1997, 205-230. Obwohl be-
reits die Sprache Komplexität reduziert, ist der Vergleich von Sprache und symbolisch
generalisierten Kommunikationsmedien ein »schief laufender Vergleich« (Luhmann
1987). Das Vorhandensein von Sprache macht vielmehr andere (weitere) Kommunika-
tions-Codes um so erforderlicher: »Die durch Sprache gesteigerte Kontingenz erfordert
Zusatzeinrichtungen in der Form weiterer symbolischer Codes, die die wirksame Über-
tragung reduzierter Komplexität steuern.« (Luhmann 1974, 239)
51 Das allgemeine, gemeinsame Bezugsproblem aller symbolisch generalisierten Kommuni-
kationsmedien sieht Luhmann im Anschluß an Parsons darin, daß bei evolutionär zuneh-
mender Systemdifferenzierung »jedes System seine Einzelbeziehung zu einem anderen
System nach Maßgabe generalisierter Bedingungen der Kompatibilität mit den übrigen
Systemen steuern können (muß). Die Vielzahl der Außenbeziehungen, die bei System-
differenzierung anfallen, muß daher durch symbolisch generalisierte Tauschmedien wie
z.B. Geld vermittelt werden.« (1974, 238) Luhmann verallgemeinert und respezifiziert
diesen Ansatz jedoch, indem er nicht wie Parsons annimmt, daß hier nur ein (aus System-
differenzierung hervorgehendes) Bezugsproblem im Rahmen von Tauschbeziehungen
(und wechselseitigen Bedürfnisbefriedigungen) vorliegt, sondern ein Bezugsproblem,
das Kommunikation generell betrifft. Die Perspektive auf die Leistung der symbolisch
generalisierten Kommunikationsmedien wird damit erneut auf die Frage nach der »Si-
cherstellung der erfolgreichen Abnahme von Kommunikationen« (ebd.) zurückgeführt.
1. IMAGE ALS HISTORISCHES ALLTAGSPHÄNOMEN |31
onsmedien ist daher eingebunden in die Rekonstruktion der Ausdifferenzierung der
Gesellschaft und solcher Problemlagen, in denen die kommunikative Bewältigung
bestimmter Themen dauerhaft erleichtert werden muß. Dies, so Luhmann, leisten die
symbolisch generalisierten Kommunikationsmedien mit einem Reservoir von »Spiel-
regeln<, die die Kommunizierenden beachten müssen, wenn sie an dem jeweiligen
Thema (erfolgreich) kommunizierend partizipieren wollen bzw. müssen.” Als solche
themenorientierten Spezialsprachen beschreibt Luhmann z.B. Eigentum bzw. Geld,”
Масы,“ Liebe 27 Wahrheit,°° Kunst?! oder auch »moralische Kommunikation«°°.
Ihre allgemeine Funktion besteht darin, »reduzierte Komplexität übertragbar zu ma-
chen und für Anschlußselektivität auch in hochkontingenten Situationen zu sorgen«
(1974, 240). Sie sind »Kontingenzformeln«, die »verständlich und plausibel machen,
daß in bestimmter Weise gelebt und gehandelt wird, obwohl — oder sogar: gerade
weil — auch anderes möglich ist.« (Ebd., 250) Als Mechanismen der Komplexitäts-
reduktion ermöglichen sie zugleich den Aufbau von Komplexität, die Steigerbarkeit
von Kontingenz und damit den Aufbau komplexer Gesellschaften.°” Das Entstehen
spezifischer Probleme und darauf bezogener Spezial-Kommunikationen betrachtet
Luhmann daher als ein Apriori der Entwicklung der meisten sozialen Funktionssyste-
me. Letztere ruhen gleichsam auf den symbolisch generalisierten Kommunikations-
medien. Die symbolisch generalisierten Medien sind also »nicht die Folge funktio-
naler Systemdifferenzierung, sondern eher Katalysatoren für die Ausdifferenzierung
von Funktionssystemen.« (Luhmann 1988b, 68) Das folgende Kapitel geht nun der
Frage nach, ob und inwiefern mit den technischen Bildmedien Problemlagen Einzug
in die Gesellschaft halten, die mit der Entstehung von Image in Verbindung stehen.
52 Luhmann sieht in den symbolisch generalisierten Kommunikationsmedien entsprechend
eine Alternative zu Normen, die im Rahmen funktionaler Differenzierung zunehmend
weniger in eine einheitliche Kosmologie integriert werden können bzw. an Verbindlich-
keit verlieren. Das bedeutet für Luhmann jedoch nicht, daß die Frage »Gibt es in unserer
Gesellschaft noch unverzichtbare Normen?« (1993) durchweg negativ beantwortet wer-
den könnte. Gemeint ist vielmehr, daß die themenorientierten Kommunikationen parallel
zu Normen entstehen, so daß in vielen Bereichen der Gesellschaft Kommunikation im
Verzicht auf diese gesteuert werden kann.
53 Vgl. Luhmann 1988b.
54 Vgl. Luhmann 1975.
55 Vgl. Luhmann 1982.
56 Vgl. Luhmann 1990.
57 Vgl. Luhmann 1995.
58 Vgl. Luhmann 1997.
59 Dabei transformieren sie eher ein Problem, als daß sie es aus der Welt schaffen. Während
die ursprünglichen Ablehnungswahrscheinlichkeiten minimiert werden, werden neue,
nämlich auf das Medium bezogene, mit den symbolisch generalisierten Medien über-
haupt erst erzeugt.
2. TECHNISCHE BILDMEDIEN UND DIE ENTWICKLUNG
VON IMAGE AM BEISPIEL DER PHOTOGRAPHIEGESCHICHTE
DES 19. JAHRHUNDERTS
Einleitung
Wenn im folgenden die technischen Bildmedien am Beispiel der Photographie in den
Mittelpunkt der Betrachtung gerückt werden, geschieht dies keineswegs in der Ab-
sicht, die Technik als den alleinigen oder wichtigsten Generator der Entwicklung in
Richtung Image zu interpretieren. Selbst wenn man davon ausgeht, daß technische
Erfindungen nicht im Blick auf ihre sozialen und gesellschaftlichen Funktionen und
Folgen gemacht werden (müssen), ist nicht zu übersehen, daß die jeweils historisch
vorliegende Gesellschaft dennoch eine zentrale Rahmenbedingung der Technik dar-
stellt, die festlegt, ob und inwiefern sich letztere entfalten kann. Dies verdeutlicht z.B.
die Erfindung des Buchdrucks, die in Europa eine ganz andere Entwicklung einleitet
als z.B. in China.! Es zeigt sich aber auch an der Einführung der Photographie im 19.
Jahrhundert, deren rasche Verbreitung nicht nur die offenen Märkte der Wirtschaft,
sondern auch die spezifische Sozialstruktur einer funktional differenzierten Gesell-
schaft zur Voraussetzung hat: So kann man die Entwicklung der Photographie im
19. Jahrhundert — zumindest auch — mit einer gesteigerten Nachfrage nach Bildern
durch ein expandierendes und zunehmend wohlhabendes Bürgertum in Verbindung
bringen.? Und man kann, noch weiter zurückblickend, diesen Bilderbedarf zu Indi-
vidualisierungsprozessen in Beziehung setzen, die seit der Renaissance ein wichtiges
Moment gesellschaftlicher Modernisierung darstellen und in den entsprechenden Re-
gionen (insbesondere Europa) Einfluß auf die Bildkultur nehmen.
Die folgenden Überlegungen interpretieren die noch zu skizzierenden Bezugs-
probleme also keineswegs als zwingende Folgeentwicklungen der Technik, sondern
1 Zu dieser Gegenüberstellung vgl. Luhmann 1997, 292. Zu den gesellschaftlichen bzw.
kulturellen Folgen der Einführung des Buchdrucks in Europa vgl. z.B. Giesecke 1992.
2 У]. Freund 1979, 13-20. Schon in der Mitte des 18. Jahrhunderts knüpft das Bürger-
tum an Formen der Selbstdarstellung an, die zuvor adeligen Schichten vorbehalten war,
wobei halbindustrielle Verfahren der Portraitherstellung (Miniaturmalerei, Silhouette,
Kupferdruck, Physionotrace), von einem »regelrechten Bildhunger im 18. Jahrhundert«
(Burckhardt 1994, 248 f.) und einem darauf reagierenden Markt zeugen.
34 | IMAGE. ZUR GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN
als ein Resultat, das sich einstellt, wenn die (funktional differenzierte) Gesellschaft
die Möglichkeiten der Entfaltung der technischen Bildmedien im wesentlichen nur
über die Orientierung der Bildproduktion an potentiellen Publika und deren Nach-
frage einschränkt. Gleichwohl läßt sich zeigen, daß die Bildmedien als Generatoren
eines spezifischen Bezugsproblems von Image fungieren, indem sie nämlich als Dar-
stellungs- und Verbreitungstechniken auf die Kommunikationsverhältnisse selbst ein-
wirken. Über diesen Ausgangspunkt wird hier eine komplementäre Perspektive zu
den (wenigen?) soziologischen Studien entworfen, die die gesellschaftlichen Folgen
der Photographie nur in den »sozialen Gebrauchsweisen« (Bourdieu u.a. 1983) im
Sinne einer symbolischen Praxis erkennen, mittels derer sich unterschiedliche Grup-
pen als solche in der Gesellschaft darstellen und positionieren.* Entscheidend ist hier
3 Sieht man sich nach Theorien und empirischen Untersuchungen um, die die gesellschaft-
liche Bedeutung der Photographie in den Blick nehmen, findet man in der beeindrucken-
den Vielzahl von Publikationen im Bereich der Photographiegeschichte wenig (zu einer
soziologischen Analyse der Frühgeschichte vgl. aber Jäger 1996). Die Photographiege-
schichte ist sehr lange und stark auf die Technik- und Kunstgeschichte festgelegt. Wie
Starl (vgl. 1983; vgl. auch Stiegler 2001) feststellt, Kommt erst mit Helmut Gernsheims
»Geschichte der Photographie. Die ersten hundert Jahre« (1969) eine kulturwissenschaft-
liche Dimension hinzu, wobei Studien zur sozialen Dimension der Photographie rar blei-
ben. Auch in kultur- oder sozialwissenschaftlichen Mediengeschichtsschreibungen wird
die Photographie immer wieder ganz vergessen, oder sie nimmt nur einen marginalen
Stellenwert ein (z.B. bei Eckert/Winter 1990). Den Kapiteln über den Buchdruck folgen
häufig bruchlos solche über die »Elektronischen Medien« (vgl. z.B. Dröge/Kopper 1991;
North 1995). Auch Luhmann läßt in seinen geschichtlich systematisierten Abhandlun-
gen über die »Verbreitungs- und Erfolgmedien« (1997) die elektronischen Medien direkt
dem Buchdruck folgen. Zu einem detaillierten Überblick über die Theorie(n) der Photo-
graphie vgl. Stiegler 2006.
4 Zu den klassischen Arbeiten dieses Ansatzes gehören z.B. Bourdieu u.a. 1983, Freund
1979 oder Rouille 1982. Sie legen die soziale Funktion der Photographie im wesentli-
chen auf die Praxis des Photographierens im Sinne einer Selbstdarstellung von Gruppen
fest, wobei die Symbolisierung der jeweiligen Gruppenidentität (die Bourdieu zufolge
ihre Form durch die Orientierung an einem Klassensystem gewinnt) vor allem als ein
»Integrationsritus« (Bourdieu u.a. 1983, 42) der Gruppenmitglieder in die Gruppe fun-
giert und daher — so Bourdieu — diejenigen Zeremonien und Rituale begleitet, denen
ihrerseits eine gruppenintegrierende Funktion zukommt (z.B. Tauffeiern, Hochzeiten).
Während Bourdieu seine Analyse der sozialen Gebrauchsweisen der Photographie als
eine gegenwartsbezogene Studie im Frankreich der 1950er Jahre anlegt, blicken Freund,
Rouillé oder auch Jäger (1996) von einem ähnlichen Standpunkt wie Bourdieu auf die
sozialen Gebrauchsweisen der Photographie im 19. Jahrhundert.
Einen ganz anderen Bezug zur Photographie stellt die Soziologie insofern her, als sie die
Photographie wie die Ethnographie als ein Speichermedium visueller Daten für die For-
schung benutzt und entsprechend (z.B. unter methodologischen Gesichtspunkten) reflek-
tiert. Dabei wurde die photographische Fixierung gesellschaftlicher ›Таќѕасһеп‹ schon
2. TECHNISCHE BILDMEDIEN UND DIE ENTWICKLUNG von IMAGE |35
vielmehr der Sachverhalt, daß die sozialen Folgen — vom soziokulturellen Wandel bis
hin zu den sozialpsychologischen Effekten dieses Wandels — ebenso wie die Funktio-
nen der Photographie gerade nicht auf die sozialen Gebrauchsweisen in diesem Sinne
beschränkt sind. Die Photographie befindet sich seit der Bekanntgabe des Verfahrens
1839 nicht mehr nur in den Händen von Gruppen, die sich mittels eines neuen Dar-
stellungsmediums selbst vergewissern und in diesem Gebrauch die Bedeutung der
Photographie definieren. Im Zuge der Durchdringung der Gesellschaft mit Photogra-
phien, die in Schaufensterauslagen, Photoalben, Plakaten, Zeitungen und Zeitschrif-
ten zu einem gewöhnlichen Bestandteil der Lebenswelt werden, bildet sich, erst recht
mit den Nachfolgemedien Film und Fernsehen, ein Universum technischer Bilder mit
Konsequenzen, die weit über diese symbolische Praxis hinausgehen.? Die substan-
sehr lange als eine Art bildbasierte soziologische Aufklärung betrieben. Die »Field Pho-
tography« von Jacob A. Riis und Lewis W. Hines, die ab 1880 das Leben der Ärmsten
New Yorks dokumentierten, gilt als ein Anfangspunkt dieser Entwicklung (vgl. Freund
1979, 117). In dieser Tradition steht dann auch eine ambitionierte Form des Bildjourna-
lismus, die eine für jeden verständliche Sozialethik entwickelt und einen ersten Höhe-
punkt mit Edward Steichens Wanderausstellung »Family of Man« 1955 erreichte (vgl.
Neumann 1989, 72).
5 Damit ist keineswegs gesagt, daß die Photographie nicht bis heute dafür genutzt werden
kann, gruppen-, klassen- oder milieuspezifische Unterschiede zum Ausdruck zu bringen.
Daß dies geschieht, ist offensichtlich. Offensichtlich ist aber auch, daß selbst die photo-
graphische Praxis Jedermanns längst nicht mehr (und bereits seit der Erfindung der Pho-
tographie keineswegs exklusiv) nur der Selbstvergewisserung von Gruppen und ihren
Mitgliedern als solchen dient, sondern hochindividualisierten Interessen und Funktionen
unterstellt ist, die sich kaum noch mit dem symbolischen Ausdruck im Bourdieu’schen
Sinne verbinden oder gar auf diesen reduzieren lassen. Die Geschichte der Photographie
des 19. Jahrhunderts verdeutlicht vielmehr, daß sich hier ein »Kult des Selbst« (vgl.
Goffman 1981) Bahn bricht, wenngleich dieser Aspekt in der Literatur zur Photogra-
phiegeschichte der »bürgerlichen Photographie« nicht hinreichend berücksichtigt wird.
Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang der insbesondere in der Kultur- und Kunst-
geschichte längst beschriebene Sachverhalt, daß sich bereits am Beginn der Neuzeit eine
an der Darstellung von Individuen orientierte Bildkultur zu entwickeln beginnt (vgl.
Burckhardt 1860). Schon im 16. Jahrhundert etabliert sich z.B. das als Geschenk funk-
tionalisierte Freundschaftsportrait, womit ein Genre von Bildern gemeint ist, das eine
Person oder mehrere Individuen (als solche) zeigt (vgl. Burke 1998, 156).
Im Blick auf die sozialen Gebrauchsweisen der Photographie dürfte jedenfalls schon
seit längerem eine Funktion von besonderer Bedeutung sein, die sich mit Hahns Begriff
des »Biographiegenerators« (Hahn 1987) umschreiben läßt. Denn als Speichermedium
›теапзїїзсһег‹ Bilder ermöglicht die Photographie eine permanent aktualisierbare Selbst-
vergewisserung individueller Identität bzw. das Herstellen einer entsprechenden (Bild-)
Biographie, wobei es offenkundig neben der individuellen Biographie auch um die Bio-
graphie der Primärgruppe Familie — ihrer Erlebnisse, ihres Wandels (z.B. der körperli-
chen Erscheinung ihrer Mitglieder) — geht. Zu einer neueren Untersuchung der sozialen
36 | IMAGE. ZUR GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN
tiellen gesellschaftlichen Folgen sind jedenfalls fraglos im Bereich der öffentlichen
Bilder‘ und einer sich mit den technischen Bildern neu formierenden visuellen Kultur
zu diagnostizieren und ebenda zu ergründen.
Indem dies exemplarisch in Bezug auf die frühe Photographiegeschichte ge-
schieht, bleiben erhebliche Unterschiede, die fraglos zwischen der Photographie und
den jüngeren Techniken Film und Fernsehen bestehen, unberücksichtigt.’ Die Analy-
se der Vergesellschaftung der Photographie des 19. Jahrhunderts verdeutlicht jedoch,
daß die entscheidenden Strukturmerkmale der modernen Massenbildmedien bereits
mit der Photographie entstehen und wirksam werden. Konkret faßbar wird dies an
inszenatorischen Praktiken sowie an Beiträgen zur gepflegten Semantik, die entlang
von Zeitungsartikeln, populärwissenschaftlichen Publikationen (z.B. Ausstellungs-
kataloge, Ratgeberliteratur) oder privaten Stellungnahmen (z.B. Briefe, Tagebücher)
entwickelt wird.
2.1 Bezugsproblem I: Oberfläche und/als Tiefe —
technische Bilder als Kommunikationsmedien
Eines der beiden Bezugsprobleme der sich im 20. Jahrhundert entwickelnden Image-
Kommunikation ist durch die spezifischen Darstellungsbedingungen technischer Bil-
der fundiert. Die genauere Bestimmung dieses Problems erfordert zunächst eine Er-
läuterung notwendiger Begrifflichkeiten. So implizieren folgende Überlegungen einen
bestimmten Bildbegriff. Gemeint sind nicht sämtliche bildartigen Vorstellungen und
mentalen Konstruktionen, die im Subjekt »angeschaut« werden,® sondern Kommuni-
Gebrauchsweisen der Photographie und der Rolle »privater Photos für die Sinnhaftigkeit
eigenen Lebens« vgl. Guschker 2002. Daß die soziale Funktion der Photographie im
Umgang mit (privaten) Photographien inzwischen sehr stark auf die Herstellung biogra-
phischer Ordnung (Selbstbiographisierung) abzielt, verdeutlicht folgende bilanzierende
Feststellung Guschkers: »Photos [...] vermitteln einen autonomen Gewissheitscharakter
über das eigene Leben, der nicht mehr nur auf Erinnerung und Habitualisierung bzw.
Fragmenten beruht. Damit erhalten die Lebensphasen faktische Gültigkeit« (ebd., 370).
6 Die Unterscheidung von privaten und öffentlichen Bildern und entsprechend differen-
zierte Funktionen hebt z.B. Goffman in seiner Arbeit »Geschlecht und Werbung« (1981)
hervor.
7 Noch größer sind die Unterschiede zur Computertechnologie, die strukturell nichts mehr
mit den besagten Bildtechniken gemein hat (vgl. Kittler 2002b). Der Computer reprodu-
ziert die Bezugsprobleme jedoch insofern, als er als ein »Medium der Medienintegrati-
on« (vgl. Bolz 1993, 233) die Darstellungstechniken Photographie, Film und Fernsehen
zusammenführbar und simulierbar macht.
8 Einer Theorie, die einen entsprechend weiten Bildbegriff zu Grunde legt, und damit al-
les »Seiende« als Bild verstehen kann, läßt sich entgegnen, daß ihr keine Begriffe zur
Verfügung stehen, um »bildlich und nicht bildlich Seiendes kategorial zu unterscheiden«
2. TECHNISCHE BILDMEDIEN UND DIE ENTWICKLUNG von IMAGE |37
kationen, die materiell vorhandene Objekte jenseits menschlicher Bewußtseine vor-
raussetzen. Dieser Ausgangspunkt tritt jedoch keineswegs solchen bildwissenschaft-
lichen Positionen entgegen, die in Bezug auf unterschiedliche Argumentationslinien
durchaus zu Recht betonen, daß sich Bilder im Rahmen komplexer (u.a. kultureller,
sozialer, psychologischer) Prozesse konstituieren, die das Bild gerade nicht aufgehen
lassen in dem, was sich der menschlichen Wahrnehmung als materialer Träger visu-
eller Informationen anbietet.’ Für vorliegende Untersuchung ist aber nicht die Frage
»Was ist ein Bild?«!, sondern der Sachverhalt entscheidend, daß man die Sichtbar-
keit des Bildes voraussetzen und die Spezifität von Sichtbarkeiten näher bestimmen
kann. Aber auch dann, wenn man Bildlichkeit und Visualität kategorial unterscheidet
und zunächst vom Visuellen ausgeht, stellt sich die Frage, ob und inwiefern die Sicht-
barkeiten technischer Bildmedien sinnhafte Konstruktionen ermöglichen, die Diffe-
renzen zu beliebigen anderen sichtbaren Phänomenen herstellen und damit visuelle
Informationen auf das Niveau von Bildern heben.!! Diese Frage stellt sich um so
mehr, als den technischen Bildmedien eine besondere Beziehung sinnhafter und sinn-
loser Sichtbarkeit eigen ist, wie schon die Photographie zu erkennen gibt. Da sie ohne
Intentionen eines (Bild-)Autors buchstäblich automatisch naturalistische ›Коріеп‹ des
für Menschen Sichtbaren herstellt, hat Barthes von der Photographie als einer »Bot-
schaft ohne Code« gesprochen.!? Zugleich ist jedoch nicht zu übersehen, daß die Pho-
tographie wie andere visuelle Darstellungstechniken (Malerei, Zeichnung, Radierung
usw.) als ein Kommunikationsmedium im Luhmann’schen Sinne beschrieben werden
(Majetschak 2002, 45). Ein solch weiter Bildbegriff etabliert sich Brandt zufolge in der
Philosophie der Neuzeit (Descartes und Vorläufer), denn hier werde »alles Seiende über-
haupt zu einem Bild« bzw. zu einer »bildartigen Vorstellung« (vgl. Brandt 1999, 121).
9 Gerade die kunstwissenschaftliche Theorie des Bildes hat die Unhaltbarkeit eines solchen
Bildbegriffes plausibilisiert, z.B. im Rahmen einer »Bild-Anthropologie« (vgl. Belting
2001). Belting zufolge sind Bilder (auch photographische) »Nomaden« der Medien: »Sie
(die Bilder) schlagen in jedem neuen Medium, das in der Geschichte der Medien einge-
richtet wurde ihre Zelte auf, bevor sie in das nächste Medium weiterziehen.« (Belting
2001, 214) Ein solches Verständnis von Bildern, dem sich vorliegende Arbeit anschließt,
wendet sich entschieden gegen die Position, photographische Bilder in ihrer Gesamtheit
als indexikalische Bilder zu interpretieren: »Auch die photographischen Bildern symbo-
lisieren unsere Wahrnehmung der Welt und unsere Erinnerung an die Welt.« (Ebd., 214;
vgl. auch ebd. 213-239)
10 Vgl. hierzu nur exemplarisch den prominenten Band von Boehm (1994), der grundle-
gende Beiträge verschiedener Fachwissenschaften (u.a. Kunstwissenschaft, Soziologie,
Kulturwissenschaften, Psychologie) zu dieser Fragestellung versammelt.
11 Die Überlegung, daß Sichtbarkeit als eine basale Voraussetzung der Konstitution von
»Objekten« überhaupt fungiert, die dann der Strukturierung von Sinn (z.B. der semanti-
schen Verdichtung in Form von Bildern) zur Verfügung stehen, entfaltet z.B. die Phäno-
menologie Merlau-Pontys (1986).
12 Vgl. Barthes 1989, 99.
38 | IMAGE. ZUR GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN
kann (s.o.). Wenn auch in anderem Umfang und in anderer Weise als das Medium
Sprache, ermöglicht auch die Photographie die operative Verwendung der Unterschei-
dung von medialem Substrat und Form und so die Reproduktion sinnhafter Formen.
In der Photographie können Gestalten als »rigide gekoppelte Formen« im Medium
locker gekoppelter Erscheinungsformen gebunden werden, wobei die Gestalten (For-
men) wiederum Medium weiterer Formbildung sein können. Auch Begriffe anderer
Theorien wie »semantische/syntaktische Dichte«!? oder »ikonische Differenz«!* las-
sen sich dementsprechend auf die Photographie beziehen. Die Photographie ist jeden-
falls durchaus auch eine codierte Botschaft.'° Nicht zuletzt stützen und spezifizieren
zahlreiche semiotische Studien diese Annahme, indem sie eine Grammatik der ver-
schiedensten Zeichen und Symbole und damit eine Bildsprache auch technischer Bil-
der (re)konstruieren.!° Photographien werden dabei als »Zeichen-« und »Bedeutungs-
systeme« interpretiert, die in enger Beziehung zu der jeweiligen Kultur ѕќеһеп.!” Die
instrumentellen Mittel der Bedeutungssteuerung sind dabei zahlreich: Die Wahl des
Augenblicks, des Ausschnitts, der Blende, der Belichtungszeit, der (Nicht-)Farben
sowie (im Falle inszenierter Photographie) das Arrangement der abgebildeten Gegen-
stände, die Lichtführung usw. — mit alldem kann die Photographie als Kommunikati-
onsmedium der (Re-)Produktion von Sinn zur Verfügung stehen. Bereits der Bildaus-
schnitt, der etwas zeigt, indem er anderes nicht zeigt, evoziert als Bilder-Rahmen!®
Sinn, indem er die Innenseite (das Bild) als bedeutsame Selektion erscheinen läßt
13 Vgl. Goodman 1995, 133.
14 Vgl. Boehm 1994, 29 ff.
15 Selbst Luhmann, der den Begriff der Kommunikation sehr voraussetzungsreich und in
enger Anbindung an die Unterscheidungsleistungen der Sprache anlegt (wenngleich er
betont, daß der Vergleich von Sprache und Kommunikationsmedium ein »schief laufen-
der Vergleich« ist, vgl. Luhmann 1987), spricht davon, daß unter den Bedingungen der
modernen (Bild-)Medien »die gesamte Welt kommunikabel wird« (1997, 306). Zu der
Beziehung von Wahrnehmung und Kommunikation im Blick auf die Unterscheidung von
Medium und Form ausführlich Luhmann 1995, 13-92 und 165-215.
16 Ob und inwiefern man von einer Grammatik und Syntax visueller Kommunikationen
im Sinne der Linguistik, d.h. im Vergleich zu den Kommunikationsmedien Sprache und
Schrift sprechen kann und ob sich durch diese (z.B. semiotischen) Begrifflichkeiten der
spezifische Sinn von Bildern in angemessener Weise erklären und beschreiben läßt, ist
dabei durchaus strittig (vgl. z.B. Majetschak 2002, 61 £.).
Vermutlich sind Werbephotographien ein häufiger Untersuchungsgegenstand semioti-
scher Studien, weil sie eine sehr deutliche Sprache sprechen. Wirkungsmächtig ist insbe-
sondere das Werk von Williamson »Decoding Advertisements« (1978); zu einem Über-
blick semiotischer Studien in diesem Kontext vgl. Nöth 2000.
17 Zu neueren Studien über den Forschungsgegenstand »Bildgrammatik« vgl. z.B. Sachs-
Hombach 1998.
18 Zur Geschichte verschiedener sozialwissenschaftlicher (Bilder-)Rahmen-Konzepte vgl.
Willems 1997, 30-33.
2. TECHNISCHE BILDMEDIEN UND DIE ENTWICKLUNG von IMAGE |39
bzw. erscheinen lassen kann. Schon durch den Ausschnitt präsentieren Photographien
das prinzipiell Kontingente nicht als solches, sondern als Sichtbarkeit mit Motivcha-
rakter.!? Als Bilder-Rahmen fungiert nicht nur der räumliche, sondern auch der zeit-
liche Ausschnitt. Photos sind also semantisch informativ, sie bieten Unterschiede, an
die weitere Unterschiede anschließen können. Das gilt um so mehr, als die photogra-
phischen Mittel, die das Gezeigte in eine intentionierte Richtung steuern (z.B. durch
die Tiefenschärfe, die etwas hervorhebt), nur eine Möglichkeit der Generierung pho-
tographischer Kommunikation darstellen — denn alle sichtbaren Zeichen und Symbole
der Lebenswirklichkeit können photographisch prinzipiell kopiert werden und stehen
der Sinn(re)produktion entsprechend zur Verfügung.?®
Hier kann es nun nicht um eine ausführliche Beschreibung struktureller Unter-
schiede zwischen Sprache und Schrift gegenüber Bild bzw. zwischen der Photogra-
phie und anderen Formen der Bildherstellung gehen.?! Wichtig ist im Zusammenhang
mit der Frage nach dem Bezugsproblem der Image-Kommunikation zunächst der
Hinweis darauf, daß die Photographie — wie die anderen technischen Bildmedien - als
Kommunikationsmedium die (Re-)Produktion von Sinn ermöglicht. Die im folgenden
verwendeten Begriffe Darstellung und Inszenierung unterstellen diesen Sachverhalt
und beziehen sich entsprechend auf sinnhafte Konstruktionen im Medium des Sicht-
baren. Entscheidend ist weiterhin, daß gerade die Reproduzierbarkeit der Bilder unter
diesen Bedingungen die Etablierung stabiler Sinnformen, mithin die Identifizierung
verschiedenster Objekte ermöglicht:
Jede Kommunikation muß zwischen Information und Mitteilung unterscheiden können (denn
sonst wäre sie selbst nicht unterscheidbar). Das aber heißt, daß sich entsprechende sachliche
und personale Referenzen bilden. In Anlehnung an Begriffe von Spencer Brown ließe sich
auch sagen, daß die Wiederverwendung solcher Referenzen Personen (bzw. Dinge) konden-
siert, nämlich als identische fixiert, und sie zugleich konfirmiert, nämlich mit neuen Sinn-
bezügen aus andersartigen Mitteilungen anreichert. Geschieht das, so entwickelt sich eine
entsprechende Semantik. (Luhmann 1997, 107)
19 Daß es nicht einfach ist, der Photographie diesen (Ausschnitt-)Sinn zu nehmen, kann
man unter anderem an den vielgestaltigen experimentellen Versuchen im Bereich der
Kunst erkennen. So ist offenkundig nicht einmal der Blick durch den Kamerasucher un-
verzichtbar, um nicht nur Sichtbarkeiten, sondern auch Bilder herzustellen.
20 Auch Schrift wird mühelos integriertes Kommunikationsmedium des Kommunikations-
mediums Photographie.
21 Neben und mit den fehlenden Möglichkeiten der Spezifikation von Sinn durch Mittel wie
z.B. Sequenzierung, Negation, Temporalisierung (Vergangenheit, Gegenwart, Zukunft)
oder Kausalität wird in der Literatur insbesondere die vergleichsweise hohe Bedeutungs-
offenheit (Ambivalenz, Polysemie) der Bilder im Vergleich zur Sprache betont.
40 | IMAGE. ZUR GENEALOGIE EINES KoMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN
Hiervon ausgehend kann man fragen, inwiefern die Photographie auf besondere Weise
Referenzen (seien dies Personen oder Dinge) ausbildet, die sie als identische fixiert
und welche spezifischen Probleme in der Sozialdimension damit einhergehen. Die The-
se, daß die spezifischen Darstellungsbedingungen der technischen Bildmedien ein Be-
zugsproblem von Image fundieren, läßt sich also umformulieren zu der These, daß die
Darstellungsbedingungen der technischen Bildmedien im Kontext der Schematisierung
(sozialer) Objekte ein bestimmtes Problem evozieren. Der angedeutete Doppelcha-
rakter photographischer Bilder, nämlich »Botschaft ohne Code« wie zugleich Kom-
munikationsmedium zu sein, bietet für die Beschreibung dieses Problems einen ersten
Anhaltspunkt. Dieser läßt sich entfalten und vertiefen in Auseinandersetzung mit dem
Realismus technischer Bilder"). der sowohl in alltagspraktischer wie in theoretisch-wis-
senschaftlicher Perspektive als ein zentrales Charakteristikum dieser Bilder angesehen
wird. Zuerst zu letzterer: Trotz des fundamental neuen Realitätsbezugs dieser Bilder
steht in wissenschaftlicher Perspektive fest, daß photographische Abbildungen nicht die
unverstellte Realität an sich zeigen können. Das ergibt sich schon aus der Tatsache, daß
die Bilder, die in der Wahrnehmung des Sehsinns entstehen, ebenfalls nicht eine solche
reale Realität vor die Augen des Betrachters führen.? Auch die Wahrnehmung kann
nur Bilder generieren, die als Resultate verschiedenster Selektionen (der Netzhaut, des
Gehirns usw.) zu verstehen sind, die die reale Realität: in spezifischer Weise transfor-
mieren. Zur Veranschaulichung dieses Sachverhalts verwendet Bateson die traditions-
reiche Metapher von der Wahrnehmung als Herstellungsprozeß von »Karten«, der sich
zwar auf ein »Territorium« bezieht, dieses aber als solches nicht zugänglich machen
kann.?* Die Wahrnehmung transformiert als Verkettung von Unterscheidungsleistungen
das unsichtbar bleibende »Territorium« in einen visuellen Eindruck, wobei die Kontinu-
ität der Selektionsprozesse stabile, wiedererkennbare Formen erzeugt. Die Wirklichkeit,
die die Photographie zeigt, ist also, wenn man im Rahmen der Metaphorik Batesons
bleibt, eine technisch erzeugte »Karte«, die im Wahrgenommenwerden derjenigen Kar-
te ähnelt, die die Wahrnehmung von dem Territorium herstellt. Ja man könnte sagen,
daß die Unterscheidungsleistungen der Technik (der optischen Apparatur, der Chemie
und der Mechanik) auf die Unterscheidungsleistungen der menschlichen Wahrnehmung
eingestellt sind, um diesen Ähnlichkeitseffekt zu erzeugen.
22 Damit ist auch gesagt, daß vorliegende Untersuchung die Formulierung »technische
Bildmedien« synonym zu »photographische Bildmedien« (Photographie, Film, Fernse-
hen) einsetzt, also spezifisch einschränkt.
23 Merleau-Ponty spricht vom »Wahrnehmungsglauben«, den das Sehen (für ihn untrenn-
bar mit dem Denken verknüpft) (mit-)konstituiert (vgl. Merleau-Ponty 1986, 17-34).
24 Vgl. Bateson 1994, 583 f. Die Karten-Metapher findet sich auch schon in der poetischen
Epistemologie der Frühromantik, so z.B. in Novalis’ Werk »Die Lehrlinge zu Sais« (vgl.
Novalis 1969, 116).
25 Da optische Apparaturen wie die Camara Obscura und optische Gläser schon längst vor
der Photographie für die Herstellung von Bildern bzw. Bildprojektionen genutzt werden,
2. TECHNISCHE BILDMEDIEN UND DIE ENTWICKLUNG von IMAGE |41
Dieses auf die Konstruktionsleistungen der Wahrnehmung bezogene Argument
ist nur eines unter anderen, mittels derer sich die Rede vom Realismus der Photogra-
phie stark einschränken und spezifizieren läßt. Zu einem ähnlichen Befund kommen
z.B. Bild-Theorien, die Ähnlichkeit und Abbildung als Kategorien der Erklärung und
Beschreibung von Bildern und Bild-Typen — d.h. auch von Photographien — prinzi-
piell zurückweisen. Festgestellt wird dann, daß Objekte vor einem offenen Horizont
wählbarer Merkmale immer als ähnlich aufgefaßt werden können, es also an einem
Tertium comparationis fehlt, über das angegeben werden kann, unter welchen Ge-
sichtspunkten zwischen Bild und Abgebildetem eine relevante Ähnlichkeit besteht.
Aufgrund der Kontingenz der Ähnlichkeits-Beziehung müsse eine »bildtheoretische
Grundthese«, darin bestehen, so Majetschak bilanzierend im Blick auf die prominente
Position von Goodman, »daß bildliche Bezugnahme auf etwas »unabhängig von Ähn-
lichkeit« sei« (Majetschak 2002, 50).26
Besonders folgenreich ist die Auseinandersetzung mit dem Begriff des Ähnlichen
für die Photographie, wenn man danach fragt, unter welchen Voraussetzungen und
Bedingungen Ähnlichkeit als Hinweis auf Realität interpretiert wird:
›Кеаіѕтиѕ‹, so lautet Goodmans viel beachtete These, ›15 relativ« »und keine Frage irgend-
einer absoluten gewissermaßen objektiv vorliegenden Ähnlichkeits-Beziehung zwischen
dem im Bild verwendeten Repräsentationssystem und dem Standard-System, wie es »für eine
gegebene Kultur oder Person zu einer gegebenen Zeit die Norm ist«. Stimmt beides überein,
spricht man nach Goodman vor dem Hintergrund des je gültigen Standardsystems von der
»Ähnlichkeit« oder dem Realismus: des Bildes; divergiert beides, bezeichnet man das Bild
als »unähnlich« oder »unrealisitisch«. (Majetschak 2002, 51)
Die Konstruktion des Ähnlichen und (daher) Realistischen kann also in einem wei-
teren Schritt als kulturell vermittelte Sehweise einer jeweiligen historischen Epoche
dechiffriert werden 27 Die Sehweise ist nicht nur abhängig von (kontigenten) Eigen-
schaftsbestimmungen des Ähnlichen, sondern auch von geschichtlich variierenden
Kontexten, Interessen und kulturellen Konventionen, die das »Repräsentations-« und
kann man in der Entwicklung des Informationsträgers bzw. des Speichermediums, d.h.
in der Entwicklung der Chemie, die eigentliche photographische Technik sehen (vgl. z.B.
Kittler 2002a, 160 ff.).
26 Auch Scholz sieht in der Ähnlichkeit eine »triviale, weil universelle Beziehung [...], denn
irgendeine Eigenschaft hat jedes beliebige Paar von Dingen gemeinsam« (Scholz 2004,
54). Zudem führe der Begriff des Ähnlichen zu keinem Verständnis des Bildlichen, das
eben über das Visuelle hinausgeht: »Ähnlichkeit ist sicherlich nicht hinreichend für bild-
liche Darstellung. Damit etwas ein Bild ist, muß es Zeichencharakter haben; und dafür
reicht kein Grad der Ähnlichkeit hin.« (Ebd., 79)
27 Dem könnte man hinzufügen, daß auch die Theorie dieser Sehweise nicht als historisch
kulturell unabhängige Sehweise gedacht werden kann.
42 | IMAGE. ZUR GENEALOGIE EINES KoMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN
»Standardsystem« festlegen. Diese Überlegungen führen zu einem breiten Konsens
bildwissenschaftlicher Untersuchungen unterschiedlicher Fachwissenschaften, der
darin besteht, daß es kein »unschuldiges Auge«°® gibt, also kein Auge, das kultu-
rellen, sozialen und psychischen Prozessen entzogen 151.2 Zu dieser Schuldigkeit
gehören auch die Formen des Wissens, die die Definitionen des Realistischen und
eine dazugehörige Bildordnung konstituieren. Schon Ivins spricht vor dem Hinter-
grund wissenschaftlicher Errungenschaften wie der Zentralperspektive und anderer
Methoden der darstellenden Geometrie von einer »Rationalization of Sight« (Ivins
1938), in der sich Wissen sowie Techniken und Weisen des Sehens gegenseitig durch-
dringen.?® Über ihre »Grammatik der Perspektivität« und ihr daran gekoppeltes Kon-
zept von Repräsentativität und Reproduzierbarkeit steht die Photographie für Ivins
auf einer Stufe mit den bildlichen Konstruktionsmitteln der Renaissancekultur.?! Der
photographische Realismus wird in dieser Perspektive als Resultat einer historischen
Auffassung realer Realität« entzaubert, die sich als Bildkonzept Bahn bricht, dann
aber schnell als eine natürliche Ordnung erscheint, ja die »Tyrannei des Abbilds«°?
forciert. Während das wissenschaftliche Wissen der Neuzeit eine bestimmte Idee von
»Repräsentationalität«°? generiert, der bestimmte optische Techniken entsprechen, 23
läßt sich zudem feststellen, daß die technischen Strukturen ihrerseits als »Techniken
des Betrachters« (Crary) das Sehen beeinflussen.?° Camara obscura, Mikroskop, Tele-
skop, Panorama, Diorama, Stereoskopie und andere Apparaturen gehen der Photogra-
phie auch in dieser Blickrichtung als Generatoren einer spezifischen Realität voraus.
Vor dem Hintergrund dieser Überlegungen läßt sich der Realismus der Photogra-
phie keineswegs als Abbildung einer »realen Realität< verstehen. Deutlich ist viel-
mehr, daß der Realismus dieser Medien auch eine (biologische, soziale, kulturelle,
psychologische) Konstruktion ist. In welcher Beziehung steht nun dieser Befund zu
der Frage, inwiefern die spezifischen Darstellungsbedingungen technischer Bildme-
dien im Kontext der Schematisierung sozialer Objekte ein Problem erzeugen, auf das
sich Image-Kommunikationen einstellen? Die Antwort wird in Kontrastierung dieser
28 Vgl. Mitchell 1986, 118.
29 Das Wort »Weltanschauung« erfreut sich in der angloamerikanischen Literatur zur Theo-
rie der visuellen Kultur zu Recht als unübersetzter Terminus einer gewissen Beliebtheit,
weil mit ihm in trefflicher Weise die immer gegebene kognitive (soziale, kulturelle) Rah-
mung des Sehens zum Ausdruck gebracht werden kann.
30 Heidegger sieht in den Rationalitäten, die ein bestimmtes Sehen und die Berechnung vor-
gestellter Bilder ermöglichen, einen Kernpunkt der Modernisierung: »Der Grundvorgang
der Neuzeit ist die Eroberung der Welt als Bild.« (Heidegger 1972, 87)
31 Vgl. Ivins 1938, 12 f.
32 Vgl. Mitchell 1990, 48-51.
33 Vgl. Mersch 2002.
34 Wie das Mikroskop, das Okular oder das Teleskop läßt sich die Photographie als »tech-
nisches Korrelat« wissenschaftlichen Wissens auffassen (vgl. Mersch 2002, 71).
35 Vgl. Crary 1996; vgl. auch Burckhardt 1994.
2. TECHNISCHE BILDMEDIEN UND DIE ENTWICKLUNG von IMAGE |43
Überlegungen mit einem anderen Befund ersichtlich. Dieser nimmt zur Kenntnis, daß
sich der Realismus der technischen Bildmedien und ihr damit zusammenhängender
Sonderstatus im Vergleich zu anderen (manuellen) Bildern nicht gleichsam restlos
durch die Beschreibung sozialer, kultureller, psychologischer Prozesse der Bildgene-
rierung dekonstruieren läßt. Der Feststellung, daß die Photographie im Unterschied zu
vorherigen Formen der Bildherstellung etwas zeigt, was notwendigerweise physika-
lisch vorhanden war und bei dem Prozeß des Abbildens für die Wahrnehmungen des
menschlichen Sehsinns kopiert werden konnte, läßt sich jedenfalls nicht widerspre-
chen. Die Rede von der Photographie als einer »indexikalischen Karte«,3 als einer
»Spur«°7 oder vom »Prinzip der Referenze als dem »Grundprinzip der Photographie«°®
setzt hier an 27
36 Diese Lesart der Photographie geht auf Peirce zurück: »Peirce nennt diejenigen Aus-
drucksweisen indexikalisch, in denen der Signifikant mit dem Referenten nicht durch
eine soziale Konvention (Symbol) und auch nicht notwendigerweise durch irgendeine
Ähnlichkeit (Ikon), sondern durch Kontiguität und einen tatsächlichen Zusammenhang
mit der Welt verbunden ist. (Der Blitz ist der Index des Gewitters). Photo und Film
sind, etwas verkürzt gesagt, solche Indizes, Abdrücke, die durch die Kombination von
Lichteinwirkung und Chemie auf einer lichtempfindlichen Oberfläche vom Objekt selbst
hinterlassen werden.« (Metz 2003, 217) Wie bereits in Bezug auf den Begriff des Kom-
munikationsmediums gesagt, bedeutet das nicht, daß die Photographie darauf festgelegt
ist, die »Wirklichkeit« der visuellen Wahrnehmung zu reproduzieren: »Natürlich werden
deshalb die symbolischen Aspekte (Konvention, Code) nicht eliminiert [...] (für Peirce
wäre das Photo Index und Ikon zugleich). Indexikalisch ist aber die Art und Weise der
Produktion, das Prinzip der Aufnahme.« (Metz 2003, 217; zu einer kritischen Darstel-
lung des Peirceschen Index-Begriffs vgl. Krauss 1985, 87 ff.)
37 Vgl. Eco 1977.
38 Barthes 1989, 86 f. und 11: »Ich mußte zunächst deutlich erfassen, und damit, wenn
möglich, deutlich sagen (auch wenn es etwas Einfaches ist), inwieweit der Referent der
Photographie nicht von der gleichen Art ist wie der der anderen Darstellungssysteme.
»Photographischen Referenten« nenne ich nicht die möglicherweise reale Sache, auf die
ein Bild oder ein Zeichen verweist, sondern die notwendig reale Sache, die vor dem Ob-
jektiv plaziert war und ohne die es keine Photographie gäbe. Die Malerei kann wohl eine
Realität fingieren, ohne sie gesehen zu haben. Der Diskurs fügt Zeichen aneinander, die
gewiß Referenten haben, aber diese Referenten können »Chimären« sein, und meist sind
sie es auch. Anders als bei diesen Imitationen läßt sich in der Photographie nicht leugnen,
daß die Sache dagewesen ist.«
39 Eine besondere Bedeutung kommt dem Zeitbezug indexikalischer Bilder zu. Faktisch
zeigen sie (von der Möglichkeit der Live-Übertragung der später entwickelten Fernseh-
technik abgesehen) zwar immer Vergangenes, doch die Beobachtung dieses Sachverhalts
wird von ihnen selbst nicht zwangsläufig angeleitet. Wenngleich Barthes mit der Feststel-
lung recht hat, daß Photographien als »Emanation des vergangenen Wirklichen« betrach-
tet werden sollten (1989, 99), dürfte die Vergegenwärtigungsfunktion der technischen
Bildmedien für den Normalvollzug ihrer Kommunikation von erheblich größerer Bedeu-
44 | IMAGE. ZUR GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN
Auch schließen die genannten Argumente keineswegs die Möglichkeit aus, von
einer physiologischen (visuellen) Wahrnehmung zu sprechen, die gleichsam vor bzw.
neben jeder sozial konventionalisierten Sinnhaftigkeit des Sehens sichtbare Objekte
konstruiert und kontinuiert. Daß sich eine Grenze zwischen dem bloß wahrnehmen-
den und dem sinnorientierten Sehen bzw. eine Separation dieser Sphären nicht be-
schreiben läßt und man hingegen von einer analytisch unentwirrbaren Durchdringung
derselben ausgehen muß, spricht jedenfalls nicht prinzipiell gegen die Annahme des
Vorhandenseins eines Sehsinns, der dem Bewußtsein die Sichtbarkeiten der Welt im
Spektrum spezifischer Konstruktionsleistungen menschlicher Wahrnehmungsprozes-
se gleichsam auch (!) als solche anbietet. Dabei ist nicht einzusehen, daß die phi-
losophische, sozial- oder kulturwissenschaftliche Bildwissenschaft zuständig für die
Behandlung der Frage ist, wie es zu der Spezifität und Stabilität des wahrnehmenden
Sehens kommt“? — denn diese Frage kann an Wissenschaften wie die Biologie oder
die Neurophysiologie adressiert werden.*! Es genügt hier, das Fungieren einer spe-
zifischen Selektivität menschlicher Wahrnehmung als Konstruktionshorizont einer
Realität: des Sichtbaren voraussetzen zu können, um von dort aus festzustellen, daß
sich diese »Realität« in photographischen Bildern (z.B. qua Isomorphie*?) in einer
Weise wiederfindet, die sich drastisch von allen älteren Techniken der Bildherstellung
unterscheidet.*
tung sein. Virilio spricht in diesem Zusammenhang von dem photographischen Bild als
dem »phatischen« Bild, das die Präsenz und die Aktualität des Abgebildeten herstellt.
Gerade die hochauflösende Werbephotographie hält er für eine gelungene Illustration des
Satzes von Paul Klee »Jetzt nehmen mich die Gegenstände wahr« (Virilio 1989, 144 f.;
vgl. zu einer entsprechenden Einschätzung auch Benjamin 1977, 51).
40 Zu einer auf dieses Erklärungsdefizit hinweisenden Kritik an Brandts (1999) These einer
visuellen Ordnung, die (auch) auf dem bloßen Wahrnehmen basiert und damit soziale
und kulturelle Unterschiede transzendiert bzw. diesen vorgelagert ist, vgl. Majetschak
2002.
41 Auch die Studien Merlau-Pontys zum (Un-)Sichtbaren können als ein Beitrag zur Kons-
titution einer solchen Ordnung gelesen werden (vgl. Merlau-Ponty 1986).
42 Vgl. dazu ausführlich Böhme 1999, 115 ff.
43 Wie ließe sich z.B. leugnen, daß es bei der Beurteilung der Stimmigkeit von Farbtö-
nen einer Photographie bei allen individuell und situativ variierenden Einschätzungen
zu einem starken Maß an Übereinstimmung kommt bzw. sich die individuellen Abwei-
chungen in einem sehr eng gefaßten Spektrum bewegen? Die Verschränkung des bloß
wahrnehmenden und des sinnhaften Sehens offenbart sich z.B. im chemischen Design
von Farbfilmen: Sie sollen einerseits die Farben möglichst natürlich wiedergeben (den
Seheindrücken der Wahrnehmung entsprechen). Andererseits ist nicht zu übersehen, daß
die Farbwiedergabe auf ästhetische Konventionen eingestellt ist — so z.B. auf die Positiv-
bewertung brauner Haut oder auf eine Farbsättigung, wie sie sich bei stärkerer Sonnen-
einstrahlung wahrnehmen läßt. Die verschiedenen Anbieter offerieren dementsprechend
eine Produktpalette für unterschiedliche Ansprüche und Geschmacksvorlieben.
2. TECHNISCHE BILDMEDIEN UND DIE ENTWICKLUNG von IMAGE |45
Der eigentümliche Doppelcharakter der Photographie besteht demnach darin, als
Darstellungsmedium sowohl indexikalische Karte als zugleich Kommunikationsme-
dium zu sein.** Das Chimärenhafte technischer Bilder wäre nun kein soziales Prob-
lem, wenn die besagten konträren Perspektiven nur im Reich der Theorie bestünden.
Das ist aber nicht der Fall. Der Doppelcharakter des Photographischen bringt gerade
in der Alltagskultur, in den gewöhnlichen sozialen Gebrauchsweisen des Mediums
verschiedene Folgeprobleme hervor, die in der Gesellschaft bearbeitet werden müs-
sen. Der spezifische Problemzusammenhang, auf den es bei der Frage nach der Ent-
stehung von Image-Kommunikation ankommt, entsteht dabei im Kontext der photo-
graphischen Schematisierung sozialer Objekte. Die Spezifität dieses Objektbereichs
läßt sich z.B. mit Goffmans Unterscheidung von »natürlichen« und »sozialen« Rah-
men genauer fassen. Unter natürlichen Rahmen versteht Goffman Ereignisse, die »als
nicht gerichtet, nicht orientiert, nicht belebt, nicht geleitet, rein physikalisch gesehen
werden; man führt sie vollständig, von Anfang bis Ende, auf »natürliche< Ursachen
zurück. Man sieht keinen Willen, keine Absicht als Ursache am Werke, keinen Han-
delnden, der ständig auf das Ergebnis Einfluß nimmt« (Goffman 1977, 31). Soziale
Rahmen liefern hingegen einen
Verständnishintergrund für Ereignisse, an denen Wille, Ziel und steuerndes Eingreifen einer
Intelligenz, eines Lebewesens, in erster Linie des Menschen, beteiligt sind. Ein solches We-
sen ist alles andere als unerbittlich; man kann ihm gut zureden, schmeicheln, trotzen, drohen.
Sein Tun kann man als »orientiert< bezeichnen: der Handelnde ist »Maßstäben« unterworfen,
sozialer Beurteilung seiner Handlung auf Grund ihrer Aufrichtigkeit, Wirksamkeit, Sparsam-
keit, Ungefährlichkeit, Eleganz, ihres Takts, guten Geschmacks usw. (Ebd., 32)
Beide Rahmentypen sind also soziale Konstruktionen, die zwischen einer Welt des
Natürlichen und einer Welt des Sozialen unterscheiden und damit eine basale kosmo-
logische Ordnung begründen. Die sozialen Folgeprobleme der technischen Bild-
medien stehen zu dieser Ordnung in einer bestimmten Beziehung: Während das Chi-
märenhafte photographischer Bilder in Bezug auf die Abbildung einer als natürlich
eingestuften Sache (z.B. Pflanzen, Steine) weniger die Frage nahelegt, inwiefern die
Oberflächen als »realistische« Hinweise auf (z.B.: Charakter Eigenschaften in der
Tiefe des Objekts zu lesen sind, liegt diese Frage dann sehr nahe, wenn die gezeigten
Objekte als orientierte, lebendige Wesen interpretiert werden. Es liegt auf der Hand,
daß gerade Menschen innerhalb eines sozialen Rahmens interpretiert werden, so daß
sich im Portrait besagte Probleme manifestieren. Andererseits muß schon hier betont
werden, daß dieser Fall nur einer unter vielen anderen ist. Man könnte sagen: Immer
44 Gewöhnlicherweise zielt der Begriff der Darstellung demgegenüber auf die Dimension
der Präparierung von Sinn (vgl. z.B. die Beiträge in Nibbrig (Hg.) 1994), also auf die
Ebene, die hier mit Luhmann als Kommunikationsmedium bezeichnet wird.
45 Zu einer ausführlichen Darstellung dieser Rahmentypen vgl. Willems 1997, 52-75.
46 | IMAGE. ZUR GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN
dann, wenn die abgebildeten Dinge personifiziert, also mit menschlichen Attributen
versehen werden, hat man es mit einem sozialen Rahmen zu tun, in dem der Doppel-
charakter des Photographischen - indexikalische Karte und Kommunikationsmedium
(Bild) zugleich zu sein — das hier gemeinte Problem entfaltet. Dies läßt sich im Blick
auf die Portraitphotographie des 19. Jahrhunderts und die zeitgenössischen Diskurse
konkretisieren. Schon die Reaktionen auf die ersten Photoportraits weisen auf eine
symptomatische Kontroverse ћіп.46 Zum einen wird die Abbildungstreue, die wenig
später als selbstverständlich erscheint, in der Presse als Sensation gefeiert. Die Kom-
mentare verdeutlichen, daß die technische Entwicklung gerade im Bereich der Por-
traitphotographie auf eine Realismussteigerung abzielt. Auch in den Werbungen der
Portraitphotographen ist der Aspekt der Ähnlichkeit zentrales Thema.?’ Die Faszinati-
on, die aus den verschiedenen Quellen spricht, gibt zu erkennen, daß die Photographie
— ganz anders als das gemalte Portrait — qua (scheinbarer) Objektivität der Darstellung
in neuer Weise als Ausweis individueller Identität fungiert.* Und eben weil die Ober-
fläche in ihrer präzisen Fixierung durch die Technik eine völlig neue (und vertiefte)
Bedeutung erlangt, kann man später in Bezug auf einen renommierten Portraitphoto-
graphen der frühen Zeit feststellen: »Nadar ist der erste Photograph, der das Gesicht
des Menschen neu entdeckt. Die Kamera ist ganz dicht herangerückt an die Intimität
der Gesichtslandschaft.« (Freund 1979, 48)* Es ist daher alles andere als zufällig, daß
46 Signifikante Folgen durch die Entwicklung der neuen Darstellungstechnik werden von
den Zeitgenossen auch für die Kunst, die Wissenschaft und die Bildung prognostiziert.
Insbesondere die Kunst wird als betroffener Bereich gesehen, wobei die Beurteilung der
Effekte mit dem Kunstverständnis variiert. Die Thesen reichen von der »Befreiung« der
Kunst (im Sinne der jetzt gegebenen Möglichkeit der Konzentration auf das Wesentliche
hinter der Oberfläche) bis hin zu der Rede vom Ende der Kunst, weil die Photographie
deren dann unterstellte Abbildungsfunktion besser erfülle (vgl. Koschatzky 1989, 61 f.).
Eine sehr weit reichende Kritik zu dem Zusammenhang von Photographie und Kunst,
die in gewisser Weise beide Einschätzungen verbindet, stammt von Baudelaire. Er sieht
durch die starke Verbreitung der Photographie und durch die Durchsetzungsfähigkeit ih-
res Oberflächen-Realismus die Möglichkeiten dessen, was in der Vorstellung (der Phan-
tasie) des Einzelnen hervorgebracht werden kann, beeinflußt bzw. eingeschränkt. Aus
heutiger Perspektive wird deutlich, daß Baudelaire sehr früh erkennt, daß die visuelle
Kultur der Verbreitungsmedien einen zentralen Bezugsrahmen der Realität überhaupt
(auch des Phantasierbaren) darstellt und insofern auch die künstlerische Produktion tan-
giert (vgl. Baudelaire 1980, 110-113).
47 »Größte Ähnlichkeit garantiert« usw. heißt es auf den Plakaten und Handzetteln der Pho-
tographen (vgl. Hoerner 1989).
48 Zu einer umfangreichen Sammlung entsprechender Zeitungsberichte vgl. Stenger 1943.
49 Folgt man Baläzs, tritt diese Bedeutung des Gesichtes mit den technischen Bildmedien
wieder hervor, weil sie im Rahmen der lange dominierenden Buchkultur besonders zu-
rücktrat. Baläzs schreibt 1924 in seinem Werk »Der sichtbare Mensch und die Kultur
des Films«: »Die Erfindung der Buchdruckerkunst hat mit der Zeit das Gesicht des Men-
2. TECHNISCHE BILDMEDIEN UND DIE ENTWICKLUNG von IMAGE |47
die Phrenologie”® und die Erstellung bildbasierter Taxonomien mit der Erfindung der
Photographie eine Renaissance erleben.°! Auch die Feststellung, daß die Kamera in
der Frühgeschichte der Photographie »in ihrer scheinbaren Unabhängigkeit vom Ope-
rateur gewissermaßen [...] den Blick Gottes« (Jäger 1996, 271) repräsentierte, kann
verdeutlichen, wie hoch die Ansprüche an die Objektivität und an die Tiefenlesbarkeit
des photographischen Bildes geschraubt werden konnten.
Zum anderen wird — nicht selten in ein und derselben Stellungnahme — der Rea-
lismus bereits am Beginn der Entwicklung problematisiert. Gegenstand dieser Kritik
ist aus naheliegenden Gründen wiederum die Portaitphotographie: Weil gerade Men-
schen offenkundig mehr und anderes sind als Materialität und sichtbare Oberfläche,
werden photographische Darstellungen als unzureichende Schablonen reflektiert. Die
offene Kritik setzt daher, ebenso wie das Lob der Oberfläche, sehr früh ein, nämlich
mit den ersten Portraitphotographien und deren Veröffentlichung. In einem Artikel
über die »Portraitfabrik zu London durch das Daguerreotyp« ist in der Schweizer Zei-
tung »Intelligenzblatt« 1841 zu lesen:
schen unleserlich gemacht. Sie haben so viel vom Papier lesen können, daß sie die andere
Mitteilungsform vernachlässigen konnten.« (Balázs 2001, 16) Bei der Beschreibung der
Wiederentdeckung des »sichtbaren Menschen« durch die »visuelle Kultur« bezieht sich
Balázs allerdings ganz auf den Film (Kinematographie). Die Photographie kann vermut-
lich außen vor bleiben, weil es in erster Linie um die Diagnose der Verarmung theatra-
lischer Kompetenzen (Gebärden- und Mienenspiel) aller Gesellschaftsmitglieder durch
die Buchkultur sowie, so seine These weiter, um die sich abzeichnende Wiedergewin-
nung dieser Fähigkeiten geht (vgl. ebd., 16-23). Zu einer gleichsam umgekehrten These,
nämlich der, daß die Ausbreitung der Schriftkultur als Vorentwicklung der Ausbreitung
der medienbasierten visuellen Kultur interpretiert werden kann, vgl. Assmann/Assmann
1994.
50 Einer u.a., die im Portrait das Wesen der Person zu erkennen glauben und daher die
Photographie als Instrument der Wissenschaft begrüßen, ist Schopenhauer (vgl. Jäger
1996, 152 f.). Ob die Begeisterung, die er in einem Brief von 1852 für eine Daguer-
reotypie äußert, die ihn selbst zeigt, einer phrenologischen Tiefen-Lesart verdankt ist,
erscheint jedoch mehr als fraglich: Schopenhauer lobt das Photo »auf dem ich 20 Jahre
jünger aussehe. Derselbe (Daguerreotyp, Y.K.) gibt meine Stirn und Nase in höchster,
nie wieder erreichter Vollkommenheit wieder: ist unschätzbar.« (Zit. n. Jäger 1996, 153)
Diese Feststellung verdeutlicht eher die Oberflächenbetonung der Photographie und eine
dadurch evozierte Orientierung an geltenden Schönheitsidealen als die Suche nach einem
Geist dahinter. Von diesem ist folglich auch nicht die Rede — der Philosoph kommentiert
lediglich die Oberfläche.
51 Der Versuch des französischen Kriminologen Bertillon, eine Typologie kriminellen Ver-
haltens in Zuordnung zu photographisch erfaßten »Phänotypen< zu erstellen, ist dafür
ein prominentes Beispiel. Zu den verschiedenen photographischen Kartographien des
Körpers im 19. Jahrhundert vgl. Edwards 2003, Sekula 2003 und Link 1997.
48 | IMAGE. ZUR GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN
Die Ähnlichkeit der photographischen Porträte ist wirklich außerordentlich und ihre Schärfe
und Genauigkeit so groß, daß sie auch bei Lampenlicht deutlich sind. Doch mögen die Por-
traitmaler nicht erschrecken! Der Ausdruck jener Porträts ist kalt und streng, die Lichter sind
so übertrieben als die Schatten, der Glanz des Bildes kann nie wiedergegeben werden, ebenso
wenig die Halbtinten des Fleisches und die glänzende Frische der Haut. Geist und Leben wer-
den diesem mechanischen Vorgange immer unerreichbar bleiben, er wird das schöpferische
Nachbilden des Malers niemals ersetzen können. (zit. n. Stenger 1943, 15 £.)
Was hier deutlich gemacht wird, steht exemplarisch für eine Vielzahl von Beiträgen
zur gepflegten Semantik, die (bis in die Gegenwart) den Oberflächencharakter der
Photographie kritisieren. Schon die Zeitgenossen stellen also fest, daß Portraitpho-
tographien nicht als »Spiegelbild« der Person zu verstehen sind und nur in einem
»ihnen eigenthümlichen Rapporte"? zum Abgebildeten stehen, und zwar trotz großer
Ähnlichkeit der zueinander in Beziehung stehenden Oberflächen.
Die Kritik der Photographie im Sinne einer Kritik des »toten Blicks« wird im
Rahmen unterschiedlicher Themenorientierungen bis in die Gegenwart fortgeführt.
Insbesondere in den 20er und 30er Jahren des 20. Jahrhunderts kommt es zu wei-
ter gefaßten Gesellschaftsdiagnosen, die die neue Darstellungstechnik als passende
Ausdrucksform einer modernistischen Mentalität und Rationalität überhaupt interpre-
tieren. Neben Benjamins berühmter These von der Zertrümmerung der Aura (die in
eine gebrochene Affirmation dieses Auraverlustes mündet) ist Jüngers Position er-
wähnenswert. Er attestiert dem modernen Menschen einen Persönlichkeitsschwund,
dem der »tote Blick« der Photographie entspräche — ja die Photographie sei das ge-
eignete Darstellungsmedium des modernen Menschen, weil dieser bereits seine Seele
verloren habe. Man muß aber nicht auf diesen Diskurs hinweisen, um zu dem Schuß
zu kommen, daß die spezifische Oberflächlichkeit der Photographie und ihr Realis-
mus keineswegs umstandslos als eine natürliche Ordnung akzeptiert werden. Evident
werden vielmehr die Probleme, die mit der Infragestellung eben dieses Realismus
zusammenhängen. Schon die für die Gebrauchsweise privater Photos bis heute typi-
sche Frage, welche Personen auf welchen Photos unter welchen Gesichtspunkten gut
oder nicht gut »getroffen« sind, illustriert eben jenen Sachverhalt. Diese Frage bezieht
52 »»W«. Eine Ausstellung von photographischen und heliographischen Gegenständen zu
Amsterdam«, in: Deutsches Kunstblatt 6 (1855, 219), zit. n. Jäger 1996, 149.
53 Vgl. Jünger 1932. In ähnlicher Perspektive spricht Picard 1929 vom »Kinogesicht« als
einem zeittypischen Ausdruck der Gegenwart, »daß aus reinem Vordergrund bestehe und
immer aufdringlich nahe sei« und nur existiere, »um uns über die Gegenwart erschrecken
zu lassen« (Picard 1929, zit. n. Brückle 1998, 300). Auch der Vordenker der Neuen Sach-
lichkeit, Franz Roh, sieht im Blick auf die Photographie »inmitten der Gelassenheit und
Nüchternheit der Gestalten [...] das absolute Nichts, den absoluten Tod im Hintergrund
der Bilder lauern« (Brückle 1998, 300). Vgl. zu diesen Positionen Brückle 1998, 298 ff.,
Werneburg 1994 und Plumpe 1990, 35 ff.
2. TECHNISCHE BILDMEDIEN UND DIE ENTWICKLUNG von IMAGE |49
ihren Sinn aus der Hintergrundannahme, daß photographische Oberflächeneindrücke
auf Tiefeneigenschaften verweisen können, keinesfalls aber verweisen müssen.°*
Einerseits wird die Photographie also in dem Wissen rezipiert, daß sie nicht nur
die Ähnlichkeit und die Detailtreue des Abgebildeten zu den jeweiligen Vorlagen stei-
gert, sondern daß die abgebildeten Objekte auch etwas darstellen, das (physikalisch)
notwendigerweise als Apriori des Abgebildeten existiert(e). Die prägnante wie popu-
läre Formulierung von der Photographie als einem »pencil of nature«, mit der einer
der Erfinder der Technik (Henry Fox Talbot) das neue Medium charakterisiert, bringt
diese Einschätzung auf den Punkt. Zudem wird nicht übersehen, daß die neuartige
Verbindlichkeit des Verweisungsbezugs der dargestellten Oberflächen auf ihre Vor-
lagen die Bedeutung der Autorschaft spezifiziert, herabsetzt oder gar eliminiert. In
dieser Blickrichtung können Photographien nicht bzw. weniger als bloß auktoriale
Kommunikationen auf Distanz gesetzt werden. Die photographischen Oberflächen
sind daher für diejenigen bzw. dasjenige, was jeweils abgebildet wird, in einer ver-
schärften Weise identitätsrelevant.
Andererseits spitzt die Photographie durch ihre Potenzierung und Spezifizierung der
Bedeutung der äußeren Erscheinung drastisch die Frage zu, inwiefern sichtbare Ober-
flächen als Hinweise auf nichtsichtbare (Identitäts-) Attribute interpretiert werden kön-
nen. Indem die Photographie im Rahmen ihrer realistischen Bilder die jeweiligen Ober-
flächen fixiert und mit all ihrem Detailreichtum einer dauerhaften, anonymisierten und
wiederholbaren Beobachtung aussetzt, lenkt sie den Blick in problematisierender Weise
auf Objekte als sichtbare Gestalten. Sie fungiert gleichsam als eine ungeheure Vergrö-
Berungstechnik?°, die das Lesen der (re-)präsentierten Erscheinungsformen in neuartige
Konfliktlagen bringt. Zu einem gesteigerten Problem wird die medienbedingte, Oberflä-
chen betonende Schematisierung der Objekte dann, wenn Achtung eine Dimension der
(Re-)Konstruktion photographisch fixierter Objekte ist. Gerade dann stellt sich nämlich
die Frage, ob und inwiefern Oberflächen Eigenschaften von Objekten repräsentieren
(können). Und dieser Zuschnitt des Problems ist kein randständiger Sonderfall. Im Ge-
genteil! Er ist im kommunikativen Vollzug von Photographien eher gewöhnlich, inso-
fern sich die am Sichtbaren identifizierten Eigenschaften kaum neutral verhalten können
zu einer Matrix von Werturteilen. Dies gilt um so mehr, als sich die Einschätzungen der
jeweils dargestellten sozialen Objekte nur auf Bilder beziehen können, es also an einem
54 Die Feststellung, daß es gerade jene Photographien vermögen, ein »realistisches< Bild
von Personen zu zeichnen, die der Phantasie des Rezipienten Raum geben, den Gegen-
stand in der Fülle seiner Möglichkeiten wiederzufinden (vgl. Böhme 2004, 125 ff.), ent-
spricht durchaus der Diagnose, daß die Objektivierung photographischer Bilder im Sinne
der Abbildung, des indexikalischen Zeichens und der Isomorphie (vgl. Böhme 1999, 116
f.) bei gleichzeitiger (!) Zurückweisung des Lesens dieser Bilder als erschöpfende Aus-
drücke von Realität den Umgang mit diesen Bildern bestimmt.
55 Diese Metapher kann man Benjamins Text »Kleine Geschichte der Photographie« ent-
nehmen (vgl. Benjamin 1977, 50).
50 | IMAGE. ZUR GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN
Informationshorizont jenseits des Bildlichen fehlt, der in vergleichender Perspektive
Identifizierungsprozesse ermöglicht. Die Kommunikation von Photos legt im Themen-
bezug der Darstellung sozialer Objekte moralische Anschlußkommunikation nahe, ohne
selbst moralische Kommunikation zu sein.’ Gerade dann, wenn photographische Dar-
stellungen als qualifizierende Schematisierungen von Objekten fungieren (sollen), wird
die Akzeptanzwahrscheinlichkeit bildbasierter Kommunikationen in spezifischer Wei-
se herabgesetzt, so daß die Steigerung der Annahmewahrscheinlichkeit entsprechender
Sinnvorschläge über »Sondersemantiken« (Luhmann) besondere Relevanz gewinnt.
2.1.1 Pose und Retouche: Problemlösungen der Portraitphotographie
Die Geschichte der Photographie im 19. Jahrhundert gibt nun die besagten Bezugspro-
bleme ebenso zu erkennen wie die ersten darauf bezogenen Lösungsversuche, wobei
die kommerzielle Portraitphotographie eine besondere, indikatorische Rolle spielt. Da
die abgebildeten Individuen eine zu achtende Identität für sich beanspruchen — und
d.h. in der Photographie zur Disposition stellen — zeigen sich hier notwendigerweise
die Folgen des Photo-Realismus besonders früh und deutlich.’’
a) Die Pose
Bemerkenswert ist zunächst, daß die Pose in der Portraitphotographie des 19. Jahr-
hunderts noch eine große Rolle spielt — und zwar im Sinne einer bewußt gewählten
Körperhaltung, die sich als solche zu erkennen gibt.’® Die räumliche Anordnung der
56 Denn letztere zeichnet sich dadurch aus, daß die (Nicht-)Zuweisung von Achtung nicht
nur latent mitgeführt wird, sondern dezidiertes Kommunikationsthema ist: »Das spe-
zifische, aber zugleich universale Medium der Moral wird durch die codierte Unter-
scheidung von Achtung und Mißachtung bereitgestellt. Dessen Elemente bestehen aus
Kommunikationen, die zum Ausdruck bringen, ob bestimmte Personen zu achten oder
zu mißachten sind.« (Luhmann 1997, 400) Wie noch zu zeigen ist, lehnen die Image-
Kommunikationen der Werbung ihre bildlichen Schematisierungen sozialer Objekte eng
an diese Logik an. Zur Beschreibung der Entstehungsbedingungen und der Entwicklung
von moralischer Kommunikation als einem symbolisch generalisierten Kommunikati-
onsmedium vgl. ausführlich Luhmann 1997, 396-405.
57 Aber auch Formen künstlerischer Photographie zielen darauf ab, den Oberflächencharakter
der Photographie zu durchstoßen und im Portrait die Wesenhaftigkeit des Menschen heraus-
zuschälen. So kommt es z.B. mit der Neuen Sachlichkeit zu einem starken Interesse an den ex-
pressiven Ausdrucksformen der Gotik und zu Versuchen, diesen Expressionismus in die neuen
Bildmedien (Photographie und Film) zu überführen (vgl. dazu ausführlich Brückle 1998).
58 Daß die Pose dann am Ende des 19. Jahrhunderts aus der gängigen Praxis der Portrait-
photographie verschwindet, hat sicherlich verschiedene Gründe. Die Veralltäglichung der
Photographie durch das Entstehen billiger und einfach zu handhabender Techniken mag
dabei eine wesentliche Rolle gespielt haben. Die inszenierte Studiophotographie weicht
2. TECHNISCHE BILDMEDIEN UND DIE ENTWICKLUNG von IMAGE |51
Körper ist also keineswegs Resultat einer beliebigen, situativ vorgefundenen Haltung
der Akteure, sondern Ergebnis einer verhaltenswirksamen Vorstellung, die sich auf das
herzustellende Bild richtet. Das ist insofern nichts Neues, als auch der Körper in hi-
storisch vorgängigen bildlichen Darstellungen als ein »Bedeutungssystem«° fungiert,
dessen räumliches Arrangement einen spezifischen Sinn vermittelt. In dem spezifischen
Bilder-Rahmen der Photographie übernimmt die Pose jedoch eine bestimmte Funktion,
die sich auf den Oberflächen- und Abbildungscharakter eben dieser Technik bezieht.
Die Pose wird — das zeigt sich gerade am Anfang der Entwicklung besonders deut-
lich — zu einer Verhaltensform, die dem Festgeschriebenwerden der Identität auf die je-
weilige Oberfläche im Rahmen objektivierter Geltungsansprüche in Sachen Abbildung
begegnet. In einer Studie zur Portraitphotographie des 19. Jahrhunderts findet Klary
(1903) zu einer Formulierung, die die Notwendigkeit des Posierens vor der Kamera in
diesem Sinne prägnant umschreibt: »Pourquoi la pose? — parce que le personnage doit
remplir une surface.« (27, zit. n. Neumann 1989, 143) Eine grundlegende Funktion des
Posierens besteht also darin, die Verhaltensverunsicherung, die die Photographie selbst
hervorbringt, über eine Verhaltensschablone zu kompensieren. Die Pose bremst bzw.
orientiert die Reflexion der Portraitierten auf sich selbst als Oberfläche und übernimmt
als konkrete Handlungsanweisung eine Entlastungsfunktion. Daß diese Entlastung nötig
ist, verdeutlicht u.a. die Tatsache, daß die sogenannte »Abnahme« von Photographien in
den Anfängen der Entwicklung von den Portraitierten als ein geradezu physisch erfahr-
bares wie psychisch belastendes Ereignis beschrieben wurde, bei dem der »Operateur«
(Photograph) dem »Patient« (Portraitierter) während der Aufnahme beistehen mußte."
Belastend ist die photographische Situation deshalb, weil die Fixierung der Oberflä-
jedenfalls bereits in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts einer photographischen
Amateurpraxis, in der jedermann seinen sozialen Nahraum dokumentiert, womit not-
wendigerweise die Markierung einer besonderen, photographischen Situation an Bedeu-
tung verliert. Auch schmälert die Vielzahl der Photos, die im Laufe eines Lebens ange-
fertigt werden, die Repräsentationsfunktion des Einzelphotos und die darauf bezogene
Notwendigkeit, eine bestimmte Haltung einzunehmen. Jetzt liegt es umgekehrt auf der
Hand, sich natürlich zu geben und dadurch den Kontext der Alltags- und Schnappschuß-
situation zu berücksichtigen: »Alles Wirkliche ist zufällig« schreibt Fritz Mauthner um
die Jahrhundertwende (Mauthner 1982, 576) und trifft damit eine bis in die Gegenwart
anhaltende Präferenz für Momentaufnahmen im Kontext privater Photoportraits. Zu dem
photographiebedingten Wandel mimischer Verhaltens- und Inszenierungsformen in Be-
ziehung zu zeitgenössischen Ausdruckstheorien vgl. Löffler 2004, 117-158.
59 Vgl. Hahn/Jacob 1994.
60 Vgl. Neumann 1989, 33. Die »Beobachtung« und Fest-Stellung der Oberfläche durch die
Technik wirkte sich in der Frühzeit der Photographie um so stärker aus, als der Belich-
tungsvorgang hier noch mehrere Minuten dauerte und die »Patienten« in dieser Zeitspan-
ne regungslos in die Kamera blicken mußten, wobei für die Fixierung der Portraitierten
z.T. spezielle Stühle mit Bandagiervorrichtungen (»Appareils de Pose«) bereitstanden
(vgl. Burckhardt 1994, 262 £.).
52 | IMAGE. ZUR GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN
che zugleich eine Ein- und Wertschätzung der Objekte (hier: der Individuen) über die
Oberfläche anleitet. Soziologische Interpretationen des Posierens gehen an diesem
grundlegenden Sachverhalt vorbei, wenn sie die Pose nur als eine gruppenspezifische
Distinktionspraxis beschreiben, die die Position und Identität der jeweiligen Gruppe in
einem hierarchischen Gesellschaftsgefüge (re-)produziert.°! Denn vor und neben jeder
Logik »feiner Unterschiede« ist in der Pose zunächst ein Verhaltensschema zu sehen,
das darstellungsbedingte Achtungsverluste verhindern bzw. Achtung generieren, stabi-
lisieren oder gar steigern soll.
Sichtbar wird das auch und gerade an jenen Formen des Posierens, die
Bourdieu für eine spezifische Konvention der bäuerlichen »Unterschichten-Kultur<
noch in der Mitte des 20. Jahrhunderts hält, die aber bereits in der Frühgeschichte der
Photographie auch bei bürgerlichen (!) Portraits durchaus üblich war und bis heute
bei bestimmten sozialen Anlässen (insbesondere öffentlichen Zeremonien) durchaus
vorkommt.6? Gemeint ist ein Typus der Pose, der sich durch eine einfache Aufstellung
der Portraitierten vor der Kamera auszeichnet. Bourdieu spricht diesbezüglich vom
»Prinzip der Frontalität« und beschreibt dasselbe folgendermaßen:
Die Ehre gebietet, daß man der Kamera in derselben Weise gegenübertritt wie einem Men-
schen, den man achtet und dessen Achtung man erwartet: von vorn, mit erhobenem Kopf und
den Blick geradeaus gerichtet. In dieser Gesellschaft, die das Gefühl von Ehre, Würde und
Achtbarkeit ganz besonders schätzt, in dieser geschlossenen Welt, in der man ständig und un-
entrinnbar den Blicken anderer ausgesetzt ist, kommt es darauf an, ihnen ein ehrenhaftes und
würdiges Bild von sich selbst zu vermitteln — in der unnatürlichen und starren Pose scheint
diese unbewußte Absicht geronnen zu sein. Die abgebildete Person wendet sich an den Be-
trachter in einem Akt der Reverenz, der konventionell geregelten Höflichkeit, und verlangt
von ihm, denselben Konventionen und denselben Normen zu folgen. Sie bietet die Stirn und
wünscht, von vorn und mit Abstand betrachtet zu werden. Dieser Anspruch auf gegenseitige
Ehrerbietung macht das Wesen der Frontalität aus. [...] Kurz, wer vor einem Blick, der die
Erscheinungen fixiert und immobilisiert, eine höchst zeremonielle Pose einnimmt, der verrin-
gert das Risiko, sich unbeholfen und linkisch zu zeigen: Er liefert den anderen ein gestelltes,
d.h. ein vorab definiertes Bild von sich selbst. Dem Respekt vor der Etikette vergleichbar, ist
die Frontalität ein Mittel, die eigene Objektivierung selbst zu betreiben. Ein geregeltes Bild
zu vermitteln ist eine Möglichkeit, die Regeln der Selbstwahrnehmung draußen durchzuset-
zen. (Bourdieu u.a. 1983, 94 f.)
61 Vgl. z.B. Bourdieu u.a. 1983 und Freund 1979.
62 Obwohl die starre Haltung der Portraitierten am Beginn der Entwicklung unverzichtbar
ist, um Bewegungsunschärfen während langer Belichtungszeiten zu verhindern, ist diese
Form der Pose also nicht auf technische Gründe zurückzuführen.
2. TECHNISCHE BILDMEDIEN UND DIE ENTWICKLUNG von IMAGE |53
Das Prinzip der Frontalität sucht also potentielle Achtungsverluste durch die Minimierung
des körperlichen Ausdrucks (Gestik, Mimik) zu verhindern. Die bewußt gewählte Starr-
heit der Form will die problematische Beziehung von Oberfläche und Tiefe umgehen, die
sich im Falle weniger geradliniger Posen um so mehr aufdrängt, da die Körperhaltung
dann als Ausdruck von Tiefe (Charakter, Individualität) hinter der Oberfläche gelesen wer-
den kann und als solche überzeugen muß. Die Ratgeberliteratur, die sich seit dem Beginn
der Portraitphotographie immer wieder mit der Beschaffenheit guter Posen beschäftigt,
fokussiert genau dieses Problem. Die Frage, ob und inwiefern die Pose die Gruppen-
zugehörigkeit der Portraitierten zum Ausdruck bringt, spielt hingegen kaum eine Rolle.
Beherrschendes Thema sind vielmehr die Möglichkeiten der Pose, die (Selbst-)Darstel-
lung und Individualität der Portraitierten zu unterstützen (siehe oben stehendes Zitat von
Klary). Die Natürlichkeit von Haltungund Mimik wird dabei sehr schnell als entscheidender
Positivwert genannt. Das bedeutet dann aber um so mehr, daß das (Nicht-)Beherrschen der
dafür notwendigen Performance eine Grenze bei der Herstellung guter Portraits bildet. In
der sechsten Auflage von Anton Martins »Handbuch der gesammten Photographie« von
1865 heißt es: »Die größte Schwierigkeit, welche sich der künstlerischen Auffassung eines
Portraits entgegenstellt, liegt in den aufzunehmenden Persönlichkeiten selbst, denn wenn
der Photograph sich auch noch so sehr bemüht, die Personen ungezwungen und graziös zu
stellen oder zu setzen, so gibt es doch Leute, deren Steifheit, wenn ich so sagen darf, eine
unbeugsame ist.« (zit. n. Hoerner 1989, 137)63
Die Konvention der Pose stellt sich also, als Lehrbuch-Semantik wie als prak-
tisches Bemühen der an den Inszenierungen beteiligten Akteure, auf den Oberflä-
chencharakter der Photographie ein: Die Pose ist, ob als starre Haltung (»Fronta-
litätsprinzip«) oder als spezifische Feinjustierung der Gliedmaßen zum Zweck der
Darstellung natürlicher und (dadurch) vertiefter Persönlichkeit, in der Frühzeit der
Photographie noch ein unvermeidliches Mittel, um drohende Achtungsverluste durch
photographische Oberflächenfixierungen unwahrscheinlich(er) zu machen. Zu dieser
neuen, medienspezifischen Zweckbestimmung der Pose paßt auch die Konvention
63 Auch Jäger stellt im Blick auf die Anweisungen der Berufsphotographen fest, daß »im-
mer wieder darauf verwiesen (wird), daß die aufzunehmende Person entspannt und
locker sein sollte. Besonders verbissenes Starren sei zu vermeiden. Die Pose selbst sollte
»natürlich« wirken, also der Person angemessen und nicht aufgezwungen, so wie man
sich gegenüber Unbekannten und für die Mit- und Nachwelt verhalten solle: aufrecht und
würdevoll, respektabel und selbstsicher.« (Jäger 1996, 151)
Natürlichkeit ist vermutlich bis in die Gegenwart einer der wichtigsten Maßstäbe der
Beurteilung mehr oder weniger gelungener Posen. In einem Handbuch von 1965 heißt
es jedenfalls noch ganz in Übereinstimmung mit historischen Vorläufern: »Where the
model has had a lot of experience in front ofthe camera, she will assume attractive poses
naturally without direction and the photographer can work more or less in a »candid«
manner. Оп the other hand, if the photographer must direct every detail of the pose, there
is a danger that the subject will appear stiff and unnatural, having been arranged much
like a still life.« (Shirley 1965, 6)
54 | IMAGE. ZUR GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN
ernster Gesichtsausdrücke, die die Portraits des 19. Jahrhunderts dominieren. Denn
auch die Mimik leistet über die Unterdrückung emotionaler Ausdrucksbewegungen
einen Beitrag zu einer risikoarmen Selbstdarstellung unter riskanten Bedingungen.
Starl schreibt zu den ernsten Mienen der Epoche: »Man wendet sich sozusagen nach
innen, verbirgt seine Stimmung und übereignet das Aussehen ruhiger Gefaßtheit der
photographischen Apparatur.« (Starl 2006, 35) Und eben weil die Gesichtsausdrücke
der Portraitierten nur allzu deutlich den Ernst der Situation zum Ausdruck bringen,
gehört die Aufforderung »Bitte recht freundlich« bald zum Repertoire der Berufs-
photographen.*
b) Retouche
Weil die in der Photographie gezeigte Oberfläche des Körpers im Verhältnis zur un-
sichtbaren Tiefe in neuer Weise in den Vordergrund tritt und an Relevanz gewinnt,
spielt das »Aussehen« für die Person eine wichtiger werdende Rolle, und zwar im
Rahmen der Unterscheidung von gutem und schlechtem Aussehen, die jetzt buchstäb-
lich automatisch akzentuiert wird. Der Versuch, »schlechtes< Aussehen auf die Abbil-
dungstechnik der Apparatur zurückzuführen, ist jedenfalls nur für die früheste Früh-
zeit der Photographie belegt. Newhall weiß aus der Kinderstube der Photographie zu
berichten: »Mancher, der von Natur aus häßlıich ist, und der sich nach anstrengender
Sitzung auf dem Bild noch häßlicher wiederfindet, behauptet, daß der Fehler im Ap-
parat steckt und verläßt das Atelier ohne Bild.« (Newhall 1961, 11)
Man hadert nun, sei es privat oder in Form öffentlicher Beiträge zum Diskurs (z.B.
der Feuilletons) mit seinem Bild, und man spricht von einem »horror of photography«
(George Eliot 1860, zit. n. Jäger 1996, 153)6° — ein Problem, das die Photographie
als Identitäts-Generator bis in die Gegenwart begleitet und das erst durch dieses Dar-
stellungs- und Verbreitungsmedium in Gang gesetzt wurde und sich entwickelte. Es
spricht vor diesem Hintergrund einiges dafür, die verschiedenen Verfahren der Bildbe-
arbeitung (hauptsächlich Kolorieren, Negativretouche, Übermalen), die sich während
64 Wie bei der wenig später konkretisierten Handlungsanweisung »Bitte lächeln« (vgl.
Freund 1979, 75) geht es um die Erzeugung eines lebendigen, natürlichen, menschli-
chen Eindrucks, der schon deshalb seinen Zweck erfüllt, weil Lächeln als Beschwichti-
gungsgeste gegenüber einem potentiellen Aggressor eine Art Schlüsselreiz darstellt (vgl.
Goffman 1981) und insofern die Akzeptanzwahrscheinlichkeit des Bildes zu steigern
vermag.
65 Dieser Horror klingt mehr als hundert Jahre später in einer Formulierung von Barthes
an, wenn er feststellt »[...] ich kann höchstens sagen, daß ich mich auf manchen Photos
ertragen kann oder auch nicht, je nachdem, ob ich dem Bild entspreche, daß ich von mir
zeigen möchte« (Barthes 1989, 113). Hier wie dort wird deutlich, daß sich der Satz »Ge-
messen an einer leiblich erfahrenen Realität von Körpern ist der interesselose Blick auf
ihn und mehr noch die photographische Ablichtung keineswegs realistisch, sondern eine
Abstraktion« (Böhme 2004, 123) nicht nur als Befund einer Philosophie der Photogra-
phie, sondern auch als Kommentar zu einer alltäglichen Bildpragmatik lesen läßt.
2. TECHNISCHE BILDMEDIEN UND DIE ENTWICKLUNG von IMAGE |55
des 19. Jahrhunderts einer großen Beliebtheit erfreuten, nicht als vorübergehende Mo-
deerscheinung, Geschmacksverwirrung oder Anzeichen des Verfalls künstlerischer
Ambitionen zu interpretieren.°® Vielmehr kann man in diesen Techniken Praktiken der
kommerziellen Portraitphotographie erkennen, mit denen auf das Problem drohender
Achtungsverluste durch den Oberflächencharakter der Photographie reagiert wird P!
Daß mit der Betonung der Oberfläche auch die Tiefe zu einem Problem wird, das die
Bildbearbeitungsformen auf den Plan ruft, ist sehr gut an den Quellen festzumachen,
die Erich Stenger in seiner »Photographiegeschichte im Spiegel von Tageszeitungen
und Tagebüchern« (1943) zusammenführt. Auf der Seite der Tiefe lautet das Problem:
Sie fehlt. In den Zeitungsberichten wie in den Tagebüchern der Photographen wird
die »Todtheit«, »Schärfe« und »Kälte« der Daguerreotypien der 1840er Jahre kriti-
ѕіегі.68 Den Darstellern mangele es an »Leben«, »Seele«, »Wärme« und »Glanz«,
und eben das solle ihnen durch eine Optimierung des photographischen Verfahrens
oder durch die nachträgliche Bildbearbeitung in Angleichung an die Malerei‘? wie-
dergegeben werden. Auf der Seite der Oberfläche lautet das Problem: Sie ist zu genau.
Vor allem die Damen, so die zeitgenössische Beobachtung, verlören durch die detail-
lierte und exakte Wiedergabe ihre natürliche Schönheit, und zwar insbesondere die
66 Diese Interpretation findet sich z.B. in dem prominenten Text von Freund (1979, 76).
67 Bis in die Gegenwart ist die professionelle Portraitphotographie auf diesen Bedarf ein-
gestellt, wie ein Blick in die Schaufensterauslagen der Anbieter schnell verdeutlicht:
Weichzeichner, Farbfilter, bestimmte Lichtführungen, Unschärfen usw. kommen immer
noch regelmäßig zum Einsatz, um den Realismus der Photographie abzudämpfen und
ein optimiertes (Körper-)Bild zu entwerfen, in dem verschiedene Defizite eliminiert oder
zumindest zurückgedrängt sind (z.B. Hautunreinheiten, Zahnverfärbungen, »unschöne«
Proportionen).
68 Vgl. Stenger 1943, insb. 48 und 61-64. Diese Kritik trifft in der Frühzeit besonders zu, da
die Photos in dieser Zeit häufig noch sehr kontrastreich waren und die Darstellung zudem
auf Schwarz-Weiß reduziert war, also die Darstellung von »Fleischfarben« ausgeschlos-
sen war. In einem Zeitungsbericht von 1857 zur Schweizer Industrieausstellung, auf der
auch zahlreiche Portraitphotographen ihre Werke ausstellten, bezog sich die Differenzie-
rung der einzelnen Arbeiten durch die Kritiker daher noch sehr stark auf das Erreichen
von nuancierten Graustufen: »[...] man verlangt einen weichen, dem Auge gefälligen
Grundton. Bei zusammengesetzten Bildern endlich kommt es noch auf die einzelnen
Nüancen dieses Kolorits an, um dem ganzen Bilde eine vollendete, angenehme Rundung
zu geben.« (zit. n. Stenger 1943, 69)
69 Im Schweizer »Intelligenzblatt« wurde 1848 entsprechend eine neue Technik gelobt als
»bis jetzt praktischste Art von Daguerreotypen, die der Malerei am ähnlichsten Kommt
[...]. Sie stellt ihre Bilder nicht auf Metallplatten, sondern auf eigens dazu bereitetem
Kartonpapier dar, wodurch sie sich für Album und dergl. so gut eignen wie für Tab-
leaux, sie machen ganz den Eindruck von Aquarellgemälden in Sepia.« (zit. n. Stenger
1943, 64)
56 | IMAGE. ZUR GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN
weniger schönen.’® Deren Schönheit ist gefährdet, weil diese in einer Weise auf eine
Oberfläche reduziert wird, die in der Erfahrung der Lebenswirklichkeit (und auch in
der Rezeption traditioneller Bildgattungen) nicht existiert hatte. Der Definitions- und
Entfaltungsspielraum für Schönheit ist jetzt spezifisch eingeschränkt, und eben dies
wird in der mehr oder weniger »gepflegten Semantik« (Luhmann) registriert. Daß die
technischen Einschränkungen zugleich medienspezifische Potentiale der Perfektio-
nierung und Variabilität, also das Potential der »Vertiefung« der Oberfläche in sich ber-
gen, wird hier am Beginn der Entwicklung noch weniger gesehen. Um so mehr wird
vor dem Hintergrund des Vergleichens dieser Bilder mit den traditionellen Verfahren
(Malerei, Zeichnung u.a.) ein substantieller Tiefenverlust konstatiert. Die malerische
Überarbeitung und das Kolorieren von Photos durch einen Erfinder dieser Verfahren,
den Schweizer Photographen Johan Baptist Isenring, wird deshalb in der St. Galler
Zeitung 1840 als Rückgabe von (Charakter-)Substanz an die Portraitierten gefeiert:
Das Bild ist nicht, wie man vermuthen sollte, frostig und tonlos, — ein kalter todter Reflex
dessen, was die Natur durch das Objektiv auf der Silberplatte zurückgelassen hat [...]. Das
Lichtbild ist [...] unter der Hand des Künstlers [...] ein wahres Gemälde geworden. Das Auge
ist frei und offen, der Stern klar und distinkt, das ganze Bild hat Färbung, Leben und Wärme.
Damit war Hr. Isenring jedoch nicht zufrieden, er wagte einen neuen Schritt, der darin be-
stund, seine also gewonnenen Portraits zu koloriren. Und siehe auch dieses ist dem gewand-
ten Daguerreotypiker nach einigen beharrlichen Versuchen insoweit gelungen, daß er bereits
alle Tinten in das schwärzliche Lichtbild hineinzuduften, dem Kopfe Inkarnat und dem Gan-
zen den Effekt eines wunderbaren, unvergleichlichen Pastellgemäldes zu geben weiß. (zit. n.
Stenger 1943, 32)
Die manipulierten Photos wurden als solche »nach dem Leben« gelobt (ebd.), wäh-
rend die bloß photographischen Abbildungen trotz bestaunter Wiedergabetreue als
defizitär eingeschätzt wurden.’! Die Bildbearbeitung ist also in ähnlicher Weise wie
die Pose eine Praxis, die auf Probleme antwortet, die mit der Photographie entstehen.
Die Portraitierten fragen das Angebot der Retouche nicht mit künstlerischen Interes-
sen, sondern in der Absicht nach, das entstandene und für problematisch oder doch
wenigstens optimierbar gehaltene Bild des Selbst nachträglich positiv zu beeinflus-
sen. Neben der Ausstattung der Bilder mit »Glanz«, »Leben« und »Wärme« dienen
70 »Vor allem die Frauen werden unvorteilhaft wiedergegeben. Oder sie müssen besonders
hübsch sein, daß ihr Bild nicht leidet.« (Rudolf Ernst 1842, zit. n. Stenger 1943, 46)
71 Und das, obwohl selbst die Kritiker nicht den geringsten Zweifel an der Objektivität des
Mediums äußern. So folgt dem Kommentar eines Zeitgenossen zur Leblosigkeit photo-
graphischer Portraits im Jahre 1848 ganz im Sinne der Talbotschen Vorstellung von der
Photographie als »pencil of nature« die Feststellung: »Die Natur selbst schafft das Bild.
Alles, bis zu den mit dem Auge nicht mehr wahrnehmbaren Einzelheiten wirkt auf die
Silberplatte.« (zit. n. Stenger 1943, 47)
2. TECHNISCHE BILDMEDIEN UND DIE ENTWICKLUNG von IMAGE |57
die Bildbearbeitungsverfahren einer schlichten Überarbeitung der abgebildeten Kör-
performen im Sinne chirurgischer Eingriffe, die die Oberflächen im Blick auf die
allgemeinen Schönheitsstandards bzw. -ideale der Zeit manipulieren. Denn auch die
Abweichung von diesen Standards wird durch die Photographie in neuer Weise fixiert
und (dadurch) akzentuiert und läßt so ein neues Problem entstehen. Die operativen
Eingriffe der Retouche gelten dementsprechend nicht primär dem Hintergrund und
den Staffagen und auch nicht der Bildgestaltung im allgemeinen, sondern dem Körper
des Portraitierten: Schönheitsflecken, krumme Nasen, Falten usw. werden einer äs-
thetischen Korrektur unterzogen. Aber auch die retouchierende Veränderung der Ku-
lissen, der Hintergründe und des Mobiliars sollte man wohl weniger als Kunstwollen
verstehen denn als einen Eingriff, der den Eindruck des »Künstlerischen« mit den je-
weils portraitierten Personen assoziiert und mit der »Verschönerung« derselben in Ein-
klang zu bringen sucht. Das retouchierte Portrait ist also eine Form der Selbstdarstel-
lung, die den Realismus und den dokumentarischen Anspruch der Photographie mit
einer manuell herbeigeführten ästhetischen Überhöhung kombiniert. Daß es sich bei
den Retouche-Techniken keineswegs um ein randständiges Phänomen, sondern um
ein massenhaft nachgefragtes Lösungsverfahren des ausgehenden 19. Jahrhunderts
handelt, zeigt der humorvoll übersteigerte Kommentar des Kenners und Mentors der
deutschen Photographiegeschichte, Alfred Lichtwark, der im Jahre 1894 feststellt:
Kommt einmal jemand mit einem Bilde zurück und macht den Photographen darauf aufmerk-
sam, daß er 60 und nicht 30 Jahre zähle, daß er auf der Stirne Falten habe, hohle Wangen und
eine Stubsnase statt der griechischen, die ihm anretouchiert worden sei, so wird ihm wohl die
Bemerkung »Ach so, Sie wollen ein ähnliches Bild, aber das konnte ich doch nicht wissen: zu
Ohren kommen. (zit. n. Freund 1979, 76)7?
Diese Überlegungen zusammenfassend kann man feststellen, daß der Doppel-
charakter der Photographie im Kontext der Schematisierung sozialer Objekte ein spe-
zifisches Problem generiert. Als indexikalische Karte suggeriert die Photographie, daß
die »realistischen<« Sichtbarkeiten als Ausweis der Identität des jeweils thematisier-
ten Objektes fungieren, während die Betonung der Oberflächenbedeutung zugleich
die Frage radikalisiert, auf welche Eigenschaften eben dieser Objekte die gezeigten
Sichtbarkeiten hinweisen. Als Kommunikationsmedium kann die Photographie dieses
Problem nicht aufheben, sondern nur verschieben, indem sie immer wieder aufs Neue
72 Die Nachfrage der Bildbearbeitungsverfahren ist so stark, daß es zur Ausbildung spezia-
lisierter Berufe kommt (vgl. Freund 1979, 76 £.). Den Durchbruch in Deutschland erzielt
1855 der populäre Photograph Hanfstaengl: »Hanfstaengl stellte dasselbe Bild einmal
unretouchiert und einmal retouchiert aus, und diese Bilder riefen eine Sensation hervor.«
(Ebd.) Das Vorher-Nachher-Schema, das der Photograph benutzt, verlagert die Argumen-
tation ganz in den Bereich der Bilder und erzeugt damit jene Evidenz, von der entspre-
chende Gegenüberstellungen in der Werbung bis in die Gegenwart profitieren (wollen).
58 | IMAGE. ZUR GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN
den Versuch unternimmt, »realistische< Sichtbarkeit als Zeichen von Tiefe zu instru-
mentieren. Im kommunikativen Vollzug dieser Bilder fällt die Bedeutungssteigerung
des Sichtbaren also mit einer neuartigen Verunsicherung der Oberflächenbedeutung
zusammen. Und weil es in der Lektüre dieser Bilder zu keiner Enträtselung kommen
kann, ist man immer wieder erneut darauf angewiesen, an der Oberfläche nach ent-
sprechenden Anhaltspunkten Ausschau zu halten. Mit den technischen Bildern kommt
es dementsprechend nicht nur zu einer Bedeutungssteigerung »realistischer« Oberflä-
chen, sondern zu einer Bedeutungssteigerung und -spezifizierung der Differenz von
Oberfläche und Tiefe in Sachen Identitätsschematisierung.
Folgt man diesen Überlegungen, kommt man zu dem Schluß, daß eine gängige
These zu den soziokulturellen Folgeproblemen der technischen Bildmedien in Zweifel
zu ziehen ist. Diese These geht davon aus, daß sich der Realismus der Photographie
als eine »natürliche Ordnung« anbietet und sich als solche in der Gesellschaft durch-
setzt.” Als Problem wird eine neue Ideologie der Bilder identifiziert. Eine Aufgabe
der Wissenschaft wird dann darin gesehen, über die Konstruiertheit der nur scheinbar
natürlichen symbolischen Ordnung, die sich als die Realität ausgibt, aufzuklären. Daß
und inwiefern man den Realismus technischer Bilder mit — durchaus zutreffenden —
Argumenten dekonstruieren kann, wurde erwähnt. Schon die sozialen Gebrauchswei-
sen der Portraitphotographie des 19. Jahrhunderts weisen jedoch auf eine ganz andere
soziokulturelle Problemlage hin: Das Problem ist nicht nur, daß man Photographien
glaubt. Das Problem ist mindestens ebenso, daß man ihnen nicht glaubt. Der Umgang
mit dem neuen Darstellungsmedium ist also vom Problem des gleichzeitigen Vorhan-
denseins beider Perspektiven bestimmt. Nicht nur in der Theorie, sondern in der Kul-
tur selbst wird der Doppelcharakter technischer Bilder virulent. Die soziokulturelle
Sprengkraft der technischen Bildmedien besteht gerade in der skizzierten eigentümli-
chen Spannung dieser Bilder.
73 So z.B. Bourdieu u.a.: »Wenn man die Photographie für die realistische und objektive
Aufzeichnung der Welt hält, dann deshalb, weil man ihr (von Anfang an) gesellschaft-
liche Gebrauchsweisen eingeschrieben hat, die als „realistisch: und »objektiv« gelten.
Sie hat sich mit den äußeren Anzeichen einer »Sprache ohne Regeln und ohne Syntax«
dargeboten (W. М. Ivins 1953), d.h. einer »natürlichen Sprache«, weil die Auswahl, die
sie im und am Sichtbaren vornimmt, in ihrer Logik ganz und gar der Darstellung der
Welt entspricht, wie sie sich in Europa seit dem Quattrocento durchgesetzt hat.« (Bour-
dieu u.a. 1983, 86) Zu der Kritik einer diagnostizierten Naturalisierung kultureller Codes
durch die Photographie vgl. stellvertretend für neuere Untersuchungen Hall 1980. Daß es
solche »Naturalisierungen« gibt, soll hier keineswegs bestritten werden. Bestritten wer-
den soll um so mehr, daß hierin das entscheidende soziokulturelle Folgeproblem der
technischen Bildmedien zu sehen ist.
2. TECHNISCHE BILDMEDIEN UND DIE ENTWICKLUNG von IMAGE |59
2.2 Bezugsproblem Il: Die Reichweite sozialer Redundanz —
technische Bilder als Verbreitungsmedien
Daß Oberflächenerscheinungen mit der Photographie in neuer Weise zum Bezugs-
rahmen der Schematisierung und Qualifizierung jeweils identifizierter Objekte (Per-
sonen, Dinge) werden, ist nur eine Seite des Problems. Dessen andere Seite wird
sichtbar, wenn man die Photographie nicht als Kommunikations-, sondern als Ver-
breitungsmedium thematisiert. Denn als Verbreitungsmedium wirkt die Photographie
wiederum auf die Kommunikationsverhältnisse ein und spezifiziert bzw. potenziert
die Ablehnungswahrscheinlichkeit der als Oberflächen fixierten Objekte.
Der Luhmann’sche Begriff des Verbreitungsmediums erschließt uns dieses Pro-
blem genauer. Von Verbreitungsmedien spricht Luhmann, wenn Kommunikations-
medien nach dem Gesichtspunkt ihrer Reichweite unterschieden werden. Die dabei
angelegte Perspektive richtet sich auf das Maß, mit dem Kommunikationsmedien In-
formationen so verbreiten, daß sie im weiteren Geschehen prinzipiell als bekannte
Sachverhalte vorausgesetzt werden können. Gemeint ist, kurz gesagt, die über Kom-
munikationsmedien hergestellte »Reichweite sozialer Redundanz« (Luhmann 1997,
202).
Wo liegt nun das Problem? Das Problem besteht darin, daß mit zunehmend grö-
Вегег Reichweite sozialer Redundanz die Verbindlichkeit der Kommunikation für die
Kommunikationsteilnehmer abnimmt. Für einen entscheidenden Schritt in diese Kon-
stellation hinein hält Luhmann die Entwicklung der Schrift, weil mit desem Kom-
munikationsmedium Kommunikation erstmals dauerhaft und systematisch über den
Bereich der Interaktion hinausgreift:’*
Schrift ist nämlich eine Zweitcodierung der Sprache, die diese mitsamt ihrem Ja/Nein-Sche-
matismus in einem anderen Zeichensystem noch mal dupliziert und für Verwendung außer-
halb von Interaktionskontexten zur Verfügung hält. Damit werden Gesellschaftssystem und
Interaktionssysteme stärker differenzierbar, es kommt zu einer immensen Erweiterung des
Kommunikationspotentials in räumlicher und zeitlicher Hinsicht, zu neuartigen Äquivalenten
für Gedächtnis, und entsprechend verlieren die Möglichkeiten interaktioneller Motivsugge-
stion und -kontrolle auf der Ebene des Gesellschaftssystems an Bedeutung. Die Negations-
potentiale der Kommunikationsprozesse können nun nicht mehr so unmittelbar wie zuvor
»sozialisiert« werden. Die Gründe für die Annahme von Selektionsofferten müssen auf ab-
strakterer Basis rekonstruiert werden, sie müssen auf Kommunikation mit Unbekannten
74 Die gesprochene Sprache z.B. bestimmt und erweitert den »Empfängerkreis« einer Kom-
munikation lediglich im Bereich der jeweils Anwesenden, so daß nicht mehr Informa-
tionen vorhanden sein können, als im Interaktionsgeschehen zirkulieren. »Man erzählt
schon Bekanntes, um Solidarität zu dokumentieren. Aber damit ist kein Zugewinn an
Information verbunden. Man kann jeden fragen, der die Information erhalten hat. Wenn
man wiederholt nachfragt, entsteht keine neue Information.« (Luhmann 1997, 202)
60 | IMAGE. Zus GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN
eingestellt sein und die Verquickung mit einem archaischen Ethos der Sozialbindung unter
Nahestehenden abstreifen. Das ist der historische Ausgangspunkt für die Ausdifferenzierung
besonderer symbolisch generalisierter Kommunikationsmedien. (Luhmann 1974, 239)7>
Die Verbreitungsmedien tangieren also weniger das Verstehen als vielmehr die Mög-
lichkeiten der »erfolgreichen Annahme« von Kommunikation:
In dem Maße, in dem die Verbreitungsmedien soziale Redundanz erzeugen, läuft nicht nur die
Zeit schneller; es wird auch ungewiß und unklärbar, ob mitgeteilte Informationen als Prämis-
sen für weiteres Verhalten angenommen oder abgelehnt werden. Es sind zu viele, unüberseh-
bar viele beteiligt, und man kann nicht mehr feststellen, ob und wozu eine Kommunikation
motiviert hatte. (Luhmann 1997, 203)
Insofern sich die oben stehenden Überlegungen lediglich auf die Akzeptanz der Por-
fraitphotographie und das spezifische Problem der Oberflächenbetonung beziehen,
blieb dieser Aspekt bislang unberücksichtigt: Denn für die Portraitphotographie,
die ja in der Regel nur im sozialen Nahraum zirkuliert, müssen Motivationen und
Zwecke, so verschieden sie sein mögen, keineswegs erst hergestellt werden — der
Rezipient ist in der Regel zugleich Auftraggeber der Bildherstellung und spezifisch
motiviert, schon bevor das Bild angefertigt wird.” Welchem Zweck auch immer die
privat genutzten Photos unterstellt sind — ob sie als Selbstvergewisserung einer Grup-
pe, als Kunstwollen oder als das Verhindern von Langeweile interpretiert werden: Ein
75 Umgekehrt wird damit die Annahme verknüpft, daß es in Gesellschaften, in denen die
Interaktion noch der alleinige oder gemeinhin entscheidende Ort ist, an dem zwischen
den Akteuren die verschiedensten Themen verhandelt werden, keinen oder nur wenig
Regulierungsbedarf im Stile der symbolisch generalisierten Medien gibt: »Solange [...]
Sprache nur mündlich, also nur in Interaktionen unter Anwesenden ausgeübt wird, gibt es
genug soziale Pressionen, eher Angenehmes als Unangenehmes zu sagen und die Kom-
munikation von Ablehnung zu unterdrücken.« (Luhmann 1997, 204)
76 Der Photograph Anton Georg Martin (1812-1882), der ab 1840/41 als reisender Photo-
graph unterwegs ist und sich später als Verfasser des ersten deutschsprachigen Lehrbuchs
der Portraitphotographie einen Namen macht, erklärt die hohe Nachfrage über bestimmte
psychische Bedürfnisse: »Die Photographie hat ihren Aufschwung einzig und allein dem
Portraitfache zu verdanken. Die Eitelkeit und Eigenliebe des Menschen haben [...] als
zwei mächtige Leidenschaften unserer Kunst auch mächtig Vorschub geleistet.« (zit. n.
Hoerner 1989, 115) Auch Baudelaire sieht entsprechende Motivationen beim Publikum:
»Von diesem Moment an war es das einzige Bestreben dieser unsauberen Gesellschaft,
wie ein einziger Narziß ihr triviales Bild auf der Metallplatte zu betrachten. Ein Wahn,
ein extremer Fanatismus bemächtigte sich dieser Sonnenanbeter.« (Baudelaire 1859, zit.
n. Kemp 1980, 110) Die Feststellungen der Zeitzeugen belegen darüber hinaus, daß sich
das Interesse der Portraitierten vorwiegend auf die Darstellung der eigenen Person und
nicht auf die Darstellung von Gruppen richtet.
2. TECHNISCHE BILDMEDIEN UND DIE ENTWICKLUNG von IMAGE |61
wichtiger Grund für die Annahme dieser Bilder liegt immer auch in ihrem Verwei-
sungsbezug zu den bereits bekannten Objekten (den lebenswirklichen Individuen),
wie der Brief einer Engländerin von 1842 an ihre Freundin verdeutlicht:
Es ist nicht die Ähnlichkeit allein, die derlei so kostbar macht, sondern die Vorstellung und
das Gefühl der Nähe, das einem solchen Objekt innewohnt... es ist die Tatsache, daß dort der
echte Schatten eines Menschen für alle Zeiten festgehalten ist! Hier hat das Portrait, wie ich
meine, zu seiner heiligsten Aufgabe gefunden — und ich finde es überhaupt nicht abwegig,
wenn ich erkläre [...], daß ich von einem Menschen, für den ich tiefe Liebe empfand, lieber
ein derartiges Andenken besäße als das größte Kunstwerk aller Zeiten. Ich sage das nicht,
weil ich damit etwas über (oder gegen) die Kunst äußern will, sondern um der Liebe willen.
(Barrett 1842, zit. n. Wiegand (Hg.) 1981, 43) 77
Das photographische Erscheinungsbild kann hier also noch als eine spezifische Sche-
matisierung (»Ѕсһаќеп«) zu einem »Vorbild« in Beziehung gesetzt werden, und der
Reiz des Bildes besteht in der Vergegenwärtigung des lebenswirklichen Objektes
(hier: des abwesenden Individuums).7®
Die über Zeitungs- und Zeitschriftenphotos verbreiteten öffentlichen Bilder lassen
sich in ihrer partikularen Erscheinung von den Rezipienten hingegen gewöhnlicher-
weise nicht mehr zu einem lebenswirklichen Vorbild in Beziehung setzen. Sieht man
von den schriftbasierten Kommunikationen mit demselben Objektbezug ab, erfolgt
die Identifizierung der Objekte (sei es ein Filmstar, ein Politiker oder ein käufliches
Produkt) hier ganz über die Erscheinungsformen, die in den Verbreitungsmedien kur-
sieren.
77 Im Anschluß an die dargestellte Diagnose einer bereits alltagskulturellen Relativierung
des photographischen Realismus ist hier die Rede von der Echtheit des »Schattens« zu
beachten: Diese Formulierung macht deutlich, daß die Photographie nicht als Tiefenaus-
druck der Persönlichkeit, immerhin aber als ein »Schatten« derselben angesehen wird,
der die Existenz dieser Person qua »realistischer« Ähnlichkeit vergegenwärtigt und inso-
fern die Funktion des Andenkens in einem anderen Sinne als die traditionellen Bildgat-
tungen gewährleistet.
78 Versteht man, wie z.B. Bourdieu u.a. (1983) unter den sozialen Gebrauchsweisen der
Photographie den Gebrauch privater Photos, müßte man wohl neben und mit ihrer Funk-
tion der (Selbst-)Biographisierung (5.0.) von einer Vergegenwärtigungsfunktion der Pho-
tographie sprechen und darin eine basale Gebrauchsweise der Photographie erkennen.
Die unzähligen Familienbilder, die bis in die Gegenwart in Geldbörsen, am Arbeitsplatz
oder zu Hause mehr oder weniger sichtbar aufbewahrt werden, bezeugen in ihrer paß-
bildartigen Standardisiertheit und/oder kontextbezogenen Austauschbarkeit (z.B. Ur-
laubsmotive) jedenfalls über kulturelle Unterschiede oftmals relativ wenig, symbolisie-
ren aber in jedem Fall eine Beziehungsnähe zwischen dem Besitzer der Photos und den
abgebildeten Personen und machen für andere sichtbar, daß es sich um den (Ehe-)Partner
oder die Kinder handelt.
62 | IMAGE. Zus GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN
Das Hinausschieben der Photographien aus dem sozialen Nahraum vollzieht sich
dabei seit der allgemeinen Zugänglichkeit der Technik, die nahezu zeitgleich mit der
Erfindung derselben gewährleistet wird. Da weder Können, noch Zeit oder Geld als
exkludierende Ressourcen wirken, kommt es rasch zu einer Verbreitung von »realisti-
schen« Bildern, deren Ausmaß sich mit den vorherigen Bild-Verbreitungsmedien (z.B.
Holzschnitt, Radierung, Lithographie) kaum vergleichen läßt. Früh sorgen bestimm-
te Publikationspraktiken’”? und besondere Formate wie z.B. die Albumphotographie
oder die Cartes des visites (z.B. prominenter Persönlichkeiten) für hohe Auflagen, die
die Präsenz photographischer Bilder steigern und eine auf diese Bilder eingestellte
visuelle Kultur des Erinnerns und Vergessens in Gang setzen. Der eigentliche Durch-
bruch wird aber erst mit dem Einzug der Photographie in die Verbreitungsmedien des
Drucks durch das 1881 von Meisenbach entwickelte Rasterungsverfahren (»Auto-
typie«) erzielt. Denn erst jetzt wird die Photographie mit dem Massendruck (Zeitung
und Zeitschrift) kompatibel.°® Jetzt können nicht nur weite Kreise der Gesellschaft
(auch an der Peripherie jenseits der Großstädte) kontinuierlich photographische Bil-
der rezipieren. Vielmehr bedient sich das System der Massenmedien fortan der tech-
nischen Bilder als substantielle Informationsträger und entfaltet eine Bildwelt, die an
die schriftbasierte Berichterstattung gebunden wird.
79 So kann man die Schaufenster der Photographen in den Großstädten als Verbreitungs-
medien photographischer Portraits betrachten, in denen einem tendenziell anonymen
Publikum Darstellungen von tendenziell anonym bleibenden Menschen zugänglich ge-
macht werden. Für den Großstadt-Flaneur werden die im Schaufenster erblickten Men-
schen gewöhnlicherweise nur noch über ihre Erscheinungsform charakterisiert. Mit den
Cartes des visites und vergleichbaren, billigen Kleinformaten etabliert sich zudem für
eine gewisse Zeitdauer eine populäre Praxis des Verteilens und Sammelns von Portraits,
deren Besitzer die abgebildeten Menschen gar nicht oder nur flüchtig kennen. In beiden
Zusammenhängen zeigt sich bereits die für den späteren Illustrierten-Leser und Fern-
sehzuschauer zum Normalvollzug werdende rezeptive Schematisierung verschiedenster
Bildobjekte über Oberflächen.
80 Nachdem die Photographie einige Zeit als Vorlage-Medium bei der Herstellung von Illu-
strationen fungiert (letztere werden mit dem Hinweis »nach einer Photographie« gekenn-
zeichnet, vermutlich auch, um den Realismus, der Photographie ins Spiel zu bringen),
erschien 1880 erstmals im New Yorker »Daily Graphic« eine Photographie. Während
verschiedene Wochenzeitungen bereits ab 1885 regelmäßig Photos drucken (so z.B. die
Berliner Illustrierte ab 1895, vgl. Hoerner 1989, 197), kommt die Photographie in der auf
kürzere Produktionszeiten angewiesenen Tagespresse mit einiger Verzögerung zum Ein-
satz. Bereits 1904 arbeitet der englische »Daily Mirror« durchgängig mit Photographien
(1919 folgt der New Yorker »Illustrated Daily«, vgl. Freund 1979, 116 Ё). Aber auch
in Büchern und Zeitschriften fungieren gedruckte Photographien fortan als Generatoren
sozialer Redundanz.
2. TECHNISCHE BILDMEDIEN UND DIE ENTWICKLUNG von IMAGE |63
Die Photographie richtet als Verbreitungsmedium im Laufe weniger Jahrzehnte
also eben jene Konstellation in aller Schärfe ein, in der die »Gründe für die Annah-
me von Selektionsofferten [...] auf abstrakterer Basis rekonstruiert werden« müssen
(Luhmann 1974, 239). Durch die technischen Bilder entsteht ein »Raum« öffentli-
cher Bilder, in dem Produktion und Rezeption weitgehend entkoppelt und aus ei-
nem die Kommunikationsteilnehmer integrierenden Interaktionsgeschehen heraus-
genommen sind. H Das Problem der Oberflächenbetonung spitzt sich daher mit der
Integration der Photographie in die Verbreitungsmedien des Massendrucks (Print-
medien) radikal zu. Weil die Beurteilung von Attributen hinter der Oberfläche nur
über die Oberfläche vollzogen werden kann, muß die Konstruktion der jeweils pho-
tographisch identifizierten Objekte auf eben diesen Sachverhalt eingestellt werden.
Die »Selektionsofferten« müssen um so mehr in die bildbasierte Kommunikation
selbst eingebaut werden, als die Annahmewahrscheinlichkeit der jeweiligen Objek-
te nicht über den Kontext einer sozialen Situation abgesichert oder gesteigert wer-
den kann. Es bleibt natürlich nicht ausgeschlossen, daß die Medienproduzenten ihre
Adressaten kennen, daß also gewußt wird, was die Rezipienten wissen (kennen),
welche Interessen, Motivationen und Vorlieben sie haben und entsprechend, welche
Kommunikationen eine Annahme wahrscheinlich machen. Doch die massenhafte
Produktion von Bildern kann nicht prinzipiell von diesem Sachverhalt ausgehen
bzw. auf diesen angewiesen bleiben. Sie muß ihre Bildkommunikation vielmehr so
einrichten, daß alles, was kommuniziert wird, ohne Zusatzinformationen für das
Publikum potentiell interessant und verständlich ist. Vor allem dann, wenn Kommu-
nikation mehr erreichen soll als bloßes Verstehen — also z.B. dann, wenn Akzeptanz
für die bildförmigen Identifizierungen und Qualifizierungen der jeweiligen Objekte
hergestellt werden soll —, bedarf es einer besonderen »Spezialsprache« (Luhmann),
die auf die Lösung dieses Problems eingestellt ist. Es muß eine Sondersemantik
entwickelt werden, die eine Tiefen-Attribuierung über die jeweiligen Oberflächen
zuläßt und sichtbare Kriterien für Positiv- oder Negativbewertungen bereitstellt.
Wie noch zu zeigen ist, spezialisiert sich vor allem die massenmediale Werbung
auf die (Weiter-)Entwicklung einer solchen Spezialsprache und differenziert sich
damit zu einem eigenständigen Bereich des Systems der Massenmedien aus, der
die Herstellung entsprechender Identifizierungen (Images) für die verschiedensten
Nachfrager bereithält.
81 Daneben bleiben natürlich soziale Gebrauchsweisen der Portraitphotographie bis in die
Gegenwart bestehen, deren Funktion auf den sozialen Nahraum der Akteure beschränkt
ist.
64 |
IMAGE. ZUR GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN
2.2.1 Markt- und Publikumsorientierung
Die Notwendigkeit einer solchen Spezialsprache besteht um so mehr, als die tech-
nischen Bilder seit ihrer Einführung auf Märkten gehandelt werden.°? Denn das be-
deutet, daß sich die Produktion notwendigerweise an den Interessen derer ausrichten
muß, die die Bilder abnehmen und dadurch (wie indirekt auch immer) die Hersteller
finanzieren. Daß die funktional differenzierte Gesellschaft des 19. Jahrhunderts den
Markt kaum einschränkt, zeigen die historischen Quellen deutlich. Zwar gibt es
82 Das photographische Gewerbe expandiert rasend schnell, wobei der Ankauf des
83
Daguerre’schen Verfahrens durch die Französische Akademie (den französischen Staat)
1839 diese Entwicklung beschleunigt: Indem das Urheberrecht aufgehoben und die Be-
schreibung des Verfahrens veröffentlicht wird, gewinnt trotz bestehender Hürden (kom-
plizierter Technik, hoher Preise) prinzipiell jedermann Zugriff auf die Technik (vgl. Neu-
mann 1989, 26-29). Für die Ausdehnung eines flächendeckenden Marktes jenseits der
Großstädte spielen bis etwa 1890 die so genannten Wanderdaguerreotypisten eine Rolle,
die in großer Zahl durch die Länder ziehen. Sie wecken das Interesse am Verfahren nicht
nur (aber hauptsächlich) durch ihre Präsenz, sondern auch mit Handzetteln und Muster-
bildern, d.h. mit Werbung (vgl. Hoerner 1989, 14 f.). In Deutschland gründen sich erste
Studios 1842 und besetzen wie anderswo zunächst denjenigen Markt, den bis dahin die
Portraitisten, Medaillonmaler und Silhouetteure innehatten (vgl. ebd., 9 f.). Trotz zwi-
schenzeitlicher Krisen wächst auch hier das Gewerbe sehr schnell. Bereits 1845 ist die
Marktrelevanz des neuen Verfahrens derartig, daß die Preußische Regierung einen Re-
gulierungsbedarf sieht und die Photographie als Gewerbe (und nicht als Kunst) einstuft.
Allein zwischen 1856 und 1859 werden z.B. in Berlin 70 neue Ateliers gegründet (vgl.
ebd., 29). Jäger zufolge konstituiert sich in der Zeit von 1839-1865 in den meisten euro-
päischen Ländern und in Nordamerika die Photographie als ein marktrelevantes Gewer-
be (vgl. Jäger 1996, 4). Freund (vgl. 1979, 95 f.) führt für das Jahr 1864 25 photographi-
sche Journale in sechs verschiedenen Ländern und Sprachen an und erwähnt neben dem
technischen Angebot (diverse Apparate, Chemikalien, Papiere, Rahmen, Alben, Etuis,
Stereoskope) auch spezialisierte Unternehmen, Publikationsorgane und Organisationen.
Die Geschichtsschreibung der Photographie schenkt dem Aspekt des Marktes bzw. der
kommerziellen Photographie allerdings — im scharfen Kontrast zu ihrer faktischen Be-
deutung — bislang nur sehr wenig Beachtung (vgl. aber Hoerner 1989 und McCauley
1994). Man kann vermuten, daß die Thematisierung der Photographie im Vergleich zur
Kunst hierfür ein wesentlicher Grund ist bzw. daß die Interpretation der Photographie
als Nicht-Kunst zu einer negativen Qualifizierung der Resultate führt, die andere For-
schungsperspektiven blockiert. Selbst in Benjamins Untersuchung über »Das Kunstwerk
im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit« (1931) kann man eine eigentümli-
che Engführung auf das Thema »Photographie und Kunst: beobachten, obwohl ja gerade
Benjamin die Photographie als Wegbereiter der modernen Massenmedien betrachtet und
den »Aura-Verlust« in Bezug auf die »Systemreferenz< Massenmedien (aus ähnlichen
Gründen wie de Laborde (а.а.О.) fast hundert Jahre vor ihm) für eine begrüßenswerte
Folge hält.
2. TECHNISCHE BILDMEDIEN UND DIE ENTWICKLUNG von IMAGE |65
in Anlehnung an bestehendes Recht Grenzen der Herstellung und Verbreitung be-
stimmter Photographien®* — sogar die Religion setzt dem Medium ganz am Anfang
der Entwicklung rechtswirksame Schranken: So müssen die Werbeschaufenster der
Berufsphotographen vor und nach den Gottesdienstzeiten verdeckt werden, damit die
Kirchgänger von ihrer Konzentration auf das Wesentliche (des Glaubens) nicht abge-
lenkt werden.®° Doch können die wenigen (Handels-)Einschränkungen nicht darüber
hinwegtäuschen, daß der Bilder-Markt den Interessen der Publika weitgehend folgt
und folgen kann. In Bezug auf die kommerzielle Photographie des 19. Jahrhunderts
heißt das noch: Nicht der Photograph bestimmt, was und wie photographiert wird,
sondern das zahlende Publikum.S° Da sich dieses fast ausschließlich für Portraits in-
teressiert, dominiert dieses Genre die photographische Gesamtproduktion und ist der
eigentliche Motor der Ausbreitung der Photographie dieser Epoche 2")
84 Ein Beispiel ist die rechtliche Einschränkung der Verbreitung pornographischer Bilder.
Doch auch und gerade für diese Bilder entsteht schnell ein Markt (vgl. Williams 2003).
Eine andere Restriktionsdebatte entfaltet sich früh im Kontext der Frage nach dem Per-
sönlichkeitsschutz von Individuen öffentlichen Interesses (vgl. Freund 1979).
85 Vgl. Hoerner 1989, 77. Zum bis an den Beginn des 20. Jahrhunderts bestehenden sonn-
täglichen »Blendzwang« kommerzieller Schaufenster im allgemeinen sowie den zeitge-
nössischen Debatten hierzu vgl. Reinhardt 1993, 116 ff.
86 In den Worten eines englischen Beobachters von 1866: »Eine Kunst, die so glücklich
oder unglücklich ist, nur einen kleinen Kreis ausgesuchter Bewunderer zu finden, kann
die Erhabenheit ihrer Ziele unangefochten bewahren. Aber eine Kunst, die Millionen von
Auftraggebern hat, wird den Geschmack der Millionen adaptieren müssen. In der Spra-
che des Theaters: sie wird für die Galerie spielen müssen. Die enorme Nachfrage nach
Photographien hat eine große Menge verabscheuungswidriger Photographen hervorge-
bracht.« (zit. n. Kemp 1980, 38)
87 Einer Untersuchung von Jäger (1996) zufolge, die sich auf den Zeitraum von 1839-
1860 beschränkt, handelt es sich bei 93% aller Photographien um Portraits. Aufgrund
der hohen Nachfrage wechseln zahlreiche Portraitmaler in den Beruf des Photographen.
Entsprechend gravierend sind die Folgen für die Auftrags(klein-)kunst der Zeit: »Das
eigentliche Opfer der Photographie aber wurde nicht die Landschaftsmalerei, sondern die
Portraitminiatur.« (Benjamin 1977, 53)
Während sich schon die Daguerreotypie kurz nach ihrer Einführung einer gewissen Be-
liebtheit erfreut, dringt die Photographie bereits mit der Carte des visites, einem acht-
fachen Photoportrait, dessen Herstellungsverfahren Eugene Disderi 1854 zum Patent
anmeldete, in einen Massenmarkt vor, der viele Mitglieder der Gesellschaft in die pho-
tographische Praxis einbindet: »Seine Erfindung, kleine Visitenkartenportraits in voller
Figur und in Serie sehr billig herzustellen, machte total Mode; bald herrschte nämlich
geradezu der gesellschaftliche Zwang, solche kleinen Selbstportraits in kleiner Zahl bei
sich zu tragen, sie auszutauschen und sie rasch wieder nachmachen zu lassen. [...] Als gar
Napoleon III. sich 1859 so photographieren ließ, war die Mode nicht mehr aufzuhalten.«
(Koschatzky 1989, 111; diese Diagnose teilt auch schon der zeitgenössische Beobachter
Nadar, vgl. 1980, 140). 1860 ist die gesellschaftliche Durchdringung mit Photographien
66 | IMAGE. Zus GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN
Die Marktorientierung der massenhaften Bildproduktion wird lange kritisiert, und
zwar deshalb, weil die Kunst als die bis dahin dominierende Bildgattung als Ver-
gleichsrahmen genutzt wird, so als sei — und eben das ist ein Mißverständnis — die mit
der Ausbreitung der Photographie einhergehende visuelle Kultur als Fortsetzung oder
funktionales Äquivalent der Kunst zu уегѕќеһеп.8 Man kann nun die (auch) marktbe-
dingte Egalisierung der Zugriffsmöglichkeiten auf die Bildmedien bzw. eine an den
verschiedenen Publika orientierte Bildproduktion der Massenmedien als Bestandteil
einer Demokratisierung der Gesellschaft betrachten®? oder unter Begriffen wie »Ein-
schaltquotenmentalität« (Bourdieu 1998) kritisch kommentieren. Erkennbar ist jeden-
falls, daß es mit den technischen Bildern und deren marktförmiger Produktion im
Laufe der Jahrzehnte schnell zu einer Ausdifferenzierung des Bildangebots im Blick
auf verschiedene Publikumskulturen kommt und kommen muß. Dabei geht es nun
keineswegs nur darum, daß der Bildermarkt (später vor allem der der Massenmedien)
bestehende Publikumskulturen kopiert, die er in seiner Umwelt vorfindet. Es geht
vielmehr um das Entstehen einer neuen symbolischen Ordnung, die einer neuartigen
Dynamik von Angebot (Massenmedien) und Nachfrage (Rezeption, Konsumtion) un-
terliegt, die als solche erst durch die Entwicklung der modernen Verbreitungs- und
Massenmedien entsteht.
und der auch in Deutschland eingeführten »Cartes de visites« dann so weit fortgeschrit-
ten, daß man von einer »Kartomanie« spricht. Die Berliner Photographen E. Linde &
Co gründen 1862 eine Datenbank, die die landesweit erhältlichen Prominenten-Photos
sowie deren Preise katalogisiert, wobei das »Central-Depot« als eine Dienstleistung ge-
handelt wird.
88 Einer der wenigen, die sehr früh einen prinzipiellen Unterschied von Kunst und massen-
hafter Bildproduktion sehen, ist de Laborde. Er stellt bereits 1859 in Bezug auf verschie-
dene Genres der Malerei (Portrait, Ansicht, Landschaft) und einen dazugehörigen billi-
gen Massenmarkt die Frage: »War das Kunst? Ich bin geneigt, es zu bejahen, wenn ich
diese Produkte mit den Durchschnittserzeugnissen der Vergangenheit oder des Auslandes
vergleiche. Aber ich sage lieber: Nein, das ist keine Kunst, das sind die Massenerzeugnis-
se einer Industrie, die der wunderbaren Erfindung der Daguerreotypie präludierte.« (De
Laborde, zit. n. Kemp 1980, 98)
89 De Laborde nimmt 1859 in seinem Buch »Die Revolution der Reproduktionsmittel« die-
se Perspektive auf die Photographie vorweg, die Benjamin im 20. Jahrhundert prominent
gemacht hat. De Laborde spricht von den »Reproduktionsmitteln« als den »Hilfstruppen
der Demokratie« und reiht die Photographie nach dem Buchdruck und der Dampfma-
schine in eine Reihe von Erfindungen mit Allgemeinwohlcharakter ein. Die Photogra-
phie sei deshalb zu begrüßen, weil sie »Kopien einzigartiger Kunstwerke und handge-
strickter Stoffe, die früher nur der Reiche besaß [...] bis in die Hütten des Bauern trage«
(de Laborde, zit. n. Kemp 1980, 97). Neumann erwähnt ähnliche Hoffnungen der Zeitge-
nossen wenn er feststellt, man habe das »imaginäre Museum« angekündigt und die An-
sicht vertreten, daß die »Kartographie der Aufklärung« neu besetzt werde (vgl. Neumann
1989, 40 f.).
2. TECHNISCHE BILDMEDIEN UND DIE ENTWICKLUNG von IMAGE |67
Ein frühes Beispiel hierfür gibt wiederum die Portraitphotographie. Denn schon
mit ihr zeichnen sich Folgen ab, die an die Einführung des Buchdrucks erinnern:
Bislang dominierende symbolische Ordnungen können nicht mehr ohne weiteres ge-
sellschaftsübergreifend als »die« Ordnung behauptet werden, weil für den Markt zu-
nehmend all das hergestellt und sichtbar gemacht wird, was nachgefragt wird. Im
Bereich der Portraitphotographie kommt es mit der neuen Nachfrageorientierung der
Bildproduktion dabei zunächst zu einer Nivellierung derjenigen symbolischen Unter-
schiede, die im Rahmen der (ständischen) Gesellschaft des 19. Jahrhunderts noch als
relativ verbindlicher Ausdruck hierarchisch gegliederter Schichten/Stände fungieren.
Die Logik des Marktes (Publikumsorientierung) unterminiert die bestehende (status-)
symbolische Ordnung in einem ersten Schritt nicht durch die Differenzierung neuer
Entwürfe, sondern dadurch, daß sie den Mitgliedern verschiedenster Schichten dieje-
nigen Selbstdarstellungsformen zugänglich macht, die in dieser Zeit noch ständeüber-
greifend als erstrebenswert gelten. Dieser Sachverhalt zeigt sich auf verschiedenen
Ebenen der Bildherstellung:
Obwohl die Photographie in den ersten Jahren preisbedingt durchaus exklusiv
1581,29 besteht kein Zweifel daran, daß auch das Kleinbürgertum und selbst die Arbeiter
schon in den 1850er Jahren das neue Medium zu erobern beginnen, welches zuvor im
wesentlichen den aristokratischen Ständen vorbehalten war.?! Entsprechend werben
Photographen schon zu dieser Zeit mit Preisen, die so niedrig sind, daß »Jedermann
sein Bild erwerben kann«, wie es in einer nicht untypischen Anzeige eines Berner
Photographen von 1856 heißt.?? Die bestehende statussymbolische Ordnung wird also
bereits dadurch irritiert, daß die Möglichkeit der Bildanfertigung in die verschiede-
nen Schichten diffundiert. Jetzt können nicht nur Mitglieder der Oberschicht Lebens-
90 Starl (1989) zufolge kostete in Berlin 1843 eine kleinformatige Daguerreotypie ungefähr
45 Silbergroschen und damit in etwa den vierfachen Tagelohn eines Schusters. Auch mit
dem Aufkommen des Visitkartenformats um 1860 konnten sich Starl zufolge nur etwa
10% der Bevölkerung den Erwerb eines Abzugs leisten (vgl. 1989, 86). Vgl. zu der Rela-
tion von Photo-Preisen und Einkommensverhältnissen in England und Deutschland auch
Jäger 1996, 64-70 und 75-80.
91 Vgl. Freund 1979, 65 und Jäger 1996, 133.
92 Ур]. Stenger 1943, 75. Der niedrige Preis bleibt freilich noch längere Zeit ein substanti-
elles Argument der Werbung. Um 1920 ist dann nicht nur der Besitz von Photos, sondern
auch der von Photoapparaten bereits derart verbreitet, daß die Werbung verschiedene
Kameras für verschiedene Gelegenheiten auf offenkundig gesättigten Märkten offeriert:
»Jedem ein Ford-Auto ist die Devise Amerikas. Ein kompl. Photoapparat für Mark 5.- ist
die notwendigste Ausrüstung für jeden Sportsmann und Wanderer.« (Deutsche Funk-
telephon-Vermietungsgesellschaft, Berliner Illustrierte Zeitung 1920, 49) In einer ande-
ren Werbung heißt es: »Mein bester Freund eine Zeiss-Ikon-Kamera! Glücklicher Be-
sitzer einer solchen Kamera kann ein Jeder sein. Vom billigen Schüler-Apparat für 6.60
M. bis zur vollendeten Spiegel-Reflex-Camera [...]. Unser neuer Katalog erleichtert die
Wahl!« (Zeiss-Ikon, Berliner Illustrierte Zeitung 1927, 27)
68 | IMAGE. Zus GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN
ereignisse mit den dazugehörigen symbolischen Arrangements ins Bild rücken. Das
alte Privileg, biographisch bedeutsame Zeremonien wie die Hochzeit bildförmig zu
dokumentieren, d.h. in ein die eigene Lebenszeit überdauerndes Speichermedium ein-
zuschreiben, verschwindet und macht einer photographischen Selbstbestätigung und
einer Erinnerungskultur Platz, die bald zu jedermanns symbolischer Praxis gehört.
Selbst das Genre des Leichenportraits, das bislang höfischen Zeremonien vorbehalten
war, wird jetzt entexklusiviert und gehört zur Angebotspalette, die der Markt für eine
breite Kundschaft bereithält.”
Zum anderen gibt es auf der Ebene der Inszenierung zahlreiche Hinweise auf die
Nivellierung distinktiv wirksamer symbolischer Unterschiede. Nicht nur, daß Mit-
glieder unterer Schichten im »Sonntagsstaat« beim Photographen erscheinen und sich
dadurch an das Bild anpassen, das besser situierte Bürger abgeben. Man reagiert sogar
professionell auf einen entsprechenden (Täuschungs-)Bedarf, der mit der gesteiger-
ten Relevanz der Erscheinungsform einhergeht, und stellt der ärmeren und schlecht
gekleideten Kundschaft in manchen Ateliers Teile einer distinguierenden Gardero-
be (Schals, Radmäntel, Pelzüberwürfe, Handschuhe, Stöcke und Schuhe) zur Verfü-
gung.?* Die Aneignung großbürgerlich-aristokratischer Zeichen und Symbole durch
das Mittel- und Kleinbürgertum ist dabei nur eine Seite der Dekonstruktion der tra-
ditionellen Statusordnung. Deren andere Seite besteht darin, daß sich auch die Ober-
schicht auf das neue Darstellungsmedium einläßt und dadurch in derselben Ästhetik
und im (Bilder-)Rahmen desselben genormten Formats (z.B. der Cartes de visites) in
Erscheinung tritt. Im Photoatelier findet der Aristokrat dieselben Requisiten, Bühnen
und Kulissen vor wie der einfache Landmann und auch die Kleidung bietet, wie er-
wähnt, nicht mehr sehr viel Spielraum für die Symbolisierung von Statusdifferenzen.
Es kommt daher in den Inszenierungen zu einer Angleichung der Mode bzw. zu einer
verstärkten Differenzierung der Kleidung über die graduelle Annäherung an die allge-
meine Norm der Sauberkeit und des guten Erhaltungszustands.?? Selbst verstorbene
Fürsten und Könige werden jetzt nicht mehr gemalt, sondern photographiert, und das
93 Eine entsprechende Nachfrage geben Zeitungsinserate der Zeit zu erkennen: »Photogra-
phische Leichenportraits werden täglich in größter Ähnlichkeit gefertigt bei J. Bscherer,
Photograph, Blumenstr. 18/0 rechts.« (zit. n. Hoerner 1989, 151)
94 Architektonische Modelle, gemalte Hintergründe oder (imitierte) Materialien wie Mar-
mor zitieren die griechische Antike oder die italienische Renaissance und sollen, wie
andere (Status-)Symbole (z.B. Pianos, noble Möbel) auf exklusive Hochkultur verweisen
und sind als solche Selbstdarstellungsbühnen keineswegs für Oberschichtkunden reser-
viert. Auch Mietpferde oder Pferde-Imitate fanden sich im Studio, um nicht nur Soldaten,
sondern auch anderen Kunden ein Portrait »hoch zu Ross« anbieten zu können (vgl.
Hoerner 1989, 42, 44 u. 63).
95 Zu den Details solcher Standards vgl. Jäger 1996, 156 ff. Bemerkenswert sind der weit-
gehende Verzicht auf Berufskleidung und die damit verbundene Möglichkeit der Sta-
tussymbolisierung — selbst ranghohe Soldaten lassen sich vorwiegend in Zivilkleidung
portraitieren.
2. TECHNISCHE BILDMEDIEN UND DIE ENTWICKLUNG von IMAGE |69
bedeutet, daß die Möglichkeiten distinktiver Überhöhung und Distanzierung, die die
Malerei geboten hatte, drastisch eingeschränkt werden. Der Unterschied in Sachen
Distinktion kann jetzt im wesentlichen nur noch in der massenmedialen Verbreitung
und Verarbeitung dieser Bilder bestehen. Während im Falle jedermanns Photos nur im
sozialen Nahraum zirkulieren, werden die Portraits ranghoher Persönlichkeiten auch
in Zeitungen publiziert.?° Vor dem Hintergrund dieser Tatsachen kann man vermuten,
daß Proust in seinem Roman »Auf der Suche nach der verlorenen Zeit« die Diagnose
der Nivellierung sichtbarer Statusdifferenzen am Beginn des 20. Jahrhunderts keines-
wegs zufällig im Blick auf eine Daguerreotypie formuliert:
Besser noch rief mir jetzt die vollkommen äußere Gleichheit zwischen einem Kleinbürger aus
Combray derselben Altersklasse und dem Herzog von Bouillon in die Erinnerung zurück, daß
die gesellschaftlichen oder auch individuellen Unterschiede in der Uniformierung der Epoche
verschwinden (das gleiche, was mir schon sehr aufgefallen war, als ich Saint Loups Groß-
vater mütterlicherseits, den Herzog von La Rochefoucauld, auf einem Daguerreotyp gesehen
hatte, auf dem er in Kleidung, Miene und Haltung ganz meinem Großonkel glich. (Proust, zit.
n. Neumann 1989, 46)
2.2.2 (Selbst-)Dynamisierung: Der Zwang zum Neuen
Eine weitere Entwicklung, die die Photographie als ein Verbreitungsmedium einlei-
tet, ist die (Selbst-)Dynamisierung der Bildproduktion. Zu dieser kommt es nicht nur
deshalb, weil sich mit der Etablierung eines öffentlichen Bildraumes ein rezeptiver
Beobachtungsmodus ausbildet, der Neues (Information) von bereits Bekanntem (Re-
dundanz) unterscheidet, so daß eine Erwartungshaltung entsteht, für die Neuheit zum
maßgeblichen Selektionsfaktor der Medienangebote wird. Auch ist der Zwang zur
Daueraktualisierung zunächst nicht (nur) einer natürlichen Interessenlage der Rezi-
pienten im Sinne einer anthropologischen Konstante geschuldet.’ Zu einer (Selbst-)
Beschleunigung der visuellen Kultur kommt es vielmehr schon deshalb, weil die tech-
96 Doch auch dieses ›РгіуПер;‹ ist nur von kurzer Dauer — schon in den 30er Jahren des
20. Jahrhunderts beginnen die Massenmedien, Photos von kleinen Männern und kleinen
Frauen zu drucken (vgl. Freund 1979).
97 Gleichwohl können bestimmte Motivationslagen als gewöhnlicherweise gegeben an-
genommen werden, so z.B. ein Interesse des Menschen an seinesgleichen (vgl. z.B.
Westerbarkey 2002a). Entsprechend orientiert sich die Reportage-Photographie von An-
beginn an sogenannten »human interest stories«. Die Initialzündung für einen der ersten
bedeutenden Bildjournalisten (Dr. Erich Salomon) bestand darin, den photogenen »news
value« des Ereignisses zweier umgestürzter Bäume mit Todesfolge für eine Frau zu er-
kennen und zum Gegenstand einer photographischen Berichterstattung zu machen (vgl.
Freund 1979, 125).
70 | IMAGE. Zus GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN
nischen Bildmedien als Verbreitungsmedien soziale Redundanz anonymisieren. Denn
das hat zur Folge, daß die Medienproduzenten nicht mehr sicher wissen können, was
ihre Adressaten rezipiert haben und daß sie auf dieses Unwissen reagieren müssen.
Luhmann, der den Aspekt der Anonymisierung sozialer Redundanz für alle Verbrei-
tungsmedien und insbesondere den Buchdruck betont, stellt im Blick auf das System
der Massenmedien fest:
Man muß im Zweifel mit Bekanntsein einer verbreiteten Information rechnen und kann sie
nicht nochmals kommunizieren. Jetzt entsteht ein Bedarf an laufend neuen Informationen,
den das System der Massenmedien befriedigt, das seine eigene Autopoiesis diesem selbst-
erzeugten Verlust von Informationen verdankt. (Luhmann 1997, 203)
Die Suche nach dem Neuen kommt dabei so lange schnell ans Ziel, als relativ we-
nige Motive in das neue Darstellungsmedium eingeschrieben sind und der Photo-
Realismus noch als Eigenwert zu faszinieren vermag. In diesem Stadium kann sich
die Produktion noch auf das mehr oder weniger beliebige Abbilden des lebensweltlich
Vorgefundenen beschränken, wie ein Kommentar des »Photographischen Almanach
für das Jahr 1861« deutlich macht:
Seit es Mode geworden ist, geisterhafte Photographien zu verschenken, anstatt der glatten, ehr-
lichen Visitenkarten — seit es Mode geworden ist, Sammlung von diesen gesagten Photographi-
en zu machen — vor allem seit Erfindung des Albums, hat man keine Ruhe mehr. Wo man sich
blicken läßt, werden Gesuche um unser Portrait gleich ebenso vielen Kanonen auf uns gerichtet.
Alles ist willkommene Beute; nichtssagende Gesichter, ehrbares Alter, obscure Stellung — das
gefräßige Monstrum, genannt Album, nimmt mit Allem vorlieb. (zit. n. Hoerner 1989, 26 f.)
Zu erkennen gibt diese Feststellung weiterhin, daß die Dynamisierungsfolgen bereits
kritisch beobachtet werden, als die Photographie im wesentlichen noch nicht über die
Verbreitungsmedien des Drucks (Zeitung und Zeitschrift), sondern über ihre eigene
Reproduzierbarkeit soziale Redundanz generiert. Johannes Schilling moniert dann
aber 1906 die Entwicklung der vorausliegenden Jahrzehnte prägnant:
98 Für das System der Massenmedien spitzt Luhmann diese Überlegung zu, indem er davon
ausgeht, daß sich das System mit der Verbreitung jeder Information selbst veralte und
Information »vernichte« (vgl. 1996, 41 ff.). Natürlich läßt das System der Massenmedien
auch Redundanzen zu bzw. führt sie absichtlich vor. Insbesondere im Bereich des später
entstehenden Fernsehens werden nicht nur einzelne Sendungen, sondern ganze Serien
wiederholt, und zwar schon deshalb, weil die Produktionskosten der Neugestaltung des
Programms Grenzen setzen. Gerade diese Ausnahmen müssen aber in Anbindung an eine
Ent-Anonymisierung des Publikums gemacht werden. Es muß dann in Erfahrung ge-
bracht werden, ob dasselbe Publikum eine Wiederholung wünscht oder ob es ein neues,
interessiertes Publikum gibt, das die Wiederholung ermöglicht.
2. TECHNISCHE BILDMEDIEN UND DIE ENTWICKLUNG von IMAGE |71
Diese Überflutung mit photographischen Nachbildungen hat aber auch noch andere Folgen.
Einerseits führt sie zur Übersättigung an Kunstgenüssen, andererseits zu einer Überstürzung
im Suchen nach neuen. In unserer heutigen Zeit, in der jeder Tag auf praktischem Gebiete
neues bringt, will der verwöhnte Zeitgenosse auch in den Künsten Neues oder wenigstens
Anderes als das Gewohnte sehen und der Übersättigung an dem Vorhandenen steht das große
Kaleidoskop gegenüber, das die Bekanntschaft mit den Kunsterzeugnissen aller Länder und
Zeiten in zahllosen photographischen Nachbildungen vor seinem geistigen Auge aufrollt.
So stehen die Künste wie nie vorher vor einer labyrinthischen Fülle der verschiedenartig-
sten Ausdrucksformen, und in der mannigfaltigsten Weise suchen die Künstler sich von dem
Zwange überlieferter Anschauungen zu befreien. (Schilling 1906, zit. n. Kemp 1980, 267)
Obwohl die Beschreibung der breiten Masse der photographischen Produktion als
»Kunstgenuß« zu eng gefaßt ist, ist damit doch die Problemstellung klar umrissen: Je
mehr die photographischen Bilder einen Raum der Bilder vernetzen und verdichten,
desto mehr treten Wiederholungen auf, die Information vernichten, und desto mehr wird
»Neuheit« zu einem zentralen Positivwert, der Rezeption und Produktion gleichermaßen
orientiert.” Im Anschluß an Luhmann kann man auch von der Herstellung einer Irrita-
bilität der Gesellschaft durch die Massenmedien sprechen, die über deren Redundanzen
(Gedächtnis) hergestellt wird.!00 Der Variationszwang zeigt sich nun in den verschie-
denen Bereichen einer visuellen Kultur, die im wesentlichen (aber nicht nur) und zuneh-
mend durch die Logik eines Systems der Massenmedien bestimmt wird, in dem profes-
sionelle Produzenten im Rahmen unterschiedlicher Themenorientierungen für anonyme
Publika verschiedenste (Bild-)Formate anbieten. Schon die kommerzielle Photographie
am Ende des 19. Jahrhunderts ist ein Indikator dieser Entwicklung. So stößt z.B. die
hochgradig kanonisierte, variationslose Portraitphotographie zunehmend auf Kritik, 10!
99 Das Zitat von Schilling ist um so bemerkenswerter, als es sich noch nicht auf den Raum
der Bilder bezieht, der mit dem Verbreitungsmedium Druck entsteht, denn dieser wird
erst ab den 1920er Jahren relevant. Schillings »labyrinthische Fülle« geht noch aus den
Reproduktionstechniken der Photographie und den dazugehörigen Vertriebssystemen
der Wirtschaft der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts hervor.
100 »Der vielleicht wichtigste, durchgehende Grundzug ist, daß die Massenmedien im Pro-
zeß der Erarbeitung von Informationen zugleich einen Horizont selbsterzeugter Un-
gewißheit aufspannen, der durch weitere und immer weitere Informationen bedient
werden muß.« (Luhmann 1996, 149; vgl. auch 46 f.)
101 Die Redundanzen der Studiophotographie stehen jedenfalls im krassen Widerspruch
zu den Möglichkeiten des Mediums, die um 1900 von einer breiten Amateurbewegung
und kurze Zeit später in den verschiedenen Bereichen der Massenmedien getestet wer-
den. Aber schon 1866 schreibt die Engländerin Amy Dillwyn in ihr Tagebuch: »›1 am
sick of the popular varieties in photos of smirk, lounge, stiffness, studiousness, frown,
simper, idiocy etc. on the various Ѓасеѕ...‹ und faßt damit, abwertend, die gängigen
Inszenierungen in der damaligen Photographie zusammen, die sich ohne Ausnahme
bereits im Zeitraum ab 1841 finden lassen.« (Jäger 1996, 155)
72 | IMAGE. Zus GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN
während sich zugleich Sonderformate bilden, die man als Innovationen des Marktes
gegen das Gewohnte interpretieren kann II Andere photographische Gattungen wer-
den eigens dazu geschaffen, neue und spektakuläre Bilder zu ermöglichen und entspre-
chenden Erwartungen entgegenzukommen. Für die Frühgeschichte der Photographie
ist vor allem der Pariser Photograph Nadar als Protagonist einer beginnenden Event-
Photographie zu nennen. Die von ihm ab 1856 organisierten Ballonfahrten ermöglichen
mit Hilfe der Photographie bislang nicht gesehene Bilder aus photogenen Perspekti-
уеп.!9 Auch eine neu einsetzende Expeditionsbewegung kann man als Beleg der durch
die Photographie selbst hervorgebrachten Suche nach neuen Bildern und einer sensati-
onsorientierten Unterhaltungskultur heranziehen. Reisen in ferne Länder oder schwer
zugängliche Regionen in Europa werden jetzt eigens organisiert und durchgeführt, um
Bilder von der Welt herzustellen und zu publizieren — so z.B. die Bergbesteigung des
Montblanc im Jahre 1861 durch die renommierten Pariser Photographen Louis und
Auguste Bisson, die die »photographische Eroberung« des Berges (Koschatzky 1989,
117) explizit zum Ziel hatte und durch die photographische Darstellung der Expedition
zum medienwirksamen Ereignis wurde !04
2.2.3 Die Realität technischer Bilder
als Bezugsrahmen der Lebenswirklichkeit
Noch bevor die Photographie über Verbreitungsmedien wie das Album oder die Zei-
tung eine Öffentliche Bildwelt etabliert, wirkt sich die Technik auf die Wahrnehmung
der Lebenswirklichkeit aus. Bereits für die sogenannten Wanderphotographen, die mit
ihren mobilen Ateliers durch die Lande ziehen (und dadurch als Verbreitungsmedium
102 Zu dieser Palette gehört z.B. ein Genre, das sich »Bilder nach dem Leben« nennt (vgl.
Hoerner 1989, 186). Auch wenn ein Photograph aus Miesbach im Jahre 1900 seine
Touristen-Kundschaft auf Werbe-Postkarten zur spielerischen Imitation eines traditio-
nellen Erscheinungsbildes der Region einlädt, geht er über das Übliche hinaus: »Kos-
tüme in oberbayer. Gebirgstracht für Damen und Herren und Kinder liegen im Atelier
zur gef. Benutzung bereit.« (Maas 1977, zit. n. Ноегпег 1989, 137)
103 Auch seine Bilder der Pariser Katakomben (1861) erschließen photographisches Neu-
land (vgl. Nadar 1980, 37 f. und Sarl 1989, 82 Ё).
104 Die kanonisierte Marktförmigkeit dieses Genres erkennt man u.a. daran, daß sich für
die dazugehörige Rezeptionspraxis in England der Begriff des »armchair travelling«
etabliert, das um diese Zeit auch in Deutschland Fuß faßt (vgl. Hoerner 1989, 27). Ei-
nen verstärkten Bedarf an Reisebildern und eine darauf eingerichtete Produktion gibt es
freilich schon vorher. Bereits in Goethes »Wahlverwandtschaften« betrachten Charlotte
und Eduard Camera-Obscura-Zeichnungen, die ihr englischer Gast mit sich führt, und
erfreuen sich daran, »hier in ihrer Einsamkeit die Welt so bequem zu durchreisen, Ufer
und Häfen, Berge, Seen und Flüsse, Städte, Kastelle und manches andere Lokal, das in
der Geschichte einen Namen hat, vor sich vorbei ziehen zu sehen.« (Goethe 1995, 80)
2. TECHNISCHE BILDMEDIEN UND DIE ENTWICKLUNG von IMAGE |73
der besonderen Art fungieren), wird die sichtbare Welt zu einem Fundus möglicher
Motive, die auf ihre Photogenität hin betrachtet und differenziert werden. Gebäu-
de, Vergnügungsparks oder Landschaften werden zu Objekten mit einem bestimmten
Bildwert. Wenngleich die Suche nach dem Pittoresken (d.h. Malerischen) zuvor schon
durch die Kunst befördert wurde, leistet die Orientierung an photographischen Bildern
doch in neuer und verstärkter Weise der Wahrnehmung der Welt als Bild Vorschub und
führt zu einer neuen Kartographie von Sehenswürdigkeiten, die in den publizierten
Photos Gestalt annimmt.!% Wenig später treten analoge Folgen in der Amateurpho-
tographie in Erscheinung — vor allem in der Reise- und Urlaubsphotographie. Die
Rahmung lebenswirklicher Ereignisse durch den photographischen Bilder-Rahmen
wird hier schnell zum integralen Bestandteil, ja zunehmend zu einem wichtigen Ziel
der jeweiligen Unternehmungen. Und auch hier spielt das Trainieren einer selektiven
Sichtweise auf die Gegebenheiten im Dienste des Herstellens von Photographien eine
Rolle — z.B. zum Zweck der Beeindruckung anderer. In einer für die Zeit durchaus
typischen Werbung von 1927 in der Berliner Illustrierten Zeitung heißt es:
Ferien ohne »Kodak<« sind schnell vergessen! Der Du keinen »Kodak« mitgenommen hast, was
hast Du von Deiner vorjährigen Sommerreise zu zeigen? Nichts! Auch gar nichts! Du kannst
höchstens eine ungenaue Beschreibung versuchen, aber Dein unzuverlässiges Gedächtnis
wird Dich schon morgen im Stich lassen. Der beste Schilderer Deiner Ferien ist ein »Kodak«.
Wer stets seinen »Kodak« mitnimmt, braucht keine wenig überzeugenden Berichte, sondern
klappt einfach sein Kodak-Album auf und zeigt lächelnd jedermann seine Aufnahmen: Hier
war ich! Hier ist unser Ausflug nach der Ruine!«, Hier ist unser Kleines im Sand!, Hier eine
lustige Огирре!‹ Das sind meine Ferien im Bilde!« (BIZ 1927, 27)
Die propagierte Praxis ist dann in den 1950er Jahren bereits derart fortgeschritten,
daß sozialwissenschaftlich orientierte Beobachter wie z.B. Günther Anders nicht
nur davon ausgehen, daß Reisen eigens geplant und in der jeweiligen Gegenwart
erlebt werden als das, was sie einmal sein werden — photographisch gespeicherte
Vergangenheit —, sondern daß die Transformation von realen Objekten (Gebäuden,
Landschaften usw.) in »Pictures« ein notwendiger Aneignungsmodus jeweils ak-
105 Ein bemerkenswertes Beispiel dafür, daß die Bildwerdung der Welt sehr schnell voran-
schreitet und Photographen entsprechend vielfältige Anwendungsbereiche auch jenseits
kollektiv abgesicherter Vorstellungen des Bildwürdigen (z.B. in Form von Sehenswür-
digkeiten) erkennen, liefert eine Reklame des Wanderdaguerreotypisten »Mechanikus
und Optikus Moses J. Landauer« aus Kassel am 27. November 1839. In der »Kassel-
schen Allgemeinen Zeitung« machte er nicht nur bekannt, daß er Daguerre’sche Appa-
rate anzufertigen in der Lage sei, sondern er empfahl sich auch zur »Ausführung belie-
biger Ansichten« (Hoerner 1989, 64). Die Geschäftsidee dieses Photographen löst sich
also völlig von jeder Art der Genrephotographie und besteht im Grunde darin, sich zum
bezahlten Gehilfen des photographischen Blicks des Kunden auf die Welt zu machen.
74 | IMAGE. Zur GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN
tueller Realität ist für ein Bewußtsein, das von massenmedial vermittelten Erfah-
rungen geprägt ist.!00
Ein weiterer Indikator der wechselseitigen Durchdringung von lebenswirklicher
und photographisch (re-)konstruierter Realität ist die mehr oder weniger gepflegte
Semantik der Zeit. So konstatieren diverse Zeitungs- und Zeitschriftentexte die mas-
senhafte Ausbreitung des neuen Mediums und verknüpfen die Prognose der baldigen
Omnipräsenz photographischer Bilder mit unterschiedlichen Technikfolgenabschät-
zungen. Dabei wird z.B. auch festgestellt, daß massenmediale Bilder zu Bezugspunk-
ten der Klatschkommunikation und überhaupt des öffentlichen oder privaten Ge-
sprächs werden.!0” Ähnliche Hinweise geben Karikaturen, die ab den 1860er Jahren
eine Art photographisches Panoptikum skizzieren: Alle und Alles wird photographiert
und Alle sehen Photographien, die Alle und Alles abbilden (vgl. Abb. 1). Damit wird
illustrativ, und d.h. hier zugleich reflexiv, erfaßt, was wenig später durch die Verbrei-
tungsmedien und deren Nutzung im System der Massenmedien zum Normalfall der
)
1
adha TARRA
` a
APEL
TTT EL
1: Théodore Maurisset: La Daguerreotypomanie; Lithographie, Paris 1840
106 Vgl. Anders 1994, 181 ff.; vgl. auch Boorstin 1964 und McLuhan 1965.
107 Vgl. z.B. Hoerner 1989, 75. Das Album spielt als ein bestimmtes Medienformat wie-
derum eine hervorgehobene Rolle. Jules Lecomte schreibt als Chronist in der Zeitung
»Monde Illustre« 1860, daß ein unsystematisches, nicht mit Namen versehenes Album
zu bevorzugen sei, weil es in den Salons die Konversation anrege und weil ein »lebhaf-
tes Durcheinander« heilsame Zerstreuung böte (vgl. Braive 1965, 67 ff.).
2. TECHNISCHE BILDMEDIEN UND DIE ENTWICKLUNG von IMAGE |75
Lebenswirklichkeit wird — nämlich die permanente gegenseitige Durchdringung von
yrealer Realität« und Realität der Massenmedien«.!%®
Indem die über Verbreitungsmedien kommunizierten Bildobjekte zu gewöhnlichen
Bezugspunkten im Alltag werden, entsteht eine Parallelwelt der Bilder, die die Defini-
tionshoheit lebensweltlicher Wirklichkeiten jenseits der Medien einschränkt, da sie eng
mit diesen verwoben ist und sich nur bedingt und punktuell reflexiv distanzieren läßt. Die
Rezeption kann Manipulationen zwar immer unterstellen, sie kann die Eingeschränktheit
und Selektivität der photographischen Schematisierungen unter bestimmten Umständen
erkennen und die entsprechenden Resultate ablehnen, doch stellen alle diese Optionen
keine Kriterien für eine zutreffendere Charakterisierung der jeweiligen Bild-Bericht-
erstattungen und Bild-Identitäten bereit. Man wird wohl sagen können, daß gerade mit
der Photographie als dem ersten technischen Bilddarstellungs- und Verbreitungsmedium
eine Entwicklung beginnt, die Luhmann im Blick auf das System der Massenmedien fol-
gendermaßen beschreibt: »Die Realitätskonstruktionen der Massenmedien erzeugen eine
dermaßen komplexe Welt, daß die eigene Erfahrung als Kontrollinstanz zurücktritt und
man sich daran gewöhnt, Realität als Information zu beziehen, das heißt als wie immer
minimale, aber kontextplausible Überraschung.« (Luhmann 1997, 122 f.)
2.3 Zusammenfassung: Die Kommunikation von
Erscheinungsbildern und das System der Massenmedien
Die bisherigen Überlegungen gehen nun keineswegs davon aus, daß Bilder erst mit
den technischen Bildmedien zu wichtigen Bedeutungsträgern in der Gesellschaft wer-
den. Es besteht kein Zweifel daran, daß Bilder und Bildlichkeit schon in der frühen
Kulturgeschichte eine wichtige Rolle ѕріеІеп.!0 Das Gegenstands- und Themenre-
pertoire der auf Bilder und Bildlichkeit bezogenen Untersuchungen unterschiedlicher
Fachwissenschaften ist entsprechend vielfältig.!!0 Vom attischen Grabrelief!!! über
108 Die Installation des dauernd sendenden und beobachtenden Fernsehens, d.h. die per-
manente Verbreitung von Kommunikationen in real time, markiert den Endpunkt die-
ser Entwicklung, wenn man von den Möglichkeiten der digitalen, interaktiven Medien
(z.B. Internet) absicht.
109 Vgl. zu dem Zusammenhang von Bild und Kult und einem hiervon ausgehenden Be-
deutungswandels des Bildes Belting 1990.
110 Insbesondere die Kunstgeschichte bzw. Kunstwissenschaft hat in zahlreichen Studien
die Beziehung von Bildern, Kultur und Gesellschaft thematisiert. Daß dieser Sachver-
halt in den aktuellen kulturwissenschaftlichen Debatten zur visual culture nicht selten
übersehen wird, betont zu Recht mit zahlreichen Belegen auf die kunstwissenschaft-
liche Tradition Roeck 2003. Nicht zu vergessen ist auch die volkskundliche Bildwis-
senschaft, die sich schon früh entschieden sichtbaren Phänomenen der Alltagskultur
zuwendet. Zu einer Auswahlbibliographie in diesem Bereich vgl. Gerndt 2004.
111 Ур]. Diepolder 1965.
76 | IMAGE. Zus GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN
die antiken Sokrates-Büsten,!!? von der christlichen Symbolik des Mittelalters über
die Flugblätter des 16. Jahrhunderts!"3 bis hin zu den »Bildbagatellen«!!* späterer
Alltagskultur reicht das Spektrum der Untersuchungsgegenstände. Aufgrund seiner
gesellschaftlichen Relevanz bedarf der traditionsreiche Komplex politischer bzw.
politisch wirksamer Darstellungen besonderer Erwähnung. Neben den Bildwelten
monarchistisch-feudaler Herrschaft sind in der politischen Ikonographie auch demo-
kratische Institutionen und Organisationen verschiedener Epochen im Spiegel bild-
licher Darstellungen Тһета.!!5 Nicht zu vergessen sind weiterhin kulturgeschicht-
liche und zivilisationstheoretische Arbeiten, die die Genealogie bestimmter Bildmo-
tive bzw. sinnhaft strukturierter Sichtbarkeiten (also auch: Theater, Plastik, Architek-
tur) als Indikatoren eines soziokulturellen Wandels interpretieren. Die Geschichte der
Eßsitten,!!6 des Individualismus und des Subjekts,!!7 der Mode,!!8 des Tanzes, II? der
Zeremonien und Feste!?° oder auch des Körpers!?! und der Ѕіппе!22 ist auch als eine
Geschichte der Bilder bzw. sichtbarer Inszenierungen geschrieben worden. 77
Die verschiedenen Studien geben zu erkennen, daß die Bedeutung des Bildlichen
in vielen Fällen weit über das bloß Illustrative und Schmückende hinausgeht.!?* Um
im Rahmen der genannten Beispiele zu bleiben: Kanonisierte Körper-Idealisierungen
lebenswirklicher Personen lassen sich bereits bei attischen Grabreliefs 400 v.Chr. (und
nicht erst mit der Portraitphotographie) feststellen;!?5 die seriellen Sokrates-Skulptu-
ren des dritten Jahrhunderts generieren ein »Phantombild« bestimmter Eigenschaften
112 Vgl. Giuliani 1998.
113 Vgl. Schilling 1991.
114 Vgl. Scharfe 2005.
115 Das Gegenstandsspektrum reicht von Darstellungen mittelalterlicher Schwörtage infol-
ge städtischer Ratswahlen (vgl. Kröll 2002) bis hin zu der Kulturgeschichte der Natio-
nen, die sich schon im 19. Jahrhundert als eine Geschichte auch der Bilder denken ließ
(vgl. Hirth 1881; vgl. Reichhardt 2004).
116 Vgl. Elias 1983.
117 Vgl. Burckhardt 1989.
118 Ур]. Boehn 1923.
119 Vgl. Bie 1925.
120 Vgl. Horn 2004.
121 Vgl. Laqueur 1992.
122 Vgl. Baxandall 1972.
123 Da sich auch die Konstruktion von Geschichte in einer jeweiligen Kultur der Bilder
bedient, muß eine Beschreibung der »Erfindung der Tradition« diesem Sachverhalt
Rechnung tragen (vgl. Hobsbawn/Ranger (Hg.) 1984).
124 Schon für das seit der Antike vorkommende Figurengedicht gilt: »Das Bild ist [...]
nicht eine Zugabe zum Text, vielmehr ist der Text ohne das Bild nicht zu verstehen.«
(Luserke 1996, 175)
125 Ур]. Diepolder 1965, z.B. 50 f.
2. TECHNISCHE BILDMEDIEN UND DIE ENTWICKLUNG von IMAGE |77
des Philosophen, das auf die Schriften der Sokrates-Rezeption Einfluß nimmt!?° und
die malerische Beschreibung des Eßaktes unter dem Leitwert der christlichen Aske-
se läßt sich als ein »Theater der Eucharistie« beschreiben, das die Deutungen des
christlichen Abendmahls fortschreibt und zugleich die alltagspraktische Kultur des
Essens (mit-)bestimmt.!?” Diese und vergleichbare Beispiele zeigen, daß sich Bilder
schon früh als Texte bemerkbar machen, die den Sinnvorrat einer jeweiligen Kultur
in spezifischer Weise generalisieren, publizieren und damit auf die Kultur zurückwir-
ken. Das gilt insbesondere, seit mit dem Buchdruck Bildreproduktionstechniken wie
Holzschnitt und Radierung in ein neues Verbreitungsmedium der Schrift aufgenom-
men werden, so daß die wechselseitigen Bezüge von Schrift und Bild an Spezifität
und Relevanz gewinnen können. !?® Nicht zu übersehen ist auch, daß Bilder längst die
Funktion der Informationskontrolle übernehmen.'?? Im Kontext der (Re-)Präsentati-
on von Macht und Herrschaft spielt dies aus naheliegenden Gründen eine besondere
Rolle. So dient etwa der »Bild-Leib« des feudalen Herrschers weniger der Abbildung
von dessen tatsächlicher Physiognomie als vielmehr dem Ausdruck des »wirklichen
Herrschers«, z.B. im Sinne des »gerechten Herrschers«.!?0
Insofern Bilder und Bildlichkeit seit jeher als Ausdruck und Generator des Kultu-
rellen (und Sozialen, Psychischen) fungieren, steht der Sinn, der sich mit technischen
Bildern ereignet, demnach in einer langen Tradition. Ein Traditionsbruch bleibt schon
deshalb aus, weil die kulturell und geschichtlich bedingten und entsprechend vari-
ierenden Vorstellungen und Sehweisen des Menschen immer vorgängiger Bezugs-
126 Vgl. Giuliani 1998, 26-30.
127 Vgl. Neumann 1997, 48.
128 So hatte die Verbreitung der Buchillustration in Kombination mit der zeitgleich zum
Buchdruck entwickelten Zentralperspektive an der Ausbildung des Ingenieurwesens
entscheidenden Anteil (vgl. mit Belegen Kittler 1993).
129 Das bedeutet z.B., daß die Bilder, die den Vorstellungen der Herrschenden nicht ent-
sprachen, nicht publiziert und entsprechend nicht Teil der öffentlichen Rezeptionsge-
schichte wurden. Inwiefern z.B. Kaiser Karl V. durch eine bildbasierte Informationspo-
litik vom »burgundischen Ritter« zum »Ahnherrn Österreichs« wurde, zeigt Wohlfeil
(vgl. 1998, 163-178). Eine andere Variante visueller Politik beschreibt Warnke, wenn
er die Funktion des sogenannten »Kompositbildnisses« darin sieht, die »Physiognomie
als Projektionsfeld für Wünsche und Phantasien der betrachtenden Untertanen zur Ver-
fügung zu stellen« (Warnke 1998, 149).
130 Neben dem Einsetzen des weltlichen Herrschers in einen christlichen Symbolzusam-
menhang zu Zwecken der Konstruktion einer göttlichen Herkunft lassen sich in den
entsprechenden Portraits z.B. personifizierte Tugenden (z.B. Justitia) als beziehungs-
reiche Begleiter des Herrschers oder solche Darstellungen finden, die den Herrscher
neben »guten« Göttern oder gar selbst in Gestalt einer mythischen Gottheit erscheinen
lassen. Zu einer typologischen Darstellung häufiger Inszenierungsmuster im Blick auf
konkrete Kunstwerke sowie zu Hinweisen auf Studien zur Ikonographie der Herrschaft
vgl. Schild 1998.
78 | IMAGE. Zus GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN
rahmen ästhetischer Praktiken sind.!?! Warburgs Konzept, bei der Rekonstruktion
bildlicher Fortschreibungen mythologischer (Grund-)Strukturen die Erzeugnisse der
technischen Bildmedien, mithin die visuelle Massenkultur jenseits der Kunst, einzu-
beziehen, ist daher nur konsequent.!?? Denn unverkennbar werden unter den neuen
Verhältnissen Motive im doppelten Wortsinn fortgeführt, nämlich die Bildmotive der
Tradition (von den Emblemen der Alltagskultur bis hin zur Kunst), wie auch die Mo-
tive des Handelns und Erlebens, die mit den jeweiligen Bildern in Beziehung stehen.
Es ist also alles andere als neu, wenn mit den technischen Bildmedien die »Dif-
ferenzen der Visualität« so gehandhabt werden, daß das Sehen von der Kommunika-
tion in spezifischer Weise in Anspruch genommen und ein »pikturiales Verstehen«
erwartet werden Капп.!33 Und doch: Die technischen Bildmedien führen über die ge-
schilderten Bezugsprobleme in eine neuartige Konstellation hinein, in der die beste-
henden Bildkulturen erweitert werden müssen um eine spezifische Bildsprache, die
auf eben diese Probleme eingestellt ist. Wie beschrieben, geht es zum einen um das
Problematischwerden der Bildoberflächen: Man liest sie aufgrund ihres »Realismus«
verstärkt als Ausweis von Identität des jeweils Gezeigten und ist zugleich vor die Fra-
ge gestellt, inwiefern eben diese Oberflächen auf die Tiefe der dargestellten Objekte
verweisen. Das gilt um so mehr, als sich das Dargestellte keineswegs nur als »Abbil-
dung« einer »Realität«, sondern zugleich als sinnhafte Konstruktion zu erkennen gibt.
Die Betonung und Relevanzsteigerung sichtbarer Oberflächen geht gerade im Kontext
der Schematisierung sozialer Objekte mit einer Problematisierung der Beziehung von
Oberfläche und Tiefe einher, die in dieser Form in den historisch vorgängigen Kom-
munikationen von Bildern nicht existiert hatte.!3*
131 Am Beispiel menschlicher Körperdarstellungen bringt dies Belting auf den Punkt: »Der
Körper ist selbst ein Bild, noch bevor er in Bildern nachgebildet wird. Die Abbildung
ist nicht das, was sie zu sein behauptet, nämlich Reproduktion des Körpers. Sie ist in
Wahrheit Produktion eines Körperbilds, das schon in der Selbstdarstellung des Körpers
vorgegeben ist. Das Dreieck Mensch-Körper-Bild ist nicht auflösbar, wenn man nicht
alle drei Bezugsgrößen verlieren will.« (Belting 2000, 8)
132 Vgl. Warburg 2003.
133 Zu einer systemtheoretischen Darstellung der Zusammenhänge von Wahrnehmung,
Bildlichkeit und Kommunikation in Bezugnahme auf oben stehende Begriffe vgl.
Jongmanns 2003, 161-170 und 230 f.
134 Die alte Unterscheidung von Sein und Schein bearbeitet nur bedingt dieses Problem. Zum
einen werden in dieser Tradition die semantischen Konsequenzen indexikalischer visuel-
ler Bild-Differenzen nicht relational zu anderen (nicht indexikalischen) Bildtechniken the-
matisiert. Zum anderen kommt im Begriff des Scheins im Sinne eines Gegenbegriffs zum
Wahren die Festlegung zum Ausdruck, daß man es im Falle sichtbarer Oberflächen mit dem
bloß Scheinhaften zu tun hat, das einer »realen Realität: hinter den sichtbaren Phänomen
gegenübersteht. Um so anschlußfähiger an den fokussierten Problemhorizont ist Heideggers
Phänomenologie, die in ihrer Auseinandersetzung mit dem Schein »nicht zwischen Wahrheit
und Schein, sondern zwischen Phänomen und Verdecktheit« unterscheidet (Bolz 1991, 14).
2. TECHNISCHE BILDMEDIEN UND DIE ENTWICKLUNG von IMAGE |79
Das andere Problem besteht in den anonymisierten Kommunikationsverhältnissen,
die die technischen Bildmedien als Verbreitungsmedien gesellschaftsweit etablieren,
indem sie die Reichweite sozialer Redundanz drastisch erweitern. Da Interaktions-
prozesse die Akzeptanzchancen der jeweiligen (visuellen) Mitteilungen unter diesen
Bedingungen kaum mehr absichern, muß die Kommunikation sozialer Bildobjekte
in sich selbst die Arbeit an der Annahmewahrscheinlichkeitssteigerung übernehmen.
Dies gilt um so mehr, als es in den ausgedehnten Bildräumen gewöhnlicherweise an
alternativen Informationshorizonten fehlt, über die das jeweilige Objekt aus anderen
Perspektiven identifiziert werden konnte !35
Im Themenkontext der visuellen Schematisierung sozialer Objekte werden beide
Problemlagen vor allem dann relevant, wenn die Kommunikation der Bilder soziale
Objekte nicht nur herstellen, sondern zugleich qualifizieren soll, wenn also Achtungs-
kommunikation im Spiel ist. Gerade dann stellt sich die Frage, inwiefern Oberflächen
auf Tiefeneigenschaften verweisen, die eine positive und negative Bewertung des
Gezeigten begründen und gerade diesbezüglich bedarf es einer »themenorientierten
Spezialsprache« (Luhmann), die die Annahmewahrscheinlichkeit der Kommunika-
tion steigert. Es muß eine Sondersemantik entwickelt werden, die eine Tiefen-Attri-
buierung der Objekte über die jeweiligen Oberflächen zuläßt und zugleich sichtbare
Kriterien für Positiv- bzw. Negativbewertungen bereitstellen kann.
Wie man im Kontext der Portraitphotographie sehen kann, besteht eine erste Lö-
sung dieser Probleme in der Etablierung der Unterscheidung von Oberfläche und Tiefe
im Sinne eines reflexiv werdenden Schemas der Objekt-Identifizierung.!3° Diese Un-
terscheidung wird zu einem Beobachtungsmodus, der auf den Oberflächencharakter
135 Diesbezüglich könnte man in lockerer Anlehnung an einen sich zunehmend verge-
wöhnlichenden Sprachgebrauch von einer Virtualisierung durch die neuen Bildmedien
sprechen. Zu betonen wäre dann allerdings um so mehr, daß virtuelle Objekte in der
Kultur seit jeher eine Rolle spielen (s.o.) und hier lediglich eine Bedeutungssteigerung
und -spezifikation visuell konstruierter Objekte im Rahmen der erweiterten Reichwei-
te sozialer Redundanz und des spezifischen Doppelcharakters des Photographischen
(s.0.) gemeint ist.
136 Daß Menschen wahrnehmungsgenerierte Sichtbarkeit schon immer benutzen, um auf
eine nichtsichtbare Tiefe zu schließen, soll damit keineswegs bestritten werden. Einer
der wichtigsten Anwendungskontexte dieser Unterscheidung dürfte seit jeher im Bereich
sozialer Situationen liegen, also in einem Zusammenhang, in dem die jeweils Anwe-
senden (auch) über die Erscheinungsformen der Körper einzuschätzen versuchen, wie
sie von anderen eingeschätzt werden und welche Handlungsabsichten und Identitäts-
eigenschaften sich hinter den Körperoberflächen der Beteiligten verbergen. Im medialen
Substrat der technischen Bildmedien führt die Unterscheidung Oberfläche/Tiefe aber
zu den geschilderten Bezugsproblemen, die wiederum neue Lösungen im Medium des
Bildlichen erfordern — mit Rückwirkungen für die Kommunikation dieser Bilder, aber
auch mit Effekten für die vor-bildliche Unterscheidung zwischen Oberfläche und Tiefe
in den alltäglichen Lebenswelten jenseits bildbasierter Kommunikationen.
80 | IMAGE. Zus GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN
der technischen Bildmedien eingestellt ist, indem er den Doppelcharakter des Photo-
graphischen (indexikalische Karte und sinnhafte Darstellung) in Rechnung stellt und
von dort aus im Gezeigten nach Anhaltspunkten der Beschreibung einer nicht sichtba-
ren Tiefe Ausschau hält. Operativ vollzogen wird das Schema Oberfläche/Tiefe mithin
kommunikativ, d.h. als ein Unterscheidungszusammenhang, der sich auf visuelle Dif-
ferenzen richtet. Das kann in der ästhetischen Praxis der Bildherstellung (Auswahl von
bildnerischen Mitteln, Motiven, Symbolen, Farben usw.) ebenso geschehen wie in der
rezeptiven Bildbetrachtung. Die mit diesem Schema identifizierten Objekte werden im
folgenden /mages genannt. Sie resultieren aus einer spezifischen Verkettung, Sortie-
rung und Hierarchisierung bildlicher Erscheinungsformen entlang der Unterscheidung
Oberfläche/Tiefe. Damit ist auch gesagt, daß erst diese Anwendung der Unterschei-
dung Images erzeugt und nicht schon die in Bildern gespeicherte Information. Erst eine
entsprechend eingestellte Kommunikation (also eine bestimmte Themenorientierung
der Selektionsprozesse Information, Mitteilung und Verstehen) (re-)produziert den hier
gemeinten Sinntyp.!?7 Insofern die kommunikative Selektivität — und nicht bereits die
Sichtbarkeit für sich selbst genommen — Images konstituiert, könnte man von Images
auch als einem Typus von Erscheinungsbildern sprechen, insofern dieser Begriff auf
einen Prozeß zielt, der im Bildlichen etwas zur Erscheinung bringt, das mehr ist als das
(sichtbare) Bild bzw. dieses in einer spezifischen Weise deutet.
Mit dem reflexiv gehandhabten Schema Oberfläche/Tiefe bildet sich aber kein
asymmetrischer »Präferenzcode« aus, der, wie im Falle der vollentwickelten symbo-
lisch generalisierten Kommunikationsmedien, einen bevorzugten (Positiv-)Wert ei-
nem weniger bevorzugten (Negativ-)Wert gegenüberstellt.13® Oberfläche wird zwar
137 Obwohl diese Kommunikationen Eigenschaften herstellen und damit Werturteile nahele-
gen, folgt das hier gemeinte In-Beziehung-Setzen von Oberfläche/Tiefe weder produktiv
noch rezeptiv einem ästhetischen Ideal. Denn bei der Bewertung des Sichtbaren unter
dem Gesichtspunkt des Schönen richtet sich das Schema Oberfläche/Tiefe, in Anlehnung
an Hegel formuliert, auf das Maß der wechselseitigen Durchdringung dieser Ebenen
(Sichtbarkeiten einerseits, Vorstellungen und Ideen andererseits) zur Herstellung einer
stimmigen Einheit: »Es ist eine äußere Realität vorhanden, die als äußere zwar bestimmt
ist, deren Inneres aber, statt als Einheit der Seele zu konkreter Innerlichkeit zu kommen,
es nur zur Unbestimmtheit und Abstraktion zu bringen vermag. Deshalb gewinnt diese
Innerlichkeit nicht als für sich innerliche in ideeller Form und als ideeller Inhalt ihr gemä-
Bes Dasein, sondern erscheint als äußerlich bestimmende Einheit in dem äußerlich Rea-
len. Die konkrete Einheit des Inneren würde darin bestehen, daß einerseits die Seelenhaf-
tigkeit in sich und für sich selber inhaltsvoll wäre und andererseits die äußere Realität mit
diesem ihren Inneren durchdränge und somit die reale Gestalt zur offenen Manifestation
des Inneren machte. Solch eine konkrete Einheit aber hat die Schönheit auf dieser Stufe
nicht erreicht, sondern hat sie als das Ideal noch vor ach a (Hegel 1986, 178 f.)
138 Zu den Codes der symbolisch generalisierten Kommunikationsmedien stellt Luhmann fest:
»Im Unterschied zum allgemeinen Ja/Nein-Code der Sprache wird der positive Wert als
Präferenz für diesen (und nicht für den Gegenwert) ausgedrückt.« (Luhmann 1997, 360)
2. TECHNISCHE BILDMEDIEN UND DIE ENTWICKLUNG von IMAGE | 81
als Wert betont, insofern auch die unsichtbare Tiefe an der Oberfläche abgelesen wer-
den muß bzw. die nichtsichtbare Tiefe im Bereich des Sichtbaren nur als Reflexions-
wert zur Verfügung stehen kann. So konfrontiert die Frage, für welche unsichtbaren
Eigenschaften das Sichtbare steht, den Beobachter gegebenenfalls mit dem paradoxen
Sachverhalt, daß das Dargestellte das Nichtdarstellbare darstellen soll. Die Orientie-
rung an Tiefe macht jedenfalls die Kritik an der Oberflächlichkeit der realistischen
Oberflächen wahrscheinlich und forciert damit die Verfeinerung der Oberflächen-
behandlung zum Zweck des Tiefenausdrucks. Die beiden Seiten der Unterscheidung
bilden aber keine Antagonisten, die das Wechseln zwischen den Werten selbst anlei-
ten, indem die Absenz des einen Wertes notwendigerweise das Vorhandensein des an-
deren bedeutet, so daß die Kommunikation innerhalb des Mediums gehalten werden
Капп.!39 Entsprechend fehlt es der Kommunikation von Erscheinungsbildern trotz
ihrer Regelgeleitetheit an einer Differenzierung von Codierung und Programmierung
und mit letzterem an der Bereitstellung von Kriterien, mit denen sich bestimmen lie-
Be, unter welchen Gesichtspunkten die Unterscheidung Oberfläche/Tiefe als Schema
der Objekt-Identifizierung anzuwenden ist. So legt die Zuschreibung von Attributen
über Oberflächen zwar deren simultane Qualifizierung nahe. Die Bewertung wird aber
durch das Schema Oberfläche/Tiefe nicht angeleitet, die Zuteilung von (Miß-)Ach-
tung bleibt also latent.
Das Reflexivwerden des Schemas Oberfläche/Tiefe wird im Zuge einer neuen vi-
suellen Massenkultur eingeübt und kündigt sich wie gezeigt bereits in den Diskursen
und inszenatorischen Praktiken der Photographie des 19. Jahrhunderts an. Als Hin-
weis in diese Richtung kann auch eine in zahlreichen Vereinen organisierte Amateur-
photographiebewegung gelesen werden. Sie kulminiert am Ende des 19. Jahrhunderts
in einer sozialen Bewegung, mit der Alfred Lichtwark »eine neue Nationalkultur auf
der Basis engagierten Dilettantentums begründen (will)« (Kemp 1980, 259). Diese
sich selbst als eine reformpädagogische Bewegung verstehende Kultur hat ein reflek-
tiertes »Sehen-Lernen« zum Ziel und will mit der Photographie als einem »Mittel der
Sinnesschulung« und als einer »Gymnastik der Sinne« auf die neuen Medienverhält-
nisse reagieren.!*" Die organisierte Amateurphotographie um 1900 formuliert daher
139 Die Codierung von wahr/unwahr im symbolisch generalisierten Kommunikations-
medium Wahrheit hat z.B. eben diese Folgen. Die »Endstufe« der Ausdifferenzierung
der symbolisch generalisierten Kommunikationsmedien sieht Luhmann dann erreicht,
»wenn zum Kreuzen der Grenze, zum Umformen eines Wertes in den Gegenwert, eine
Negation ausreicht« (Luhmann 1974, 250).
140 Georg Fuchs skizziert den pädagogischen Wert der erwünschten Photo-Ästhetik folgen-
dermaßen: »Denn eine Ästhetik der Zukunft wird nicht eine »Lehre vom Schönen« sein,
sie wird niemals fragen: »Was ist schön?« — denn es ist uns längst geläufig, daß alles schön
sein kann —, sondern sie wird eine Gymnastik sein, ein Training [...], eine Gymnastik al-
ler Organe, durch die wir in das Leben tauchen können, durch die wir es fühlen, fassen,
schmecken, auskosten und ausschöpfen.« (Fuchs 1904, zit. n. Kemp 1980, 259)
82 | IMAGE. Zus GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN
ein Programm für eine ästhetische Praxis, die sich von der Kunst (und deren Funktio-
nen) löst und sich auf einen neuen Orientierungs-, Lern- und Lehrbedarf einstellt, dem
später die Lehrpläne von Schulen und Universitäten mit der Einrichtung des Faches
»Visuelle Kommunikation« Rechnung tragen wollen.
Die bisherigen Überlegungen haben sich in erster Linie mit den Eigenar-
ten der technischen Bildmedien als Darstellungs- bzw. Kommunikationsmedien
einerseits und als Verbreitungsmedien andererseits beschäftigt. Mit der Entstehung
publikumsorientierter Bildermärkte, einer neuartigen (Selbst-)Dynamisierung der
Bildproduktion sowie einer gesellschaftsübergreifenden Wirkungsmächtigkeit tech-
nischer Bilder geraten jedoch nicht nur Folgeerscheinungen der technischen Bild-
medien, sondern zugleich Merkmale und Strukturen eines Funktionssystems in Er-
scheinung, das sich in spezifischer Weise der neuen Bilder bedient. Dieses System
sind die Massenmedien. Wie andere Funktionssysteme nutzen die Massenmedien
die Kommunikations- und Verbreitungsmedien im Rahmen einer spezifischen Ope-
rationsweise und Selektivität,!*! sind also keineswegs als die Gesamtheit aller sich
der Verbreitungsmedien bedienenden Kommunikationen zu verstehen. Gleichwohl
steht dieses Funktionssystem in einer besonders engen und gesellschaftsrelevanten
Beziehung zu den Folgen der Verbreitungsmedien und bedingt damit maßgeblich
die Formen einer mit den technischen Bildmedien neu entstehenden visuellen Kul-
tur. Die Konsequenzen dieser Beziehung für die Kommunikation von Images lassen
sich im Rahmen der Luhmann’schen Theorie der Massenmedien herausarbeiten. Die
Massenmedien entwickeln sich Luhmann zufolge auf der Basis der verschiedenen
Verbreitungsmedien, deren Folgen er entscheidend darin sieht, »daß keine Interakti-
on unter Anwesenden zwischen Sender und Empfänger stattfinden kann« (Luhmann
1996, 11). Dies ist die harte strukturelle Rahmenbedingung, die im System der Mas-
senmedien als Problem- und Lösungshorizont wirksam wird. Im Unterschied zu
den Problemlagen der symbolisch generalisierten Kommunikationsmedien ist die
Kontaktunterbrechung von Sender und Empfänger hier jedoch kein Zusatzprob-
lem, das neben den sozialen Problemen im jeweiligen Themenkontext (z.B. Macht,
Liebe, Geld) die Akzeptanzwahrscheinlichkeit der Kommunikation herabsetzt. Das
System der Massenmedien ist vielmehr auf die Anonymisierung der Kommunikati-
on und der über diese Bedingungen eröffneten (Kommunikations-)Räume als sol-
che eingestellt. Neben dem Sachverhalt, daß die Mitteilenden Publikumsinteresse
am jeweils Gesendeten nur noch vermuten und indirekt kontrollieren können (z.B.
über Verkaufszahlen und Einschaltquoten), ist für das System daher entscheidend,
daß durch die Trennung von Produktion und Rezeption zugleich »hohe Freiheits-
grade der Kommunikation gesichert« sind (Luhmann 1996, 11 f.). Unter diesen Be-
141 Auch die Kommunikationen etwa der Wissenschaft, der Kunst, der Erziehung, der Po-
litik oder der Wirtschaft sind maßgeblich auf das Vorhandensein von Kommunikations-
und Verbreitungsmedien unterschiedlicher Reichweiten wie Sprache, Schrift oder Hy-
permedien (Computer) angewiesen und nutzen diese fortwährend.
2. TECHNISCHE BILDMEDIEN UND DIE ENTWICKLUNG von IMAGE |83
dingungen ergeben sich Zeitgewinne, die den Aufbau von Komplexität ermöglichen
und zu einem Überschuß an Kommunikationsmöglichkeiten führen, »der nur noch
systemintern durch Selbstorganisation und durch eigene Realitätskonstruktionen
kontrolliert werden kann.« (Ebd.)
Die Vielfalt und Heterogenität möglicher Themen in den durch die Verbreitungs-
medien sich formierenden Kommunikationsräumen im Blick, geht Luhmann von
dem abstrakten Begriff der Information als dem »Material« aus, mit dem das System
der Massenmedien arbeitet. Da Information aber (gerade auch in Luhmanns System-
theorie) als Resultat eines selektiven Prozesses Bestandteil jeder Kommunikation
(aller Kommunikationsmedien) ist, wird dieses Konzept erst im Rahmen einer wei-
ter gefaßten Argumentation plausibel. Entscheidend für diese ist die Annahme, daß
die Massenmedien insofern ein »operativ geschlossenes System« sind, als sie zwar
alle Informationen (Themen), die in der Gesellschaft kursieren, verarbeiten können,
aber bei der (Re-)Produktion der Informationen (Themen) immer auch die eigene
Systemgeschichte berücksichtigen müssen, also das, was in den Massenmedien be-
reits als Information behandelt wurde.!# Mit dieser angenommenen Verdopplung der
Unterscheidung Information/Nichtinformation macht Luhmann verständlich, daß und
inwiefern die Massenmedien in systemspezifischer Weise Informationen nutzen, um
zwischen sich selbst (»Selbstreferenz«) und ihrer Umwelt (»Fremdreferenz«) zu un-
terscheiden, d.h., wie sie eine systemkonstitutive Grenze zwischen der Innen- und
Außenseite des Systems ziehen. Dies läßt sich in die anschaulichere These umfor-
mulieren, daß Medienproduzenten — unabhängig davon, ob sie es mit der Herstellung
von Nachrichten, Werbung oder Unterhaltung zu tun haben — den Informationswert
eines in der Gesellschaft kursierenden Themas nur abschätzen können, wenn sie die
Behandlung des jeweiligen Themas in der systemimmanenten Vergangenheit (d.h. im
Rahmen der Geschichte des jeweiligen Nachrichten-, Werbungs- oder Unterhaltungs-
formats) mit einbeziehen.!# Der historische Zustand des Systems wird demnach not-
wendigerweise bei der Reproduktion aller massenmedialen Informationskonstruktio-
nen berücksichtigt. Und weil der Informationswert einer Mitteilung nicht in direkten
Interaktionen von Produktion und Rezeption ermittelt werden kann, kommt es für
das System um so mehr darauf an, die eigene Systemgeschichte erinnern zu können,
also zu wissen, was bereits gedruckt bzw. gesendet wurde. Denn nur so kann beurteilt
werden, welchen Mitteilungen »news value< zukommt.
142 Für die Tatsache, daß die Massenmedien eine eigene (System-)Geschichte entwickeln
können, hält Luhmann wiederum die Möglichkeit der Informationsspeicherung der
Verbreitungsmedien für zentral (vgl. ebd., 11 ff.).
143 In erster Linie geht es bei der Berücksichtigung von Geschichtlichkeit natürlich darum,
ob etwas überhaupt schon gebracht (gesendet, gedruckt, gefunkt) wurde oder nicht. An-
dererseits stellt auch Luhmann fest, daß die Selbstvernichtung von Information durch
das System Wiederholung nicht verunmöglicht, und er erkennt völlig zu Recht, daß
gerade die Werbung davon Gebrauch macht (vgl. ebd., 42 f.).
84 | IMAGE. Zus GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN
Neben und mit der Ausbildung eines Systemgedächtnisses sieht Luhmann in der
reflexiven Zuspitzung des Wertes Information im Verhältnis zum Gegenwert Nichtin-
formation die zentrale Spezifikation der Massenmedien im Umgang mit Informatio-
nen. Diese Zuspitzung hält Luhmann für derart relevant, daß er in der Unterscheidung
von Information und Nichtinformation die Leitunterscheidung, den »Code« des Sy-
stems, sieht.!** Information — also das, womit das System arbeiten kann - stellt dabei
den Positivwert dar, während der Negativwert Nichtinformation als »Reflexionswert«
(Luhmann 1996, 37) fungiert, mit dem besser beobachtet und entschieden werden
kann, was informativ ist und was nicht.!*
Damit ist aber noch nicht erklärt, inwiefern, d.h. mit welchen Kriterien, im Sy-
stem der Massenmedien zwischen Information und Nichtinformation unterschieden
werden kann. Denn nicht alles, was nicht redundant ist, ist eine Information im Sin-
ne eines Unterschieds, der (z.B. bei dem Publikum der Werbung) einen Unterschied
macht 78 Das System muß also über Möglichkeiten der Unterscheidung des Werts
einer Information verfügen, um entscheiden zu können, welche Information gedruckt,
gesendet oder gefunkt wird und welche nicht. Wie bei der Beschreibung anderer Sy-
steme geht Luhmann auch hier davon aus, daß dem System »Programme« als Kri-
terienkomplexe zur Verfügung stehen, die die Leitunterscheidung des Codes orien-
tieren. Diese Funktion würden, so Luhmann, für die Massenmedien die »Bereiche«
Nachrichten/Berichte, Unterhaltung und Werbung übernehmen, wobei diese Eintei-
lung »rein induktiv« und »ohne Absicht auf eine systematische Deduktion und eine
Begründung einer geschlossenen Typologie« (Luhmann 1996, 51) erfolge:!#7 »Jeder
144 Vgl. ebd., 35 ff. Im Unterschied zu allen anderen Systemen, die ebenfalls »die sie interes-
sierenden Informationen unterscheiden und insofern einen Leerraum der Nichtinforma-
tion erzeugen«, reflektiert das System der Massenmedien diese Differenz »um erkennen
zu können, welche Operationen zum System gehören und welche nicht.« (Ebd., 49 f.)
145 »Der Code des Systems der Massenmedien ist die Unterscheidung von Information
und Nichtinformation. Mit Information kann das System arbeiten. Information ist also
der positive Wert, der Designationswert, mit dem das System die Möglichkeiten seines
eigenen Operierens bezeichnet. Aber um die Freiheit zu haben, etwas als Information
ansehen zu können oder auch nicht, muß es auch die Möglichkeit geben, etwas für
nichtinformativ zu halten. Ohne einen solchen Reflexionswert wäre das System allem,
was kommt, ausgeliefert; und das heißt auch: Es könnte sich nicht von der Umwelt un-
terscheiden, könnte keine eigene Reduktion von Komplexität, keine eigene Selektion
organisieren.« (Ebd., 37)
146 Luhmann übernimmt hier wie in anderen Arbeiten die bekannte Definition Batesons von
Information als einem »Unterschied, der einen Unterschied macht« (vgl. ebd., 30).
147 Мап mag zwar im Blick auf die Zuordnung konkreter, empirisch vorliegender Formate
im Einzelfall Schwierigkeiten mit der Zuordnung zu den einzelnen Bereichen haben:
Nicht nur die neuesten Hybridformate wie die diversen »Doku-Soaps«, sondern auch die
traditionellen Formate des Journalismus können beispielsweise zwischen den Bereichen
»Unterhaltung« und »Berichte« changieren. Allerdings kann man auch in die umgekehr-
2. TECHNISCHE BILDMEDIEN UND DIE ENTWICKLUNG von IMAGE |85
dieser Bereiche benutzt den Code Information/Nichtinformation, wenngleich in sehr
verschiedenen Ausführungen; aber sie unterscheiden sich aufgrund der Kriterien, die
der Auswahl von Informationen zugrunde gelegt werden. Deshalb werden wir auch
von Programmbereichen (und nicht von Subsystemen) sprechen.« (Ebd., 51)
Luhmann zufolge orientieren sich die Massenmedien also nicht an bestimmten
»Dingen« oder Themen. Die Sachdimension des Systems findet seine Grenze vielmehr
in allem, was in der Gesellschaft informativ sein kann, und die Gesellschaft ihrerseits
stellt sich auf diese weitreichende Irritabilität des Systems!*® mit entsprechenden Er-
wartungshaltungen ein. Die Struktur (Codierung/Programmierung) ermöglicht den
Massenmedien, die verschiedensten Themen in den anonymisierten Kommunikati-
onsräumen der Massenmedien anzubieten und entlang der Reproduktion von (Nicht-)
Informationen »Eigenwerte« im Sinne »stabiler Objekte« zu etablieren, die in der
weiteren Kommunikation vorausgesetzt werden können (vgl. ebd., 177 Ё). Und nur
über diese Objekte kann das Verhältnis von Information zu Nichtinformation perma-
nent aktualisiert und entschieden werden, was zu vergessen und was zu erinnern ist.
Das »Systemgedächtnis«, so Luhmann, stellt »für alle weiteren Kommunikationen
eine Hintergrundrealität« bereit, »die durch die Massenmedien ständig reimprägniert
te Richtung argumentieren und feststellen, daß auch und gerade die Hybridformen die
eigentümliche Logik der Informationsverarbeitung offenbaren: Eine Glosse plaziert sich
als Format ebenso wie die Doku-Soap nicht beliebig zwischen den Bereichen, sondern
markiert sich selbst als Form in Bezug auf diese, verdankt sich also der systemischen
(Bereichs-)Struktur der Massenmedien, und entsprechend weiß der Rezipient, daß er es
in diesen Fällen mit Berichten ebenso wie mit Unterhaltung zu tun hat.
148 »Irritabilität ergibt sich daraus, daß das System ein an allen Operationen mitwirken-
des Gedächtnis hat und damit Inkonsistenzen erfahren und ausgleichen — was nichts
anderes heißt als: Realität erzeugen kann. Das deutet auf einen rekursiven Konstituti-
onszusammenhang von Gedächtnis, Irritabilität, Informationsverarbeitung, Realitäts-
konstruktion und Gedächtnis hin. Die Ausdifferenzierung eines darauf spezialisierten
Funktionssystems dient der Steigerung einer darauf spezialisierten Kommunikations-
weise und zugleich ihrer Normalisierung. Nur von den Massenmedien erwarten wir
diese Sonderleistung jeden Tag, und nur so ist es möglich, die moderne Gesellschaft in
ihrem Kommunikationsvollzug endogen unruhig einzurichten wie ein Gehirn und sie
damit an einer allzu starken Bindung an etablierte Strukturen zu hindern.« (Ebd., 175)
Die Irritabilität des Systems ist hier wie im Falle anderer Systeme dementsprechend
als systemspezifische Konstruktionen aufzufassen. Luhmann hierzu an anderer Stelle:
»Irritationen ergeben sich aus einem internen Vergleich von (zunächst unspezifizier-
ten) Ereignissen mit eigenen Möglichkeiten, vor allem mit etablierten Strukturen, mit
Erwartungen. Somit gibt es in der Umwelt des Systems keine Irritationen, und es gibt
auch keinen Transfer von Irritation aus der Umwelt in das System. Es handelt sich im-
mer um ein systemeigenes Konstrukt, immer um Selbstirritation — freilich aus Anlaß
von Umwelteinwirkungen.« (1997, 118)
86 | IMAGE. Zus GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN
wird.« (Ebd., 173)!# Und indem sich die Gesellschaft in den verschiedensten Be-
reichen auf die Massenmedien als Informationssystem einläßt, wird die Herstellung
von Redundanz (Gedächtnis) und dem durch sie ermöglichten »Dirigieren der Selbst-
beobachtung des Gesellschaftssystems« zur gesellschaftlichen Funktion der Massen-
medien. !50
Versteht man nun wie Luhmann die Massenmedien als ein System, das sich mit ei-
ner spezifischen Selektivität auf die Produktion von (Nicht-)Informationen einstellt, sind
die skizzierten Problemlagen technischer Bildmedien ebenso wie die darauf bezogenen
Lösungen (die Kommunikation von Images) nicht exklusiv dem System der Massen-
medien zuzuordnen. Die Formen visueller Kultur, die mit den technischen Bildern Fahrt
aufnehmen, sind keineswegs alle auf die Unterscheidung Information/Nichtinformation
eingestellt. Man denke nur an die zahlreichen Bilder, die sich in wissenschaftlichen,
pädagogischen oder kunstbezogenen Publikationen finden lassen. Auch die privaten Ge-
brauchsweisen der Photographie vom 19. Jahrhundert bis in die Gegenwart sind nicht
dieser Selektivität unterstellt: Sehr wohl hat man es hier mit den skizzierten Bezugspro-
blemen technischer Bildmedien und mit der Kommunikation von Erscheinungsbildern
zu tun, nicht aber mit einer reflexiven Unterscheidung von Information und Nichtin-
formation, die an einem Systemgedächtnis entlang geführt wird.!5! Die Problemlagen
sind also zunächst wie beschrieben den technischen Bildmedien als Darstellungs- bzw.
Kommunikationsmedien sowie als Verbreitungsmedien geschuldet und eben deshalb
transzendieren sie die visuelle Kultur der Gegenwart in den verschiedensten Bereichen
auch jenseits des Systems der Massenmedien. Angesichts der Omnipräsenz der entspre-
chenden Objekte gilt für Images das, was Luhmann für Werte konstatiert — »mit ihnen
hat man es überall zu tun« (Luhmann 1997, 360).
Obwohl die Kommunikation von Images schon über die modernen Verbreitungs-
medien zu einem die verschiedensten Gesellschaftsbereiche transzendierenden Thema
wird, ist andererseits nicht zu übersehen, daß das System der Massenmedien die Re-
giedominanz dieser Formen, ja der visuellen Kultur überhaupt übernimmt und längst
übernommen hat. Im Blick auf diesen Sachverhalt kann man die Frage stellen, warum
die Bildmedien im System der Massenmedien zu einem zentralen Kommunikations-
medium werden. Der oft gemachte Hinweis auf die hohe Informationsdichte von Bil-
149 Vgl. ebd., 120 ff. und 173-178.
150 Mit gravierenden Folgen: »Als Folge dieser auf Information abstellenden Codierung ent-
steht in der Gesellschaft eine spezifische Unruhe und Irritierbarkeit, die dann mit der Täg-
lichkeit der Wirksamkeit von Massenmedien und mit ihren unterschiedlichen Programm-
formen wiederaufgefangen werden kann.« (Luhmann 1996, 46; vgl. auch ebd., 175)
151 Ез mag durchaus vorkommen, daß sich die privaten photographischen Selbstinszenie-
rungen an dem orientieren, was man in den Medien schon gesehen hat. Eine diffuse
Orientierung an massenmedialen Vorlagen wird man aber nicht als hinreichende Be-
dingung für eine Zuordnung der Kommunikationen zum System der Massenmedien
gelten lassen können.
2. TECHNISCHE BILDMEDIEN UND DIE ENTWICKLUNG von IMAGE |87
dern und die schnelle Lesbarkeit dieser Texte liefert hierfür ein zentrales Argument.
Gerade weil ein Bild in den verschiedensten Themenzusammenhängen »mehr sagt
als tausend Worte«, bieten Bilder für das System im Vergleich zur Schrift erhebliche
Zeitgewinne. Entscheidend für die schnelle Karriere im System dürfte weiterhin der
»Realismus< technischer Bildmedien sein, der sich nicht nur auf die Identifizierung
sozialer Objekte, sondern auf die Darstellung beliebiger Weltsachverhalte auswirkt,
über die die Massenmedien informieren. Die Luhmann’sche Feststellung, die Kom-
munikationen der Massenmedien seien einem prinzipiellen Manipulationsverdacht
ausgesetzt, setzt ja voraus, daß massenmediale Mitteilungen zumindest auch als Hin-
weise auf »reale Realität« interpretiert werden. Daß diese Annahme eines Verweises
auf »reale Realität« — sozusagen vor und neben jedem Manipulationsverdacht — fort-
laufend mitreproduziert wird, verdanken die Massenmedien fraglos auch und gerade
der Indexikalität technischer Bilder. 152 Über die technischen Bilder können zudem die
152 Die Möglichkeit der zeitnahen Dokumentation lebenswirklicher (sichtbarer) Ereignisse
bis hin zur Life-Übertragung des Fernsehens ist hier von entscheidender Bedeutung.
Auf dem Abstraktionsniveau einer alle Bereiche, Themen und Kommunikationen des
Systems erfassenden Problembeschreibung kann man in der prinzipiellen Möglich-
keit des Manipulationsverdachts ein allgemeines Bezugsproblem der Kommunikation
technischer Bilder erkennen. Dieses Problem entsteht neben und mit dem skizzierten
Doppelcharakter dieser Bilder im System der Massenmedien deshalb, weil sich dessen
Mitteilungen einer bestimmten Selektivität verdanken und eben dieser Sachverhalt mit
den multiperspektivischen und polykontexturalen Konstruktionen der Massenmedien
offensichtlich wird (vgl. Luhmann 1996, 9, 31, 50 £.). Luhmann spricht in diesem Zu-
sammenhang davon, daß die Realitätskonstruktionen der Massenmedien den Modus
der Beobachtung zweiter Ordnung gesellschaftsweit einüben (vgl. ebd., 153).
Hält man sich die spezifischen Funktionen der einzelnen Bereiche des Systems vor Au-
gen, sieht man jedoch schnell, daß dem Problem des Manipulationsverdachts in den ver-
schiedenen Bereichen eine sehr unterschiedliche Relevanz zukommt. Während im Be-
reich Nachrichten/Berichte die Glaubwürdigkeit als Akzeptanzkriterium der als Fakten
präsentierten Informationen entscheidend ist, dürfte demgegenüber kaum zu bestreiten
sein, daß sich der (Unterhaltungs-)Wert massenmedialer Unterhaltungen keineswegs am
Grad ihrer Glaubwürdigkeit bemißt. Manipulationen werden hier vielmehr umstands-
los akzeptiert, mindestens solange, wie sie zu unterhaltsamen Kommunikationen füh-
ren. Manipulation wird dann also nicht zum Gegenwert (Reale Realität«, »Authentizität«,
»Echtheit«, »Dokumentation«), sondern zur Funktion des Programmbereichs in Beziehung
gesetzt. Auch in der Werbung ist die Tatsache des Manipuliertseins mitgeteilter Infor-
mationen eine in den Image-Kommunikationen reproduzierte Selbstverständlichkeit, die
Reaktanz auf diesen Sachverhalt sehr unwahrscheinlich macht. Auch Luhmann stellt fest:
»Die Werbung sucht zu manipulieren, sie arbeitet unaufrichtig und setzt voraus, daß das
vorausgesetzt wird. Sie nimmt gleichsam die Todsünde der Massenmedien auf sich — so
als ob dadurch alle anderen Sendungen gerettet werden könnten. [...] Hier lösen sich die
Probleme des Motivverdachts mit einem Schlage. Die Werbung deklariert ihre Motive.
Sie raffiniert und verdeckt sehr häufig ihre Mittel.« (Luhmann 1996, 85)
88 | IMAGE. Zus GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN
Schemata (Skripts, Rahmen usw.), auf die die Massenmedien in den verschiedensten
Programmbereichen im Sinne struktureller Kopplungen angewiesen sind, fortlaufend
und ohne großen Aufwand in die massenmedialen Kommunikationen eingebunden
werden !53
Obwohl diese Argumente die Durchsetzung der Bildmedien im System der Mas-
senmedien verständlich machen, verdecken sie den hier fokussierten Problemhori-
zont. Denn sie erwecken den Eindruck, mit den technischen Bildmedien ließe sich ein
Problem der modernen Gesellschaft — insbesondere ihr fortwährender und hochgradig
temporalisierter Informationsbedarf — zumindest teilweise lösen. Das ist jedoch nur
sehr bedingt der Fall: Weil es in den verschiedenen Bereichen der Gesellschaft, ins-
besondere im System der Massenmedien, unter anderem aus zeitökonomischen Grün-
den zu einem massiven Einsatz visuell basierter Kommunikationen kommt, werden
die geschilderten Problemlagen technischer Bildmedien erst recht gesellschaftsrele-
vant. Dies gilt um so mehr, als die Funktion der Massenmedien darin besteht, »stabi-
le Objekte« herzustellen, die im weiteren Kommunikationsgeschehen vorausgesetzt
werden kënnen. (3) Die Notwendigkeit, auf die Kommunikation von Images sozialer
Objekte nach Maßgabe der systemspezifischen Selektivität Rücksicht zu nehmen, er-
gibt sich also schon deshalb, weil das Systemgedächtnis erinnern können muß, mit
welchen bildlich identifizierten Objekten das System in welchen Zusammenhängen
arbeitet(e), um entscheiden zu können, welchen Änderungen in welchen Systemberei-
chen ein Informationswert zukommt. Und notwendigerweise orientiert sich auch die
Rezeption an den Images der kommunizierten Objekte.
Von besonderer Bedeutung sind dabei wie gesagt diejenigen Fälle, bei denen die
Akzeptanz der Informationen an die Oualifizierung von Images gekoppelt ist. Da die-
se Fälle keineswegs selten sind, erstaunt es nicht, daß sich gerade im System der Mas-
senmedien sehr früh in den verschiedenen Bereichen ein reflexiver Umgang mit dem
Schema Oberfläche/Tiefe konstatieren läßt. Schon die skizzierten Bildermärkte des
19. Jahrhunderts reagieren auf die dargestellten Bezugsprobleme über die Konstrukti-
on positiver Erscheinungsbilder, um die Akzeptanzwahrscheinlichkeit der Mitteilun-
gen zu steigern. Die Genrephotographie des 19. Jahrhunderts bearbeitet das Problem
von Oberfläche und Tiefe über verschiedene Inszenierungsformen ebenso, wie sie
(Miß-)Erfolge erinnert, d.h. ein Gedächtnis für akzeptierte Images entwickelt, mit
dessen Hilfe sie erfolgreiche Neuerungen besser einzuschätzen lernt. Mit Luhmann
könnte man sagen: Die kommerzielle Photographie des 19. Jahrhunderts ist in weiten
Teilen — aber nicht nur! — dem massenmedialen Bereich des Systems der Unterhaltung
zuzuordnen, in dem die Funktion des Unterhaltens als Kriterienkomplex der Unter-
scheidung Information/Nichtinformation genutzt wird und ein gleichsam bereichs-
spezifisches Gedächtnis des Systems entsteht. Ein markanter Fall der frühen Entwick-
lung in diesem Systembereich sind die Images der Filmstars, die, mit einem leich-
153 Zu diesen Kopplungen vgl. Luhmann 1996, 117-129.
154 Vgl. Luhmann 1996, 177 f.
2. TECHNISCHE BILDMEDIEN UND DIE ENTWICKLUNG von IMAGE | 89
ten Vorsprung in den USA, um die Jahrhundertwende erstmals Form аппеһтеп.!55
Sinnigerweise werden diese Personen in den amerikanischen Publikumszeitschriften
ab 1909 »picture personalities«!°® genannt — eine Bezeichnung, die den Entstehungs-
horizont eines neuen Typus von Prominenz!’ bereits im Namen führt. Denn Film-
stars gewinnen, ebenso wie andere Medienpersönlichkeiten, ihre Identität zuerst als
ein Erscheinungsbild, d.h. als ein Komplex öffentlicher Images, zu dem neben den
Filmbildern seit dem Beginn des 20. Jahrhunderts Bilder vermeintlich privater Hin-
terbühnen gehören.!5® So weisen Faulstich u.a. zwar zu Recht darauf hin, daß »die
Kontinuität zwischen inner- und außerfilmischen Komponenten als Grundprinzip der
Imagebildung [...] historisch mit der Entstehung der »Stars< von Anfang an untrennbar
verbunden« ist (Faulstich u.a. 1997, 13). Doch das bedeutet nur, daß die Film-Images
in ein gewisses Spannungsverhältnis zu anderen Bildern von den jeweiligen Personen
treten und sich gerade in der Differenz der Bild-Identitäten und deren Steuerung die
Möglichkeit der Authentifizierung für die Stars ergibt. Denn mit jedem Bild jenseits
des Films wird eine andere Facette sichtbar, die in den jeweils anderen Bildern (des
Films) nicht zu sehen ist, aber ihrerseits nicht den spezifischen (Bilder-)Rahmen der
Objektidentifizierung verlassen kann 177
Auch Politik, politische Parteien und Politiker werden zunehmend als Erscheinungs-
bilder konstruiert und rezipiert, so daß nicht nur die körperliche Erscheinung der Persön-
lichkeiten und deren sichtbare Performance, sondern auch die spezifische Wirkung dieser
Ausdrucksebenen in der Kommunikation von Bildern an Relevanz gewinnt.!60 Neben
155 Vgl. grundlegend Dyer 1979 und 1986. Zur Imagebildung früher (Stummfilm-)Stars und
zur Entwicklung des »Starsystems« vgl. auch Schnez 1985, Staiger 1997, Hickethier 1997,
Faulstich/Korte/Lowry/Strobel 1997 sowie Strobel/Faulstich 1998 und Schult 2000.
156 Vgl. Faulstich u.a. 1997, 12.
157 Zu einer neueren soziologischen Analyse der Entstehung und Wirkung von (Medien-)
Prominenz vgl. exemplarisch Peters 1996.
158 Hickethier, der die Fundierung des »Starsystems« zu Recht weniger in der Ära des
Films denn der des Theaters fundiert, stellt fest: »Mit dem Film erreichte die Starpro-
duktion gegenüber dem Theater eine neue Qualität. Das hatte vor allem mediale Ur-
sachen. Mit dem Film und seinen technisch erzeugten Bildern fand eine Ablösung der
Darstellung des Schauspielers von seiner Person statt a (1997, 45 f.)
159 Man kann z.B. von einem »Moment der Rätselhaftigkeit« sprechen, von (Image-)
»Dissonanzen«, »Leerstellen« oder tendenziellen »Widersprüchen«, die verhindern
(sollen bzw. können), daß das Image der Stars »eindimensional und durchschaubar
erscheint« (Faulstich u.a. 1997, 18).
160 Die These von der »Personalisierung des Politischen« (vgl. z.B. die Beiträge in Imhof/
Schulz (Hg.) 1998) läßt sich gerade auch vor dem Hintergrund des Entstehens einer
Kultur der Images plausibilisieren: Denn an der Person (ihrem Körper, ihrem sichtba-
ren Verhalten) lassen sich Identitäts-Eigenschaften besonders effizient kommunizie-
ren. Es ist daher durchaus verständlich, wenn eine Vielzahl von sozial-, kultur- und
medienwissenschaftlichen Arbeiten zur Beschreibung von Politik, politischen Parteien
90 | IMAGE. Zus GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN
dem allgemeinen Aspekt der Photogenität, der das Aussehen (auch) politischer Persön-
lichkeiten als Faktor von (Nicht-)Beliebtheit betont, kondensieren jetzt sichtbare Eindrü-
cke, die Politiker als Darsteller in den verschiedenen Medienformaten hinterlassen. Als
verschieden gestaltete und auf den Aspekt der Sichtbarkeit besonders fokussierte Bühnen
spezifizieren die Massenmedien die Möglichkeiten der (Selbst-)Darstellung von Politi-
kern und von Politik im allgemeinen erheblich. Auch Städte und Regionen gewinnen als
Image Kontur. Schon in der Frühgeschichte des Dokumentarfilms entstehen über das so-
genannte Genre des »Städtebilds« Bildkomplexe, die die Objekte über die entsprechen-
den Konstruktionsmöglichkeiten des Films (Drehbuch, Schnitt, Lichtsetzung, Auswahl
der Settings usw.) in ein bestimmtes (gutes) Licht rücken (sollen).!°! Beispielgebend für
die Entwicklung ist weiterhin die (Kleider-)Mode, die unter den neuen Medienbedingun-
gen in neuer Weise als Image entworfen wird. Zwar gehört die Mode schon längst zum
festen Themenkanon der Buch-, Zeitungs- und Zeitschriftenkultur und sicherlich spielen
Bilder bei der Behandlung des Themas schon lange eine Rolle. Aber erst im Zuge der
Expansion der technischen Bildmedien und der damit einhergehenden Bedeutungsver-
tiefung und Differenzierbarkeit von Oberflächen kommt es wesentlich darauf an, wie
das jeweilige Bild die Mode darstellt und als solches überzeugen kam TI) Es geht jetzt
darum, die Formen des Mode-Designs in den Kontext einer spezifischen Inszenierung
einzufügen und dadurch semantisch zu programmieren. Eine von der Ästhetik der Mode
selbst (dem Objekt der Kleidung und seiner Materialität) weitgehend emanzipierte Bil-
dästhetik beginnt sich in den 1920er Jahren zu entwickeln,!6 also dann, als im Umfeld
von Unterhaltungs- und Modezeitschriften die von den technischen Bildmedien bereit-
gestellten Erscheinungsformen genutzt werden, um spezifische Images für eine Mode
und/oder einen Hersteller zu entwerfen Ip) Daß die Images der einzelnen Modeanbieter
und Politikern auf den Image-Begriff zugreifen (vgl. z.B. Balzer 2006; Bösch 2006;
Schneider 2004; Karp/Zolleis 2004; Nieland 2004; Tänzler 2005; Kepplinger/Maurer
2003; Dörner 2000 u. 2001; Imhof/Eisenegger 1999; Brettschneider 1998; Baringhorst
1995; Rust 1984; Schwartzenberg 1980; Blecha 1966; Leggewie 1997; Meyrowitz
1987; Meyer/Ontrup 1998; Kurt 1998; Vogt 2002).
161 Mit Filmen wie »Bilder aus Konstanz« (1918) kommt es Junge zufolge schon früh zur
Ausbildung und »Vollentwicklung« des »Städtebilds« als einem eigenen Format (Junge
2003, 36 f.). Inzwischen ist die systematische Imagebildung für Städte und Regionen
über Werbung gewöhnliches Element eines Prozesses geworden, den Siebel (1994) als
»Festivalisierung der Stadtpolitik« bezeichnet.
162 Zu einem Überblick über die Entstehung von Mode-Journalen im 19. Jahrhundert mit
zahlreichen Bildbeispielen (auch aus dem Bereich der Werbung) vgl. Davis 2006.
163 Wie Hoerner vermutet, wurden zwar schon um 1860 Photographien als Vorlagen für
Mode-Lithographien verwendet. Dies führte aber zu keiner nennenswerten Variation
der bislang gewohnten Mode-Bildsprache, sondern dient zunächst nur der technischen
Vereinfachung des Verfahrens (vgl. Hoerner 1989, 179).
164 Gerade im Bereich der Inszenierung von Mode verläuft die Entwicklung dann sehr
schnell in Richtung einer werblichen Image-Kommunikation. Schon die Modephoto-
2. TECHNISCHE BILDMEDIEN UND DIE ENTWICKLUNG von IMAGE |91
inzwischen substantiell von den Bildwelten der Werbung (der Modephotographie) de-
finiert werden, ist kaum zu übersehen. Weiterhin konstituieren sich die verschiedenen
Medien-Formate — zuerst die miteinander konkurrierenden Zeitungen und Zeitschriften
- als spezifische Images.!°° Am Anfang der Entwicklung kommt es darauf an, Bildlich-
keit als eine eigenständige Sphäre des Sinns und nicht als eine illustrierende Dimension
dessen zu interpretieren, was sprachlich thematisiert ist. Gerade für die Formate der Un-
terhaltungsindustrie werden Bilder schnell zu substantiellen Dreh- und Angelpunkten
ihrer Berichterstattung. Der langjährige Chefredakteur der »Berliner Illustrierten«, Kurt
Korff, schreibt zu der entsprechenden Umstellung der Zeitschriftenkonzeption:
Das bildliche Sehen aller Ereignisse mit Erkennung des bildlich Eindrucksvollen und Auslassung
all dessen, was nur stofflich, nicht bildlich interessieren konnte, wurde zum Grundsatz der B.1.Z.-
Redaktion. Nicht die Wichtigkeit des Stoffes entschied über Auswahl und Annahme von Bildern,
sondern allein der Reiz des Bildes selbst. Diese Umstellung erzeugte die von der B.I.Z. angebahn-
te große Veränderung im Aussehen der illustrierten Blätter, die heute nicht mehr von Textredak-
teuren, die ihre Stoffe »illustrieren«, geleitet werden, sondern von solchen, die wie der Filmdichter
und Filmregisseur das Leben in Bildern sehen. (Korff 1927, zit. n. Wiegand 1981, 209)
NebenundmiteinervisuellenÖkonomiederAufmerksamkeit!60 gehtesdannim weiteren
umeinelmprägnierungvonlmagesdurchspezifische,bildlichvermittelteAttribute,dieden
Charakter eines bestimmten Medienformats (z.B. einer Zeitung) zum Ausdruck bringen
sollen. Die Frage, welche Bilder (Motive) in welcher Größe, Farbigkeit oder graphischen
graphie des New Yorker Photographen Cecil Beaton, der z.B. 1946 für die Zeitschrift
»Vogue« gut gekleidete Frauen in eigentümlich-künstlichen Posen vor Kriegsruinen
photographierte, erinnert durchaus an die jüngsten Inszenierungen der Werbung und
deren Programmierung »guter Formen«.
165 Selbst die Verbreitungsmedien gewinnen als solche ein bestimmtes Image. So läßt sich
das Image des Fernsehens von dem anderer Medien (z.B. Presse und Hörfunk) unter-
scheiden und z.B. zu unterschiedlichen Glaubwürdigkeitsunterstellungen in Beziehung
setzen (vgl. Pöttker 1987). Die Formen der (Nicht-)Bildlichkeit dürften auch hier eine
wichtige Rolle spielen.
166 Schon Korff hält eine pointierte visuelle Kommunikation wegen einer modernen, all-
gemein verbreiteten »Flüchtigkeit des Sehens« für notwendig: »Es ist kein Zufall, daß
die Entwicklung des Kinos und die Entwicklung der »Berliner Illustrierten Zeitung«
ziemlich parallellaufen. In dem Maße, in dem das Leben unruhiger wurde, in dem
Maße, in dem der einzelne weniger bereit war, in stiller Behaglichkeit eine Zeitschrift
zu durchblättern, in dem gleichen Maße war es notwendig, eine schärfere, prägnantere
Form der bildlichen Darstellung zu finden, die die Wirkung auf den Leser auch dann
nicht verfehlte, wenn er Seite für Seite nur flüchtig durchsah.« (1927, zit. п. Wiegand
1981, 207) Bekanntermaßen zeigt sich im Zuge der Medialisierung der Gesellschaft,
daß die Medien die »Unruhe« und die Flüchtigkeit des Sehens durch ihre Omnipräsenz
in erster Linie selbst generieren.
92 | IMAGE. Zus GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN
Anordnung einzusetzen sind, wird zunehmend als eine Frage nach der Identität des
Medienformats behandelt.!°7 Ein frühes Beispiel entsprechender Differenzierungen
geben die US-amerikanischen Zeitschriften »Life« und »Look«, die mit ihren un-
terschiedlichen Bildsprachen Maßstäbe und Orientierungswerte setzten. Während
die Gestaltung (Layout, Typographie, Bildauswahl, Farbigkeit usw.) von »Life« auf
Eigenschaften wie Intellektualität, Kultiviertheit, Seriosität, Schlichtheit, Bescheiden-
heit usw. abzielt (farbige Titelblätter blieben lange ein Tabu), demonstriert das des
Konkurrenzunternehmens »Look« Eigenschaften wie z.B. Jugendlichkeit, Humor und
Flexibilität.!68
Diese Beispiele weisen darauf hin, daß der gesteigerten Relevanz von Oberflächen
in den verschiedenen Systembereichen Rechnung getragen wird, und zwar in verschie-
denen Hinsichten: Einerseits ist zu erkennen, daß die Bildsprachen immer wieder mehr
oder weniger explizit die Herstellung guter Eindrücke von Objekten bezwecken. Ande-
rerseits ist evident, daß die visuellen Kommunikationen einer bereichsspezifischen Un-
terscheidung zwischen Information und Nichtinformation unterstellt werden. Früh zeigt
sich z.B., daß und inwiefern es im Bereich der Nachrichten/Berichte im Unterschied
zur Kommunikation von Unterhaltung und Werbung entscheidend darauf ankommt, die
Bildlichkeit auf die Funktion des sachlichen Informierens einzustellen. Daß dies eine Dis-
tanz zur Bildlichkeit im allgemeinen impliziert, verdeutlichen u.a. Selbstbeschränkungen
berichtender Zeitungs-, Zeitschriften- und TV-Formate, die sich — trotz des allgemeinen
Trends in Richtung Infotainment — bis in die aktuelle Gegenwart ausmachen lassen.
Jedenfalls ist nicht zu übersehen, daß bildförmig identifizierte Objek-
te und ein entsprechendes Gedächtnis wichtiger Bestandteil der massenmedialen
»Hintergrundrealität«!® sind, auf die sich die Gesellschaft einläßt. Wenn Kracauer
in den 1920er Jahren die fehlende Einbettung technischer Bilder in eine mündliche
Kultur des Deutens moniert, die die von ihm sogenannten »Erinnerungs-« oder »Ge-
dächtnisbilder« vorheriger Zeiten erst konstituiert habe, 70 erkennt und verkennt ег
167 Die Konsequenzen dieser Entwicklung lassen sich in der gegenwärtigen Medienland-
schaft gut beobachten. Verschiedene Zeitschriftenformate haben ebenso wie verschie-
dene TV-Formate unverwechselbare Images, die als bildliche Ausdrucksformen für die
Identität des Formats stehen bzw. stehen sollen. So ist es nicht erstaunlich, daß bereits
geringfügige Veränderungen des Designs bei solchen Formaten breite Diskussionen
auslösen, die über ein etabliertes und traditionsreiches Erscheinungsbild verfügen, wie
z.B. die Wochenzeitschrift »Die Zeit« oder das Magazin »Der Spiegel«.
168 Zu einer vergleichenden Darstellung dieser Zeitschriften in historischer Perspektive
vgl. Stein 2003. Zu Imagebildungen von Fernsehformaten, insbesondere privater Pro-
grammanbieter, vgl. Hesse/Gelzleichter 1993.
169 Vgl. Luhmann 1996, 173.
170 »Die Flut der Bilder«, so eine bilanzierende Feststellung Stieglers zu Kracauers Photo-
theorie, »zerstört die Bilder des Gedächtnisses und ersetzt eine vom Bewußtsein durch-
drungene Erinnerung durch kontingente Fragmente reiner Äußerlichkeit und bloßer
Zeitgebundenheit« (Stiegler 2006, 290; vgl. dazu ausführlicher ebd., 289 ff.).
2. TECHNISCHE BILDMEDIEN UND DIE ENTWICKLUNG von IMAGE |93
die neue Kultur technischer Bilder daher gleichermaßen: Er erkennt sie, insofern er
die gesteigerte Bedeutung bildhafter Oberflächen als kulturelle und gesellschaftli-
che Sinnträger diagnostiziert!?! und er verkennt sie, insofern er die Strukturiertheit,
Eigendynamik und Eigengeschichtlichkeit der neuen Bildkulturen übersieht, indem er
sie mit der alten Kultur manueller Bilder vergleicht und vor diesem Hintergrund von
den photographischen Oberflächen als »geschichtslosen Oberflächen« spricht. Denn
die neue Kommunikation der Bilder verabschiedet sich ja gerade nicht von der Tiefe,
sondern stellt sich — rezeptiv wie produktiv - in völlig neuer und umfassender Weise
darauf ein, daß auch die Tiefe der Objekte an den »realistischen« Oberflächen abgele-
sen werden muß und sie konstituiert soziale Bildobjekte, die eben diesem Sachverhalt
Rechnung tragen. Die medienverursachten Entfremdungsverhältnisse im Sinne einer
Herausnahme der Bildkultur aus einer mündlichen Kultur des Deutens (anonymisierte
Kommunikationsverhältnisse) sind wie gesagt eine wichtige Ausgangskonstellation
der neuen Bildsprachen, denen u.a. mit einem neuartigen Gedächtnis der Images ent-
gegengewirkt wird.
Entscheidend ist es nun zu sehen, daß der gesellschaftliche Bedarf an einer geziel-
ten Steuerung guter: Erscheinungsbilder weit über das Repertoire dramaturgischer
Möglichkeiten hinausgeht, die in den Systembereichen Unterhaltung sowie Berichte/
Nachrichten entwickelt werden können. Da die Operationsweise des Systems darauf
eingestellt ist, »stabile Objekte« zu konstruieren, die in den verschiedensten Berei-
chen der Gesellschaft als Informationshorizont von Kommunikationen, Erlebnissen
und Handlungen zur Verfügung stehen, !7? liegt es auf der Hand, daß die verschieden-
sten Sinnanbieter, die ihre Kommunikationen einem größeren Adressatenkreis offe-
rieren wollen, in dieser Realität der Massenmedien existieren müssen.!73 Das wiede-
rum hat zur Folge, daß sie ihre Objekte im Rahmen der technischen Bildmedien und
im Rahmen der Selektivität des Systems der Massenmedien kommunizieren müssen.
Die Nachfrage kommt vor allem aus der Wirtschaft, denn diese ist unter den Bedin-
gungen des modernen Industriekapitalismus, d.h. unter den Bedingungen der Massen-
produktion und des modernen Handels, dazu gezwungen, ihre potentiellen Kunden
171 In Kracauers bekanntem Aufsatz »Das Ornament der Masse« heißt es: »Der Ort, den
eine Epoche im Geschichtsprozeß einnimmt, ist aus der Analyse ihrer unscheinbaren
Oberflächenäußerungen schlagender zu bestimmen als aus den Urteilen der Epoche
über sich selbst.« (Kracauer 1977, 50) Vordringlich geht es ihm hier jedoch um be-
stimmte ästhetische Muster wie z.B. denen der Aufführungen der »Tiller girls«, die er
als Ausdruck einer epochalen Rationalität deutet (vgl. dazu Klein 1999, 97 f.).
172 Vgl. Luhmann 1996, 177 f.
173 Selbst Bereiche kultureller Produktion, die die Formung von Sichtbarkeiten nicht an
Bilder, sondern an soziale Situationen binden, geraten unter den Einfluß der massen-
medialen Realität der Bilder. So stellt sich beispielsweise das Theater schon im 19.
Jahrhundert mit einer »Piktoral-Dramaturgie« auf die neuen Bildmedienverhältnisse
ein (vgl. Leonhardt 2007).
94 | IMAGE. Zus GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN
auf anonymen, räumlich weit ausgedehnten Märkten anzusprechen, und dies muß sie
im wesentlichen über Verbreitungsmedien tun, deren Entstehung im Bereich der Bild-
medien zeitlich in etwa parallel zur Entwicklung der industriellen Massenproduktion
verläuft.!7* Vor allem die Wirtschaft beschleunigt daher die Ausbildung eines funkti-
onal spezifizierten Bereichs des Systems der Massenmedien, der sich auf die Kommu-
nikation von Images spezialisiert.
Trotz ihrer unübersehbaren Dominanz im Feld der Auftraggeber von Werbung ist
die Wirtschaft jedoch nur ein Kunde unter anderen. Die These von der Werbung als
einem Subsystem der Wirtschaft wird hier entsprechend zurückgewiesen.!7’° Denn
für diese sind ja die Annahmen entscheidend, daß es in der Werbung wie im Wirt-
schaftssystem um Zahlungen für Leistungen geht, die ihren Grund in Bedürfnissen
haben und daß sich die Werbung über Preise beobachtet und reguliert.'7° Das pro-
voziert jedoch die Frage, ob die Tatsache, daß die Werbung auf Märkten gehandelt
wird, ein Argument ihrer Zuordnung zur Wirtschaft ist. Schließlich werden auch die
Leistungen anderer Systeme auf Märkten gehandelt – z.B. die der Erziehung, der
Kunst, des Rechts. Und dennoch ist (auch) in diesen Fällen klar erkennbar, daß sich
die nachgefragte (käufliche) Leistung am jeweiligen System orientiert und nicht an
der Leistung der Wirtschaft. So ergibt sich z.B. der Erfolg von Kunstwerken — bei
aller Definitionsmacht der Käufer (Galerien, Museen, Sammler usw.) — nicht primär
über die Gesetze des Marktes. Kunst ist vielmehr dann erfolgreich (und zwar auch
ökonomisch), wenn sie als Kunst erfolgreich ist, d.h. der systemimmanenten Logik
des Kunstsystems folgt.!77 Vergleichbares gilt für die Leistung von Anwaltskanzlei-
en, Bildungseinrichtungen oder Werbeagenturen. Der Marktwert letzterer bemißt sich
(wie der Marktwert ihrer Akteure) in erster Linie an dem von den potentiellen Auftrag-
174 Zu einer ausführlichen Darstellung dieses Sachverhalts im Blick auf die Geschichte
der US-amerikanischen Werbung vgl. Beniger 1994, Lears 1994 und Pope 1983. Zu
einer gegenläufigen These konsumhistorischer Forschungen, nämlich zu der, daß In-
dustrialisierungsprozesse (auch) als Resultat einer verstärkten (Konsum-)Nachfrage zu
interpretieren sind, vgl. z.B. Braudel 1973.
175 Entsprechende Überlegungen finden sich bei Schmidt 1995, 1996, 2000, Schmidt/
Spieß 1994, 1996 und Tropp 1997.
176 Vgl. Schmidt/Spieß 1997, 36 und 43.
177 Damit ist selbstverständlich nicht ausgeschlossen, daß man in Kunstwerke mit wirt-
schaftlichen Motiven investieren kann. Auch ist damit nicht bestritten, daß es Bilder
geben kann, die sich gut verkaufen lassen (z.B. in Kaufhäusern, aber auch im profes-
sionellen Kunsthandel), obwohl sie ganz außerhalb der »Logik der Sammlung« (vgl.
Groys 1995) stehen. Anders formuliert: Nicht jedes Bild (bzw. jedes auf Ästhetik fest-
gelegte Objekt), das einen Käufer findet, ist Kunst. Und auch das Maß des Erfolgs eines
Kunstwerks am Kunstmarkt ist natürlich keine direkte Übersetzung des Erfolgs eines
Kunstwerks bzw. eines Künstlers im Kunstsystem. Dennoch bilden sich die Preise für
Kunstwerke in der Regel im Blick auf die (gegenwärtige oder für die Zukunft erwartete)
Stellung derselben im Kunstsystem, wie nicht zuletzt der Auktionshandel verdeutlicht.
2. TECHNISCHE BILDMEDIEN UND DIE ENTWICKLUNG von IMAGE |95
gebern antizipierten Vermögen, erfolgreich die spezifische, von ihr erwartete Leistung
(nämlich: Werbung) zu erbringen. Die bis zu der jeweiligen Gegenwart vorliegen-
den Ergebnisse sind dabei der Ausgangspunkt entsprechender Erwartungen - also die
konkret vorliegenden Kampagnen und deren (Miß-)Erfolge. Man könnte auch sagen:
Das Image, das sich eine Agentur in der Image-Arbeit für ihre Kunden erarbeitet,
bestimmt ihren Preis.!7® Überhaupt können Zahlungen, wenngleich sie eine existenti-
elle Randbedingung der Werbung darstellen, !7? deren systemspezifische Operations-
weise nur irritieren. Während z.B. sinkende Absatzzahlen beworbener Konsumgüter
die Konstruktion anderer Erscheinungsbilder erforderlich machen, mögen Erfolge
das Konservieren bestehender Images nahelegen. In keinem Fall aber kann die Wer-
bung auf einen anderen Kommunikationstyp als den noch näher zu bestimmenden der
Image-Kommunikation ausweichen. Insofern sind die Operationen der Wirtschaft von
denen der Werbung deutlich getrennt. Ohne Geld können die Werber nicht arbeiten,
aber der Verlust eines Werbe-Etats kann nur bedeuten, daß man es das nächste Mal
besser machen muß, und zwar besser im Rahmen der Logik, die die Werbung (und
nicht die Wirtschaft) vorgibt. Die Zuordnung der Werbung zum Wirtschaftssystem ist
auch dann nicht ohne weiteres plausibel, wenn man die Beziehung von Produktion
und Rezeption in den Blick nimmt. Denn die Werbung ist ja für die Adressaten immer
kostenfrei. Zahlungen sind hier nicht involviert — es sei denn, man geht wiederum
nur von der Wirtschaftswerbung aus, die auf der Unternehmensseite als Kostenfaktor
verbucht wird und entsprechend in die Preisbildung eingeht, so daß der Konsument
(Werbungsrezipient) die Kosten — wenn auch indirekt – bezahlt.!80
Die Werbung beobachtet sich jedenfalls nur indirekt über Preise — diese sind nur
sekundärer Ausdruck der Qualität ihrer funktionsspezifischen Leistungen, die als sol-
che Bemessungsgrundlage der Preisbildung sind. Dennoch wird die Werbung auch
178 Die Preise von Sendezeit und Anzeigenraum verhalten sich dabei neutral zu diesem
Sachverhalt — hier gelten dieselben Preise für jeden, der werbend Zeit und Raum in An-
spruch nehmen will. Diese Preise müssen von den Auftraggebern als Ausgaben (ebenso
wie die Ausgaben für die Werbungsproduktion) in Beziehung zu möglichen Gewinnen
gesetzt werden — seien dies Image-Gewinne mit ökonomischen Folgen (bei Verkauf
von Produkten) oder Image-Gewinne, die Wahlen beeinflussen usw.
179 Ohne Geld kann eine Werbeagentur ebensowenig arbeiten wie eine Anwaltskanzlei, ein
Künstler, eine Erziehungseinrichtung, eine Kirche oder ein Staat.
180 Daß eine wirtschaftliche Bilanzierung von Ausgaben (in Werbung) und Einnahmen
(durch Werbung) oftmals nicht möglich ist, da Werbewirkungen kaum zuverlässig ge-
messen werden können und die Werbewirkungsforschung (statt dessen) mit spekula-
tiven Kausalunterstellungen (vereinfacht gesagt, lautet das Schema: Aufmerksamkeit
= Akzeptanz = Kauf) arbeitet, stellt z.B. Schmidt fest: »Offenbar setzt sich hier eine
Argumentation ex negativo durch, die besagt: Auch wenn überhaupt nicht sicher ist, ob
eine Werbekampagne den gewünschten Erfolg bringt, so ist andererseits doch sicher,
daß sich nur in Ausnahmefällen Verkaufserfolg ohne Werbung einstellt.« (Schmidt
1995, 33; vgl. auch Schmidt/Spieß 1997, 38 £.)
96 | IMAGE. Zus GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN
über Preise beobachtet — insbesondere von denjenigen, die sie bezahlen müssen.'®! In
den meisten Fällen (aber längst nicht in allen) sind das Wirtschaftsunternehmen, die
käufliche Produkte auf dem Markt anbieten. Sie geben Geld für Werbung aus, weil
sie sich durch die Kaufanreize, die die Werbung schaffen soll, Einnahmen verspre-
сһеп.!82 Im Rahmen einer auf die wirtschaftliche Bedeutung von Werbung einge-
schränkten Perspektive ist dann auch nachvollziehbar, inwiefern die Beschreibung des
Werbungswandels im 20. Jahrhundert unter dem Titel »Kommerzialisierung der Kom-
munikation« (Schmidt/Spieß 1997) gefaßt werden kann — denn dann geht es weniger
um die Genealogie der modernen Werbung als um die Beschreibung eines Effektes,
den die Werbung — sozusagen über den Umweg des Wirtschaftssystems — erzeugt. 183
Die Entwicklungsgeschichte der Werbungskommunikation selbst ist hingegen Thema
des folgenden Kapitels.
181 Luhmann sieht in Preisen Beobachtungsinstrumente der Wirtschaft mit der Funktion,
über Erwartungen zu informieren, die an Zahlungen und deren Höhe geknüpft werden
bzw. »Programme«, die den Code Zahlen/Nichtzahlen mit Entscheidungskriterien ver-
sorgen (vgl. dazu ausführlich Luhmann 1983).
182 Und nur von der Perspektive der Wirtschaft aus formuliert man, wenn man feststellt, daß
in der Werbung »Kapital zur Vermehrung von Kapital« eingesetzt wird (vgl. Schmidt/
Spieß 1997, 36). Man könnte sagen: Die (erhoffte) Erhöhung von Zahlungsbereitschaft
der Werbungsadressaten über Image-Arbeit ist eine Leistung der Werbung in der Be-
ziehung zum Wirtschaftssystem.
183 Zur Darstellung einer Kommerzialisierung der Massenmedien (z.B. im Sinne einer
zunehmenden Orientierung verschiedenster (auch journalistischer) Formate an poten-
tiellen Werbeeinnahmen) sowie einer Kommerzialisierung der über die Massenme-
dien hergestellten Öffentlichkeiten vgl. z.B. Habermas 1985, Weischenberg 1990 und
Siegert 2001.
3. De ENTWICKLUNG VON IMAGE-KOMMUNIKATION IN DER
WERBUNG: EINE THEORETISCHE UND EMPIRISCH-ANALYTISCHE
UNTERSUCHUNG
Einleitung
Während das alltagskulturelle Phänomen Image bislang nicht zum Gegenstand histo-
rischer Forschungen wurde,! sind solche Untersuchungen zur Werbung zahlreich und
reichen bis an das Ende des 19. Jahrhunderts zurück. Wie Gries u.a. (1995) zu Recht
feststellen, führen die historischen Arbeiten nicht zu einer allgemeinen Geschichte der
Werbung, sondern zu Geschichten nach Maßgabe verschiedener Fachwissenschaften,
Methoden und Themenstellungen, die sich wie folgt systematisieren lassen.?
a) Werbungsgeschichte als Wirtschaftsgeschichte
Im Rahmen dieser Perspektive geht es im wesentlichen um eine Rekonstruktion der
Werbung als ein Bereich der Wirtschaft. Thema ist einerseits die Werbung als ein
Unternehmen, das selbst von wirtschaftlichen und wirtschaftsbedingenden Metaent-
wicklungen (Märkten, Produktionsmöglichkeiten usw.) abhängt. Andererseits steht
die Werbung als eigene Wirtschaftsmacht im Mittelpunkt. Die Geschichte der (moder-
nen) Werbung erscheint hier hauptsächlich als eine Geschichte ihrer Organisations-
bildung, d.h. als eine Geschichte des Agenturwesens, der Berufsstandsorganisationen,
der Werbefachpresse, der Werbeabteilungen in den Unternehmen usw.? In diesem Be-
reich setzt die Geschichtsschreibung am frühesten ein, und zwar zuerst als eine theo-
rielose Bestandsaufnahme von Werbungsproduzenten und Werbungsfachleuten.*
b) Werbegeschichte als Konsum- und Gesellschaftskritik
Hierzu gehören insbesondere neomarxistische Positionen, die den Wandel der Wer-
bung als eine Geschichte der Manipulation des Bewußtseins ihrer Adressaten be-
schreiben. Die (Marx’sche) Analyse kapitalistischer Produktionsweisen bildet dann
1 Vgl. aber Boorstin 1964.
2 Die folgenden Punkte a) und b) entsprechen weitgehend einer Darstellung von Gries u.a.
(vgl. 1995, 4-25), die Punkte c) und d) ergänzen diese Typologie.
3 Vgl. z.B. Buchli 1962b und Reinhardt 1993.
4 Vgl. Cronau 1887, Paneth 1926 und Schmiedchen 1953.
98 | IMAGE. Zus GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN
den theoretischen Bezugsrahmen der Darstellung der Werbung als (Herrschafts-)In-
strument des modernen Kapitalismus und seiner Machthaber. Typischerweise wird
die Werbung als Verblendungszusammenhang interpretiert, den diese Theorie »als ge-
schickt angelegtes Informations- und Täuschungsmanöver mit politischer Disziplinie-
rungsabsicht zu enttarnen sucht« (Gries u.a. 1995, 11). Wie die jeweiligen Texte zu er-
kennen geben, handelt es sich dabei um eine kritische Gesellschaftsphilosophie, deren
makrohistorische Sicht kaum den empirischen Gegenstand selbst und die Systematik
in den Blick nimmt, mit der die Manipulationen auf der Ebene der inszenierten Sinn-
strukturen umgesetzt werden — die Werbung selbst bleibt sozusagen außen vor bzw.
wird sie durch die Bezeichnung als »Ideologie« auf Distanz gehalten. Neben Geigers
frühem Werk »Kritik der Reklame« (1943; dt. Übersetzung 1987) ist vor allem Haugs
»Kritik der Warenästhetik« (1971) wirkungsmächtig.°
c) Werbegeschichte als Geschichte der Konsumgesellschaft
Vor allem US-amerikanische und englische Studien beschreiben die Entwicklung der
Werbung als Teilgebiet einer Entwicklung der Konsumgesellschaft bzw. der Konsum-
kultur (»consumer culture«).® Genealogische Erklärungen dieser Kultur beziehen sich
u.a. auf die Entwicklung neuer Technologien im Bereich der Güterproduktion, des
Verkehrs oder der Informationsübermittlung.’ Gerade neue Studien beschreiben die
Konsumkultur als Prägekraft bestimmter Formen des Verhaltens, Handelns, Erlebens
und Kommunizierens, die in verschiedene Sphären des Kulturellen diffundieren. Die
Werbung wird dabei als ein Generator konsumkultureller Muster beschrieben — etwa
im Bereich der Liebessemantik.®
d) Werbungsgeschichte als Motiv-Geschichte und Indikator soziokulturellen Wandels
Untersuchungen zur Geschichte einzelner Motive und Sujets thematisieren die Werbe-
geschichte als Bestandteil der Alltagskulturgeschichte. Die konkreten Inszenierungen
und deren Ästhetik fungieren dann als Bezugsrahmen der Interpretation von Werbung
als Indikator und/oder Generator soziokulturellen Wandels. Diese Orientierung erklärt
wohl das Interesse vieler Studien für bestimmte Epochen - so z.B. für die Werbung
während Diktaturen,? Kriegen,!® Wirtschaftswundern!! oder technologischen Um-
5 Vgl. auch Gheude 1975; vgl. für den angloamerikanischen Sprachraum Ewen 1988; Wer-
nick 1991.
6 Vgl. Fraser 1981; Featherstone 1982; McCracken 1992; zu einem Überblick vgl. Jäckel
2006.
Vgl. z.B. Roucek 1971; Beniger 1994.
Vgl. Ilouz 2003.
Vgl. Wündrich 1992; Westphal 1989.
Vgl. Adkins/Tawnya 1997.
Vgl. Kriegeskorte 1992.
= ka Mä оо з
о
к=
3. Die ENTWICKLUNG VON IMAGE-KOMMUNIKATION IN DER WERBUNG |99
wälzungen!?. Während Schnierer zufolge die bereits 1857 geäußerte Bemerkung, daß
Werbung ein »trefflicher Wegweiser zur Kenntnis [...] culturgeschichtlicher Zustände
und Entwicklungen« sei (Knies 1857, 50, zit. n. Schnierer 1999, 239), einen kontinu-
ierlich verfolgten Forschungsansatz repräsentiert, sehen Gries u.a. das Verständnis von
Werbung als Element von Alltagskultur lange Zeit auf Vergleiche zwischen Kunst und
Werbung verengt,'? bis in den 1960er Jahren die Alltagskultur als eigenständiger Un-
tersuchungsgegenstand thematisiert wird.!* Inzwischen liegt eine Vielzahl von Studi-
en vor, die den Zusammenhang von Alltagskultur und Werbung am Wandel einzelner
Werbesujets bzw. Werbemotive vorführen.'? Die methodischen Vorgehensweisen sind
dabei äußerst heterogen und reichen von der semiotischen Zeichen- und Symbolana-
lyse über die klassischen Verfahren der Kunstgeschichte (z.B. Panofskys Ikonogra-
phie oder Imdahls Ikonologie) und der qualitativen und quantitativen Inhaltsanalyse
bis hin zur linguistischen Textanalyse. Andere Studien gewinnen einen spezifischen
Zugriff auf die Beziehung von Werbung und soziokulturellem Wandel, indem sie den
Zeitgeist einer Zeit und dessen (wie auch immer transformiertes) Vorhandensein bzw.
Fehlen іп den Werbungsinszenierungen fokussieren.'®
Diese Typologie der Geschichtsschreibungen von Werbung ist hinsichtlich Sy-
stematik und Vollständigkeit zweifellos kritisierbar. So lassen sich z.B. viele der
genannten Studien mehrfach rubrizieren. Insbesondere der Ansatz, Werbung als
Ausdruck von Alltagskultur zu erklären und zu beschreiben, ist integraler Bestand-
teil verschiedenster Untersuchungen, während er sich seinerseits der Wirtschafts-
12 Vgl. Cowan 1976.
13 Gries u.a. 1995 nennen z.B. Westen 1925, Grosse 1980 und Riepenhausen 1979.
14 So z.B. Bongards »Fetische des Konsums« (1964), Murken-Altrogges »Werbung, Kunst
und Coca-Cola« (1977) oder Schivelbuschs »Das Paradies, der Geschmack und die Ver-
nunft« (1980); vgl. auch. Nowak 1984; Pollay/Gallagher 1990; Rust 1992.
15 In puncto Themenwahl sind Längsschnittuntersuchungen zur Darstellung der Geschlech-
ter (vgl. z.B. Brosius/Staab 1990; Bretl/Cantor 1988; Belknap/Wilberg1991; Schmerl
1992; Laird 1996) bzw. zur Darstellung von Frauen (vgl. z.B. Venkatesan/Losco 1975;
Denscher 1984; Weisser 1981; Mikos 1988; Fox 1990) und Männern (vgl. z.B. Skelly/
Lundstrom 1981; Coltrane/Allan 1994; Zurstiege 1998) wohl am häufigsten. Andere Stu-
dien rekonstruieren den Wandel der Inszenierung von Kindern (vgl. Alexander 1994),
Alten (vgl. Ursic/Ursic/Ursic 1986; Kochhahn/Jäckel 2000) oder die Entwicklung der
Inszenierung spezifischer Produkte (vgl. Schönhammer 1992; Kriegeskorte 1994; De-
mos/Peterson 1986; Schorman 1996; Burnby 1988). Weiterhin findet man Längsschnitt-
studien zur Darstellung verschiedener Ethnien (vgl. Brown 1981), zur Beziehung von
Produkten und Werbedarstellern (vgl. Jhally/Kline/Weiss 1985) oder zum Einfluß der
angloamerikanischen Kultur auf die Sprache der deutschen Anzeigenwerbung seit den
1950er Jahren (vgl. Schütte 1996). Zu weniger an spezifischen Motiven als an der Er-
zählweise und den Inszenierungsformen orientierten Längsschnittuntersuchungen vgl.
Wehner 1996 und Stark 1992.
16 Vgl. z.B. Gries u.a. 1995 und Schmidt/Spieß 1997.
100 | IMAGE. ZUR GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN
und Sozialgeschichte bedient. Dieser Überblick zeigt jedoch, daß solche Beiträge
bislang fehlen, die die Entwicklung der modernen Werbung mit Problemlagen in
Verbindung bringen, die mit den technischen Bildmedien entstehen. Das in den Ge-
schichtsschreibungen dominierende Verständnis der Werbung als Überzeugungsar-
beit, Manipulation, Informationskontrolle oder Verführung weist vielmehr in die
Richtung eines sehr weit gefaßten Werbens mit einem entsprechend weiten Prob-
lembezug. Formelhaft kann man diesbezüglich sagen: Das Problem besteht darin,
daß Menschen nicht prinzipiell von sich aus wollen, was andere als deren Wollen
wollen.!7 Eben weil die Passung des Wollens zwischen Werbenden und Beworbe-
nen unwahrscheinlich ist, muß Überzeugungsarbeit und Verführung geleistet wer-
den. Erreicht werden soll damit, daß der Adressat dann etwas will, was er zuvor
nicht unbedingt von sich aus wollte. Die Wahl eines Partners, eines Konsumgutes,
einer Religion oder einer Regierung, so ließe sich überspitzt formulieren, erscheint
in diesem Licht — zumindest auch - als Resultat erfolgreichen persuasiven Handelns
und Kommunizierens.
Vor dem Hintergrund eines solchen, weiten Werbeverständnisses sind Buchtitel
wie »6000 Jahre Werbung« (Buchli 1962) durchaus berechtigt. Denn es ist nicht von
der Hand zu weisen, daß die Kulturgeschichte einen materialreichen Fundus von Er-
eignissen bereithält, auf den sich eine entsprechende Werbetheorie beziehen kann.
Vom urmenschlichen Werben der Geschlechter über die antike Rhetorik und die Propa-
ganda der katholischen Gegenreformation bis hin zum gegenwärtigen Issues Manage-
ment in Wirtschaft und Politik!® findet Werben im Sinne von Überzeugungsarbeit vor
eben diesem Problemhorizont statt. Auch die hier im folgenden fokussierte, professi-
onell als Form des Unternehmens organisierte Werbung arbeitet durchaus am Problem
der Wahrscheinlichkeit der Inkongruenz des Begehrens, Wünschens und Wollens von
Werbenden und Umworbenen. Für eine Beschreibung und Erklärung der Entstehung
der offenkundig höchst charakteristischen Eigenwerte der modernen Werbung reicht
jedoch der Hinweis auf diesen allgemeinen Problembezug nicht aus.!? Dies gilt auch
für die Überlegung, die moderne Werbung als eine soziale Kontrolltechnik der mo-
17 Diese Diagnose setzt voraus, daß Macht als Medium der Durchsetzung von Interessen
nicht zur Verfügung steht.
18 Vgl. Eisenegger 2005.
19 Ebensowenig macht die allgemeine Problemlage des Überzeugenmüssens plausibel,
daß und inwiefern in der modernen Gesellschaft die Ausdifferenzierung der Werbung
im Sinne eines eigenen Funktionssystems provoziert wird. Wenn Zurstiege die Werbung
als ein soziales System beschreibt, das seine »operationale Schließung über den binären
Code »Teilnahmebereitschaft/Teilnahmeverzicht«« (1998, 94) erreicht und dessen Funk-
tion in der Herstellung der »Motivation von Teilnahmebereitschaft« (ebd., 95) annimmt,
bleibt jedenfalls unklar, unter welchen historischen Bedingungen das alte Ziel, Akzep-
tanz/Überzeugung bei jeweils anderen auf verschiedenen Ebenen (des Denkens, Fühlens,
Verhaltens usw.) herzustellen, zu einem neuen Thema wird.
3. Die ENTWICKLUNG VON IMAGE-KOMMUNIKATION IN DER WERBUNG | 101
dernen Wirtschaft zu interpretieren,? oder sie insofern mit den Massenmedien zu
verbinden, als mit letzteren Aufmerksamkeit zu einer zunehmend knappen Ressource
wird, die über professionelle Kommunikationsstrategien erschlossen werden muß.?!
Gezeigt wird vielmehr, daß und inwiefern die moderne Werbung auf Spezifikationen
des allgemeinen Problems des Überzeugenmüssens eingestellt ist, die mit den tech-
nischen Bildmedien und dem System der Massenmedien Einzug in die Gesellschaft
halten.
3.1 Zum methodischen Vorgehen
3.1.1 Theorie und Empirie
Zunächst kann man von der empirisch fundierten Beobachtung ausgehen, daß die
zeitgenössische Werbung, bei aller Disparität ihrer Inszenierungsformen und Strate-
gien, durchgängig von einer bestimmten Bildsprache und einem Thema geprägt ist,
das in diesem Zuschnitt nur die Werbung charakterisiert. Erkennbar ist das nicht zu-
letzt daran, daß die Werbung ihre Dienste für Auftraggeber unterschiedlichster Pro-
venienz (Wirtschaft, Politik, Kirchen, Privatpersonen usw.) anbietet und dennoch in
allen Fällen spezifische Darstellungs- und Sinnformen hervorbringt, die hochgradig
miteinander verwandt sind.
Diese Diagnose wird hier zu der Hypothese von der Werbung als einem Bereich
des Systems der Massenmedien umformuliert und im Rahmen der Luhmann’schen
Theorie sozialer Systeme sowie einer empirischen Analyse überprüft. Obwohl die
Untersuchung von empirischen Sachverhalten ausgeht und durch diese motiviert ist,
legt sie also einen theoretischen Rahmen zugrunde, der nur sehr bedingt Resultat
empirischer Analysen sein kann. Denn die Systemtheorie entzieht sich empirisch-
analytischen Verifikations- bzw. Falsifikationszwängen, denen die Soziologie in-
sofern ausgesetzt ist, als sie sich »ihrem Wissenschaftskonzept zufolge [...] auf die
soziale Realität (bezieht), wie sie faktisch vorhanden ist.« (Luhmann 1997, 36) Ge-
sellschaftstheorie, so Luhmann, kann prinzipiell nicht über eine Analyse von Daten
(auch nicht über makrosoziologische) abgeleitet werden. Sie ist vielmehr Ergebnis
einer stark abstrahierenden und generalisierenden Begriffsarbeit, deren Reiz nicht
darin besteht, in Bezug auf unterschiedliche Gegenstandsbereiche unterschiedliche
20 Vgl. dazu Beniger 1994. Beniger geht davon aus, daß die industrielle Massenproduktion,
das moderne Verkehrswesen (Eisenbahn, Automobil) sowie die Informationstechnologi-
en (Funk, Film, Fernsehen) zusammen die neuen, anonymisierten Märkte der Wirtschaft
und damit eine Krise der Kontrolle erzeugen, der über die soziale Kontrolltechnik Wer-
bung entgegengesteuert werden muß. Zu einer ähnlichen Argumentation vgl. Schmidt
1995, 29 ff. und Schmidt/Spieß 1997, 36.
21 Vgl. exemplarisch Schmidt/Spieß 1997.
102 | IMAGE. ZUR GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN
Klassifikationen einzuführen, sondern darin, »heterogene Sachverhalte mit densel-
ben Begriffen zu interpretieren und dadurch Vergleichbarkeit von sehr verschiede-
nen Sachverhalten zu gewährleisten« (ebd., 42). Andererseits setzt (auch) Luhmann
die Anbindung dieser vergleichenden Begriffsarbeit im Sinne des funktionalen Ver-
gleichens empirische Tatsachen voraus, ja postuliert sie als unvermeidlich. Sehr
allgemein kommt das in der Feststellung zum Ausdruck, daß auch die Theorie der
Gesellschaft innerhalb der Gesellschaft formuliert werden muß.”? Im Blick auf die
Spezifität der systemtheoretischen Begriffe geht es darüber hinaus um die Annah-
me einer empirischen Fundierung der Theorie über das (zirkuläre) Argument, daß
»das methodische Desiderat des funktionalen Vergleichens [...] Eigenarten der mo-
dernen Gesellschaft (spiegelt)« — und zwar deshalb, weil sich diese »Eigenarten«
als »Grundstrukturen« in den verschiedenen Funktionsbereichen nachweisen lassen
(ebd., 43). Die Theoriebildung wird also von Beginn an durch die Beobachtbarkeit
von (funktionaler) Vergleichbarkeit in verschiedenen Gesellschaftsbereichen ermu-
tigt bzw. legen bestimmte empirische Phänomene eine bestimmte Theorie oder auch
bestimmte Argumentationslinien nahe.
Insofern die Arbeit Begriffe der Systemtheorie zum Einsatz bringt, wendet sie
die Methode des funktionalen Vergleichens auf die Gegenstände Image und Wer-
bung an, um zu überprüfen, ob und inwiefern sich in Bezug auf diese vergleichbare
»Grundstrukturen« rekonstruieren lassen. Die zum Einsatz kommenden Theorie-
bausteine und begrifflichen Prämissen schränken die Perspektive auf die Untersu-
chungsgegenstände ein und bestimmen das methodische Vorgehen der Arbeit. So
führt die Theorie der symbolisch generalisierten Kommunikationsmedien zu der
Frage, ob sich spezifische Bezugsprobleme beschreiben lassen, die mit der Kommu-
nikation von Images im Sinne einer problemlösenden Spezialsprache in Beziehung
stehen und sie steuert die Beschreibung der Werbung in die Richtung der Frage nach
deren selektiven Mechanismen. Wenngleich die Forderung empirischer Beweisbar-
keit der Theorie zurückgewiesen werden muß und man in der empirischen For-
schung kaum den einzig gangbaren Weg für eine zutreffende(re) Beschreibung der
Realität schen kann,?? sollen die Vorgaben der Theorie hier keineswegs Empiriever-
22 Die Methodologie der qualitativen Sozialforschung kommt in Bezug auf ihren Gegen-
standsbereich zu einem ähnlichen Ergebnis, wenn sie feststellt, daß die Möglichkeiten
des Erkenntnisgewinns soziologischer Analyse zentral an das Wissen, die Erfahrungen
und die Habitus gebunden sind, die die Forscher in der empirisch vorgefundenen Wirk-
lichkeit ausbilden. Zu diesem Paradigma der qualitativen Sozialforschung vgl. Willems
1997, 298-302.
23 Das Argument, das z.B. Luhmann gegen den latent im Raum der empirischen Wissen-
schaft Soziologie stehenden Vorwurfeines fehlenden Empiriebezugs seiner Gesellschafts-
theorie in Stellung bringt, basiert auf der traditionsreichen erkenntnistheoretischen Über-
legung, daß der empirischen Forschung prinzipiell nicht mehr Realitätsbezug zugebilligt
werden kann als einer auf abstrakte Begriffe gestützten Theoriearbeit: »Die Ambitionen
3. Die ENTWICKLUNG VON IMAGE-KOMMUNIKATION IN DER WERBUNG |103
zicht bedeuten. Die empirisch vorfindbaren Materialien werden vielmehr durchaus
als nichtbeliebige Widerstände für bzw. gegen die Systemtheorie vorausgesetzt, die
in der Analyse eine plausible systemtheoretische Darstellung der Werbung und ih-
rer Entwicklung erlauben oder nicht. Und sie werden als Gegenstände interpretiert,
anhand derer gezeigt werden kann, ob und inwiefern, d.h. an welchen konkreten
Merkmalen, sich der strukturelle Wandel der Werbung vollzieht. Die Frage nach der
Werbung als einem Bereich des Systems der Massenmedien wird daher im Rahmen
einer empirischen Längsschnittanalyse gestellt. Im Unterschied zu Werbegeschichts-
schreibungen, die die Historie der Werbung als eine »Mentalitätsgeschichte«* dar-
stellen, verzichtet die Arbeit jedoch auf die Rekonstruktion des soziokulturellen
Wandels und eines zeittypischen kollektiven Wissens bzw. derjenigen gesellschaft-
lichen Kontexte (Politik, Wirtschaft, Kultur usw.), die die Werbungsinszenierungen
einer Zeit beeinflussen. Obwohl man durchaus von einer starken Publikums- und
Kulturorientierung der Werbung ausgehen (vgl. 3.3.2) und entsprechend der These
zustimmen kann, daß in der Werbung ein Indikator gesellschaftlicher Zustände zu
sehen 181,79 zielt vorliegende Analyse auf eine Beschreibung des Strukturwandels
der empirischen Forschung wurzeln in einem Vertrauen in das eigene Instrumentarium
und in der Prämisse (dem »Vorurteil«), daß man mit diesen Mitteln zur Realität kommen
und nicht nur eigene Konstruktionen validieren könne. Dem könnte man entgegenhalten,
daß die Koinzidenz von Empirie und Realität ihrerseits empirisch nicht feststellbar ist,
also erkenntnistheoretisch als zufällig behandelt werden muß.« (Luhmann 1997, 41)
24 In lockerem Bezug zu Weber (1956), Geiger (1932) und Raulff (Hg., 1987) legen z.B.
Gries (1995) ihrer Werbegeschichte den Begriff der Mentalität zugrunde. Darunter wer-
den im wesentlichen »kollektive Vorstellungswelten« (Gries u.a. 1995, 15) mit einem
spezifischen Zeitcharakter verstanden, deren Wandlungen (in der Lebenswelt wie in der
Werbung und der Werbungsrezeption) mit einem angemessenen Methodeninventar re-
konstruiert werden sollen. Die »Alltagsgeschichte« (Lüdtke 1989) des jeweiligen Zeitab-
schnitts dient entsprechend als Bezugsrahmen der Beschreibung von Werbebildern und
Werbetexten. Mittels verschiedenster Daten (journalistischer Berichte, Sozialstatistiken,
politischer Ereignisse, Wirtschaftsdaten, Unternehmer- und Werbeproduzentenportraits,
Firmengeschichten usw.) und Theorien/Methoden (z.B. der Biographieforschung oder
des »zeitgeschichtlichen Interviews« (vgl. Niethammer 1985)) wird die Alltagsgeschich-
te als ein Erfahrungshorizont jedermanns rekonstruiert und analytisch mit Untersuchun-
gen von Werbeanzeigen und Werbetexten in Zusammenhang gebracht.
25 Ausgehend von der engen Anbindung der Werbung an die Kultur der Gesellschaft füh-
ren z.B. Schmidt/Spieß (1997) verschiedenste »Modernisierungstheorien« als Theorien
sozialen Wandels ein und beziehen deren Zeitdiagnosen (insbesondere die der Theorie
der sogenannten Postmoderne) auf die Entwicklung der Werbung. Allgemeine Tenden-
zen der (modernen) Moderne wie »Traditionsvernichtung und Kontingenzerweiterung«,
»Umschalten von Identität auf Differenz«, »Depotenzierung aller universalistischer An-
sprüche auf Wahrheit«, »Popularisierung«, »Erosion sozialer Schichtung« u.a. (vgl. ebd.,
85 f.) werden dann als Strukturbeschreibungen des gesellschaftlichen Wandels markiert
104 | IMAGE. ZUR GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN
der Werbungskommunikationen selbst. Sie konzentriert sich methodisch auf die-
ses Ziel, indem sie die Organisations- und Unternehmensform ebenso ausblendet
wie die professionellen Handlungsrollen und die Umwelt der Werbung. Auch auf
einen durchaus möglichen und instruktiven Vergleich der Wertewandel diesseits
und jenseits der Werbung wird verzichte 26 Im Zentrum steht vielmehr die Frage,
ob und inwiefern man die Ausdifferenzierung einer bestimmten Operationsweise
empirisch-analytisch dechiffrieren kann, die den Zugriff der Werbung auf ihre ge-
sellschaftliche Umwelt vorstrukturiert, und inwiefern sich dies auf der Ebene des
kommunikativen Outputs der Werbung, also auf der Ebene dessen, was als Werbung
gedruckt, gesendet oder gefunkt wird, zeigen läßt.
3.1.2 Datenbasis
Bei der Auswahl der Daten war im Blick auf die Hypothese, daß sich mit der Ein-
führung der technischen Bildmedien und der Entfaltung einer visuellen Realität der
Massenmedien ein neuer Typus der Werbung konstituiert, die Gewährleistung der
Beobachtbarkeit einer längerfristigen Entwicklung zentral. Die Ermittlung eines hin-
reichend weit zurückgehenden Zeitabschnitts erfolgte zum einen über die Literatur
zur Geschichte der Werbung und des Zeitschriftenwesens: Die meisten Autoren mar-
kieren das Ende des 19. Jahrhunderts als Gründerzeit der modernen Werbung, womit
neben ihrer Formierung als Organisation und wirtschaftliches Unternehmen eine zu-
nehmende Elaboriertheit ihrer Inszenierungen gemeint 15.27 Zum anderen bestätigte
eine stichprobenartige Durchsicht verschiedener Zeitschriften aus der zweiten Hälfte
des 19. Jahrhunderts, daß die hauptsächlich textbasierten (Klein-)Anzeigen bis etwa
1900 in Sachen Stilistik und Themenwahl noch stark in der Tradition der seit dem 17.
Jahrhundert in Frankreich eingesetzten Zeitungsinserate des Kleinhandels ѕќеһеп.28
und mit Entwicklungen in der Werbungssemantik in Beziehung gesetzt. Ähnlich wie
Gries u.a. (1995) skizzieren Schmidt/Spieß im Anschluß an diese Theoriediskussion, die
sich ihrer Ansicht nach »weitestgehend auf der Ebene von Kulturen bzw. mentalitätstheo-
retischen Überlegungen abspielt« (ebd.), im empirischen Teil ihrer Analyse für jeden
Dekadenschritt ihrer Geschichtsgliederung verschiedenste »gesellschaftliche Kontexte«
— politische, wirtschaftliche wie kulturelle Ereignisse — und ordnen diesen Beschreibun-
gen solche Werbungen zu, die ihrer Ansicht nach für die jeweilige Zeit (und damit für die
Werbung dieser Zeit) symptomatischen Charakter besitzen und darüber hinaus Entwick-
lungstendenzen erkennbar machen.
26 Zu einer solchen, vorwiegend an den »klassischen< Wertewandel-Studien von Inglehart
(1977) und Klages (1988) orientierten Untersuchung vgl. Bau 1995.
27 Ур]. u.a. Borscheid/Wischermann 1995; Homburg 1991; Nimmergut 1966. Zur Entwick-
lung des Zeitschriftenwesens vgl. Kirchner 1962.
28 Diese Auffassung teilt auch Homburg (1991) für den Zeitraum 1750-1850 im Blick auf
die »Leipziger Шиѕігіегіе«.
3. Die ENTWICKLUNG VON IMAGE-KOMMUNIKATION IN DER WERBUNG |105
Entsprechend ist festzustellen, daß sich ein bildbasierter Werbungstyp in Ablösung
von traditionellen Formen der (Text-)Rhetorik erst um 1900 systematisch zu entwi-
ckeln beginnt.”
Diese Sachverhalte führten zu der Entscheidung, Daten ab 1900 zu erheben. Da
Zeitungen und Zeitschriften in dieser Zeit als die wichtigsten Trägermedien der über
Verbreitungsmedien kommunizierten Werbung fungieren, war die Auswahl der Un-
tersuchungseinheit »Illustrierte« mehr oder weniger alternativlos. Die Nichtberück-
sichtigung des seit etwa den 1920er Jahren für Werbezwecke genutzten Verbreitungs-
mediums Film hat zum einen praktische Gründe: Aufzeichnungen sind in größeren,
chronologisch abfolgenden Stückzahlen, die z.B. die Rekonstruktion einzelner Wer-
bungskampagnen erlauben würde, kaum zu beschaffen. Zum anderen wurde in der
Erhebung weiterer Datentypen keine unverzichtbare methodische Notwendigkeit ge-
sehen: Zwar ist unstrittig, daß die bewegten Bilder des Films (und später die des Fern-
sehens) andere strukturelle Voraussetzungen für die Werbung auf der Ebene der Dar-
stellungsmöglichkeiten mit sich bringen und die Einschränkung der Stichprobe auf
Zeitschriften folglich eine Einschränkung dessen bedeutet, was empirisch-analytisch
herausgefunden werden kann 20 Da die Zeitung und die Zeitschrift bis in die 1950er
Jahre die Leitmedien der massenmedialen Populärkultur sind, kann man jedoch an-
nehmen, daß der funktionale Wandel auch und gerade mit diesen Medien vollzogen
wird und eine Analyse stiller (Werbe-)Bilder hinreichend deutlich machen kann, daß
und inwiefern die Umstellung der Werbung auf Bildkommunikation einen substan-
tiellen Wandel der Werbung und ihrer Funktionen bedeutet. Diese Vermutung wird
nicht zuletzt durch die Beobachtung der späteren Werbeentwicklung sowie durch die
Gegenwartsperspektive gestützt. Denn die große Ähnlichkeit von Darstellungsformen
und Themen in der Printwerbung einerseits und Film- bzw. Fernsehwerbung anderer-
seits ist kaum zu übersehen.
Die Festlegung der Erhebung auf eine Untersuchungseinheit (Zeitschrift) gewähr-
leistet zudem eine Vergleichbarkeit der Materialien, die im Falle der Erfassung hetero-
gener Datentypen über eine systematische Unterscheidung von Mediengattungen (Print,
29 Bildförmige Gestaltungselemente (Embleme, Signets, Illustrationen) kommen in den
Anzeigen um 1900 (und vorher) zwar vor, bleiben aber nicht nur quantitativ eine Aus-
nahme, sondern entsprechen auch als Bilder/Inszenierungen qualitativ/funktional nicht
ihren Nachläufern (vgl. dazu ausführlich 3.2). Photographien spielen in der Werbung erst
in den 1920er Jahren eine gewisse Rolle. Dies gilt selbst für die »Berliner Illustrierte«,
die für eine der innovativsten Bildmagazine ihrer Zeit gehalten wird.
30 Dies gilt um so mehr, als Film und Fernsehen audiovisuelle Medien darstellen, die Bil-
der mit Geräuschen, Musik und gesprochener Sprache kombinierbar machen. Auch die
sequentielle, Zeit verbrauchende Struktur bewegter Bilder führt, im Verbund mit spezi-
fischen Bearbeitungsmöglichkeiten (genannt werden in der Regel als wichtigste Instru-
mente: Einstellung, Schwenk, Fahrt, Überblendung, Montage), weit über die Möglich-
keiten stiller Bilder hinaus.
106 | IMAGE. ZUR GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN
TV, Fernsehen) erst hätte hergestellt werden müssen. Insofern steigert die Homogenität
der Untersuchungseinheit die Validität der Beschreibung des Wandels von Darstellungs-
formen und -inhalten ebenso wie die Zuordnungsmöglichkeiten einzelner Stufen dieses
Wandels zu der These der funktionalen Ausdifferenzierung der Werbung.
Neben dem historischen Zeitabschnitt und dem Datentyp ist die Auswahl des kon-
kreten Zeitschriftentitels methodisch folgenreich. Da sich das Forschungsinteresse nicht
auf die Entwicklung einzelner Themen und Motive richtet, sondern auf die der Werbung
im allgemeinen, lag es nahe, eine Zeitschrift mit einer möglichst breiten Zielgruppe aus-
zuwählen.?! Daher wurde die zwischen 1892 und 1945 erschienene Unterhaltungszeit-
schrift »Berliner Illustri(e)rte Zeitung«°? (im folgenden abgekürzt mit »BIZ«) gewählt.
Diese Zeitschrift war »weltanschaulich und politisch neutral« (Kirchner 1962, 357),
erschien in sehr hoher Auflage,’ erreichte aufgrund ihres geringen Preises unterschied-
lichste Käufergruppen und enthielt deutlich mehr Werbung als das ebenfalls populäre
Konkurrenzunternehmen »Die Woche« (1899-1942) und damit mehr Werbung als jede
andere deutschsprachige Illustrierte dieser Zeit 27 Ausschlaggebend war weiterhin, daß
die BIZ als eine der ersten Zeitschriften Photographien zum Einsatz brachte. Dies läßt
— zusammen mit dem Sachverhalt, daß die BIZ eine populäre Unterhaltungszeitschrift
war — vermuten, daß die hierin enthaltene Werbung nicht hinter dem Entwicklungsstand
der Reklame in anderen Druckformaten zurücklag, so daß die diagnostizierten Entwick-
lungsstufen in ihrer Zuordnung zu einem bestimmten Zeitabschnitt über die Datenbasis
hinaus verallgemeinernd interpretiert werden können.
31 Zum Vergleich: Würde man danach fragen, inwiefern die Behandlung bestimmter Ein-
zelthemen diachron variiert (z.B. die Darstellung der Geschlechter), Könnte sich gege-
benenfalls die Auswahl einer zielgruppenspezifischeren Zeitschrift als sinnvoll erweisen
(z.B. einer Zeitschrift mit einer vorwiegend männlichen/weiblichen Leserschaft). Dem
ist wiederum hinzuzufügen, daß die Medienlandschaft in der hier besonders berücksich-
tigten ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts ohnehin weit weniger publikumsdifferenziert ist
als in den späteren Jahrzehnten.
32 Vorliegende Arbeit verwendet durchgehend die inzwischen übliche Schreibweise »Illust-
rierte<.
33 Zu ihren besten Zeiten erreichte sie eine Auflagenhöhe von etwa zwei Millionen Exemp-
laren (vgl. Freund 1979, 124).
34 Vgl. ebd., 357 f.
35 Wie bereits erwähnt, stand bei der Konzeption der gesamten Zeitschrift das Erschei-
nungsbild sehr stark im Vordergrund. Diesbezüglich setzte die BIZ fraglos Maßstäbe
für die Konkurrenz. Es ist daher kein Zufall, daß der 1935 in die USA emigrierte Chef-
redakteur Kurt Korff Mentor des ersten Redaktionsstabes der ersten großen und lange
Zeit weltweit wirkungsmächtigsten Illustrierten »Life« wurde (vgl. Stein 2003, 137; zur
Geschichte des früh einsetzenden und international stilbildenden deutschen Bildjourna-
lismus, der gerade auch mit der BIZ ein Forum hatte, vgl. Gidal 1972). Zu der Geschich-
te illustrierter Zeitungen und Journale im 19. Jahrhundert vgl. exemplarisch Leonhardt
2007, 99-104.
3. Die ENTWICKLUNG VON IMAGE-KOMMUNIKATION IN DER WERBUNG |107
Vor dem Hintergrund vergleichbarer Überlegungen wurde für die Zeit nach dem
Zweiten Weltkrieg die Zeitschrift »Stern« (im folgenden abgekürzt mit »ST«) von
1949 (dem Jahr ihres ersten Erscheinens) bis 1970 erhoben. Vergleichbar mit der BIZ
handelt es sich bei dieser Zeitschrift um ein auflagenstarkes Unterhaltungsformat mit
breiter Zielgruppenausrichtung und einem hohen Werbungsanteil.’®
Die Durchsicht einiger Jahrgänge der BIZ vor der Erhebung verdeutlichte, daß sich
die Variationsbreite von Werbungsthemen und -stilen innerhalb kurzer Zeitabstände
in engen Grenzen hält. Insbesondere in den ersten Jahrzehnten des Untersuchungs-
abschnitts ist das Themen- und Inszenierungsspektrum stark eingeschränkt, ja selbst
völlig redundante Anzeigen werden über mehrere Jahre gedruckt. Die Einschränkung
der Zähleinheit auf ein Heft pro Jahrgang schien daher ohne substantielle Informa-
tionsverluste durchführbar zu sein. Auch im Falle der Zeitschrift »Stern« schien die
Erhebung eines Heftes pro Jahrgang für die Beantwortung der Untersuchungsfragen
zu genügen, die nicht auf eine mehr oder weniger vollständige Katalogisierung von
Themen, Stilen usw., sondern auf die Beschreibung grundlegender Entwicklungsmus-
ter der Werbung abzielen. Um die jahreszyklische Themenorientierung, die auch in
der Werbung eine Rolle spielt (Jahreszeiten, Festtage usw.) nicht in unangemessener
Weise in den Vordergrund treten zu lassen, wurde in der Jahrgangsabfolge die Wahl
des jeweiligen Heftes um einen Monat verschoben, wobei die erste erfaßte Zeitschrift
über den Archivbestand festgelegt wurde.?7
Um aktuellere Entwicklungen verfolgen und zu den vorausliegenden in Bezie-
hung setzen zu können, wurde für die Zeit von 1970 bis 2001 ein bereits bestehendes
Archiv von Werbungsanzeigen genutzt.?® Erhoben wurden hier die mindestens halb-
36 Der »Stern« ist zumindest von 1949 bis 1995 das auflagenstärkste Magazin in der BRD
(vgl. Wehner 1996, 23).
37 Im Falle der »Berliner Illustrierten Zeitung« (BIZ) handelt es sich um die Ausgabe Nr.
27 (Jg. УШ) vom 2. Juli 1899, im Falle des »Stern« um das Heft Nr. 49 (Jg. II) vom 4.
Dezember 1949. Von der BIZ fehlen in der Grundgesamtheit folgende Jahrgänge: 1900,
1903, 1908, 1910-1913, 1921-1925, 1932, 1939, 1940. Diese Unvollständigkeit ergibt
sich durch die lückenhaften Bestände des Archivs. Da die Bereichsbibliothek Publizis-
tik der FU Berlin bundesweit als einzige Bibliothek über eine größere, frei zugängliche
und photographisch reproduzierbare Sammlung der BIZ verfügt, war die Auswahl des
Archivs alternativlos bzw. hätte die Komplettierung des Datensatzes einen erheblichen
Zeit- und Kostenmehraufwand bedeutet, der — so die Auswertung der erhobenen Daten
— keine relevante Änderung der Untersuchungsergebnisse erwarten ließ. Da die Zahl
der Anzeigen in der BIZ wie deren Gesamtumfang in den Jahren 1942-1944 deutlich
abnimmt, wurden für diese Jahrgänge jeweils zwei Ausgaben erhoben.
38 Dieses Archiv wurde für das von der DFG geförderte Forschungsprojekt »Theatralität der
Werbung« angelegt. Letzteres stützt sich auch auf eine umfangreiche Spot-Sammlung.
Neben einem Videoband des DFG-Forschungsbereichs 240 »Ästhetik — Pragmatik — Ge-
schichte der Bildschirmmedien« mit Spots aus den Jahren 1985-1995 gehören hierzu vor
allem die Daten einer Querschnitterhebung der Sender ARD und ZDF (jeweils 17:00-
108 | IMAGE. ZUR GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN
seitigen Anzeigen jeweils eines Heftes eines Jahres der Zeitschriften »Brigitte« und
»Stern« sowie, in Ergänzung dieses Bestandes für vorliegende Untersuchung, die An-
zeigen von jeweils vier Ausgaben pro Jahr der Zeitschriften »Stern«, »Brigitte« und
»Max« aus dem Zeitraum von 2001 bis 2007.
Diese Überlegungen verdeutlichen, daß die Erhebung nicht am (fiktiven) Anfang
der Forschungsarbeit steht, sondern selbst schon Resultat zahlreicher analytischer
Überlegungen ist. Sie ist, mit der grounded theory formuliert, ein »theoretical sam-
pling« im Sinne eines Verfahrens, »bei dem sich der Forscher auf einer analytischen
Basis entscheidet, welche Daten als nächstes zu erheben sind und wo er diese finden
kann«. (Strauss 1991, 70) Zu betonen ist in jedem Fall, daß die verwendete Daten-
basis nicht in einer repräsentativen Beziehung zum Untersuchungsgegenstand steht.
Dies gilt insbesondere für die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg, in der eine enor-
me Diversifizierung von Themen und Darstellungsformen in Abhängigkeit zu den
adressierten Publika einsetzt. So führt die Fokussierung auf bestimmte allgemeine
Publikumsmedien zu einem spezifischen Spektrum von Imagekomplexen (vgl. 3.4.1 -
3.4.10), das sich in Bezug auf andere Formate erheblich erweitern ließe. Nicht zuletzt
sind die Materialien insofern nicht repräsentativ, als mit ihnen fast ausnahmslos Wirt-
schaftswerbungen in den Blick kommen, also solche Werbungen, die sich auf einen
bestimmten Objekttyp beziehen.?? Das ist um so mehr ein Defizit der Untersuchungs-
einheit, als sich die Darstellung der Werbung als eine »themenorientierte Spezialspra-
che« (Luhmann) in Bezug auf die Analyse der Reklame für verschiedenste Objekte
besser entfalten ließe. Andererseits bietet diese Einschränkung wiederum eine Ver-
gleichbarkeit, die bei heterogenen Gegenständen nicht unmittelbar gegeben wäre. Da
die beworbenen Produktarten fast ausnahmslos — und zwar seit 1900 (!) — bis in die
Gegenwart vorkommen, kann in weitgehender Unabhängigkeit zum Gegenstandstyp
gezeigt werden, daß und inwiefern sich die Werbung als ein auf Image-Kommunika-
tion spezialisierter Bereich der Massenmedien ausdifferenziert, denn die weitgehende
sachliche Invarianz der Objekte verdeutlicht um so mehr, daß diese Objekte selbst
(ihre Eigenschaften und deren Wandel) kaum als Erklärung für den Werbungswandel
fungieren können. Obwohl die Analyse sicherlich von einer Datenerhebung über
20:00 Uhr) sowie SAT 1, RTL und PRO 7 (jeweils 19:00-23:00 Uhr) in der Zeit vom 09.
bis 16.11. 1996 (insgesamt 1466 Spots).
39 Daß die vorliegende Arbeit Werbungen für andere Objekte (politische Parteien, Institu-
tionen, Vereine usw.) nicht in die Untersuchung einbeziehen kann, liegt daran, daß die
Wirtschaft (insbesondere bis in die 1950er Jahre) als Hauptauftraggeber von Werbung
fungierte und sowohl in der »Berliner Illustrierten Zeitung« als auch im »Stern« fast
ausnahmslos Konsumgüterwerbungen zu sehen sind.
40 Kontinuierlich häufig beworbene Produkte sind z.B. Körperpflege- und Kosmetikartikel,
Backzutaten, Autos, Waschmittel, Taschen, Getränke, Nahrungsmittel, Zigaretten oder
Medikamente. Aber auch viele andere Produkte kommen, haben sie erst einmal das Licht
der Reklamewelt erblickt, im gesamten Untersuchungszeitraum vor.
3. Die ENTWICKLUNG VON IMAGE-KOMMUNIKATION IN DER WERBUNG |109
die Wirtschaftswerbung hinaus profitiert hätte, kann man zudem mit guten Gründen
annehmen, daß hiervon die Tragfähigkeit der These von Image als einem symbolisch
generalisierten Kommunikationsmedium der Werbung nicht abhängt: Gerade dann
nämlich, wenn die Werbung für politische Parteien, für Kirchen, Non-Profit-Organi-
sationen usw. wirbt, wird deutlich, daß die Werbung auf die Funktion eingestellt ist,
bestimmte Images für die jeweiligen Objekte zu erzeugen, wie sich insbesondere an
den Entwicklungen der letzten Jahrzehnte zeigt.
3.1.3 Qualitative Analyse
Das Vorgehen der empirischen Analyse orientiert sich bis zu einer bestimmten Gren-
ze an der von Glaser und Strauss sogenannten und von diesen geprägten »grounded
theory«.*! Die Grenze zu dieser Form qualitativer Sozialforschung wird dann gezo-
gen, wenn es darum geht, die Ergebnisse der Analyse in einen systemtheoretischen
Rahmen zu integrieren. Denn obwohl selbst in der grounded theory die Einbezugnah-
me bereits existierender Theorien in die jeweilige Untersuchung durchaus für legi-
tim erklärt wird und obwohl eine wesentliche Grundannahme die ist, daß Deduktion,
Induktion und Verifikation ineinandergreifende Vorgänge darstellen, die in ihrer zir-
kulären Beziehung den ganzen Forschungsprozeß begleiten,*? besteht eine zentrale
methodische Leitlinie der gegründeten Theorie darin, begriffliche Generalisierungen
bis hin zur Konstruktion der von ihr sogenannten »formalen Theorien« in möglichst
direkter Ableitung aus der Analyse der Materialien gewinnen zu wollen.*
Insofern die vorliegende Arbeit die Ergebnisse der empirischen Analyse in eine
formale Theorie integriert, die nicht aus dieser Analyse entwickelt wird, folgt sie also
nicht bzw. nur in einer sehr unorthodoxen Weise den methodischen Vorgaben der
grounded theory.** Daß aber innerhalb des Rahmens der empirischen Analyse den-
noch zentrale methodische Empfehlungen der grounded theory übernommen werden
41 Vgl. z.B. Glaser/Strauss 1967; Schatzman/Strauss 1973; Strauss 1987; 1991.
42 Vgl. Strauss 1991, 37 ff.
43 Vgl. Strauss 1991, 303-313.
44 Andererseits gilt auch: Je genauer man wissen will, inwiefern in der Systemtheorie einer-
seits und in der grounded theory andererseits die »Gegründetheit« in Daten als unverzicht-
bare Legimitationsbasis der Theoriebildung angesehen wird, desto schwerer fällt es, den
diesbezüglichen Unterschied kategorial zu erfassen. Während Luhmann das Schreiben
über die Gesellschaft nicht nur als empirisch informiertes Schreiben in der Gesellschaft
voraussetzt (vgl. z.B. Luhmann 1997, 43), sondern die Theorie auch durch Bezüge zu
empirischen Materialien belegt, (man denke nur an das umfangreiche Forschungspro-
gramm zur »gepflegten Semantik«), gehen Strauss u.a. davon aus, daß auch grounded
theory nur möglich ist durch die Berücksichtigung von Kontexten, Sinnstrukturen und
Wissensformen (z.B. theoretisches Vorwissen), die nicht in den Daten selbst enthalten
sind (vgl. Strauss 1991, 29).
110 | IMAGE. ZUR GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN
können, liegt daran, daß die Leitfrage nach Image als einem symbolisch generalisier-
ten Kommunikationsmedium der Werbung bzw. nach einer »Leitunterscheidung« und
nach »Programmen« der Image-Kommunikation so weit gefaßt ist, daß eine Methode,
die ihre Generalisierungen bis zum Ende des Forschungsprozesses in enger Anbin-
dung an die erhobenen Daten vornimmt, nicht nur ermöglicht wird, sondern daß sie
geradezu erforderlich ist. Über eine Vorab-Differenzierung spezifischer Hypothesen
und eine darauf bezogene Operationalisierung von Variablen, d.h. über die Entwick-
lung eines Kategoriensystems, auf das dann die Daten analytisch bezogen werden
(wie z.B. in der quantitativen Inhaltsanalyse), ließe sich die allgemeine Beschreibung
des Werbungswandels und ihrer strukturellen Inszenierungsgrammatik jedenfalls
kaum erfassen. Die grounded theory eignet sich hier auch deshalb, weil sie trotz bzw.
mit ihrer Datenorientierung keineswegs auf stärker abstrahierende Begriffsbildung
verzichten will. Indem sie nach »Grundproblemen« fragt und den Forschungsprozeß
(die Theoriebildung) von Anfang an an der Suche, Beschreibung und Definition einer
»Schlüsselkategorie« ausrichtet, »die alle übrigen Kategorien am ehesten zusammen-
hält (miteinander verknüpft)« (Strauss 1991, 45), sind ihre Perspektiven und die da-
mit zusammenhängenden analytischen Vorgehensweisen durchaus kompatibel mit der
systemtheoretischen Frage nach Bezugsproblemen und nach (funktionalen) Lösungs-
mechanismen bestimmter Kommunikationstypen wie den symbolisch generalisierten
Kommunikationsmedien bzw. kompatibel mit der Frage nach allgemeinen Prinzipien,
die die Sinn(re)konstruktionen der Werbung kennzeichnen.
In ihrem konkreten Vorgehen folgt die empirische Analyse dem Paradigma der
grounded theory zunächst ganz allgemein über die Annahme, daß Methoden nur
sehr bedingt methodisierbar sind und strenge Regeln die Forschungsarbeit eher be-
hindern, als daß sie ihr dienlich sind. Strauss zufolge ist die grounded theory weni-
45 Strauss empfiehlt entsprechend für den Prozeß des am Anfang stehenden »offenen Co-
dierens« Fragestellungen wie Folgende: »Was geschieht eigentlich in den Daten? Was ist
das Grundproblem (Probleme), mit dem die Akteure konfrontiert sind? Wie läßt sich ihr
Grundproblem (Probleme) erklären?« (1991, 61)
In der grounded theory steht also vor der Analyse schon fest, daß die Beschreibung einer
»Schlüsselkategorie« immanenter Bestandteil des Forschungsprogramms sein wird bzw.
gehört die Suche nach einer solchen Kategorie zu dem fixierten Methodenschema, wenn-
gleich dieser folgenreiche Sachverhalt kaum unter methodologischen Gesichtspunkten
thematisiert wird. Wenn z.B. Strauss in seinem Lehrbuch zur grounded theory (1991) im-
mer wieder darauf hinweist, daß sich das empfohlene Forschungsschema nicht schema-
tisch anwenden läßt, bleibt die immanente Teleologie der abstrahierten Forschungspha-
sen (in der zu wiederholenden Sequenz: Datenerhebung, Codieren, Schlüsselkategorien,
theoretical sampling) unthematisiert. Auch in Bezug auf das Konzept der Schlüsselkate-
gorie wird also sichtbar, daß sich die konkreten Resultate der Anwendung von grounded
theory nicht nur dem Umgang mit dem Material, sondern ebenfalls theoretischen Prämis-
sen verdanken, mit denen das Material analysiert wird.
3. Die ENTWICKLUNG VON IMAGE-KOMMUNIKATION IN DER WERBUNG | 111
ger eine Methode im Sinne einer standardisierten Technik als vielmehr ein »Stil«.*°
Zu diesem Stil gehört die Anpassung der gewählten Methode an die jeweilige Fra-
gestellung ebenso wie an den Fortgang der Analyse oder die jeweiligen Untersu-
chungsgegenstände. Letzteres ist hier um so relevanter, als es sich bei den analysier-
ten Daten vorwiegend um Bilder?! handelt, die grounded theory aber in erster Linie
auf die Untersuchung von Interaktionsprozessen abzielt.*® Da im vorliegenden Fall
die Daten bereits als fixierter Text (Bilder) vorliegen, kann im Unterschied zur Ana-
lyse flüchtiger sozialer Prozesse, wie etwa der Interaktion unter Anwesenden, z.B.
eine naturalistische Beschreibung dessen, was der Fall ist bzw. der Fall war — z.B.
zu Erinnerungszwecken für die weitere Forschungsarbeit — entfallen. Um so mehr
kommt es aber darauf an, die in den Werbungstexten bereits stark strukturierten
und generalisierten Informationen durch eine mehrfache (Bild-)Betrachtung aufzu-
schlüsseln und dabei die Besonderheiten dieses Datentyps zu berücksichtigen: Da
Werbungsbilder durchgehend und durchgehend stark auf ein visuelles Alltagswis-
sen gründen (müssen), spielt hier die in der qualitativen Sozialforschung oft geäu-
Berte Überlegung eine besondere Rolle, daß die Interpretation von Daten in hohem
46 Vgl. Strauss 1991, 30 ff.
47 In der Soziologie werden Bilder erst seit verhältnismäßig kurzer Zeit systematisch als
Daten herangezogen und spielen insgesamt immer noch eher eine Nebenrolle — im Unter-
schied z.B. zur Anthropologie und Ethnologie, die sich der Photographie und des Films
schon lange bedienen (vgl. u.a. die klassische Studie von Bateson/Mead 1942). Photos
und Filme werden in diesen Disziplinen nicht nur als vorgefundene (Kultur-)Objekte
analysiert, sondern auch als Aufzeichnungs- und Speichermedien von (Feld-)Daten ge-
nutzt (zu einem Überblick vgl. Ball/Smith 1992; Petermann 2000; Pink 2001). Auch die
Semiotik macht Bilder schon seit langem zum Forschungsgegenstand und nimmt bereits
mit ihren Klassikern (Barthes, Eco) seit den 1950er Jahren gerade auch Werbebilder in
den Blick (vgl. Nöth 2000, 508-511). Die Ethnomethodologie (z.B. Jalbert (Hg.) 1999),
die Inhaltsanalyse (z.B. Bell 2001), die objektive Hermeneutik (z.B. Englisch 1991) und
die struktural-hermeneutische Symbolanalyse (z.B. Müller-Doohm 2000) beziehen den
Gegenstandsbereich des Visuellen ebenfalls seit längerem in ihre Methoden/Methodolo-
gien ein. Für die Soziologie spielte Goffman eine Pionierrolle. Nicht daß er der erste war,
der sich soziologisch mit Bildern befaßt hat (vgl. Wagner (Hg.) 1979; Ball/Smith 1992;
Harper 2000; Denzin 2000). Aber er war insofern ein Vorreiter, als er seine Bildanalyse
im Rahmen einer angemessenen Theorie praktizierte und zugleich sowohl empirisch-
systematisch als auch methodisch selbstreflektiert vorging (vgl. Goffman 1981).
48 Vgl. dazu das »Kodierparadigma« von Strauss (1991, 56 f.), das als Bezugsrahmen der
Bildung und Systematisierung von Kategorien die »Bedingungen der Interaktion zwi-
schen den Akteuren/den Strategien und den Taktiken/den Konsequenzen« wählt. Das
Vorhandensein einer zu analysierenden sozialen Situation wird also vorausgesetzt, wenn-
gleich der Analyse schriftbasierter Texte eine große Bedeutung beigemessen wird. Auch
Krotz setzt in seiner Einführung in die grounded theory Befragungen (und nicht Bilder)
als zu erhebende Daten voraus (vgl. 2005, 151-246).
112 | IMAGE. ZUR GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN
Maße an die »Kunst«, und d.h. an den Habitus des Forschers, gebunden 151.49 Letz-
terer wird systematisch genutzt, da die Analyse der Anzeigen nicht zuletzt auf die
Rekonstruktion jedermanns visuellen Habitus abzielt, d.h. auf das »unermeßliche
soziologische Wissen unseres Auges und auf den erstaunlichen Konsensus [...], der
zwischen den Betrachtern (der Bilder, Y.K.) herrscht« (Goffman 1981, 108). Diesen
Konsensus unterstellend, werden hier im Unterschied beispielsweise zum Analy-
severfahren der objektiven Hermeneutik die jeweiligen Interpretationen nicht vor
dem Hintergrund aller denkbaren Alternativdeutungen begründet. Vor allem dann,
wenn kosmologisches, habituell verankertes Basiswissen als Rahmen der Verste-
hensanweisung der jeweiligen Inszenierung (auf der Seite der Produzenten wie der
Rezipienten) angenommen werden kann, setzt die Darstellung der Analyseergebnis-
se die Plausibilität der Interpretation voraus, so daß auf eine Herleitung derselben
über Hinweise auf einzelne Zeichen und Symbole verzichtet wird. Dieser Verzicht
ist letztlich unerläßlich, weil sich die Typisierung einer Vielzahl von Anzeigen nicht
mit dem Anspruch auf vollständige Beschreibungen und Erklärungen herstellen
läßt. Reflexionen wie z.B. diejenige, daß die in einem Bild gezeigte Konstellation
»Mann, Frau, Kind« nicht notwendigerweise als Darstellung eines (Ehe-)Paares mit
ihrem: Kind gedeutet werden muß, bleiben hier entsprechend ebenso ausgespart
wie Erklärungen, die deutlich machen, warum eben diese Interpretation normaler-
weise als die richtige bzw. als die wahrscheinlich intentionierte unterstellt werden
kann.’ Auf den gemeinten Sinn kann sich die Analyse um so begründeter stützen,
als gerade Werbungsinszenierungen aus Gründen der Ressourcenknappheit (Rezi-
pientenaufmerksamkeit, Kosten für Anzeigenraum bzw. Sendezeit etc.) ihren Sinn
höchst effektiv verständlich machen (müssen), also auf Eindeutigkeit der Kommu-
nikation abzielen. Neben der Verwendung bekannter und prägnanter Zeichen und
Symbole wird die schnelle Lesbarkeit der Bilder nicht zuletzt durch ein (Bild-)
Konzept erzielt, das man mit Levi-Strauss’ Begriff der Homologie in Verbindung
49 Entsprechend betrachtet die grounded theory ihre Methode als eine »Kunstlehre«, die
vom »Geschick« des jeweiligen Forschers abhängt (vgl. Hildenbrand 1991, 12 Ё), und
auch die objektive (Bild-)Hermeneutik geht von einem Habitus als Voraussetzung des
Bildverstehens und davon aus, daß der Forschende zunächst wie jedermann im Alltag
das »eigene Normalitätsempfinden in die Waagschale« werfen muß, »das man als Nor-
malmitglied in der Gesellschaft aufzubringen vermag« (Englisch 1991, 134 f.). Zu ei-
ner ähnlichen Einschätzung vgl. auch Ludes 2001. Bedeutsam wird dieser Sachverhalt
in vorliegender Analyse vor allem bei der Beschreibung der Image-Programme, also
dann, wenn die Verweisungsstruktur von Zeichen und Symbolen als Manifestation einer
bestimmten Semantik gedeutet wird (z.B. Natürlichkeit, Jugendlichkeit, Weiblichkeit/
Männlichkeit).
50 Eine bestimmte räumliche Anordnung der Körper (geringe bis fehlende Körperdistan-
zen, intime Berührungsformen usw.), bestimmte Bühnen und Kulissen (z.B. Wohnungen,
Häuser) oder spezifische Zeichen und Symbole (z.B. Eheringe) realisieren z.B. die Dar-
stellung des Motivs/Sujets »Familie«.
3. Die ENTWICKLUNG VON IMAGE-KOMMUNIKATION IN DER WERBUNG | 113
bringen Капп.5! Auch wenn man in Bezug auf die Werbungsinszenierungen nicht
im Sinne einer Lebenswelt-Analyse davon sprechen kann, daß Homologien eine
hochgradige Stimmigkeit zwischen Werten, Ich-Idealen, Lebensformen, Selbstdeu-
tungen usw. erzeugen, d.h. einen kosmologischen Kontext, in dem die Akteure die
Welt als sinnvoll erfahren können, 27 läßt sich mit Blick auf die Images der Werbung
doch feststellen, daß der Zeichengebrauch zunehmend so organisiert wird, daß »je-
der Teil in einer organischen Beziehung zum anderen (steht)« (Hebdige 1998, 406)
und Interpretationsspielräume eingeschränkt werden. Diagnostizierbar ist also eine
»ästhetische Totalität« (Baacke 1986, 81 f.), die durch eine Konsistenz und Bedeu-
tungsentsprechung der stilistischen Ausdrucksformen — von der spezifischen Form
der Raumgestaltung über die Möblierung der Szene bis hin zu den verschiedenen
Dimensionen korporaler Expressivität der Darsteller (Kleidung, Frisur, Körperbe-
malung, Bewegungsverhalten) — hergestellt werden soll.
Neben und mit der Nutzbarmachung eines visuellen Alltagswissens kommt
bei der Analyse ein (auch) von den Theoretikern der grounded theory sogenanntes
»Kontext-«, »Fach-« und »Theoriewissen« zum Einsatz. 27 Für vorliegende Arbeit
ist diesbezüglich eine umfangreiche Untersuchung zur aktuelleren Werbung von
Bedeutung 27 Die empirisch-analytischen Ergebnisse dieses Projektes fungieren
hier als ein Bezugsrahmen, mit dem die historisch vorausgehende Entwicklung ge-
nauer dahingehend befragt werden kann, inwiefern der Werbungswandel (dis-)kon-
tinuierlich in eine bestimmte Richtung verläuft und welche Merkmale dabei eine
Rolle spielen. Dieses auf die neuere Werbung bezogene Hintergrundwissen ermög-
lichte zudem die modulierte Anwendung eines Gedankenexperiments, das Goffman
in seiner Studie »Geschlecht und Werbung« (1981) beschreibt. Er empfiehlt dort
zu dem Zweck, Stereotypen zu entdecken und Aussagen darüber zu kontrollieren,
in Gedanken die dargestellten Geschlechter zu vertauschen und sich das Resultat
51 Prominenz erlangte Strauss’ Begriff über Studien, die am Center for Contemporary Cul-
tural Studies in Birmingham seit den späten 1960er Jahren zur Analyse von Jugendsub-
kulturen verwendet werden (vgl. z.B. Clarke 1998; Hebdige 1998; Willis 1981; 1991;
Ferchhoff 1995).
52 »So machte bspw. die Homologie zwischen einem alternativen Wertesystem (Tune in,
turn on, drop out«), halluzinogenen Drogen und Acid Rock die Hippie-Kultur für den
einzelnen Hippie zu einer zusammenhängenden ganzen Lebensweise.« (Hebdige 1998,
406)
53 Die Unverzichtbarkeit dieses Wissens, d.h. die Tatsache, daß die Forschungsergebnisse
nicht als direkte Ableitungen aus den Daten zu verstehen sind, bringt die grounded the-
ory und die vorliegende Analyse in die mißliche Lage, die Frage unbeantwortet lassen
zu müssen, inwiefern bzw. zwo: genau im Forschungsprozeß die Grenze gezogen wird
zwischen einer aus den Daten selbst herstellbaren Generalisierung einerseits und einer
durch Kontextwissen bestimmten Generalisierung andererseits.
54 Vgl. Willems/Kautt 2003.
114 | IMAGE. ZUR GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN
bildlich vorzustellen.°° Wenn der Leser seines Buches immer wieder diese Vertau-
schung vornehme, könne er sich »seine eigenen Glossen zurechtlegen« (ebd., 111)
und die Interpretationen des Autors besser beurteilen. Eine zielführende Spezifikati-
on dieses Verfahrens besteht für diese Untersuchung darin, Bilder in der Vorstellung
auf der Zeitachse auszutauschen bzw. Bilder verschiedener Zeitabschnitte mitein-
ander vergleichend zu kontrastieren. Man sieht dann z.B. erhebliche Unterschiede
in der Form der Darstellung und eine damit zusammenhängende Komplexitätsstei-
gerung der Inszenierungskomponenten in Richtung Gegenwart, und man sieht in
den jeweiligen Gegenüberstellungen genauer, wie sich die Inszenierungen der his-
torischen Werbephasen voneinander unterscheiden. Obwohl sich die Darstellung
der Ergebnisse hauptsächlich auf Beispiele bis zu den 1960er Jahren bezieht – und
zwar deshalb, weil bis zu dieser Zeit der Umbau der Werbung in Richtung Image-
Kommunikation vollzogen wird — spielt das besagte Kontextwissen also durchaus
bei der Analyse eine Rolle.
Die einzelnen Phasen des Forschungsprozesses orientieren sich im wesentlichen
an den Formen des »Codierens«, die die grounded theory vorsieht. Deren erste ist
das sogenannte »offene Codieren«.°° Das Material wird dabei mehrfach mit einem
offenen Blick durchgesehen, wobei der Datentyp (Bilder) ein Verfahren nahelegt, das
Denzin als »Phase eins« seiner qualitativen Filmanalyse wie folgt beschreibt: o eben
und Fühlen< (a) Betrachten Sie die visuellen Dokumente als umfassende Einheit. (b)
Sehen und hören Sie die Materialien und lassen Sie sie zu Ihnen sprechen. Spüren Sie
ihren Wirkungen nach und schreiben Sie Ihre Empfindungen und Eindrücke nieder.
(c) Schreiben Sie alle Fragen auf, die Ihnen in den Sinn kommen. Achten Sie auf
Bedeutungsmuster« (Denzin 2000, 427). Im vorliegenden Fall war das buchstäbliche
Hin- und Herblättern der Zeitschriftenkopien und ein damit einhergehendes Verglei-
chen von Anzeigen verschiedener Jahrgänge besonders wichtig für das analytische
55 Vorgehensweisen wie die Strategie der modellorientierten Analogisierung oder das Ge-
dankenexperiment kommen der Suche nach »Normalkontexten« in der objektiven Her-
meneutik nahe. Auch hier wollen die Analysierenden über »Gegenassoziationen« die
für normal (erwartbar, üblich, angemessen) gehaltene symbolische Ordnung der jeweils
untersuchten »Sequenz« dechiffrieren, um von dort aus den spezifischen Sinn des vorlie-
genden Einzelfalls genauer fassen zu können (vgl. z.B. Englisch 1991).
56 Dieses Codieren läßt sich als eigener Forschungsprozeß nicht immer klar bestimmen:
Glaser und Strauss sprechen vom »stillschweigenden Codieren«, das eine zwar wesent-
lich reflexive, aber intuitive (habituelle) Erkennungs- und Beurteilungspraxis ist: »Meist
überfliegen die Feldforscher Teile ihrer Aufzeichnungen oder arbeiten sie erneut durch,
um die Ausgangshypothesen zu verifizieren. In jedem Fall tun sie dabei etwas, das Ähn-
lichkeit mit dem hat, was gewöhnlich als Vercoden bezeichnet wird. Aber sie werden
dabei das Codieren nicht notwendigerweise als eigenständigen Vorgang hervorheben.
Sehr oft haben die Forscher schon im Prozeß des Datensammelns ein »Aha-Erlebnis«,
wenn sie erkennen, daß ein beobachtetes Ereignis zu einer bestimmten Kategorie gehört«
(Glaser/Strauss 1979, 94 £.).
3. Die ENTWICKLUNG VON IMAGE-KOMMUNIKATION IN DER WERBUNG |115
»Aufbrechen« (Strauss) der Daten, denn im schnellen Überblicken des Materials las-
sen sich bestimmte Charakteristika am besten erkennen. Hier wie im weiteren For-
schungsverlauf wurden die Beobachtungen in Form von »Memos«°’ festgehalten und
katalogisiert (z.B. Veränderungen der Text-Bild-Beziehung, Entwicklung der Typo-
graphie, Neuorganisation der Anzeigenfläche als Bildraum usw.).
Das offene Codieren führt tiefer in die Fragestellungen hinein und mündet in wei-
tere Formen des Codierens. So führt die allgemeine Frage »Was geschieht eigentlich
in den Daten? Was ist das Grundproblem (Probleme)?« (Strauss 1991, 61) z.B. auf
die Beobachtung des Sachverhalts, daß um 1900 oftmals unklar bleibt, wer bzw. was
als Absender der Kommunikation markiert wird. Gerade darin kann man dann im ge-
zielten Vergleich der Anzeigen im Längsschnitt ein bedeutsames Strukturmerkmal der
Werbungsanzeigen um 1900 im Unterschied zur späteren Reklame erblicken, das die
weiterführende Frage aufwirft, inwiefern die Rahmung des Absenders symptomatisch
für den Werbungswandel ist und in welcher Beziehung dieser kategorisierte Sachver-
halt zu den anderen Beobachtungen der Untersuchung steht. Die Auseinandersetzung
mit dem Material bringt also generative Fragen für den Forschungsprozeß hervor, die
dann im weiteren Analyseverlauf erneut modifiziert werden. Neben und mit der Su-
che nach relevanten Bedeutungen und deren Musterhaftigkeit (z.B. Wiederholungen
bestimmter Aussagen im Text, Kanonisierung von Darstellungsformen) werden beim
offenen Codieren erste Hypothesen, Kategorien und Subkategorien gebildet. Unter
einer Kategorie wird dabei eine systematisierende Zuordnung verschiedener »Indi-
katoren« (»Ereignisse«) zu einem generalisierten Ereignistyp verstanden (Strauss
1991). Die Indikatoren werden in der Codierung unter Namen gruppiert, wenn sie
sich analytisch einem generalisierten Ereignistyp zuordnen lassen. So weisen z.B.
bestimmte rhetorische Figuren und Symbolisierungen gleichermaßen auf die Insze-
nierung mündlicher Werbungsformen in den untersuchten Anzeigen hin und können
entsprechend als Indikatoren eines generalisierbaren »Ereignisses« gelesen werden.
In dieser wie in allen späteren Arbeitsphasen dienen ausführlichere Einzelfallanaly-
sen (»mikroskopische Codierung«) der Vervollständigung erfaßter Informationen und
der Herstellung eines differenzierten Rasters für die weitere Arbeit. Eine weitgehend
vollständige Erfassung der Mitteilungen (wenn auch nicht im Sinne der objektiven
Hermeneutik) ist zu erreichen, weil der Formen- und Themenschatz früher Werbung,
verglichen z.B. mit heutigen Werbespots, noch stark eingeschränkt ist.
Je mehr durch das offene Codieren ein sinnstrukturierendes Analyseraster vorliegt,
desto mehr wird aus dem Codieren ein »axiales Codieren«, das dadurch gekennzeich-
57 Memos dienen im gesamten Forschungsprozeß der Erfassung singulärer Beobachtungen
ebenso wie der Notierung von Verallgemeinerungen (Codes, Kategorien), Quantifizie-
rungen oder der Fixierung von Fragestellungen und Ideen für den weiteren Forschungs-
prozeß. Eine besondere Mnemotechnik bestand hier weiterhin darin, einzelne, beson-
ders (zeit-)typische oder besonders abweichende Anzeigen in Zuordnung zu bestimmten
Kennzeichen in einer separaten Sammlung zusammenzustellen.
116 | IMAGE. ZUR GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN
net ist, »daß man intensiver und konzentrierter auf eine einzelne Kategorie hin codiert«
(Strauss 1991, 101). In dieser Phase kommen die qualitativen »Mikroanalysen«°® ver-
stärkt zum Einsatz, die hauptsächlich auf die Entdeckung, dichte Beschreibung und
die Kontextierung von Mustern abzielen. Der analytischen Diagnose einer bildlichen
Inszenierung mündlichen Werbens folgt z.B. ein Arbeitsschritt, der das Material dezi-
dert auf eben diesen Ereignistyp hin durchsieht, um eine möglichst differenzierte und
vollständige Beschreibung dieser Kategorie, ihrer Indikatoren und ihrer Beziehung zu
anderen Kategorien zu erhalten "27
Weiterhin spielt das »selektive Codieren« eine Rolle als diejenige Ebene des Ar-
beitsprozesses, auf der die gebildeten (Sub-)Kategorien systematisch mit der »Schlüs-
selkategorie« verknüpft werden. Hier geht es um die Frage, inwiefern Image im Zeit-
verlauf als eine Schlüsselkategorie bestimmbar wird und anhand welcher Merkmale
das selektive Codieren diesen Prozeß rekonstruieren kann. Nicht zuletzt soll die Dar-
stellung der Entwicklung in Richtung Bildlichkeit hier verdeutlichen, daß und in-
wiefern Image eine Kategorie darstellt, »die alle anderen Kategorien zusammenhält«
(Strauss 1991, 45).
Der Forschungsprozeß kommt in seinen verschiedenen Phasen jeweils dann zum
Abschluß, wenn das Umsortieren der Daten und der analytischen Ergebnisse, die Neu-
entwicklung und Bearbeitung von Fragestellungen sowie die wiederholte Analyse des
Materials, der Memos und der Relevanzfestlegungen (»Integration«) zu keinen bedeu-
tenden Änderungen der Ergebnisse in Bezug auf das Forschungsziel bzw. die zentrale
Fragestellung führt. Diese Sättigung der Analyse zeichnet sich im Umgang mit den
Materialien durch zunehmende Redundanzen ab, die den Blick für die weniger wer-
denden Abweichungen (bezogen auf das bis dahin erstellte Raster von Kategorien und
58 Viele qualitative Sozial- bzw. Medienforscher gebrauchen den Begriff Mikroanalyse zur
Selbstbeschreibung ihrer Arbeit. Denzin z.B. versteht darunter folgende »Leitlinien« sei-
nes Ansatzes zur Film- und Video-Analyse: »3. Phase drei »Strukturierte Mikroanalyse«
(a) Gehen Sie die Szenen nacheinander durch und erstellen Sie jeweils eine Mikroanaly-
se, transkribieren Sie die Redebeiträge, beschreiben Sie die Szenen und notieren Sie sich
Zitate aus dem Text. (b) Bilden Sie Muster und Sequenzen und suchen Sie nach ihnen.
(с) Fertigen Sie detaillierte Beschreibungen an. [...] 4. Phase vier Suche nach Muster:
(a) Gehen Sie zur Gesamtaufnahme zurück. (b) Legen Sie alle Photographien in ihrer
Reihenfolge vor sich hin bzw. sehen Sie sich den ganzen Film noch einmal an. (c) Kehren
Sie zu Ihrer Forschungsfrage zurück. In welcher Weise behandeln diese Dokumente Ihre
Frage, und wie beantworten Sie sie?« (Denzin 2000, 427) Auch Denzins Mikroanalyse
hat also viel mit Codieren zu tun.
59 »Nachdem ein konzeptueller Code generiert ist, werden Indikatoren mit dem entwickel-
ten Konzept verglichen [...]. Durch die Vergleiche zwischen weiteren Indikatoren und
den konzeptuellen Codes werden die Codes verfeinert, damit sie optimal auf die Daten
bezogen sind. Zwischenzeitlich werden weitere Eigenschaften von Kategorien herausge-
arbeitet, bis die Codes überprüft und gesättigt sind, also nicht viel Neues mehr ergeben.«
(Strauss 1991, 54 f.)
3. Die ENTWICKLUNG VON IMAGE-KOMMUNIKATION IN DER WERBUNG | 117
Indikatoren) schärfen und die Aufmerksamkeit entsprechend steuern. Der Zeitpunkt
der Sättigung ist dabei an das spezifische, durch das Forschungsinteresse bedingte
Abstraktionsniveau gekoppelt. So ließen sich z.B. die Programme der Werbung, die in
ihren semantischen Ausprägungen im Einzelfall höchst differenziert vorliegen, frag-
los zu einem erheblich feiner dimensionalisierten und (sub-)kategorisierten Raster
ausarbeiten. Von einer Sättigung der Analyse kann hier dennoch insofern gesprochen
werden, als das Kategorienschema so lange differenziert wird, bis eine sinnvolle Zu-
ordnung aller Anzeigen des Datenbestands zu einer der Kategorien möglich ist, wobei
die in den Inszenierungen jeweils besonders hervorgehobenen Objekteigenschaften
(Natürlichkeit, Jugendlichkeit, hoher (Schicht-)Status usw.) als Kriterien der Zuord-
nung fungieren.
Abschließend ist noch auf einige Aspekte der Ergebnisdarstellung hinzuweisen:
Aus dem erwähnten Sättigungsprozeß der Analyse ergibt sich die Beschreibung
des Wandels der Gestaltungsmittel über Beispiele bis in die 1960er Jahre. Das bedeu-
tet natürlich nicht, daß sich für die Zeit danach keine vergleichbaren Beispiele mehr
finden lassen. Im Gegenteil! Die Werbung stellt sich bis zu dieser Zeit vielmehr prin-
zipiell auf Image-Kommunikation ein bzw. um, und genau das soll anhand der Bei-
spiele gezeigt werden. Anders gesagt: Weil in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts
inszenatorische Kontingenzen einer noch nicht auf Image-Kommunikation festgeleg-
ten Werbung zu beobachten sind, legt die Analyse ebenda ihren Schwerpunkt.
Die Bezeichnung von Inszenierungsmustern und -elementen als typisch, wahr-
scheinlich, selten oder häufig ist dabei keineswegs Resultat statistischer Datenver-
arbeitung. Obwohl die der Untersuchung zugrunde liegenden Datenhaufen nicht
repräsentativ beweiskräftig sind, eignen sie sich dennoch für die hier zum Einsatz
kommenden Abschätzungen quantitativer Tendenzen und für »Quasi-Statistiken«
(»Quasi-Verteilungen«, »Quasi-Korrelationen«) (Barton/Lazarsfeld 1979, 72). Über
die Untersuchungseinheit hinaus sind diese Abschätzungen zudem bedeutsam, inso-
fern man mit guten Gründen annehmen kann, daß die erhobenen Materialien trotz
ihrer fehlenden Repräsentativität Rückschlüsse auf Inszenierungsmuster jenseits der
erhobenen Zeitschriften zulassen (s.o.).
Im Bereich der Beschreibung der Image-Programme (vgl. 3.4) wird die Notwendig-
keit typisierender Generalisierungen besonders evident. Da die Analyse die Entwick-
lung der Werbung in ihrer Breite darstellen will, muß sie von der empirisch vorgefun-
denen Detailfülle stark abstrahieren und sie muß auf die Darstellung ausführlicherer
Einzelfallanalysen verzichten. Die Abbildungen der Anhänge sollen dieses Problem
— wenn auch in einem notwendigerweise höchst eingeschränkten Umfang — kompen-
sieren bzw. eine Kontrollfunktion für den Leser übernehmen. Ihr Einsatz folgt also der
methodischen Überlegung, daß die vorgenommenen Typisierungen und Argumentatio-
nen am Material rekonstruiert (verifiziert oder falsifiziert) werden können und daß über
das Lesen der Bilder die Interpretationsspielräume und deren Grenzen deutlich werden.
Nicht zuletzt dienen die Bilder als ergänzendes Anschauungsmaterial, indem sie eine
Sinnform einbeziehen, die sich keineswegs restlos in Sprache überführen läßt.
118 | IMAGE. ZUR GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN
3.2 Die Entfaltung der Bildlichkeit
In den Annoncen der BIZ um 1900 dominiert noch ein Anzeigentypus, der mit der Ent-
wicklung der Zeitung entsteht, also in das 16. Jahrhundert zurückreicht und bis zum
20. Jahrhundert die über den Druck verbreitete Werbung im wesentlichen prägt. In-
seriert werden fast ausnahmslos Wirtschaftswerbungen, d.h. Mitteilungen von Händ-
lern für Händler oder für Konsumenten, wobei gewöhnlicherweise Produkte, Bezugs-
orte, Händlernamen und Preise genannt werden.°! Ein typischer Werbetext um 1900
liest sich folgendermaßen: »C.L. Flemming, Holzwarenfabrik Globenstein Sachsen,
Radkämme, hölzerne Riemenscheiben. Wagen bis 12 ctr. Tragkraft, Vogelhäuser, Kin-
derpulte, Sportwagen, Haus- und Küchengeräte.« (C.L. Flemming, BIZ 1901, 35)
Daß es sich dabei durchgängig um kleinformatige Werbungen handelt (Anzeigen in
Briefmarkengröße sind keine Seltenheit), deren ästhetische Erscheinung kaum eine
Rolle spielt, verdeutlicht die Abbildung einer gewöhnlichen Werbungs-Seite der BIZ
aus dem Jahre 1899 (vgl. Abb. 2).°?
Entscheidend ist nun, zu sehen, daß Werbungen des zitierten Typs nur gelegent-
lich und in stark eingeschränktem Maße mit Qualifizierungen des Angebots operieren.
Daß die Vermittlung sachlicher (Handels-)Informationen hier noch im Vordergrund
steht, läßt sich auch an der Invarianz einzelner Anzeigen (Text und Bild) über mehrere
Jahre erkennen D)
60 Vgl. Homburg 1991.
61 Während der Ort in der Regel über die Händleradresse angegeben wird, ergibt sich der
Zeitraum des Angebots in den meisten Fällen über das Druckdatum der Zeitung.
62 Zur besseren Unterscheidbarkeit von Autorennamen werden die Belege zu den Anzeigen
im Folgenden kursiv gesetzt.
63 Die Belege zu den Werbungstexten und Abbildungen führen nach der Jahreszahl die je-
weilige Ausgabennummer auf.
64 Mit Blick auf ein Beispiel, das Boorstin für die US-amerikanische Werbung des 19.
Jahrhunderts anführt, kann man vermuten, daß sich in dieser Region schon früher ein
Variationsdruck der Reklame anbahnte: »James Gordon Bennett (1795-1872), der am
7. Mai 1835 den »New York Herald« als Tageszeitung für einen Cent gründete und ei-
ner der Pioniere des modernen amerikanischen Journalismus war, inaugurierte die neue
Ära, indem er die alten Stehsatzinserate abschaffte. Früher blieb eine Anzeige im Satz
stehen; manchmal wurde sie ein Jahr lang ohne Veränderung gebracht. Tatsächlich wa-
ren solche regelmäßig erscheinenden Anzeigen bei Tageszeitungen die Regel. Natürlich
konnten solche Annoncen den Lesern wenig oder nichts Neues oder Interessantes bieten.
Da Bennett dem Anzeigenteil seines »Herald« einen ebenso großen Neuigkeitswert geben
wollte wie den anderen Teilen der Zeitung, kündigte er 1847 an, daß er von nun an keine
Anzeigen länger als zwei Wochen lang bringen würde. Von 1848 an nahm er nur noch
einmalige Inserate auf. Dies hatte zur Folge, daß der Inserent seinen Text täglich ändern
mußte.« (Boorstin 1964, 178)
3. De ENTWICKLUNG VON IMAGE-KOMMUNIKATION IN DER WERBUNG
| 119
ч
Paul A.Henckels, Solingen
Fabrik und Versandhaus feiner Stahlwarön.
xo. сот. Dreikaiserschere,
dein vernickelt u. vergoldet, anf der
NecksnisoMedallions derIKainsrinmen.
6®ой ph 14.20. "Zeit k 11.80.
Versand nur gegen Nachnahme oder
Vorhereinsendung des Botra;
Garantio fr
gos.
Qualität woiner sämtlichen Artikel
Nicht Passendes tausche bereitwilllget um. Die Zursnd
„ шеше» Hauptkatalogs erfolgt auf Wunsch.
Heinr. Боем”
Lt мамой
Bertin, Dorotheenstr.
Bheumatismus
und Asthma.
еен 39 дамен Ин М am eg Araste
мын Мй Мз өй тойсын bus Sen
"Welbl. Schönke
эзен mn
- Damenbärte,
mengewachsene Aupentrai
i | eniterpe вама jahrelangen Versuchen
Ze versentenn.
Ж: Palma Vering, Önariertonburg d, $
Specialität:
miir
тепате а, албет billig
ЕТИ 200 м.
Emil Lefèvre
Berlin $., Oranienfr.i
racht-Statalog
Фама bat graria а, ben
> 2 мк.
Erfinder: Drog. Ро!
Brunnenstr. 157.
g Erste
‚Adler Marke
in Fahrrädern.
Höchste Auszeichnungen. — Grösste Verbreitung.
Adler-Fahrradwerke vorm. Heinrich Kleyer,
Fahrräder
statt GO wu
me: für 190
genres und бакаа!
2 =
ми
Dr. Zellner’s Hefenorsatz
Mörserbefe
su backen, wird Ihnen
m erg
e gn E Greg viel Freude bereiten!
Een bene ХМ едан, ИЕ
hat den gleichen Ernkhrumgswert
wio 5 Ets besten Tündfleisch alor
200 Eier. Da der Kreis vom
торов toloutead niodriger ist als
a Sa
БЕЯ DN АСИ
PO E рае he bene
лае фагы Co
DN Жини sich im Körper unmittelbar бв Bist
und Muskelsubstanz um, bebt alo
die Kräfte und is} dader auch ganz
besonsters fürsebwächlitbel'ersönen,
Kinder, Krankeu, Rekenraleszenten
‚net. Vorrätig is allen Apotheken
Ee
Erast Teen jun, Chemnitz
Drahtbürsten-Fabrik
Pre?
Пе de
ZE
ist mit Recht die aktuellste Frage unseres
zur Neige gehenden Jahrhunderts!
Die Frauenfrage
ma тита кыз мана, Das Frauenbuch.
dieses Thema schen behandelt, duch die
Krone dieser Litterater ЫМ! unstreitig а
das berühmte, ven einer praktischen Von Frau Dr. med. Н. В. Adams,
Aerztin тєтїзәмө Werk praktische Aerztin.
Kein Nach der Neuzeit hat auch тшт einen annähernd gleichen Erfolg errungen wie dieses vom
der gesamten Iroso mit beispielleser Anerkennung beurteilte Was die geniale Autorin
auf der Titeheite verspricht
ein ärzulicher Rataeder für die Frau in der Familie und bei Frauenkrankbelten
in dem elegant ‚estatteten, са. 1400 Selten starken Wer
mit über 7 dungen v
adem Masse erfüllt. E
acht Autlagon ei
dass dasselbe auch fi „einen Hau:
m wir noch die ТЪзілае
„ so kommen wir zo der berechtigten An-
hatz für jede Familio bilka winl.
sehon ist, in w
innerhalb kurzer Zeit
nahme,
Bestellschein F.
Der Unterueichnete bestellt hiermit bei
Reinhold, Sohwarz Vorlags-Buchhandlung,
J
1 Exemplar Das Frauenbuch
vi
Frau Dr. med. H. B. Adams.
ar en Маана неа
Im кана Ьез Raten а 3 Mark eingeungen
Ort a Datemi Name u Wohnung:
en, D
erk für den
өз." ` gx. Osier Мыне)
2: Berliner Illustrierte Zeitung 1899, 27
120 | IMAGE. ZUR GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN
Indem sich die Werbung auf die schriftliche Mitteilung des Vorhandenseins eines
Angebots beschränkt, erfüllt sie lediglich den Zweck, potentielle Interessenten auf die
Existenz einer Ware aufmerksam zu machen, und das bedeutet, daß die eigentliche
Werbung einer sozialen Situation vorbehalten bleibt, in der der Verkäufer mit seinem
Kunden direkt interagiert. In der Steigerung der Wahrscheinlichkeit eines Werbege-
sprächs zwischen Anwesenden besteht vermutlich auch das einzige Vermögen dieses
Werbungstyps, wenn man in ihm überhaupt mehr erkennen will als eine informierende
Mitteilung, die als solche Interesse bindet. Jedenfalls gibt dieser Normaltypus in aller
Klarheit zu erkennen, daß die massenmedial verbreitete Werbung um 1900 noch im
wesentlichen nicht als eine Kommunikationsplattform interpretiert werden kann, die
in sich selbst das Werben übernimmt. Es fehlt eine Spezialsprache der Objektqualifi-
zierung und damit die Möglichkeit der Angabe von Gründen, die die Annahmewahr-
scheinlichkeit der Objekte steigern könnte. Zwar werden gelegentlich Produktqualifi-
zierungen in den Text eingeführt, doch bleiben diese über längere Zeit sehr allgemein
bzw. auf einfache Formen schriftbasierten Selbstlobs beschränkt (»beste Qualität«,
»solide«, »streng reell und äußerst billig« usw.). Auch Behauptungen wie »Mit Dr.
Zellner’s Hefe zu backen wird Ihnen viel Freude bereiten« (Zellner, BIZ 1920, 49);
»Meine Instrumente sind sehr beliebt und begehrt, bewähren sich nicht nur 4 Wochen,
sondern jahrelang« (Suhr, BIZ 1899, 27); »Creme Simon — Unübertroffen für den
Teint & Die Toilette« (Creme Simon, BIZ 1907, 9) sind wenig aussagekräftig. Die im
Vergleich zu späteren Werbungen noch sehr viel häufiger auftretende Selbstbescheini-
gung, das beste Produkt der jeweiligen Sparte zu sein, verdeutlicht ebenfalls die weit-
gehende Ziel- und Kriterienlosigkeit werblicher Produktqualifizierungen. Letzteres
tritt zudem im Vergleich zu Image-Identitäten jüngerer Werbung hervor. Vergleich-
bare Rhetorik kommt hier zwar immer noch vor, ist aber nur noch ein bekräftigendes
Supplement im Rahmen bildhaft ausgestalteter Images DC Die im folgenden darge-
stellten Ergebnisse der empirischen Analyse zeigen, daß und inwiefern die Werbung
im Laufe einiger Jahrzehnte auf die Konstruktion von Images umstellt.
65 Ein weitgehend unspezifisches Selbstlob ist auch die bis in die 1960er Jahre vorkommen-
de Strategie, das jeweilige Objekt als eines von »Weltformat« zu stilisieren. Popularität
und massenhafte Akzeptanz wird hier gleichsam zu einem Platzhalter einer ausgespart
bleibenden Angabe von Qualitätsmerkmalen (»Hartmann’s. Die Weltmarke«, BIZ 1926,
23; »Telefunken. Die Weltmarke«, BIZ 1929, 36, »Grünol Weltglanz«, ST 1956, 27; »Die
Cigarette von Weltruf«, Reemtsma ST 1958, 36, »Weltmode«, Hudson, ST 1964, 10;
»Weltkosmetikum«, Hormocenta, ST 1964, 10).
3. Die ENTWICKLUNG VON IMAGE-KOMMUNIKATION IN DER WERBUNG | 121
3.2.1 Kommunikation unter Anwesenden
als zentraler Bezugsrahmen der Werbung um 1900
Neben der Mehrheit der Informationswerbungen lassen sich ab etwa 1910 zuneh-
mend solche Reklamen beobachten, die die Anzeigen selbst als einen Ort des Wer-
bens nutzen. Bezeichnenderweise fungiert dabei zunächst — d.h. bevor Bildlichkeit als
Ressource der Image-Konstruktion entfaltet wird — die Kommunikation unter Anwe-
senden, d.h. das situative Werben als ein Bezugsrahmen und Vorbild.
a) Das fiktionale Gespräch zwischen Verkäufer und Kunden
Werbefexte, die die Qualität des Angebots zum Thema machen, sind in den ersten
Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts häufig als ein Gespräch gerahmt. Die Texte kon-
struieren einen Sprecher, der sich an den Rezipienten wendet, so daß ein fiktiver
Dialog hergestellt wird. Die Formulierungen lehnen sich an Gesprächsschemata
direkter Interaktion bzw. an Textsorten an, die Konversation in Schriftform (re-)
konstruieren. Auf eine direkte »Anrede< (»Gnädige Frau!«, »Meine Dame«, »Sehr
geehrte Herren« usw.) folgt eine erläuternde Darstellung, die oftmals in einer »Ver-
abschiedung« der Kunden mündet. Die einleitenden Wörter werden dabei meist
deutlich größer gedruckt als der Rest des Textes und fungieren — wie der laute Zu-
ruf des Markthändlers an einen vorbeilaufenden Passanten — als hervorgehobene
Zeichen einer personenadressierten Kommunikationsabsicht. Deutlich häufiger als
in späteren Werbungen wird als hervorgehobener Einstieg die Frageform gewählt
(»Haben Sie [...]?«; »Interessieren Sie sich [...]?«) und im Folgetext so bearbeitet,
als entfalte sich ein Dialog. Diese Fiktion wird durch Anknüpfungen an unterstellte
Äußerungen des Gegenübers forciert, z.B. dann, wenn antizipierte Bedenken des
Lesers so thematisiert werden, als habe dieser sich zu Wort gemeldet. Prinzipiell
besetzt der Text die Rolle des Verkäufers mit dem jeweils werbenden Händler und
die Rolle des Kunden mit dem potentiellen Werbungsrezipienten. Der Händler führt
sich dabei über die Angabe seines Namens (noch) als real existierende Person ein
und spricht in Bezug auf diese z.B. Empfehlungen aus (»Langfeldt empfiehlt seine
erstklassigen Fahrräder«; »Ich bitte, auf die Schutzmarke zu achten«). Während
die Informationen (Name, Adresse) eine Kontaktaufnahme ermöglichen, macht die
Namensangabe in ihrer graphischen Hervorgehobenheit und in ihrer akzentuierten
Einbindung in den Text zugleich deutlich, daß der Händler mit seinem (guten) Na-
men seinen guten Ruf ins Spiel bringt und daß dieser Ruf einer lebenswirklichen
Person als Ressource des Werbens noch im Vordergrund steht. Die allgemeinen
Qualifizierungen, die die Argumentationen dieser Werbungen dominieren (»Beste
66 »Aber bitte achten Sie beim Einkauf darauf: Alle echten »Celta<-Strümpfe tragen das
»Celta<-Zeichen.« (Celta, BIZ 1929, 36). Typisch ist die abschließende Aufforderung an
den Konsumenten, sich durch einen Versuch von der Qualität der Ware selbst zu überzeu-
gen. Auch hier wird die Rhetorik des traditionellen Verkaufsgesprächs deutlich.
122 | IMAGE. ZUR GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN
Qualität!«), gewinnen (wenn überhaupt) nur in Anbindung an diese im Hintergrund
vorausgesetzten Qualitäten des Händlers (Urteilskraft, Seriosität, Kompetenz, Zu-
verlässigkeit), d.h. im Rückbezug auf einen Sinngenerator jenseits der massenmedi-
al verbreiteten Werbung, einen werbenden Sinn.
Die Rhetorik des interaktiven Verkaufsgesprächs ist in der ersten Hälfte des 20.
Jahrhunderts stilbildend und geht wie andere Werbeformen der Zeit der Konstruk-
tion von Images voraus. Die Werbung überantwortet die Überzeugungsarbeit hier
noch der (Re-)Inszenierung eines Verkäufers, dem sie eine Stimme verleiht, in der
Hoffnung, daß diese bei den Rezipienten Gehör findet.” Aus der Gegenwartspers-
pektive entsteht der Eindruck, daß im Vorlauf der Ausbildung von Image-Kommu-
nikation bzw. parallel dazu eine Art Regression zu traditionellen Werbeformen der
mündlichen Rhetorik stattfindet. Im Zuge der allmählichen Entfaltung von Images
nimmt die Bedeutung des Verkaufsgesprächs als vorbildgebendes Modell jedoch
am Ende der 1920er Jahre ab bzw. kommt es zu einer Spezifikation dieses Modells.
Einleitende Fragen, die sich in Form der direkten Anrede an die Rezipienten rich-
ten, werden jetzt z.B. zu rhetorischen Fragen, die der Aufmerksamkeitserzeugung
dienen: »Wollen Sie lebensfroh sein? Wollen Sie schlank sein?« (Eno 5 Fruit Salt,
BIZ 1928, 32), oder: »Wollen Sie nicht auch gern Ihren Husten loswerden?« (Pe-
rix, BIZ 1935, 10) heißt es dann zum Beispiel. Einige Jahrzehnte später sind diese
(dann seltenen) rhetorischen Figuren nicht mehr Selbstzweck, sondern integraler
Bestandteil der Arbeit am jeweiligen Image. Wenn z.B. zu einer großformatigen
Abbildung die Frage »Was stört Ihre Frau eigentlich an diesem Wagen?« zum Anlaß
genommen wird, die Bedenken einer potentiellen Käuferin auszuräumen und zu-
gleich eine männliche Zielgruppe mit Witz und Rationalität von den Qualitäten des
beworbenen Produktes zu überzeugen, ist das ein solcher Fall (VW, ST 1965, 15).
Denn Modernität (Rationalität), Humor und Eleganz sind Attribute, die die Bilder
dieser Kampagne vermitteln und als Image präparieren. Daß sich der Rezipient als
Adressat versteht und sich entsprechend hermeneutisch engagiert, wird hier wie in
anderen Reklamen längst als ein Sachverhalt vorausgesetzt, der nicht mehr durch ein
imitiertes Dialogschema abgesichert werden muß. Ja in den meisten Fällen späterer
Image-Kommunikation wäre die Herstellung eines »Dialogs< mit den Rezipienten
der Entfaltung eines Images geradezu abträglich, da sich dessen präzise Form über
die Abgeschlossenheit einer Bildwelt ergibt. Der Rezipient wird hier sozusagen nur
noch als Beobachter einer präparierten Image-Semantik angesprochen, die in sich
selbst überzeugen muß.
67 Soz.B. in einer Werbung für eine »Rasierseife«: »Sie halten es für unwahrscheinlich, daß
das Einseifen für drei Wochen bei täglichem Rasieren 12 Pfennig kosten soll. Und doch
stimmt es! [...] Ein Versuch lohnt sich! Kaufen Sie eine Stange Palmolive-Rasierseife
und gebrauchen Sie sie einen Monat.« (Palmolive, BIZ 1936, 14)
3. Die ENTWICKLUNG VON IMAGE-KOMMUNIKATION IN DER WERBUNG |123
b) Die bildliche Kopie traditioneller Werbeformen
In funktionaler Analogie zur Schriftform des Verkaufsgesprächs stellen in den ersten
Jahrzehnten des Untersuchungszeitraumes bestimmte Bildmotive einen Rückbezug
zur interaktiven Werbung her. Dies geschieht, indem entsprechende Zeichen und
Symbole in die Abbildungen hineinkopiert werden. So erfreut sich z.B. die Figur des
Ausrufers in den ersten Jahren des 20. Jahrhunderts einer gewissen Beliebtheit (vgl.
Abb. 6; zu einer vergleichbaren Darstellung vgl. Abb. 5). Der Ausrufer ist als Phäno-
men der Erfahrungswirklichkeit, der öffentlichen (Markt-)Plätze bekannt und kann
deshalb von der Werbung eingesetzt werden, um unmittelbar deutlich zu machen,
worum es geht. Ähnlich verhält es sich mit Motiven wie demjenigen dreier Reiter,
die je eine stilisierte Flagge mit den Schriftzügen »Eno’s Fruit Salt«, »Der weltbe-
rühmte Gesundheits-Spender« und »Jetzt wieder in Deutschland erhältlich« in die
Höhe halten (Eno 5 Fruit Salt, BIZ 1927, 27; vgl. Abb. 7; vgl. auch Abb. 8). Indem die
Werbung auf derartige Vorbilder des Werbens zurückgreift, macht sie zwar deutlich,
daß sie wirbt, läßt aber völlig unklar, womit sie wirbt.°® Wie im Falle der besagten
»Gespräche« vermitteln diese Anzeigen den Objekten keinen Eigensinn, sondern zie-
hen sich gleichsam statt dessen auf die bildliche Reproduktion eines Werbens zurück,
das längst vor der Entwicklung moderner Kommunikations- und Verbreitungsmedien
existiert. Auch der Zeigefinger, der in vielen Reklamen (meist als einziges Bildele-
ment) noch bis in die 1940er Jahre zu sehen ist, ist ein entsprechendes Rudiment,
das weit hinter den Möglichkeiten späterer Image-Kommunikation zurückbleibt und
folglich dann verschwindet, als die Inszenierungen in ihrer Gesamtheit zeigen, worin
die Qualitäten der beworbenen Objekte bestehen (vgl. Abb. 3, 4 u. 10). Nicht zuletzt
ist der inflationäre Gebrauch des Ausrufezeichens in der ersten Hälfte des 20. Jahr-
hunderts dieser Kategorie des Werbens zuzuordnen — denn dieses Zeichen führt den
emphatischen, lauten Ausdruck des gesprochenen Wortes symbolisch in die schrift-
liche Mitteilung ein.
68 Sieht man einmal von der Unterstellung weltweiter Popularität des zweiten Beispiels ab.
Aber auch diese allgemeine Form des Selbstlobs läßt sich wie bereits gesagt eher als eine
»Ersatz-Werbe-Handlung« interpretieren.
69 Eine letzte Variante dieses Motivs erscheint im Untersuchungsmaterial 1958 (Falke, ST
1958, 36).
124 | Image. ZUR GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN
Ze,
Specialität:
(ШШ
jtrengreelln,änferftbillig!
Salongröße A 5, 8, 10-300 M.
Emil Lefèvre,
Berlin S., Oranienfr.158.
Stets Gelegenheitskäufe
in Gardinen, Portieren,
möbelftoffen, Firhdehen 2с.
Auf Pracht:Katalog
(144 Selten fiar!) gratis u. franco.
Streng тене Preife,
Leonhardi’s Tinten.
Copirtinten.
Schreib- und Copirtinten.
Buchtinten.
„Atral“ (ëss, chin. Tusche).
Unverwaschbare
Ausziehtuschen. (24 Farba.)
Flüss. Leim und Gummi.
Autographen- u. Hectographen-
tinte, -Blätter und -Masse.
Stempelfarben, Stempelkissen.
„Carin“, Fleischstempelfarbe,
М, schnellteocknend, wasserfest!
Aug. Leonhardi, Dresden,
Chem. Tintenfabriken, gegr. 1826.
йт und Fabrikant der meliberühmien
we Alizarin-Schreid- u. Copirtinte, -~w
leichtflänsigste , haltbarsto und tiefschwarzs-
werdende Eisengallustinte Klasse I
EA
3: Levevre; BIZ 1899, 27
4: Gustin; BIZ 1901, 35
5: Leonhardi; BIZ 1899, 27
6: Roverkönig; BIZ 1899, 27
Vaehpulver
à 10 Pra.
3. Die ENTWICKLUNG VON IMAGE-KOMMUNIKATION IN DER WERBUNG |125
А L
DER Za RUN ME
СЕБУ" pe
7: Eno’s Fruit Sat; BIZ 1927, 27
8: Dr. Löffler; BIZ 1927, 27
c) Kundenfeedbacks
Für die ersten Jahre des Untersuchungszeitraums ist eine Häufung von Anzeigen fest-
zustellen, in denen auf Empfehlungsschreiben von Kunden hingewiesen wird. Diese
Empfehlungen können - so die Anzeigentexte — »auf Wunsch vorgelegt werden« und
sind »massenhaft« und »freiwillig eingegangen«.’ Die strategische Funktion dieser
Mitteilungen liegt auf der Hand: Was viele schätzen, kann nicht schlecht sein, so die
zu Grunde gelegte Unterstellung. Im Vergleich zu späteren Werbungen, die sich die-
ser Strategie gelegentlich bedienen, fällt neben der hohen Quantität die betonte He-
raus- bzw. Alleinstellung der Qualitätsbescheinigungen durch die Kunden auf. Der
Hinweis auf die Kundenakzeptanz fungiert wiederum als gleichsam stellvertretender
Qualitätsgenerator, weil die Mitteilung die Gründe zur Annahme der Kommunikati-
on (noch) nicht in sich selbst enthält. Das Feedback positiver Konsumenteneinschät-
zungen kompensiert den Mangel kommunikationsimmanenter Plausibilisierungs-
techniken in diesem Fall durch eine Kopie der Mund-zu-Mund-Proganda. Denn auch
diese Propaganda hängt weniger von einer argumentativen Herleitung der jeweiligen
Bewertungen als vielmehr von dem Vorhandensein und der Weitergabe der Bewer-
tungen durch wirkliche Individuen ab. Entsprechend wird die Echtheit der Empfeh-
lungsschreiben immer wieder offensiv behauptet, denn mit der Glaubwürdigkeit von
70 »Fortwährend erhalte ich unaufgefordert die wärmsten Dankschreiben« (Cavalier, BIZ
1904, 49).
126 | IMAGE. ZUR GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN
deren Existenz steht und fällt notwendigerweise diese Form der Positivbewertung.
Die Werbung orientiert sich mit dieser Variante auch insofern an der Kommunikation
unter Anwesenden, als sie das, was strukturell ausgeblendet ist, nämlich das direkte
Feedback des Konsumenten (z.B. an einen Verkäufer), über den Umweg der Bericht-
erstattung wieder in die Werbung einführt. Das ausgeschlossene Publikum wird zur
Sprache gebracht, so daß der Eindruck eines geschlossenen Kommunikationskreis-
laufs entsteht. Die Werbung führt als Stellvertreter des Produzenten bzw. Auftrag-
gebers den Dialog: mit den Konsumenten in der Öffentlichkeit als solchen vor und
fort.
Indem die Werbung ihren Text- und Bildsinn im Rahmen der Konstruktion von
Images vertieft, d.h. indem sie die Kommunikation selbst als Werbung anlegt, kann
sie zunehmend auf die Hinweise positiver Rezipienteneinschätzungen verzichten bzw.
diese in ein Image gleichsam hineinstellen. Eine der dann möglichen Spezifikationen
besteht darin, die Beliebtheit des Produktes bei den Konsumenten in Bezug auf ein
als etabliert unterstelltes (Marken-)Image zu pauschalisieren: »Kein Wunder, daß man
heute überall sagt: Nicht mehr ohne Rowenta« (Rowenta, ST 1960, 45). Eine andere,
später genutzte Möglichkeit ist die, Kunden ins Bild zu setzen. Die Werbung teilt dann
nicht nur mit, daß das Objekt vom Publikum gelobt wird, sondern sie zeigt, von welchen
Publika es gelobt wird. Eine der ersten Differenzierungen in diese Richtung findet man
im Bereich der Konstruktion von hohem Status (etwa ab den 1920er Jahren). So ist laut
einer Kosmetikartikelreklame das beworbene Produkt nicht bei jeder Frau, sondern »bei
den eleganten Frauen so beliebt« (Mystikum Compact, BIZ 1928, 32); und auch in einer
BH-Werbung wird mit einem entsprechenden Bild unterstellt, daß »Die Anspruchsvol-
len wissen, warum sie ihn kaufen.« (Marcella, BIZ 1928, 32) Erst recht verdeutlichen
die inzwischen traditionsreichen Inszenierungen der sogenannten »Testimonials«, daß
die Positivbeurteilungen von Objekten durch vorgeführte Konsumenten ihren Zweck
erfüllen, indem sich die Personen als Image-Träger paßgenau in das angestrebte Objekt-
Image einfügen. So zeigt z.B. eine doppelseitige Anzeige von 1967 nicht irgendeine
Frau, sondern eine gut situierte (diverse Statussymbole) und out: aussehende Architek-
tin (»Jutta Krapp, Innenarchitektin, Hamburg, Büschstr. 9«) als bekennende Seifenkon-
sumentin, weil sie den Slogan »Wer sie wählt beweist Geschmack« image-adäquat unter
Beweis zu stellen scheint (Palmolive, ST 1967, 23).
3.2.2 Schrift als Bild: Typographie
Bekanntlich sind die Zeichen der ältesten Schriftsysteme aus symbolischen Bildzei-
chen entstanden. Die Geschichte der Schrift beginnt als eine »Bildtechnik«”!. Die
Leistung später entwickelter Schriftsysteme besteht jedoch darin, feststehende Be-
deutungsträger zu etablieren und die Bedeutungsgehalte unabhängig von einer sym-
71 Vgl. Haarmann 1998, 22 f.
3. Die ENTWICKLUNG VON IMAGE-KOMMUNIKATION IN DER WERBUNG |127
bolischen Verknüpfung zur (visuellen) Wahrnehmung zu fixieren.’? Die »schrifthi-
storische Revolution des Alphabets« (Haarmann 1998, 267) führt dann auch darü-
ber hinaus, indem mit ihr die idiographische Komponente völlig eliminiert und ein
einfaches System bereitgestellt wird, dessen einzelne Zeichen (Buchstaben) sich auf
Sprachlaute beziehen.’? Die visuelle Erscheinungsform der Schrift ist hier nur noch
insofern von Bedeutung, als sie in ihrer schablonenhaften Formkonstanz die (Wieder-)
Erkennbarkeit der Zeichen (auch im Unterschied zu den anderen Zeichen) und damit
die Lesbarkeit der Schrift sicherstellt. Obwohl die Alphabete keinen symbolischen
Bildcharakter haben, sind sie dennoch als Schriftzeichen immer Wahrnehmungen aus-
gesetzt und müssen dies sein. Schrift manifestiert sich immer auch als Schrift-Bild. Es
liegt daher auf der Hand, daß der Behandlung der visuellen Form der alphabetischen
Schriftsysteme als solcher seit ihrem Entstehen Beachtung geschenkt wird, so daß ein
Spektrum von Erscheinungsformen entsteht.’* Die Garantierung und Optimierung der
Lesbarkeit bleibt jedoch ein zentraler Bezugsrahmen typographischer Bemühungen.
Blickt man nun auf die Werbung um 1900, ist nicht zu übersehen, daß die Er-
scheinungsform der Schrift noch ganz in der Tradition des Buchdrucks steht. Quanti-
tativ dominant sind maschinell erzeugte Schriftsätze, die in dieser Zeit noch auf einen
recht kleinen Formenschatz begrenzt sind (vgl. Abb. 2). Das Schriftbild übernimmt
hier noch zwei Funktionen: Zum einen geht es um die Sicherstellung der Lesbar-
keit des Textes. Das ist schon deshalb notwendig, weil die Schrift als wichtigstes
mediales Substrat der Kommunikation fungiert. Zwar läßt sich eine typographische
Variationsbreite erkennen: Schriftschnitte mit und ohne Serifen sind ebenso zu sehen
72 Zu diesen Mnemotechniken gehören nicht erst die Alphabete, sondern auch andere ab-
strakte Symbolsysteme (z.B. die Zeichenschrift der Phönizier). Bei aller Schwierigkeit
der Grenzziehung zwischen den Bildsymbolen und den abstrakteren Symbolsystemen
stellt Haarmann fest: »Im Fall von Bildsymbolen wird der Inhalt eines Bildmotivs be-
reits durch dessen figurative Assoziation zu bekannten Dingen vorgegeben (Sporenrad),
und der Symbolwert entsteht im Rahmen einer figurativen Ausdeutung, d.h. einer Über-
tragung auf einen figurativ ähnlichen Begriff (Sonne). Bei abstrakten und stilisierten
Symbolen dagegen ist der Inhalt nicht figurativ vorgegeben, und insofern kann man ein
solches Symbol nicht erkennen, außer man kennt den »Code«, nach dem es verschlüsselt
ist.« (Haarmann 1998, 50)
73 »Anstelle von Hunderten von oft auch graphisch komplizierten Zeichen von sehr unter-
schiedlicher, zum Teil auch mehrdeutiger Wertung tritt ein System von nicht mehr als
zwanzig eindeutigen Zeichen von einfachen äußeren Formen, das nicht mehr den Sinn,
sondern nur noch die Lautung der dargestellten Worte berücksichtigt [...] ein System, das
viel leichter zu erlernen und viel einfacher zu handhaben ist und damit der Schrift viel
weitere Verbreitung sichert als die bisherigen umständlichen Schriftsysteme.« (Friedrich
1966, zit. n. Haarmann 1998, 268)
74 Man denke nur an die Tradition der Kalligraphie, die in verschiedenen Sprachräumen
existiert. Die Arbeit an der schönen Form ist hier zu einer Kunstform mit diversen Stilen
ausgearbeitet.
128 | IMAGE. ZUR GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN
wie Zusammenstellungen von Buchstaben, Wörtern und Sätzen in unterschiedlicher
Größe. Auch die Wahl zwischen Normal-, Kursiv- und Fettdruck sowie die räumliche
Anordnung der Elemente variieren das Schriftbild. Doch alle diese Gestaltungsmaß-
nahmen stellen noch keine Arbeit am Image dar. Sie erzeugen und steuern lediglich
die Aufmerksamkeit des Lesers im Sinne des Absenders. So rückt die Schriftgestal-
tung z.B. das angebotene Produkt, den Händlernamen oder weitere für wichtig ge-
haltene Informationen in den Vordergrund, während andere in den Hintergrund treten
(vgl. Abb. 3-12 u. 15-19). Stilbestimmend ist also das Gestaltungsprinzip der relativen
Größe, das sich auch bei der geringen Gesamtgröße der Anzeigen in der Wahrneh-
mung durchsetzen kann und bereits Formen der aufmerksamkeitssteigernden Irritati-
onswerbung zuläßt. So lautet z.B. die Überschrift einer Reklame schlicht »Mörder«,
um dann im folgenden Text enträtselnd festzustellen: »Ihres Haarwuchses sind die,
welche nichts gegen ihre Schuppen tun. Kiderlen’s Drachen-Lösung beseitigt unbe-
dingt Kopfschuppen.« (Kiderlen’s Drachen-Lösung, BIZ 1909, 18; vgl. Abb. 9; vgl.
zu einem ähnlichen Schrifteinsatz Abb. 10)
Zum anderen übernimmt die Typographie — wie das graphische Ornament (s.u.)
— die Funktion der Verzierung. Vor allem wenn manuell erstellte Schriftformen zum
Einsatz kommen, geht es neben der Strukturierung von Informationen um einen ästhe-
tischen Mehrwert im Sinne der Ausschmückung. Beliebt sind z.B. schmuckvolle Initi-
alen, verspielte (z.B. wellenförmige) Anordnungen von Wörtern und Buchstaben so-
wie ornamentale Verzierungen, die sich an die Schrift lagern oder diese erst ausbilden.
Obwohl sich in Ausnahmen die gezielte Herstellung semantischer Implikationen be-
obachten 1481,75 realisiert die große Mehrheit der Fälle lediglich eine Verschönerung,
die keine Bezüge zu dem beworbenen Objekt herstellt (vgl. Abb. 11, 12, 17-19).
Diese Sachlage ändert sich mit der Umstellung auf Bilder (Graphiken und Pho-
tographien) als den zentralen Sinnträgern der Werbungsanzeigen. Indem Bilder die
jeweiligen Objekte als Images identifizieren, zwingen sie die Typographie, sich präzi-
ser auf den Bildsinn einzustellen und an der Image-Arbeit zu partizipieren. Die ersten
Resultate einer typographischen Neuorientierung zeigen sich am Ende der 1920er
Jahre. Ein Beispiel, das in seiner Perfektion allerdings für längere Zeit eine seltene
Ausnahme bleibt, gibt eine Anzeige von 1926, in der eine elegante, fein geschwunge-
ne Handschrift in weißer Farbe auf dem dunklen Hintergrund eines Photos plaziert ist,
das eine Frauenhand zeigt, die in eleganter Haltung ein Champagnerglas umschließt.
Das typographische Schriftbild und die Inszenierung der Photographie bilden einen
homologen Verweisungsbezug der Zeichen aus, der ein Image von hohem Status und
»kultivierter Weiblichkeit« entwirft (vgl. Abb. 13). Die gespreizte Pose der Hände,
die Eleganz der graphischen Gestaltung, die feine Lichtdramaturgie, die (Status-)
Symbole (Champagnerglas, Schmuck) sowie das feminine (weiche, geschwungene)
75 Ein solcher Fall ist z.B. der Schriftzug für eine »Orient-Zigarette« namens »Matrapas«
(BIZ 1902, 44), dessen Gestaltung an arabische Schriftzeichen und damit an die (Bild-)
Welt des Orients erinnern soll.
3. Die ENTWICKLUNG VON IMAGE-KOMMUNIKATION IN DER WERBUNG |129
Schriftbild wirken entsprechend zusammen. Inwiefern es sich hier um eine Spezifi-
kation des Schriftbildes im Dienste der Konstruktion eines bestimmten Images von
Weiblichkeit handelt, läßt sich anhand einer Anzeige von 1961 verdeutlichen, die
ein bestimmtes Bild von Männlichkeit mit völlig anderen typographischen Formen
entwirft. Sie überschreibt das Photo, das einen Braunbären als Trinkgenossen eines
Mannes zeigt, in Passung zu alltagstheoretischen Vorstellungen von Männern als dem
‚starken Geschlecht: mit Buchstaben, die aussehen, als seien sie in Eis oder Metall
gekratzt: »Puschkin. Für harte Männer« (Puschkin, ST 1961, 49, vgl. Abb. 14). Im
Gegensatz zum voraus liegenden Fall verkörpert die Schrift im Verbund mit dem Pho-
to als männlich unterstellte Eigenschaften wie Natürlichkeit, Schmucklosigkeit, Ein-
fachheit, Härte. In beiden Fällen ist die Schrift also nicht mehr (nur) eine Verzierung,
die die Anzeige (und den Werbenden) in einem allgemeinen, unspezifischen Sinne
schmückt, sondern sie bildet in wechselseitiger Beziehung zu den anderen Bildele-
menten und dem Text eine Image-Identität aus.
Obwohl sich in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts eine zunehmende Image-
Orientierung und -Differenzierung der Typographie beobachten läßt, nimmt diese Ent-
wicklung erst mit der massenhaften Verbreitung des Personalcomputers, also in etwa
seit den 1980er Jahren, volle Fahrt auf. Denn erst dann kommt es zu einer Vereinfa-
chung der Manipulierbarkeit massenhaft druckbarer Schriftformen sowie zu neuen
Integrationsmöglichkeiten der Gestaltungselemente (Schrift, Graphik, Photographie)
und erst jetzt gewinnt der Berufsstand der (Schrift-)Designer Zugriff auf diese Tech-
nik. Die Expansion einer experimentellen Typographie, deren Formenvielfalt schnell
über die konstruktivistische (Kunst-)Typographie am Beginn des 20. Jahrhunderts
hinausreicht und die selbst Eingang in populäre Formate der Massenmedien findet,
legt darüber ein deutliches Zeugnis ab. Aber auch in der Werbung kommt es seither
zu einer zunehmenden Breite von Schriftstilen, die an verschiedenen Image-Konst-
ruktionen partizipieren: Western-Schriften werden mit Photos von Abenteuer-Land-
schaften kombiniert, Typewriter-Schriften stehen z.B. im Rahmen nüchterner (z.B.
Schwarz-Weiß)-Inszenierungen immer wieder für Einfachheit und Authentizität’®,
ältere Computer-Schriftsätze wie die »OCR« können nostalgische Eindrücke einer
vorangegangenen Mediengeneration vermitteln und bestimmte neuere Schriftsätze
sollen Jugendsubkulturen (z.B. die Technoszene) typographisch ins Bild setzen. Nicht
zuletzt spielt gerade in der zeitgenössischen Werbung das Abbilden von Handschrif-
ten zu Imagezwecken eine Rolle. Sie komplettieren Inszenierungen, die Individualität
(Persönlichkeit, Charakter), Authentizität und Emotionalität als Identitätswert der je-
weiligen (Image-)Objekte entwerfen.
Im Zuge dieser Entwicklung kann dann ein entsprechendes Image-Wissen der Re-
zipienten immer mehr vorausgesetzt werden, so daß Schriftbilder ironisch eingesetzt
werden können — so z.B. dann, wenn barocke oder romantische Serifenschriften auf
76 Und das insbesondere dann, wenn die einzelnen Typen unscharfe und unregelmäßige
Konturen aufweisen, so als wäre der Text mit einer alten Schreibmaschine geschrieben.
130 | IMAGE. ZUR GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN
Photos plaziert werden, die den Stil des Realismus oder eine Ästhetik des Häßlichen
an Jugendliche adressieren (vgl. 3.4.10). Die kontinuierliche Verknüpfung eines be-
stimmten Schriftbilds mit einer bestimmten Bildwelt macht zudem die symbolische
Vertretung des Gesamt-Images durch die Schrift möglich. Typographische Logos be-
kannter Konsumgüterhersteller machen diesen Sachverhalt besonders deutlich: Die
kontinuierenden Erscheinungsformen von Namen wie »IBM«, »Coca-Cola« oder
»Mercedes« sind die komprimiertesten typographischen Kürzel des jeweiligen Ima-
ges und rufen beim Rezipienten unwillkürlich Assoziationen wach, die sich an den
entsprechenden Werbungsbildern orientieren. Daran wird deutlich, daß die Image-
Vertiefung des Schriftbildes keine Eigenleistung desselben darstellt. Die Tiefe lie-
fern vielmehr in erster Linie die Bilder, die hinter oder neben der Schrift zu sehen
sind und mit dieser verknüpft werden. Während die alte ornamentale Schmuckschrift
nicht mehr bedeutete als Verzierung, können vor dem Hintergrund vorhandener Bild-
Images selbst schmucklose Schriften für ganze Image-Komplexe stehen, solange die
Verknüpfung von Schrift und Bildwelt eindeutig ist. Entsprechend können sich Wer-
bungen dann, wenn für das jeweilige Objekt ein ausgearbeitetes Image vorliegt, wie-
der auf schriftbasierte Inszenierungen zurückziehen oder Namen als Stellvertreter von
Images zum Einsatz bringen.
Obwohl eine sehr dynamische und variantenreiche Entfaltung des Bildcharakters
der Schrift gerade in den letzten Jahrzehnten zu beobachten ist, ist gleichfalls nicht
zu übersehen, daß bis in die Gegenwart (image-)neutrale Schriftformen durchaus vor-
kommen. Auch in dieser Typographie kann man jedoch eine Stabilisierung und Aus-
übung von Image-Kommunikation erkennen: Die Schrift stört gleichsam das Image
nicht, das die Bilder entwerfen. Es ist nur scheinbar paradox, daß die Sensibilisierung
der Schriftgestaltung in Sachen Image die Unauffälligkeit ihrer Form zur Folge haben
kann. Gerade die rein schriftbasierten Werbungen, die mit dem Image des Imagelo-
sen (d.h. mit der Darstellung von Tatsachen, vgl. 3.4.7) operieren und entsprechend
nicht nur keine Bilder, sondern auch keine pointierte Schriftgestaltung zum Einsatz
bringen, verdeutlichen diesen Sachverhalt. In diesen Fällen, die in den 1950er Jah-
ren als eigenes Genre der Informationswerbung hervortreten, also in einer Zeit, in
der die Werbung im wesentlichen auf Image-Kommunikation eingestellt ist, setzen
einzelne Anzeigen auf die »Objektivität« des gedruckten Wortes, der im Kontext der
Oberflächenorientierung der Image-Kommunikation eine neue Bedeutung zukommt.
Schrifttypen wie die »Times« oder die »Helvetica« imitieren die Neutralität des re-
daktionellen Umfelds und sollen bei gleichzeitigem Verzicht auf Bilder Eindrücke
von Seriosität, Bescheidenheit, Einfachheit usw. vermitteln. Im Unterschied zu den
historischen Vorläufern realisieren solche Werbungen jetzt bereits als typographisches
Erscheinungsbild ein bestimmtes Image — und zwar deshalb, weil die Identität der
Objekte inzwischen an der Bildform dechiffriert und zu anderen Images in Beziehung
gesetzt wird.
3. Die ENTWICKLUNG VON IMAGE-KOMMUNIKATION IN DER WERBUNG | 131
Де ипд!
ihres Haarwuchses sind die, welche
nichts gegen Schuppen fun.
Ne
Nachahmungen von
Quaker Oats haben wohl
ein ähnliches Aussehen,
kosten gewöhnlich das.
selbe, haben aber niemals
denselben Geschmack.
Da ELENA lich; denn di
Fabrikation von |
be агаи. aut е
Kiderlen'sDrachen-Lösung
beseitigt unbedingt
' Kopf = Schuppen
Wenn Ihnen Ihr Haarwuchs lieb ist,
bestellen Sie sofori! Flasche mit
Gebrauchsanweisung M. 2,75 bei
Voreinsendung. oder M.3,— gegen
Nachn. Innerh. Deuischiand franko.
B. Kiderlen, Seifen- Parfümerie-
Fabrik, Ravensburg b. Bodensee,
Probetl. geg. Eins. v. M.1 i. Вгіејт.
877
A
Fe А
/® А
т УЛУ? ГГА
erhalten.
a oo
Nur in Paketen erhältlich,
TEIED 72е
| eckenpferd- |
eerschrwefelse} Я
Gestbewährt gegen alle
Hautunreinigkeiten. |
ÜberalPzu Raben? Stück ZO,
е
[Einmal erprobt, immer verlangt) erprobt, immer [Einmal erprobt, immer verlangt)
Für Feinschmecker:
S
&
CHOCOLADE CACAO DESSERT
Но. Sr Maj. d. Königs v. Sachsen
burstasg:aysey
эс
>
ES
g
ы
E
е
Ki
=
E
=
=
9: Kiderlen; BIZ 1909, 18
10: Quaker Oats; BIZ 1909, 18
11: Steckenpferd; BIZ 1915, 27
12: Lobeck’s; BIZ 1915, 27
132 | IMAGE. ZUR GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN
| Ihre Handi verralen alles! PUSCHKIN д
\ FÜR HARTE MANNER
E Ў
schen ‚die Hände
einer аи über Kal-
tur und Karakter.
Gepflegte Hände
sind immer schön.
ELIDA HAUTPFLEGE
13: Elida; BIZ 1926, 23
14: Puschkin; ST 1961, 49
3.2.3 Rahmen, Ornament und Zeichnung
Obwohl das Verbreitungsmedium Zeitung keineswegs auf Schriftlichkeit festgelegt
ist, wird in den ersten Jahrzehnten des Untersuchungszeitraums von der Zeichnung
oder Graphik kaum Gebrauch gemacht. Wie die Typographie ist die Variabilität der
zeichnerischen Gestaltung auf das Prinzip der relativen Größe eingeschränkt, wobei
das Gesamtformat der Anzeige die entscheidende Gestaltungsressource ist. Das Format
schränkt den Gestaltungsspielraum ein und ist auch insofern bedeutsam, als die relative
Größe im Verhältnis zur rexlativen Kleinheit der anderen Anzeigen Größe und Format
im wertbezogenen Sinne zum Ausdruck bringen kann bzw. soll (vgl. Abb. 2). Der Rah-
men, der als Linie um die Anzeigen läuft, spielt bei der Symbolisierung von Größe eine
formbildende Rolle, ist aber vor allem ein Gestaltungselement mit der Funktion, die in
einer Vielzahl auf einer Seite gruppierten Anzeigen voneinander abzugrenzen und der
einzelnen Werbung eine unterscheidbare Form zu geben (vgl. Abb. 2).77
77 Aus der Perspektive gegenwärtiger Sehgewohnheiten erinnern solche Anzeigen, die sich
auf Text und Rahmen beschränken, ап Todesanzeigen. Und im (Gestaltungs-)Bereich der
Todesanzeigen läßt sich bis heute die Dramaturgie der relativen Größe gut beobachten: Ge-
rade weil der Gestaltung hier (trotz eines gewissen Wandels in Richtung »Ästhetisierung«
in den letzten Jahren) aus sittlichen Gründen enge Grenzen gesetzt sind, so daß die sozialen
Unterschiede zwischen den zu ehrenden Toten kaum zum Ausdruck kommen, fungiert die
Anzeigengröße als wichtiger Differenzierungsmechanismus der Achtungszuteilung.
3. Die ENTWICKLUNG VON IMAGE-KOMMUNIKATION IN DER WERBUNG |133
Anzeigen, die weitere graphische Elemente ins Spiel bringen, orientieren sich um
1900 noch in erster Linie an der Funktion des Ornaments im Sinne eines schmü-
ckenden Beiwerks.’® Neben kunstvoll gestalteten Buchstaben (insbesondere Initialen)
tritt das Ornament in zwei Varianten in Erscheinung, die zum Teil ineinander überge-
hen. Eine Variante besteht in der ornamentalen Bearbeitung des Rahmens, z.B. durch
breitenvariierte Linienführungen, die als Musterwiederholungen und -modulationen
ausgeführt werden (vgl. Abb. 16-18). Als Verzierung kommt dieser Schmuckrahmen
unabhängig von dem jeweils beworbenen Objekt zum Einsatz, d.h. er findet sich in
einer Werbung für ein »Kräftigungsmittel für Bleichsüchtige« ebenso wie in einer
Reklame für ein »beliebtes Mode-Parfum« (vgl. Abb. 15-18). Seine Form verdankt
der Schmuckrahmen also nicht einer semantisch spezifizierenden Arbeit am Image,
sondern allgemein populären Gestaltungsmoden einer Epoche. Um 1900 ist z.B. der
Jugendstil eine solche Mode, die Eingang in die Werbung findet.
Die andere Variante besteht in der ornamentalen Behandlung der (Anzeigen-)
Fläche, die der Rahmen umschließt. Der Umgang mit Symmetrie und Wiederho-
lung weist auch hier die Gestaltung als eine Schmuckform aus, die kein spezifisches
Erscheinungsbild des beworbenen Objektes realisiert, auch wenn letzteres integra-
ler Bestandteil des Schmuckwerks ist, wie z.B. in einer Reklame für Kakao, die die
Darstellung von zwei Tassen und dem aufsteigenden Dampf zu einem ornamentalen
Bildgewebe ausarbeitet.
Neben und mit den ornamentalen Gestaltungen sind die zum Einsatz kommen-
den Zeichnungen der Zeit um 1900 symptomatisch, denn ihr Zweck beschränkt sich
im wesentlichen darauf, die beworbenen Objekte naturalistisch abzubilden. In einer
Werbung für Scheren sind entsprechend Scheren zu sehen, Töpfe werben für Töpfe,
Koffer für Koffer, Fahrräder für Fahrräder usw. Die Darstellung ist nüchtern und
fügt typischerweise das schwarz gezeichnete Objekt ohne jeglichen Kontext in den
weißen Umraum der Anzeige ein — die Zeichnung hat also lediglich emblemati-
schen Charakter. Unmittelbar und vor jedem Einstieg des Rezipienten in den Text
soll darüber informiert werden welcher Gegenstand angeboten wird (vgl. Abb. 2).7?
Neben und mit der fehlenden Arbeit am Image fällt (insbesondere im Vergleich mit
späteren Werbephotographien) die Undetailliertheit der Bilder auf. Das Bemühen,
die beworbenen Objekte in ihrem schmuckvollen Detailreichtum vorzuführen, ist
zwar gelegentlich erkennbar (vgl. Abb. 2, 5, 16), scheitert jedoch nicht zuletzt an
der geringen Auflösung, die der Drucktechnik, der Papierqualität sowie der Klein-
78 Einen ganz anderen Ornament-Begriff entwickelt Luhmann in seinem Werk »Die Kunst
der Gesellschaft« (1995). Luhmann geht davon aus, daß sich die Kunst als ein soziales
System ausdifferenziert, das sich zunehmend und zunehmend selbstbezüglich mit der
Bewältigung von (selbstgestellten) Formproblemen beschäftigt, wobei das Ornament als
»Medium« der Formarbeit beschrieben wird (vgl. ebd., 193-199 und 366 ff.).
79 Beides gelingt vermutlich um so besser, als die meisten Anzeigen der Zeit noch nicht
illustriert sind.
134 | Image. ZUR GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN
heit des Gesamtformats geschuldet ist. Schon deshalb bleibt die Entfaltung des
Prinzips der »schönen Form« (Luhmann 1996), das man ansonsten als eine frühe
Variante der Imagebildung ansehen könnte, noch für längere Zeit auf das Ornament
beschränkt Si
EBIG mn:
FLEISCH-EXTRACT.
Sy
ER 5 <
Cie wleganz
ngros von der
Nur echt, Luk тл i pe ра 1КА.С.
—
иярен Тор!
den Ма!
menszug Üin blauer Farbe trägt.
un So m
NS, PEN feina
АТО ‚feisch-£iweiss.
0 У
е ес хуа zur ЖЩ
tel 4
И ndes Kräftigungsmit нее» nach einmali N F
Zei: BLEICHSÜCHTIGE |
15: Liebig Company; BIZ 1899, 27
16: Divinia; BIZ 1906, 5
17: Herz; BIZ 1907, 9
18: Eisen-Somatose; BIZ 1899, 27
19: Palmitin; BIZ 1907, 9
80 Die Ausschmückung des Produktes wird aber in einigen (wenigen) Fällen so deutlich
in den Vordergrund gestellt, daß man sagen könnte, Schönheit wird als Identitätswert
eines Produkts propagiert. So unterscheidet sich eine Anzeige von 1899, die eine Flasche
»Kölnisch Wasser« zeigt, von allen (!) anderen Werbungen der Zeitungsausgabe, indem
sie einen schwarzen Hintergrund für das Objekt wählt und dieses fast die gesamte Anzei-
genfläche einnehmen läßt (ca. 3 cmx 7 cm), so daß die ornamentalen Verzierungen des
Produktes betont werden (Eau de Cologne, BIZ 1899, 27).
3. Die ENTWICKLUNG VON IMAGE-KOMMUNIKATION IN DER WERBUNG | 135
Ab den 1920er Jahren sind dann zunehmend Zeichnungen zu sehen, die sich von der
Funktion des bloßen Abbildens und der Schmuckfunktion des Ornaments emanzi-
pieren und die Erscheinungsformen im Blick auf die Herstellung guter Attribute se-
lektieren und arrangieren. Folgende Entwicklungen verdeutlichen eine zunehmende
Bedeutungsvertiefung und -spezifizierung gezeichneter Oberflächen.
a) Menschen und andere Figuren: Vom »leblosen< Objekt zum Image Träger
Werbungen um 1900 zeigen Menschen — wenn überhaupt — noch häufig als aus-
druckslose Figuren, die den Produkten zur Seite stehen. Im Unterschied zu den eben
erwähnten Objektabbildungen werden die Produkte dann immerhin im Kontext ihres
Gebrauchs gezeigt. Zu sehen ist entsprechend nicht nur ein Rasiermesser, sondern
ein Mann, der sich rasiert (vgl. Abb. 20), nicht nur ein Korsett, sondern eine Frau in
einem Korsett. Im Laufe einiger Jahrzehnte verschwindet diese additive Kopplung
der Elemente, die Menschen wie eine Sache unter anderen erscheinen läßt und macht
solchen Bildern Platz, die den menschlichen Körper als ein komplexes »Bedeutungs-
system« (Hahn 1999) zu Zwecken der Imagebildung nutzen. Es liegt auf der Hand,
daß die Vertiefung der Erscheinungsformen insbesondere die Beziehung der Akteure
zu dem Produkt definiert und daß die Darstellung guter Gefühle dabei eine besonders
wichtige Rolle spielt: Während die Frau im Korsett dann ihre Arme vor Freude strah-
lend in die Höhe reckt, signalisiert der Mann jetzt durch eine kraftvoll-dynamische
Bewegung von Armen und Oberkörper, daß die Rasierseife namens »Wach auf« eben
diesen Effekt hervorruft (vgl. Abb. 21).
Mit der zunehmenden Präparation der Darsteller als Image-Träger geht eine Ziel-
führung zeichnerischer Formen einher (Helligkeitskontraste, Proportionen, Linien-
führungen usw.), die den menschlichen Ausdruck hinter der Oberfläche deutlich(er)
hervortreten lassen. Die Präzisierung des Kindchenschemas ist dafür ein Beispiel:
Während um 1900 noch sachlich-ausdruckslos aussehende Kleinkinder abgebil-
det werden, dominieren später »Niedlichkeitseindrücke< und Darstellungen diverser
Binnenzustände, die durch ein passendes Inventar von Gestaltungsmitteln umgesetzt
werden (vgl. Abb. 22 u. 23). Auch bildet sich ein vielfältiges Figurenrepertoire, das
unterschiedliche Identitätsattribute auf die beworbenen Objekte transferierbar macht.
Neben dem seriösen Verkäufer gehören schon bald imagebildende Rollenträger wie
Handwerker, Wissenschaftler, Ärzte oder Hausfrauen zu einem imagebildenden Fi-
gurenkanon. Hinweise auf Produkte, z.B. durch den partialisierten Zeigefinger, ver-
schwinden währenddessen und machen einer Praxis des Demonstrierens der jeweili-
gen Objekte Platz, die mehr bedeutet als ein Hinweis auf das Objekt als solches. So
zeigt z.B. eine Anzeige von 1956 eine Hand, die das beworbene Feuerzeug umschließt
und in die Höhe hält. Die zu der Hand aufblickende Perspektive und die modischen
Accessoires (Handschuh, Hemd, Sakko) verdeutlichen hier Hervorgehobenheit im
Sinne von Kultiviertheit und hohem Status (Ronson, ST 1956, 27).
Einen Schritt in diese (Image-)Richtung markiert daneben ein surrealer Figurenty-
pus, der sich seit den 1950er Jahren einer größeren Beliebtheit erfreut und bis in die Ge-
136 | IMAGE. ZUR GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN
genwart existiert. Gemeint sind, meist an die Gattung des (Kinder-)Trickfilms erinnern-
de, Kunstfiguren mit symbolisch pointierten (guten) Eigenschaften, die den medialen
Auftritt der Marke kontinuierlich begleiten und dadurch den Charakter der jeweiligen
Figur mit dem beworbenen Objekt assoziieren sollen. Der »Blendax-Max« ist z.B. ein
cleveres Kerlchen,S! der grüne Frosch der Firma »Erdal« steht wie der Bär der »Bären-
marke« für Natürlichkeit,” der »Maggi-Fridolin« steht als »freundlicher Helfer« der
Hausfrau zur Seite und der »Firestone«-Fuchs soll für einen Reifenhersteller Klugheit
zum Ausdruck bringen (»Füchse fahren Firestone«, Firestone, ST 1966, 18).
a IH „Zur Probe!
We p ман лее schw Gi
rasire Sich Selbst!
e
RE
=»
ТАВАК МАЯК
Gräfrath sches
Gebrüder Rauh,
Versand gegen N
20: Rauh; BIZ 1901, 35
21: Wach auf; BIZ 1907, 9
22: Dr. Lahmanns; BIZ 1902, 40
23: Milka; ST 1951, 5
Das neue Rasieren
„Wach auf” !
Vergnügen
Weisen Sie im eigenen Int
des gemeinschaftlichen
lss nur tücktig Aa
MILKA bekommt Kindern —
die wachsen wollen e мид
so us wie Milch Say y
MILKA UND BROT MACHT WANGEN ROT!
81 Die gezeichnete Figur, die einem jüngeren Matrosen gleichkommt, rät z.B. einem Mann
beim Abendbrot: »Ein Zwiebelfisch? Sei auf der Hut, rät Blendax-Max, der schmeckt
zwar gut, nur darf nach einem solchen Essen man’s Zähneputzen nicht vergessen!«
(Blendax, ST 1951, 5)
82 Dessen Erscheinungsform als (Kinder-)Stofftier ist dabei ebensowenig zufällig wie seine
Situierung in »natürlichen« Landschaften wie z.B. »ursprünglichen« Bergwiesen (vgl. Bä-
renmarke, ST 1960, 45).
3. Die ENTWICKLUNG VON IMAGE-KOMMUNIKATION IN DER WERBUNG | 137
b) Die Sprachorientiertheit der Bilder
In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts ist die Sprache der Bilder noch häufiger an
sprachbasierte Erklärungen und Beweisführungen angelehnt und insofern funktional
zu diesen äquivalent. Selbst in den 1950er Jahren kommen Anzeigen wie diejeni-
ge vor, die in die Handzeichnung eines Reisekoffers die photographische Abbildung
eines Photoapparats plaziert, um zu verdeutlichen, was der ideale Reisebegleiter ist
(Agfa, ST 1956, 27). Anstelle eines Images, das z.B. mit dem Motiv Urlaubserlebnis
kommuniziert werden könnte, werden hier Symbole in sprachanaloger Weise kombi-
niert, um sinngemäß die Botschaft »Beim Kofferpacken nicht die Kamera vergessen«
ins Bild zu setzen (vgl. Abb. 24). Beispiele für die Sprachorientiertheit der Bilder
geben auch die bis zu dieser Zeit noch beliebten allegorischen Darstellungsweisen,
die immer wieder im Text als solche ausgewiesen werden. Wenn auf einer Zeichnung
zwei Schuhe auf einer Stahlfeder plaziert sind, um die Überschrift »Sie gehen federnd
und beschwingt« zu veranschaulichen, ist das ein solcher Fall (Abb. 25).8?
Ferienland, du Wunderland
ма тма
Endlich einmal ton wad Jemen попел.
ма = wie herrlich! Spazierengehen durch
welter oder
won ийм, бе Lust zum Pheteprapbieren. Got.
wenn man denn eine Comer МӘ. fine NONE
Camera, mit der heste Hundarizuzende
апарата. nt de
Sperre vd Zühlmerk geschaltet, Entscheidend >
Mett de Agbe-Ofyektiv kinzribeiten segi Den. er
bareng Dr Pheichändier, Und denken Sie =
bihe өл die neoe Koferbraschöre der Agia
»Phototips für die Reises
Kostenlos bei Ihrem Phetebändier
сү,
Ko
24: Agfa; ST 1956, 27
25: Ada Ada; ST 1958, 36
83 Ein anderes Beispiel gibt eine Anzeige für ein Insektenvernichtungsmittel, die den Hin-
weis »Fliegen bringen Krankheiten« in die Zeichnung eines menschlichen Skeletts über-
setzt, das auf einer Fliege reitet (Flit, BIZ 1929, 36).
138 | IMAGE. ZUR GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN
c) Die Distanzierung von der Erscheinungsform des Gegenstands
Die semantische Vertiefung der Zeichnung läßt sich weiterhin an der Vergewöhnli-
chung einer Darstellungsform erkennen, die nicht mehr die Erscheinung des bewor-
benen Objektes in den Mittelpunkt rückt, sondern mit Bildern operiert, die dasselbe
stellvertretend qualifizieren. Zu diesen Bildern gehört das Motiv der Natur, das in
verschiedenen Variationen relativ früh Eingang in die Werbung findet und, sei es als
Landschaft oder solitäres Naturobjekt (Tiere, Bäume, Blumen), einen Sinngenerator
darstellt, der bestimmte, gute Qualitäten symbolisieren soll. Ein frühes Beispiel ist
eine Werbung für ein Pflanzenfett, die den Schriftzug »Palmin« neben einer stark
stilisierten Zeichnung plaziert und damit nicht nur den Rohstoff des Produktes, son-
dern auch dessen Natürlichkeit ins Spiel bringt, wenngleich die assoziativen Bezüge
(Südsee) durch den hohen Abstraktionsgrad der Zeichnung noch unbestimmt bleiben
(Palmin, BIZ 1906, 5; vgl. Abb. 26). Eine Anzeige von 1928 setzt dann zielgerich-
teter auf ein Naturmotiv, indem sie für einen koffeinfreien Kaffee das Photo einer
idyllischen Landschaft (Überschrift: »Schönheit der Natur«) als allegorische Charak-
terdarstellung des Objektes bzw. als Sinnbild für dessen Natürlichkeit zum Einsatz
bringt (Kaffee HAG, BIZ 1928, 32; vgl. Abb. 27).
ЖҮ ШИШЕ SCHÖNHEIT
i DER NATUR
KAFFEE HAG
Alle deutschen Bäder und Kurorte führen Ка сс Hag seiner bekannten Vorzüge
26: Palmin; BIZ 1906, 5
27: Kaffee Hag; BIZ 1928, 32
3. Die ENTWICKLUNG VON IMAGE-KOMMUNIKATION IN DER WERBUNG | 139
3.2.4 Photographie
Die Photographie hält, von wenigen Ausnahmen abgesehen, erst in den 1920er Jahren
Einzug in die Werbung. Sie spielt dann tendenziell immer häufiger eine Rolle, wird aber
erst in der Nachkriegszeit zum Leitmedium der Printwerbung. Der Medienwechsel geht
dann allerdings so sprunghaft vonstatten, daß graphische Techniken (Zeichnung und Illust-
ration) schon am Ende der 1960er Jahre nur noch ein marginales Nischendasein fristen.
Von diesem Befund ausgehend, kann man die Frage stellen, warum es zu einem ver-
zögerten Einsatz der Photographie in der Werbung kommt — immerhin wird das Verfahren
zur Herstellung von Druckvorlagen bereits 1881 erfunden und setzt sich in den redaktio-
nellen Teilen der Zeitungen schnell durch. Der Hinweis auf die Knappheit der Ressour-
cen Zeit und Geld kann diese Frage kaum beantworten. Denn die Werbung hätte — ganz
anders als z.B. die zur Tagesaktualität verpflichteten Nachrichten — unter den technischen
Bedingungen der Jahrhundertwende zu bezahlbaren Preisen mit Photos konzipiert werden
können. Die Analyse legt vielmehr den Schluß nahe, daß neben und mit dem Fehlen einer
medienspezifischen (Image-)Bildsprache die noch unzureichende Abbildungsqualität der
Verbreitungsmedien diese Entwicklung bedingt: Als gedruckte Photographie verfehlt die
Photographie in den Trägermedien Zeitung und Zeitschrift lange Zeit die ihr eigene Ober-
flächenperfektion, die sie als reine Photographie (d.h. als nicht gedruckter Originalabzug)
bereits um 1850 erzielt und die gerade für die Image-Kommunikationen der Werbung
von Bedeutung ist. Die Unzulänglichkeiten der Reprographie, der Drucktechnik und nicht
zuletzt der Papierqualität verhindern lange Zeit jene Brillanz, die uns beim gegenwärtigen
Stand der Reproduktions-, Druck- und Papierherstellungstechniken vor die Augen tritt,
wenn wir z.B. Reproduktionen der ersten Daguerreotypien und Kalotypien in Büchern,
Ausstellungskatalogen oder Zeitschriften betrachten.°* Dem photographischen Druckbild
fehlt es noch lange an Schärfe, an Geschlossenheit und Dichte der Oberflächen, an der
Durchzeichnung feiner Details, an einem breiten Spektrum von Grauabstufungen und an
den nötigen Kontrasten.$° Die ersten Bilder des Datenbestands sind von so schlechter
84 Die gedruckten Photographien sind kaum noch уоп dem photographischen »Original-
abzug« zu unterscheiden. Diesen Perfektionsgrad erreichen allerdings seit Jahrzehnten
nicht nur kostspielige Publikationen, sondern auch die sogenannten »Illustrierten«. Selbst
der durchschnittliche Zeitungsdruck zeigt inzwischen Bilder, deren Abbildungsqualität
dem ungedruckten Photoabzug erheblich näherkommt als der Zeitungsdruck am Beginn
des 20. Jahrhunderts.
85 Deshalb bleibt es unter Werbegesichtspunkten lange zwecklos, solche Dinge photographisch
zu zeigen, bei denen es auf sichtbare Feinheiten ankommt. So wird z.B. »stumpfes, sprödes
und ausdrucksloses« Haar noch länger als Zeichnung thematisiert, weil mit diesem Medium
das Problem besser zum Ausdruck gebracht werden kann (vgl. Elida, BIZ 1937, 18). Diese
Interpretation mangelnder Abbildungsqualität macht auch plausibel, warum lange Zeit Zeich-
nungen (und nicht Photos) Werbung für Photoapparate und Filmmaterial machen — denn die
gedruckten Photographien können nur ein schlechtes Beispiel für das beworbene Produkt
abgeben, weil der Rezipient bereits bessere: (nicht gedruckte) Photos kennt.
140 | IMAGE. ZUR GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN
Qualität, daß sie als Photographien kaum erkannt werden können. Am Ende der 1920er
Jahre steht dann immerhin der photographische Status auch bei den kleinformatigen Wer-
bungsanzeigen nicht mehr in Frage. Es ist daher vermutlich kein Zufall, daß erst dann
Inszenierungsstrategien zum Einsatz kommen, die die Zeugenschaft der Photographie
als Glaubwürdigkeitsgenerator nutzen — so wie z.B. eine Anzeige, die das Empfehlungs-
schreiben eines Gutachters nicht nur erwähnt, sondern nebst einer notariellen Beglaubi-
gung (Übereinstimmung mit Urschrift bestätigt«) als Photodokument vorführt, um unter
Beweis zu stellen, daß es dieses Schreiben wirklich gibt (Vauen, BIZ 1927, 27). Der tech-
nische Standard reicht aber für glanzvolle Inszenierungen, die die Oberflächenperfektion
des Mediums ausnutzen müssen, bei weitem noch nicht aus. Deshalb, so die hier vertre-
tene These, spielt die Zeichnung in der Werbung noch längere Zeit eine wichtige Rolle,
und zwar gerade dann, wenn körperliche Schönheit zum Image-Faktor wird. Denn in der
Zeichnung lassen sich ästhetische Ideale, makellose Oberflächen und Glanzeffekte (wenn-
gleich ohne die spezifischen Realitäts- und Attraktionswerte der Photographie) leichter
herstellen; und dies könnte auch eine Erklärung dafür sein, warum die gezeichneten Stili-
sierungen des Körperschönen eher den bis heute gängigen Schönheitsidealen entsprechen
als die photographischen Inszenierungen derselben Zem 26 Die folgenden Abbildungen
verdeutlichen die vorübergehende inszenatorische Überlegenheit der Zeichnung bzw. ent-
sprechende Defizite der Photographie in Gegenüberstellung vergleichbarer Motive (vgl.
Abb. 28-32).
Die Photographie muß in der Drucktechnik gleichsam erst zu sich selbst kom-
men, und dies ist — zumindest in den hier untersuchten Massendruckerzeugnissen erst
etwa hundert Jahre nach ihrer Erfindung der Fall.” Spätestens mit der Einführung
der Farbphotographie wird in den 1960er Jahren auch im Bereich der Massenmärkte
der (billigen) Zeitschriften ein photographischer Realismus gewöhnlich, der Bilder
von geradezu haptisch-taktiler Qualität hervorbringt. Erst dann bilden sich bestimmte
Inszenierungsstile der Werbung aus, die auf eben diesen Realismus angewiesen sind
bzw. auf dessen Steigerung setzen. Eine dieser Strategien besteht z.B. darin, über
Ausschnitte und Vergrößerungen »zu den Sachen selbst: vorzudringen.®® Jetzt tau-
86 So wird der Typus der modischen, langen und schlanken »Eleganten«, der ein kontinu-
ierendes Schönheitsideal (auch der Werbung) ist (vgl. Thoms 1995), zunächst nur im
Medium der Zeichnung realisiert.
87 Das bedeutet natürlich nicht, daß es nicht schon vorher gute und sehr gute Drucktech-
niken zur Reproduktion von Photographien gibt. Aber die sogenannten »Edeldruckver-
fahren« wie z.B. der Brom-Öldruck bleiben Nischentechnologien (vgl. z.B. Koschatzky
1989).
88 Versuche in diese Richtung gibt es allerdings schon früher. So zeigt eine Photographie
von 1931 eine Hand, die in die langen Haare einer Angorakatze greift, um das taktile
Produktversprechen sichtbar zu machen (»So weich soll Ihre Wäsche sein«, Juvena, BIZ
1931, 45). Aufgrund der schlechten Abbildungsqualität wird dieses Ziel jedoch besten-
falls als Anstoß von Assoziationen realisiert (vgl. Abb. 32).
3. Die ENTWICKLUNG VON IMAGE-KOMMUNIKATION IN DER WERBUNG |141
chen Motive wie das des frisch gezapften Bieres auf, wobei die Wiedergabetreue der
Photographie so hoch ist, daß der Rezipient (fast) den Eindruck gewinnt, das drei-
dimensionale Objekt stünde vor seinen Augen (vgl. Abb. 33-35).8 Doch nicht nur
für die Darstellung des (Image-)Positiven, sondern auch für das Zeigen des (Image-)
Negativen ist die Photographie fortan folgenreich — denn das Defizitäre läßt sich nun
in neuer Schärfe als »tatsächliches« Stigma präparieren. Ein einfaches Beispiel geben
die bekannten realistischen Abbildungen in Werbungen für Schlankmacher, die die
Inkarnationen der Positiv- und Negativwerte im Vorher-Nachher-Schema gegenüber-
stellen.
Neben und mit den technischen Mängeln ist für die Entfaltung photographischer
Inszenierungsstile zunächst das Fehlen von Gestaltungstechniken bestimmend, die das
Kommunikationsmedium im Dienste der Image-Kommunikation zu nutzen wissen. Die
ersten Werbungsphotographien erwecken aus heutiger Perspektive den Eindruck unver-
stellten Dilettantentums und sind von den hochprofessionellen Produktionen der Gegen-
wart sehr weit entfernt. Ein grundsätzlicher Lernprozeß besteht darin, daß die Auswahl
aller im Bild sichtbar gemachten Objekte — ja aller Sichtbarkeiten überhaupt — im Blick
auf die konkreten Erscheinungsformen bzw. Oberflächen zu treffen ist. Der Amateur-
charakter der frühen Werbephotographie beruht nicht selten auf einer unzureichenden
Berücksichtigung dieses Sachverhalts. Die Aufnahmen wirken oftmals so, als hätten sich
die Werbungsproduzenten bzw. -photographen im Vertrauen auf die Abbildungstreue
der Photographie mit einer inhaltlichen Darstellung eines Motivs begnügt. Als konkrete
Erscheinungsformen wirken die Objekte der frühen Werbungsphotographie tendenziell
kontingent — fast so, als handle es sich nur um symbolische Platzhalter und nicht um
Objekte, deren individuelle Beschaffenheit in Passung zu den anderen Elementen und
(damit) zu einem angestrebten Image ausgesucht sind.? Die neu entstehende (Image-)
Rationalität und (Image-)Reflektiertheit läßt sich z.B. am Einsatz solcher Darsteller be-
obachten, deren körperliches Erscheinungsbild in ähnlicher Weise wie bei den bereits
erwähnten gezeichneten Image-Trägern alltagstheoretischen Persönlichkeitstypologi-
en und/oder gängigen Attraktivitätsbeurteilungen Rechnung trägt.?! Zudem setzt sich
89 Auffällig ist auch das Auftauchen des Motivs Wasser in dieser Zeit. Attraktiv in Sze-
ne gesetzte Wasserformen (Tropfen, Fontänen usw.) können jetzt zur Konstruktion von
Image-Attributen wie Jugendlichkeit, Frische, Reinheit genutzt werden.
90 Auch wenn die heutige Werbung mit ihren Inszenierungen keineswegs das Ziel sicher-
stellen kann, daß die Art der Positivbewertung bei den Rezipienten Gefallen findet, so
ist doch nicht zu übersehen, daß die sichtbaren Erscheinungsformen restlos bis in das
allerkleinste Detail Resultat eines hochselektiven Vorgangs sind, mit dem ein bestimmter
Eindruck eines Objektes erzeugt werden soll.
91 Daß gerade auch die Erscheinungsform des menschlichen Körpers von zentraler Bedeu-
tung ist, verdeutlicht nicht zuletzt die Tatsache, daß sich für die Lösung entsprechender
Selektionsprobleme eine eigene Unternehmensform ausbilden konnte und mußte: näm-
lich die der Model-Agentur.
142 | IMAGE. ZUR GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN
in dem Bilder-Rahmen der Photographie ein Ausdrucksmanagement durch, das neben
Gestik und Mimik das Mikro-Blickverhalten der Darsteller und kleinste requisitorische
Details steuert. Ein frühes Beispiel ist eine Reklame für ein Mittel gegen Haarausfall,
das im Unterschied zu seinen Vorläufern und zeitgenössischen Konkurrenten weit über
die schematische Darstellung von Gegenständen hinausgeht: Der Mann, der als Kenner
und Nutzer des Produktes dargestellt wird, ist größer als sein Interaktionspartner, ver-
fügt im Unterschied zu diesem über volles Haar und ist eleganter gekleidet. Als Image-
Träger verkörpert der gutaussehende Produktanwender Erfolg, Sympathie, Glaubwür-
digkeit usw. und weil er diese Attribute als Erscheinungsbild veräußert, erübrigt sich
hier weitgehend ein schriftliches Selbstlob (vgl. Abb. 36 u. 37).
Die zunehmende Selektivität der Werbephotographie beschränkt sich dabei keines-
wegs auf die Auswahl lebenswirklich vorgefundener Formen. Vielmehr muß im Kom-
munikationsmedium Photographie eine eigene Technik des Verständlichmachens und der
Pointierung entwickelt werden, um die abgebildeten Objekte in ein bestimmtes (Image-)
Licht zu rücken. Das Licht im wörtlichen Sinne spielt dabei eine besondere Rolle. Im
Rückgriff auf bestimmte Materialien (Lampen, Blitze, Reflektoren) entsteht eine varian-
tenreiche Lichtdramaturgie, die räumliche Eindrücke definiert, Körper modelliert (oder
abflacht), Tages- oder Nachtzeiten simuliert, Szenen eine bestimmte Dramatik verleiht
oder diese in einem nüchternen (Tages-)Licht erscheinen läßt. Andere wichtige Gestal-
tungsmittel sind der Bildausschnitt und die Perspektive. Mit einer entsprechenden Kame-
raposition kann z.B. die relative Größe von Elementen symbolisch derart betont werden,
daß sie als Größe in einem wertbezogenen Sinne hervortritt. Ausschnitte pointieren vor al-
lem die Sinnhaftigkeit der Zeichen und Symbole, die im Inneren des Rahmens erscheinen.
Dies gilt vor allem in symbolisch komprimierten Arrangements, die etwa durch Entkon-
textualisierungen zustande kommen können. So zeigt eine Anzeige von 1964 drei Flug-
kapitänsmützen neben einer Zigarettenpackung, um für sich (das beworbene Objekt) den
»Duft der großen weiten Welt« in Anspruch zu nehmen (Peter Stuyvesant, ST 1964, 10).
Die photographische Bildsprache wird auch dahin gehend komplexer, als sie die lebens-
weltlich vorgefundene »Wirklichkeit« metaphorisch, d.h. als Ressource von Bedeutungs-
übertragungen, interpretiert und nutzt. So illustriert eine Photographie das Thema Nervo-
sität über die Abbildung eines Strommastes und einer Vielzahl von Stromkabeln (Kaffee
Hag, BIZ 1930, 40), und eine Anzeige für Haarwasser bringt mit dem Bild eines blattlosen
Baumgerippes die tiefere Bedeutung von »Kahlheit« zum Ausdruck (»Kahle Bäume - sie
leben nicht für uns, sind tot, sind traurig«, Trilysin, BIZ 1931, 45). Die Brennweite”? des
92 So kann z.B. durch ein ausschnitthaftes Photographieren von Gesichtern mit einer län-
geren Brennweite der optische Eindruck bestehender Raumdistanzen verringert und da-
durch eine Vertraulichkeit der Akteure zum Ausdruck gebracht werden.
3. Die ENTWICKLUNG VON IMAGE-KOMMUNIKATION IN DER WERBUNG |143
Objektivs, die Blende” sowie die Belichtungszeit”* sind Gestaltungselemente, die zuneh-
mend auf die Image-Kommunikation ein- und umgestellt werden. Auch die Manipulation
der (rechteckigen) Gesamtform? und die Steuerung der Abbildungsgröße” spezifizieren
die photographische Bildsprache.
Neben und mit der zunehmenden Reflexivität auf gestalterische Mittel kommt es
im Verlauf der Entwicklung zu einer allgemeinen Ent-Distanzierung photographier-
ter Objekte. Die Kamera wandelt sich — metaphorisch gesprochen — von einer Do-
kumentationsapparatur zu einem teilnehmenden Beobachter, der mitten im Gesche-
hen stecht. H! Symptomatisch dafür ist vor allem die Darstellung von Details, das dem
Bildbetrachter den Überblick über die Gesamtgestalt der Objekte verwehrt, ihm also
keinen Gegenstand gegenüberstellt, sondern ihn gleichsam in die Inszenierung ein-
schließt.?® Obwohl derartige distanzlose Photos inzwischen längst üblich sind, stellen
z.B. stark partialisierende Frauenportraits um 1960 noch seltene Ausnahmefälle dar.
93 Eine geringe Tiefenschärfe pointiert in besonderem Maße das fokussierte Objekt und iso-
liert dieses (mit semantischen Folgen) von seiner Umgebung. Eine große Tiefenschärfe
neutralisiert hingegen tendenziell die Beobachterperspektive (der Kamera) und rückt die
Szene in ein neutraleres, distanzierendes Licht.
94 Bewegungen, die durch Unschärfen als solche kenntlich gemacht werden, können z.B.
die Dynamik eines Objektes unterstreichen, während etwa das »Einfrieren< von Bewe-
gungen genutzt werden kann, um Ruhe, Instrospektion usw. zum Ausdruck zu bringen.
95 In einer Werbung für eine Seife ist das Photo z.B. wellenförmig zugeschnitten, so daß die
Außenform auf das Motiv (Frau in Meeresbrandung«) wie auf das ebenfalls abgebildete
Produkt (Seife) mit seiner wellenförmigen Schriftmarke Bezug nimmt (Fa, ST 1959, 40).
96 Kleinere Objekte werden z.B. im Abbildungsmaßstab 1:1 gezeigt, um einen besonderen
»Naturalismus-Effekt< zu erzeugen. Wenn eine Packung »Mon Cheri« inmitten eines Kran-
zes von Geburtstagskerzen auf einer Doppelseite abgebildet wird (ST 1970, 38) oder wenn
eine Krawatte in Originalgröße gezeigt wird, um die Abmessungen der neuen Spitze zu
verdeutlichen (Alpi, ST 1970, 38), ist das ein solcher Fall. Die Werbung steigert dadurch
den Realismus der Photographie und die Faszinationskraft der Oberflächenperfektion.
97 Der Film vermittelt dann prinzipiell und in vertiefter Weise (sieht man von der Möglich-
keit ab, mit feststehender Kameraposition unbewegte Objekte zu filmen) durch den per-
manenten Wechsel seiner Perspektiven (auch auf ein und dasselbe Motiv) den Eindruck,
im Geschehen zu sein, weil sich die Kamera gleichsam analog zur bloßen visuellen Wahr-
nehmung durch den Raum bewegt. In der damit verbundenden Flüchtigkeit, Fragilität und
Dynamik des Bildlichen kann man die Faszinationskraft des bewegten Bildes begründet
sehen: »Die Zerstreuung der Bilder wie der Zuschauer, die Walter Benjamin so unange-
nehm auffiel, weil sie einen Verlust der Aura des stillstehenden Bildes indiziert, ist daher
in Wahrheit der Adelstitel des bewegten Bildes. Es risikiert sich in der Zerstreuung und es
feiert, daß es sich trotz allem nicht verlieren kann.« (Baecker 2007, 185)
98 Diese Möglichkeit ist wiederum an die Abbildungsqualität des medialen Substrats ge-
bunden. So ist es kein Zufall, daß das Auftauchen solcher Partialdarstellungen in die
Zeit der 1960er Jahre fällt, in der die gedruckte Photographie nahezu an das ungedruckte
Photo herankommt.
144 | IMAGE. ZUR GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN
Für die Entfaltung der Image-Kommunikation ist weiterhin die Kombination
mehrerer Bilder relevant. Die Sequenzierung ermöglicht, in Anlehnung an die lineare
Erzählstruktur der Sprache, eine auf die Zeitdimension bezogene Grammatik der Er-
scheinungsformen (z.B. Spannungs- und Pointenaufbau) und damit einen erheblichen
Zugewinn an Tiefe und Komplexität der zu konstruierenden Images.” Es liegt auf der
Hand, daß die Entwicklung des Films und des Fernsehens hier entscheidend ist. Diese
Techniken sprengen nicht nur den Bilder-Rahmen des Einzelbildes, sondern machen
auch gesprochene Sprache, Geräusche und Musik auf die jeweiligen Images bezieh-
bar. In der gedruckten Werbung entfaltet sich die Bildkombination als eine Collage-
technik, der eine bestimmte Assoziationsmechanik zugrunde liegt. Ein frühes Beispiel
geben Anzeigen für einen Hersteller von Milchprodukten seit den 1930er Jahren. In
diesen werden Motive gezeigt, die als Partialobjekte des Natürlichen zu lesen sind
(z.B. Berggipfel, Blumen, Kühe, melkende Hände). Die Simultaneität der collagier-
ten Perspektiven realisiert eine Oberflächenvergrößerung des Sujets bei gleichzeitiger
Vertiefung: Die Bergwelt wird, dem Film vergleichbar, als ein Erlebnisraum entwor-
fen, der durch die Komplexitätssteigerung des Bildraumes zustande kommt. Denn
im Unterschied zum Einzelbild legt das In-Beziehung-Setzen des Gezeigten dem Be-
trachter die Imagination weiterer Bilder nahe.!®
Man wird die Schönheit Ihrer
ausdrucksvollen Hände bewundern!
28: Nivea; BIZ 1935, 10
29: Cutex; BIZ 1933, 1
99 ІШ дер erhobenen Daten der BIZ sind die wenigen Beispiele fast ausnahmslos auf »di-
daktische« Vorführungen von Produktanwendungsprozessen beschränkt. Die Bilder
werden in einer Reihe so arrangiert, daß der Eindruck einer zeitlichen und (daher)
kausalen Beziehung der Einzelbilder entsteht — so z.B. in einer Photo-Sequenz, die
über sieben Bilder darstellt, wie man sich die Haare wäscht (Pixavon, BIZ 1909, 18).
Systematisch genutzt wird diese Darstellungsform von der Firma »Dr. Oetker« zur
Veranschaulichung der Umsetzung von Backrezepten.
100 Will man z.B. die Außenansicht der Landschaft mit der ebenfalls gezeigten Innenan-
sicht eines Bauernhauses in einen bruchlosen Zusammenhang bringen, ist das Zurück-
legen eines assoziativen »Weges« in der Vorstellung erforderlich.
3. Die ENTWICKLUNG VON IMAGE- KOMMUNIKATION IN DER WERBUNG | 145
аве
4 Së üfe
Geh eegend Sth mal, Kleinen, ich bin ja schen länger im Beruf als Du. Um Erfolg zu haben, muß man
erer
Schu nicht nur réie eg: arbeiten, das int sicher. Aber wir sollen außerdem gut эшме, Das verlangt man ganz
мем, sondern außerdem EE RRA RE
auıgezeichnen раб, ferner selbstvertandiih von uns, wollen сет! Evsstöchter
pt aaro phang TB: sind. Merke Dir, hin und wieder in den Arbeitspausen Hände und Gesicht mit Eukutol а
LIBELLE-SCHUH Hautereme gepflegt, das erhält die Haut wunderbar jung. Man fühlt sich frischer und
ind diese vielen Vorteie wirkt auch so! Du glaubst nicht, wie wichtig das ist, Diese biologische Schönheitscreme
ee erhältst Du in Kleinen und großen Tuben in jedem guten Fachgeichaft.
du gearbeitet und pre зле"
So weich
soll Ihre
Wäsche sein...
Je weicher die Wäsche am Körper,
desto wohler fühlt man sich! Weiche,
mollige Wäsche tut dreimal so gut als
feste, glatte Wäsche! Solhe weiche,
mollige Wäsche ist Juvenawäsce —
liegt wundervoll weich am Körper.
Wollen Sie Ihrem Körper diese Wohl-
tat gönnen, verlangen Sie die weiche
Juvenawäsche in den Waren- und Kduf-
häusemn und großen Spezialgeschäften.
Prospekt kostenlos
vom Hersteller Max
Franck, Chemnitz 1,
Herbertstraße 4/10.
Wäsche
30: Libelle; BIZ 1942, 13
31: Eukutol; BIZ 1941, 36
32: Juvena; BIZ 1931, 45
33: Poly; ST 1967, 23
146 | IMAGE. ZUR GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN
Einer der schönsten
Momente des Tages
Die Sekunde vor
dem ersten Schluck
Beck's Bier“
Martini-Gleitscher.
Feuriges Ев.
Ich war kahl
Dise Ankndigung Ist für jrärrmann, Damen жай Herren, à
Le Fe w
` Neuwuchs des Haares.
Warte ebe, Leipeie. T
Probe-D
жэй stets ab
ar,
se gratis.
John Craven-Burlei
BERLIN SW. 179, Leipziger Strasse
un der Hanrausfall Zë a,
gh. die Haare wachsen wider!
34: Beck’s; ST 1967, 23
35: Martini; ST 1970, 38
36: Burleigh; BIZ 1902, 40
37: Trilysin; BIZ 1929, 36
3. Die ENTWICKLUNG VON IMAGE-KOMMUNIKATION IN DER WERBUNG | 147
3.2.5 Die Anzeigenseite als Bilder-Rahmen
Nicht zuletzt weist der diachron variierende Umgang mit dem Gesamtformat der Zei-
tungsseiten auf einen Wandel in Richtung Image hin. Mitte der 1920er Jahre eliminieren
seitenfüllende Anzeigen erstmals die nachbarschaftliche Konkurrenz und steigern über
ihre räumliche Ausdehnung die bildlichen Darstellungsmöglichkeiten erheblich.!0! Be-
zeichnenderweise bleibt aber längere Zeit um die Bilder eine (meist weiße) Fläche ste-
hen, die die Seite als einen Bilder-Rahmen erscheinen läßt, wobei nicht selten eine oder
mehrere Linien diesen Rahmen hervorheben (vgl. Abb. 38 u. 39). Dieser Rahmen, der
die Grenze der Anzeige nicht mit den Grenzen der Zeitungsseite zusammenfallen läßt,
verdeutlicht, daß die eingefügten Bilder hier noch nicht als hinreichende Eigenwerte
interpretiert werden, die man sich selbst überlassen kann. Die Anzeige ist vielmehr als
Einheit der Unterscheidung von Bild und Rahmen konzipiert und bedeutet als diese Ein-
heit anderes als ein rahmenloses Bild. Während das rahmenlose Bild die Unterscheidung
von Signifikant und Signifikat eher invisibilisiert,'” betont das gerahmte Bild diese
Unterscheidung. Obwohl die großformatigen Bilder z.T. schon stark ihren Nachläufern
entsprechen, zeigen sich hier also noch Reste eines illustrativen Umgangs mit Bildern,
eines Vorführens von Bildern als solchen. Der illustrative Charakter wird oftmals vom
Text verstärkt, da dieser durch seine typographische Anordnung jenseits des Bildes als
eine Art Bildtitel oder -erklärung erscheint. 103
Die Distanztechnik des Rahmens wird dann in den 1960er Jahren erstmals aufge-
geben. Jetzt gibt es Anzeigen, deren Abbildungen (vorwiegend Photos) über die ganze
Seite gedruckt werden, wobei eine Steigerung dieser Gestaltungsform mit der doppel-
seitigen Anzeige hergestellt wird, die im Untersuchungsmaterial 1967 zum ersten Mal
vorkommt.!0* Und erst mit diesem Formgewinn erlangt die Anzeige einen restlosen
101 In einer Übergangszeit bedeutet der Zuwachs an Größe eine Steigerung des bereits
erwähnten Prinzips der relativen Größe, denn weniger große Anzeigen erscheinen jetzt
um so mehr als geringzuschätzende »Kleinanzeigen«.
102 Insbesondere ganzseitige (rahmenlose) Photographien, die in der Werbung inzwischen
längst üblich sind, fungieren als ein Fenster. durch das der Blick scheinbar unmittel-
bar auf die Sache selbst schweifen kann. Mit der Metapher von den »Fenstern zur Welt«
bringt z.B. Freund (1979) den Realitätsstatus von Photos im alltäglichen Gebrauch zum
Ausdruck.
103 Vgl. Palmolive, ST 1967, 23. Einen Sonderfall stellen die wenigen ganzseitigen An-
zeigen dar, die Objekte auf einem monochrom-weißen Grund arrangieren. Obwohl sie
sich in der Plazierung der Elemente an den traditionellen Rahmen halten, tritt der Rah-
men ins (fast) Unsichtbare zurück, da zwischen der Innenfläche der Illustration und
der Rahmenfläche nicht unterschieden werden kann. Und eben deshalb wirken diese
Anzeigen aus heutiger Perspektive eigentümlich modern.
104 Eine analoge Entwicklung zeigt sich im Bereich der Titelbildgestaltung von Zeitschrif-
ten wie z.B. auch der »Berliner Illustrierten Zeitung«. Nachdem jahrzehntelang ein
gleichbleibender Rahmen (Weiße Fläche, Linien, Schrift) um das Titelbild gelegt wur-
148 | Image. ZUR GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN
Bildstatus. Indem das Bild die gesamte Seite einnimmt, etabliert es eine geschlossene
Fläche, die Hintergrund wie Vordergrund zugleich ist und so das Lesen der Anzeige
ganz vom Bild ausgehend anleitet und den Schrifttext zu einem integrierten Bildele-
ment macht.!0 Infolgedessen muß die Selektion der Bilder und der Bildsprache noch-
mals gestrafft und präzisiert werden, da das Bild noch deutlicher als bisher klarstellen
muß, worum es — überhaupt und speziell in Sachen Image — geht. Es ist daher nicht
erstaunlich, daß gerade seitenfüllende Bilder früh mit besonders kristallinen Images
von Natürlichkeit, Erotik, hohem Status usw. operieren.
г =,
Diefe neue 4 Pfg-FZigarette
Ge
bat bei
38: Apotheken; BIZ 1935, 10
39: Güldenring; BIZ 1935, 10
de, erscheint 1929 eine Gestaltung, die den Satzspiegel und das rechteckige Photofor-
mat bricht und sogar den Schriftzug »Berliner Illustrierte Zeitung« teilweise überdeckt
(vgl. BIZ 1929, 21. Juli). Zur Titelbildgestaltung gegenwärtiger Zeitschriften kann man
feststellen, daß im Bereich der Unterhaltungs- und Lifestyle-Formate die Titelbilder/
Umschlagseiten durchaus in ihrer Gesamtheit als Bilder angelegt werden, während die
Zeitschriften, die zumindest auch als Medien der informierenden Berichterstattung
konzipiert sind (z.B. »Der Spiegel«, »Focus«, »Stern«), die Titelbilder nach wie vor
und trotz aller Sensationsorientierung in einen Rahmen einspannen, der die Bedeutung
des Bildes heruntermoduliert und die »Sachlichkeit< bzw. »Neutralität« des Medienfor-
mates betonen soll.
105 Textbasierte Werbungen und solche mit Bilder-Rahmen kommen bis heute vor, doch
sind sie nun Alternativen, die mit Image-Folgen gewählt werden können und müssen.
3. Die ENTWICKLUNG von IMAGE-KOMMUNIKATION IN DER WERBUNG | 149
3.2.6 Namen
Ein besonderes Entwicklungsfeld der Konstruktion von Images sind Namen und Slo-
gans. Beide Elemente sind noch um 1900 in eine diffuse Gesamtstruktur der Anzeigen
eingebettet, die häufig unklar läßt, ob der Händler in erster Linie für sich selbst oder für
ein Produkt wirbt, mit dem er handelt. In nicht wenigen Fällen ist eine Zuordnung der
Namen (Händler oder Produkt) gar nicht möglich bzw. bleibt unentscheidbar, ob der
Händler zugleich Produkthersteller ist oder nicht. Die Intransparenz der Gestaltung kor-
respondiert dabei mit einem weitgehend unreflektierten Einsatz semantischer (Image-)
Implikationen der Namen. Die Händler bzw. Hersteller werben gewöhnlicherweise mit
ihrem faktischen Familiennamen, und die Produkte werden, wenn überhaupt, nur durch
eine Kopplung dieser Namen mit der Produktkategorie spezifiziert. Beworben wird
nicht Mehl, sondern »Schmidt’s Mehl«, nicht Fahrräder, sondern »Ilse-Räder«, nicht
Möbel, sondern »Hermann-Möbel«. Diese Etikettierung ist zum einen der einfachen
Informationsabsicht des Absenders geschuldet: Er muß die Rezipienten über seinen Na-
men und die dazugehörige Adresse informieren, um Anschlußhandeln zu ermöglichen.
Die Form der Namensgebung ist daher auch ein Hinweis auf eine traditionelle Wirt-
schaftsform, in der noch die Händler (und nicht die Produkthersteller) die Nachfrage
organisieren. Das gilt auch insofern, als sich die Werbung wie bereits erwähnt zu dieser
Zeit noch offenkundig an einer nicht-anonymisierten Alltagswirklichkeit orientiert, in
der personale Adressen als glaubwürdige und nicht weiter klärungsbedürftige Gütesi-
egel fungieren.!% Und weil die Informationsfunktion und die Logik des echten, guten
Namens noch im Vordergrund stehen, sind Namensgebungen wie »Sarg’s Glycerin«
(feste und flüssige Seife macht die Haut weiß und zart«, Sarg 5 Glycerin, BIZ 1904, 49)
oder »Haargenerator Aug. Schweingruber« (Schweingruber, BIZ 1907, 9) möglich, die
unter den Bedingungen späterer Image-Werbung völlig undenkbar wären.
Schon bald erfolgt im Zuge der Verbildlichung der Werbung eine funktionale Dif-
ferenzierung der Namen im Blick auf die zu bewerbenden (Image-)Objekte. Die Na-
men der Händler und Hersteller werden hingegen zunehmend kleiner gedruckt, aus
dem Text herausgenommen oder an den Anzeigenrand gestellt. Sie kommen zwar wei-
ter vor, erfüllen aber nur noch eine Informationsfunktion im Hintergrund. Während in
den Anfängen dieser Entwicklung Namensgebungen des öfteren in Anlehnung an Pro-
duktleistungen erfolgen (eine Creme zur Haarentfernung wird z.B. »Haar-Feind« ge-
106 Der gute: Name, etwa eines Herstellers, spielt zwar noch bis in die Gegenwart eine ge-
wisse Rolle, tritt aber im Rahmen semantisch programmierter Images in Erscheinung
bzw. wird der gute Name: durch die jeweiligen Erscheinungsbilder »verlebendigt«,
so z.B. wenn erfolgreiche Firmengründer wie »Hipp«, »Rodenstock« oder »Wirth«
die Güte ihres Namens durch Bilder unter Beweis stellen, die die »Natürlichkeit«, die
(technische) Modert: oder die »Kultiviertheit« des Unternehmens symbolisch kom-
primiert vor die Augen des Werbungsbetrachters führen.
150 | IMAGE. ZUR GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN
nannt!0”, BIZ 1905, 1), tauchen schon wenig später Namen auf, deren metaphorische
Bildlichkeit am Image partizipiert. Die beworbenen Objekte heißen jetzt »Glücks-
klee« (Kondensmilch, BIZ 1929, 36), »Gloria Extrakt« (Kräuterlikör, BIZ 1929, 36),
»Rama« (Margarine, BIZ 1929, 36), »Elfenhaut« (Büstenhalter, BIZ 1937, 18) oder
»Biomalz« (Malzbier, BIZ 1931, 45).
Während negativ konnotierte Namen im symbolischen Universum der Werbung
inzwischen nicht mehr vorkommen, sind neutrale Namen bis in die Gegenwart häufig.
Das ist insofern nicht erstaunlich, als Wörter, die keine konkreten Assoziationen evo-
zieren, die Funktion eines image-identifikatorischen Kürzels durchaus gut überneh-
men können: Die jeweilige Bildsprache muß dann die Bildlichkeit des Namens nicht
berücksichtigen. Dies ist um so entscheidender, als Namen variierende Erscheinungs-
bilder als kontinuierendes Erkennungszeichen integrieren können müssen. IR In jedem
Fall wird auch der neutrale Name unter den Bedingungen moderner Werbung über die
Konstruktion bestimmter Images zu einer guten Adresse, wie sich z.B. an traditions-
reichen Namen wie »BASF«, »BMW«, »Maggi« oder »Porsche« erkennen läßt. Das
(Bild-)Image bildet den gratifizierenden Sinnhorizont, in den der Name gestellt wird,
so daß er dann als solitäre Form stellvertretend für das Image stehen kann.
3.2.7 Die Thematisierung der Marke
Um 1900 kommt das Wort Marke deutlich häufiger in den Anzeigen vor als in allen
späteren Zeitabschnitten bis in die Gegenwart. Obwohl die Marke im Laufe des 20.
Jahrhunderts zu einem »Megathema« (Hellmann 2003) avanciert,!® nimmt die expli-
zite Markierung von Objekten als Marken in der Werbung also ab. Eine Erklärung für
diesen nur scheinbar widersprüchlichen Zusammenhang bietet die Analyse der Ent-
107 Diese Namensschöpfungen halten sich eine gewisse Zeit, werden aber insofern opti-
miert, als die positiven Qualitäten deutlicher herausgestellt werden, so wenn ein Bo-
denputzmittel »Selbstglanz« (ST 1961, 49), eine Möbelpolitur »Seiblank« (ST 1961,
49) oder eine Baby-Pflegeserie »Babyfein« (ST 1963, 6) genannt wird.
108 Diesem Sachverhalt trägt eine Anzeige Rechnung, die zur Feier eines hundertjährigen
Firmenbestehens Schriftzüge des Namens (»BASF«) aus verschiedenen Abschnitten
der Unternehmensgeschichte zeigt, um zu verdeutlichen, daß das Unternehmen im
Wandel der Zeiten (vorgestellt durch die typographischen Erscheinungsformen) eine
stabile, inhaltsorientierte Identität besitzt, für die der Name, gleichsam hinter den Ober-
flächenformen und deren Wandel steht: »100 Jahre im Dienste des Lebens« (BASE ST
1965, 15). Überhaupt werden Produktnamen, ebenso wie viele Slogans, in der Regel
über Jahrzehnte beibehalten. Formulierungen wie »Persil — da weiß man, was man
hat«, »Der weiße Riese — keiner wäscht weißer«, »Rennie räumt den Magen auf« oder
»Esso — Pack den Tiger in den Tank« sind Beispiele dafür.
109 Zu einer Rekonstruktion wesentlicher Begriffsentwicklungen des Markenwesens vgl.
Hellmann 2003, 40-62 und Wadle 1997.
3. Die ENTWICKLUNG VON IMAGE-KOMMUNIKATION IN DER WERBUNG | 151
wicklung von Image als einer Spezialsprache der Werbung, mit deren Entfaltung sich
ein fundamentaler Wandel des Markenverständnisses der Werbung vollzieht:
Um 1900 orientiert sich der Einsatz des Wortes Marke in der Werbung noch stark an
der Tradition des Markenwesens, dessen Ausbildung mit Beginn des Mittelalters einsetzt.
Zwar führt die werbliche Thematisierung der Marke über die Zunftmarke hinaus, indem
sie Herstellermarken und Markenartikel als Bezugsrahmen ansteuert.'! Die Marke ent-
spricht aber noch insofern ganz ihrem historischen Vorläufer, als sie auf der schriftlichen
und emblematischen Kennzeichnung eines Objekts als Marke basiert, d.h. auf dem guten
Ruf, der mit diesem (Marken-)Namen in Verbindung gebracht werden soll. In Anlehnung
an die Zunft- und Meistermarke, deren Inanspruchnahme an voraus liegende Qualitäts-
kontrollen und -tests gekoppelt war,!!! fungieren Markenkennzeichnungen als Gütesie-
gel (vgl. Abb. 40 u. 41). Und nur vor dem Hintergrund der Annahme einer exklusiven
Vergabepraxis von Markennamen, die nur gute Produkte inkludiert, machen Werbungen
Sinn, die sich darauf beschränken, die jeweiligen Produkte als Marken auszuweisen: »Das
Kennzeichen der qualitativ besten und dabei sehr billigen Kakaos, Schokoladen, Kaffees
[...] ist die Marke »Reichardt«.« (Reichardt, BIZ 1902, 40) Die Einführung bzw. Stärkung
eines Gesetzes zum Schutz der Warenbezeichnungen im Jahre 1894 kommt diesem Mar-
kenverständnis entgegen, da Namen jetzt auch als »Schutzmarken« offeriert werden kön-
nen, so als stehe die Marke, etwa technischen Patenten vergleichbar, für bestimmte, einem
Erfinder zurechenbare Errungenschaften, die exklusive Herstellungs- und/oder Verkaufs-
rechte begründen. Auf der Basis solcher Annahmen dramatisieren Anzeigen der Berliner
Illustrierten Zeitung Produkte noch längere Zeit, indem sie z.B. den Kampf gegen angeb-
liche »Nachahmer« und den Kampf um die Urheberrechte der Schutzmarke zum Thema
der Werbung machen, !!? oder indem sie potentielle Konsumenten davor warnen, sich nicht
von schlechten und (daher) illegitimen Imitationen täuschen zu lassen: »Bestehen Sie auf
das Original«; »Ich bitte, auf die Schutzmarke zu achten« (Zwilling, BIZ 1901, 35).
Diese Werbungen sind noch vormodern, weil sie die Marke nur als eine Qualitäts-
unterstellung in die Kommunikation einführen, in dieser selbst aber keinen Beitrag
zur Konstruktion der Marke liefern. Wenn Produkteigenschaften überhaupt ein Thema
der Markenwerbung sind, dann nur im Sinne einer allgemeinen Selbstattestierung ho-
her Qualität und (daher) hoher Akzeptanz bzw. Verbreitung: »Javol. Nicht der Name
110 »Wir liefern jede Markenkamera« (Photo-Porst, BIZ 1929, 36). Herstellermarken und
Markenartikel etablieren sich zur Mitte des 19. Jahrhunderts (vgl. Hellmann a.a.O.).
111 Zu weiteren Funktionen traditioneller Handelsmarken vgl. Hellmann а.а.О.
112 Die Texte üben nicht selten Kritik am »unlauteren Wettbewerb« (Kräuterlikör, BIZ
1905, І). Selbst das Androhen von Gerichtsprozessen kann im Rahmen dieses Marken-
verständnisses zur Werbung werden. Einer Anzeige des Herstellers »Fahnen-Hoffman«
ist noch 1935 zu entnehmen: »Warnung! Wir verfolgen gerichtlich jede Nachahmung
unserer ges. gesch. Autowimpel und Flaggen, deren Flaggentuch mit durchsichtigen
Cell.-Platten abgedeckt und eingefaßt sind.« (Fahnen-Hoffman, BIZ 1935, 10)
152 | IMAGE. ZUR GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN
für irgendwas, sondern das Merkmal von Qualität!« (Javol, BIZ 1920, 49).''? Auch
die Miniatur-Embleme entsprechender Reklamen leisten keine Produktqualifizierung
bzw. Identifizierung, sondern sind im wesentlichen auf die Funktion des (Wieder-)
Erkennungszeichens eingeschränkt. 114
Moderne Marken bilden sich in der Werbung bzw. über die Werbung erst mit deren
Umstellung auf Image-Kommunikation aus, die den Objekten in der Kommunikation
selbst Eigenschaften zuschreibt. Einen ersten Schritt in diese Richtung kann man in der
Anzeige eines Herstellers erkennen, der eine Nähmaschine, eine Schreibmaschine und
ein Fahrrad als »3 Symbole deutschen Gewerbefleißes« bezeichnet, indem er sie bild-
lich in einem Bienenstock positioniert (Seidel&Naumann, BIZ 1909, 18). Neben und
mit dem Markennamen qualifiziert die allegorische Darstellung die beworbenen Objek-
te, wenngleich das schriftlich fixierte Selbstlob noch stark im Vordergrund steht und das
Bild im Sinne eines Images kaum zu überzeugen vermag (vgl. Abb. 42 u. 43). Image-
orientierte Markenarbeit leistet hingegen eine Anzeige von 1927 schon viel mehr, indem
sie eine »feine Gesellschaft, bei einer Feier zeigt, bei der offensichtlich Sekt getrunken
wird. Der Text empfiehlt das beworbene Produkt als passende »Marke« in Situationen
wie der dargestellten (»Söhnlein Rheingold. Seit 1865 die universale Sektmarke für
besondere Feierlichkeiten.« Söhnlein, BIZ 1927, 27). Die Inszenierung von hohem Sta-
tus wird so zum sinnstiftenden Hintergrund, zum Identitätsgenerator des (Marken-)Na-
mens. In den 1930er Jahren tauchen dann Wortschöpfungen auf, die die Konsumenten
als Markennutzer benennen — so werden beispielsweise Männer, die eine Rasiercreme
namens »Peri« benutzen als »Perianer« bezeichnet (»Jeder Perianer bestätigt es Ihnen«;
Peri, BIZ 1933, Г). Und das macht deshalb Sinn, weil dem »Perianer« in der Werbung
selbst ein bestimmtes Image zugewiesen wird, nämlich das des dynamischen, gut ge-
launten und »gut< aussehenden Mannes (»fang froh den Tag mit Peri an!«).
Im Laufe der Zeit wird dann immer deutlicher, daß und inwiefern, d.h. mit welchen
semantischen Programmen (vgl. 3.4.1-3.4.10) die Werbung Marken konstruiert, indem
sie bestimmte, kontinuierende /mages auf einen Namen beziehbar macht. Obwohl das
traditionelle Markenwesen in der Werbung bis heute eine Rolle spielt — man denke nur
z.B. an den Reklameeinsatz zahlreicher Warentest-Gütesiegel!!5 —, kondensiert die mo-
113 »Qualitätsmarke« (Bemberg, BIZ 1926, 23) oder »Adler, erste Marke in Fahrrädern.
Höchste Auszeichnungen — größte Verbreitung« (Adler, BIZ 1899, 27) lauten vergleich-
bare Formulierungen.
114 In der Regel stellen die Bildmarken lediglich eine symbolische Verknüpfung zum be-
worbenen Produkt (dessen Namen) her. So wirbt die Firma »Zwilling« (bis heute) mit
einer entsprechenden Doppel-Figur (Zwilling, BIZ 1901, 35), das Pflanzenfett namens
Palmin wird mit einer stilisierten Palme beworben (BIZ 1905, I) und ein Handwerks-
unternehmen bringt eine Miniaturzeichnung zweier Zimmermannsleute zum Einsatz
(Lohmann, BIZ 1928, 32).
115 Auch die Strategie, den (Marken-)Namen als selbsterklärendes Gütesiegel einzufüh-
ren, wird bis in die Gegenwart tradiert. Eine Formulierung von 1934, »Nur echt mit
3. Die ENTWICKLUNG VON IMAGE-KOMMUNIKATION IN DER WERBUNG | 153
derne Identität der Marke primär im symbolisch generalisierten Kommunikationsmedium
Image. Neben der empirischen Analyse der Werbung selbst gibt das die Ratgeberliteratur
zu erkennen, die den Markenkonstrukteuren unterschiedlicher professioneller Provenienz
mit handlungspraktischen Tips zur Seite stehen will: Der Image-Begriff ist hier (wenn auch
weitgehend nur in Anbindung an den alltäglichen, diffusen Sprachgebrauch) von zentraler
Bedeutung, weil mit ihm — und nicht mit dem Begriff der Marke selbst — erklärt werden
kann, womit Marken gemacht werden.!!® Die werbliche Arbeit an der Marke erfolgt in der
Arbeit am Image, d.h. in einer semantischen Programmierung des jeweiligen Objekts im
Rahmen bestimmter Formen symbolischer Generalisierung, wobei, ganz im Unterschied
zur Marke des alten Typs, das beworbene Objekt keineswegs Ausgangspunkt und Bezugs-
rahmen der Herstellung des (Marken-)Images sein muß. Die zunehmende Formstrenge
der Markenlogos!!7 weg von figurativen Darstellungen wird so funktional erklärbar. Denn
je abstrakter ein Logo ist, desto weniger muß die Image-Arbeit auf den semantischen Ge-
halt desselben Rücksicht nehmen und desto besser können Logos die Semantik der durch
die Werbung programmierten Bildwelt in sich aufnehmen und, wie die bereits erwähnten
Namen, als symbolische Stellvertreter im Falle der Abwesenheit von Bildern fungieren.
Verständlich ist entsprechend, daß der Wandel einzelner Logos geradezu als Tilgungspro-
zeß ihres naturalistischen Abbildungscharakters verläuft. 118
Im Zuge dieser Entwicklungen kann die Werbung zunehmend auf den schriftlichen
Hinweis »Marke« verzichten. Und je mehr Images die Identität der Objekte definieren
und diese voneinander unterscheiden, desto zweckloser, ja geradezu kontraproduktiv
werden derartige Selbstbescheinigungen. Der Rezipient kann und soll die Marke dann
dem Namen Vorwerk« (Vorwerk, BIZ 1934, 5), ließe sich ebenso unauffällig in die ge-
genwärtige Werbung einsetzen wie folgende Texte der 1950er und 1960er Jahre: »Ein
Fingerzeig beim Uhrenkauf: Steht Kienzle drauf?« (Kienzle, ST 1958, 36); »Gute Uh-
ren tragen gute Namen« (Uhrenfachgeschäfte, ST 1960, 45); »Gut gefallen hat er mir
auf den ersten Blick. Aber entscheidend war die Marke Besmer!« (Besmer, ST 1965,
15); »Qualität schuf diese Marke« (Doornkat, ST 1966, 18).
116 Empirische Studien belegen dementsprechend, daß die »Markenloyalität« der Konsu-
menten von den /mages abhängt, die insbesondere von der Werbung gebildet werden
(vgl. z.B. Baldinger/Rubinson 1997).
117 Die Literatur verwendet für die verschiedenen Signets verschiedene Marken-Begriffe.
Unterschieden wird etwa zwischen »Bildmarken« (symbolisches Bild, z.B. ein stilisier-
ter Baum), »Wortmarken« (typographische Ausgestaltung des Namens), »Buchstaben-
marken« (typographische Ausgestaltung einzelner Buchstaben), »Formmarken« (abs-
trakte Zeichen/Symbole), »Kkombinierten Marken« (Kombination der zuvor genannten
Varianten) und den »Systemmarken« (komplexer strukturiertes Zeichen auf der Basis
verschiedener Gestaltungselemente), vgl. Birkigt/Stadler/Funk 2002, 196-199.
118 Ein deutliches Beispiel gibt eine naturalistisch gezeichnete Muschel, mit der die Firma
Shell noch 1902 wirbt — sie wird nach einigen Überarbeitungsschritten zu einer Form,
die kaum noch an ihren Ursprung erinnert. Zu ähnlichen Beispielen vgl. zahlreiche
Abbildungen in Birkigt/Stadler/Funk 2002.
154 | IMAGE. ZUR GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN
vielmehr am Image identifizieren, und dieses muß die Akzeptanzwahrscheinlichkeit
ѕќеірегп.!!9 So kann erklärt werden, daß in der heutigen Werbung der Markenbegriff
stark in den Hintergrund getreten ist und dort nur noch eine Zusatzfunktion zur Stabi-
lisierung etablierter Images übernimmt. 120
r Erste
‚3 Marke
ë in Iah Eege,
Höchste Auszeichnungen! — Grösste Verbreitung.
Adler-Fahrradwerke vorn. Heinrich Kleyer, Frankfurt a. М.
Liebhaber
(09
Ga,
EA
einer schönen behaglichen
Wohnung finden viele An-
rogungen, das eigene Heim
neuzeitlich zu gestalten.
Diese Marken von Ruf und
Namen sprechen zu Ihnen
im Katalog V. Fordom Sie
ihn kostenlos vom
VERBAND FÜR MÖBEL
Indenthren
DEUTSCHER
WERKARBEIT
Hamburg 39, Sierichstr. 58
mit 49 Verkaufsstellen im
Deutschen Reich.
DenHöhepunkt
-erreicht
Drei Marksteine
deutscher ZE
meine sämmflchen
ARTIKEL!
Frachtfreie Lieferung!
Westtfalia-KinderwagenIndustrig
BrunoRichtzenhain Osnabrück EEN
Seidel & Naumann Dresden
40: Adler; BIZ 1899, 27
41: Verband deutsche Wertarbeit; BIZ 1938, 22
42: Seidel & Naumann; BIZ 1907, 9
43: Westfalia; BIZ 1907, 9
119 Man könnte auch sagen: Das Image definiert die »Produktphysiognomie« (vgl. Gries
2006, 13).
120 Dazu paßt, daß gerade die Anbieter, die sich teure Werbung nicht leisten können (z.B.
Nahrungsmittelhersteller im Discountwettbewerb), jenseits der Werbung das besagte
traditionelle Markenverständnis reproduzieren (müssen). So weist sich z.B. der Her-
steller eines billigen, nur regional vertriebenen und nicht beworbenen Bieres auf dem
Flaschenetikett als »Markenbier« aus.
3. Die ENTWICKLUNG VON IMAGE-KOMMUNIKATION IN DER WERBUNG | 155
3.2.8 Die Beziehung von Text und Bild
Die Analyse zeigt, daß die Werbetexte nicht nur typographisch, sondern auch inhalt-
lich und sprachstilistisch auf die Konstruktion von Images eingestellt werden (7
Schon zu der Zeit, als Bilder noch keine Rolle spielen, will die Werbesprache ge-
legentlich mehr leisten als die Vermittlung bloßer Produktinformationen. Zwei Stil-
formen sind neben einfachen Qualitätsunterstellungen (vgl. z.B. Abb. 5, 9, 10, 44,
45) in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts bemerkenswert. Die eine besteht
in einer feinen Sprache, die Höflichkeit, Manieren, gutes Benehmen und damit die
gute Herkunft des Absenders unter Beweis stellen soll. Formulierungen wie »Ich bitte
Sie ergebenst, die Güte meiner wohlfeilen Artikel einer Prüfung zu unterziehen« sind
durchaus zeittypisch. Die andere wird über die Reimform gebildet. Sie kommt nicht
allzu häufig vor und prägt in den meisten Fällen nicht den ganzen Werbetext, sondern
einen eröffnenden!?? oder abschließenden Satz.!?3 Als einfacher Paarreim, der sich in
der Wahrnehmung als prägnante Form durchsetzt, dient er vor allem der Steigerung
von Aufmerksamkeits- und Erinnerungsleistungen bei den Rezipienten und nimmt
insofern eine Funktion des sich später entwickelnden Slogans vorweg. Mit Reimen
kann — vor allem in der Form des längeren Gedichts — das schlichte Selbstlob der
Texte dynamischer und eloquenter zum Ausdruck gebracht werden. !?*
Trotz eines gewissen Mehrwerts leisten aber weder die feine Sprache noch
der Reim eine gezielte Arbeit am Image — es geht mit diesen Sprachformen viel-
mehr um die Einhaltung allgemeiner Konventionen (Höflichkeit) und um eine
Ausschmückung der Sprache, die, ähnlich wie das (typo-)graphische Ornament,
121 Eine andere Funktion der Texte, die im Zuge der Entwicklung von Image-Kommuni-
kation ebenfalls Kontur gewinnt, besteht in der Erhöhung von Aufmerksamkeits- und
Erinnerungsleistungen auf der Rezipientenseite. Auffällige (da unkorrekte) Formulie-
rungen wie »Rama im Blauband doppelt so gut« (BIZ 1929, 36) sind erst in den 1920er
Jahren zu finden und werden in den späteren Jahrzehnten zu einem breiten Feld origi-
neller Wortschöpfungen und Formulierungen ausgebaut, so z.B. »Tasse Gesundheit«
(Kathreiner, BIZ 1935, 10); »Schnellweg zur glatten Rasur« (Remington, ST 1960, 45);
»Stromform heißt Sparform« (Taunus, ST 1960, 45); »Gut gefleuropt ist halb geküßt.
Fleuropen Sie mal!« (Fleurop, ST 1968, 27), »Mehrwertstreuer« (Hostalen, ST 1970,
38).
122 »Das Herrchen hat Geburtstag heut, wir bringen was ihn hoch erfreut« (Austria/Ziga-
retten, BIZ 1930, 40).
123 »Überblickst Du die Systeme schärfer, wählst Du bestimmt die Blickensderfer« (Bli-
ckensderfer, BIZ 1907, 9), »Reise glücklich und froh — mit dem Reisebüro!« (Reisebü-
ro, BIZ 1937, 18), »Es spricht sich rund von Mund zu Mund/Diplona macht das Haar
gesund.« (Diplona, ST 1951, 5)
124 »Ob »Vollmilch«, »Bitter< oder »Nuß«...Waldbaur Vollmilch stets ein herrlicher Genuß«
(Waldbaur, ST 1951, 5), »Modisch und bequem dazu ist der Dorndorf Herrenschuh«
(Dorndorf, ST 1959, 40).
156 | IMAGE. ZUR GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN
nicht zur Charakterisierung der jeweils beworbenen Objekte genutzt wird, son-
dern die nüchternen Informationen durch Reim und Rhythmus in ein gefälligeres
Leseschema bringt.
Verschiedene Entwicklungen gehen nun darüber hinaus und stellen den Text in
unterschiedlicher Weise auf den Image-Wert der Bilder ein. Einer der ersten Schritte
besteht darin, daß Überschriften und größer gedruckte Schriftelemente weder für eine
»interaktive<« Kundenansprache (»Interessieren Sie sich...?«) noch für die Mitteilung
einer Produktinformation (»Kostengünstige Fahrräder!«), sondern für einen Kom-
munikationseinstieg< in Bezug auf die Bilder und deren (Image-)Atmosphäre genutzt
werden. Wenn das Motiv »Mutter und Kind in Blumenwiese<« mit den Worten kom-
mentiert wird: »Sommerblumen und Sommerkleider sind fast in gleicher Weise der
wunderbare Ausdruck der wunderbaren Farbenfülle der Natur« (Zux, BIZ 1927, 27;
vgl. Abb. 46), ist das ein solcher Fall, der sich in seiner Zeit noch deutlich von anderen
Werbungen unterscheidet. Der Text spielt hier auf die gezeigte Idylle an, markiert die
Darstellung als Ausgangspunkt der Mitteilung und rückt die Attribute (Natürlichkeit,
Frische usw.) als Identitätswerte des Objektes in den Mittelpunkt der Betrachtung. 125
Sichtbar wird dabei eine zunehmende Umkehrung der Leserichtung. Sie setzt voraus,
daß die Bilder zuerst rezipiert werden und als zentraler Bezugsrahmen der Kommu-
nikation fungieren. Anzeigen wie diejenige, die 1935 das Photo einer verregneten
Straße mit dem Text überschreibt: »Jetzt Leokrem mit Sonnen-Vitamin! ...damit die
Haut nicht rauh und rissig wird! (Leokrem, BIZ 1935, 10; vgl. Abb. 47), stehen inso-
fern für einen völlig neuartigen Umgang mit der Beziehung von Bild und Schrift. Daß
diese Beziehung neu strukturiert werden muß, zeigt sich an einer neuen Unübersicht-
lichkeit solcher Werbungsanzeigen, die während einer Übergangszeit die eindeutige
Steuerung der Leserichtung vermissen lassen und dadurch das schnelle Verstehen der
Anzeigen verunmöglichen.
Ein weiteres Symptom dieses Wandels ist die vorübergehende Funktionalisierung des
Textes als Instrument der Bildbeschreibung und -erklärung. Während das Verstehen der
jeweiligen Bildmotive in späteren Anzeigen vorausgesetzt wird, versehen die frühen Wer-
bungstexte selbst einfach zu lesende Darstellungen häufig mit deskriptiven und/oder inter-
pretativen Verstehensanweisungen, so als müsse der Sujetcharakter des Bildes schriftlich
fixiert werden. Bezeichnenderweise kommen vor allem am Anfang der Entwicklung, aber
auch noch bis in die 1950er Jahre, neben überdeutlichen Körperausdrücken der Darsteller
solche Hinweise im Text vor, die den kausalen Hintergrund derselben erläutern. Die Wer-
125 Eine ähnliche, bildbezogene Eröffnung konstruiert ein Werbetext zu einem Bild, das
eine Frau und ein Kind am Strand zeigt: »Sonne, Wasser, weicher Strand... Sie haben
den Wunsch, sich am Strande zu bewegen, gnädige Frau. Sie wollen sich an Ballspielen
und ähnlichen Vergnügungen der Badegäste beteiligen und einen ungetrübten ästheti-
schen Eindruck bieten. Haben Sie schon daran gedacht, wie sehr überflüssige Härchen
an den Armen und Beinen Ihre Anmut beeinträchtigen? Verlassen Sie sich auf Dulmin«
(Dulmin, BIZ 1927, 27).
3. Die ENTWICKLUNG VON IMAGE-KOMMUNIKATION IN DER WERBUNG | 157
bung muß also erst lernen, eine präzise symbolische Verweisungsstruktur in den Mitteilun-
gen herzustellen, und sie muß das Vertrauen in das rezeptive Funktionieren dieser Struktur
erst ausbilden. Symptomatisch hierfür sind Inszenierungen, die sich bemühen, die Gestik
und Mimik der Darsteller als eine kausale Folge der Produktqualität erscheinen zu lassen,
indem sie diese Beziehung betont stilisieren und durch entsprechende Kommentare des
Textes absichern. Ja nicht nur die konsumtive Kausalbeziehung zum Glück, sondern auch
der mimische Ausdruck selbst muß offenkundig schriftlich definiert werden. Werbungen
wie diejenige für den »Kasseler-Hafer-Kakao«, die das Bild einer lächelnden Mutter mit
ihrem Kleinkind mit der überflüssigen Verstehensanweisung »Zwei Glückliche« komplet-
tiert, sind in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts durchaus üblich (BZZ 1935, 10; vgl.
Abb. 48). Auch komplexere Darstellungen werden von Bildbeschreibungen kommentiert,
die das offenkundig Sichtbare verschriftlichen: »Ein Akrobat probt in der Zirkuskuppel
seine neue waghalsige Nummer. Unwillkürlich greift der gespannt zusehende Kollege
nach seiner Ova, um seine Nervosität zu dämpfen. Gerade dann zeigt sich der beruhigende
Wert der milden, reinen Orienttabake einer guten Zigarette.« (Ova, BIZ 1933, 1) Hier wie
in anderen Fällen bemüht sich der Text zudem um die Erklärung von Kausalzusammen-
hängen im Kontext der Produktnutzung. Während spätere Texte das Verstehen derselben
unterstellen und sich von dort aus auf die Inszenierungen beziehen, heißt es z.B. zu dem
Photo einer lächelnden Frau noch: »Ich heiße Katinka, und alle mögen mich gern, weil ich
immer gut gelaunt bin. Das liegt an meiner Ausgeglichenheit, denn ich fühle mich frisch
und froh, seit ich morgens Andrews trinke.« (Andrews, ST 1956, 27; vgl. zu einer ähnli-
chen Anzeige Abb. 49) Aufschlußreich sind in diesem Zusammenhang auch die ersten
Kampagnen einer inzwischen auf Dauer gestellten (Image-)Strategie, die darin besteht,
weibliche Filmstars und deren gutes Image in der Kosmetikreklame einzusetzen. Der Vor-
bildcharakter der Stars wird hier nämlich noch als solcher betont bzw. erklärt. Zu einem
entsprechenden Portrait heißt es: »Diesen Rat gibt Ihnen ein bewunderter Filmstar — eine
schöne Frau, die Luxor als Grundlage ihrer Schönheitspflege benutzt. Zum Reinigen Ihrer
Haut – zur Pflege Ihres Teints sollten auch Sie täglich die reine, weiße Luxor Toiletteseife
verwenden, so wie Bruni Löbel es tut.« (Luxor, ST 1951, 5) Nicht nur die Tatsache, daß der
Star »bewundert« wird, sondern auch die Nachahmungsmöglichkeit des Rezipienten wird
also im Text expliziert (»so wie Bruni Löbel es tut«).
Die wohl wichtigste und bis in die Gegenwart anhaltende Anpassungsleistung des
Textes an die Image-Kommunikationen der Werbung besteht darin, die Sprache über
den Stil und die Themenfokussierung auf die jeweiligen Bilder und deren Image-Sinn
einzustellen. Das läßt sich schon an den Inszenierungen von hohem Status beobach-
ten, die einen thematischen Schwerpunkt der frühen Image-Werbung bilden und als
Bild-Text-Kombinationen über die erwähnte Feinheit der Sprache hinausreichen, in-
dem sie Exklusivität als bildlich konkretisierte Eigenschaft erscheinen lassen. Daß in
Bezugnahme auf Bilder eines vornehmen, gehobenen Lebensstils der bislang latent
gehaltene Distinktionswert der feinen Sprache in präzisierter Weise in den Vorder-
grund gestellt werden kann, verdeutlicht exemplarisch der Werbetext einer Anzeige,
der sich auf ein Bild einstellt, das eine feine, modisch elegant gekleidete Kosmopo-
158 | IMAGE. ZUR GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN
litin zeigt. Im Gleichklang zur Darstellung eines feinen Lebensstils formuliert der
Text: »Die Schattenseite des Reisens wird mit Licht überstrahlt, wenn das belebende,
köstlich-erfrischende »Kölnisch Wasser Lavendel-Orangen« in letzter Vollkommen-
heit zum Begleiter erwählt ist.« (Jünger& Gebhardt; BIZ 1920, 49; vgl. Abb. 75)!26
Im Zuge der Bildorientierung der Sprache entwickelt sich zudem eine Reklame-
Poesie, die, ähnlich wie zuvor die moderne Lyrik, nicht mehr durch den Reim, sondern
von einer offeneren Struktur bestimmt wird, die Wörter, Wortfolgen und Sätze assozia-
tiv ordnet, wobei (im Unterschied zur Kunstform der Lyrik) die Assoziationsmechanik
auf die (Bild-)Images bezogen ist, auf diese angewiesen bleibt und für diese spezifiziert
wird.!?7 So stellt ein Werbetext dem Photo eines Rücken an Rücken stehenden Paares
(sie mit Küchenschürze, er mit zwei Aperitif-Gläsern in der Hand) Stichwörter für ein
assoziierbares Skript zur Seite, das das bildlich dargestellte Image weiter ausmalen soll:
»so gefällt uns das Leben // delikate Gerichte // pikant gewürzt // mit Liebe gekocht //
nach Rezepten aus aller Welt // und vorher Cinzano // diesmal Cinzano Dry // am besten
pur // eisgekühlt // trocken, herbe, anregend // wohl bekomm’s // a votre santé // cin-
cin!« (Cinzano, ST 1962, 1). Derartige Texte, in denen die Grammatik, die Interpunktion
oder auch der Sinn der Wörter der Bildhaftigkeit, dem Rhythmus und dem Klang der
Sprache untergeordnet sind, werden in den 1960er Jahren gewöhnlich. !?8
Neben und mit der Poesie stellt sich die Sprache auf die (Bild-)Images ein, indem
sie die Persönlichkeit der beworbenen Objekte mit Formen der Ironie, des Humors, der
Nüchternheit usw. stützt. Auch (image-Jadäquate Soziolekte bzw. gruppenspezifische
Vokabularien werden auf die Image-Arbeit eingestellt. Mit den verschiedenen stilisti-
schen Mitteln kann der Text eine Tiefe ins Spiel bringen, die am Bild-Image ansetzt und
dieses um passende Facetten ergänzt. Dazu gehört die Option, die Oberflächlichkeit der
Bilder im Text kritisierend zu durchstoßen und so ein Gesamtimage für das Objekt zu
126 Einige Jahre später bedient sich ein konkurrierender Hersteller einer ganz ähnlichen
Strategie. Indem das Bild einen enen: »Mohren« im Gespräch mit einer »feinen
Dame: abbildet, tritt zu dem Image-Wert »hoher Stats, der der Exotik hinzu. Der Text
bemüht sich folgendermaßen um einen »kultivierten« Stil: »So habe ich die ganze Welt
durchstreifet und immer den train de vie des grands seigneurs geführet. Sehet diese
Truhen, sie beherberget mancherley Kostbarkeit, als denn mögen meine Diener sie
euer Gnaden präsentieren, damit Ihr aus den Schätzen der großen Städte nach Gefal-
len wählet. Aber das Herrlichste, so ein wohlbereister Mann erkiset, bringe ich selber,
schönste Fraue, Euch heute dar. Hier nehmet das erfrischend und belebend Wässerlein
aus Köllen, destillieret beym trefflichen Herrn Johann Marina Farina.« (Johannes Ma-
rina Farina, BIZ 1927, 27)
127 Man stelle sich zur Verdeutlichung der fehlenden Textautonomie den im folgenden
zitierten Werbetext als einzigen Anzeigeninhalt vor.
128 Synästhetische Formulierungen wie die für einen Schnaps, »Schmeckt nach Sommer,
Sonne und Urlaub« (Dornkaat, ST 1968, 27) oder die für einen Orangensaft »In Cappy
geht die Sonne auf« (Cappy, ST 1970, 38), sind Beispiele einer neuartigen Bildhaftig-
keit der Sprache, die sich der Mißachtung sprachlicher Konventionen verdankt.
3. Die ENTWICKLUNG VON IMAGE-KOMMUNIKATION IN DER WERBUNG | 159
konstituieren, das aus der Einheit von Text-Image und Bild-Image besteht. So zeigt z.B.
eine Anzeige für ein Schlankheitsmittel auf einem Fünftel der Fläche die Photographie
einer schlanken Frau im Bikini und bedruckt den Großteil der Anzeige mit schlicht
gestalteten Textblöcken, in denen Schlankheit ausschließlich als Bedingung und Garan-
tie von Gesundheit thematisiert wird. Während das Bild unmißverständlich (Körper-)
Schönheit und Jugendlichkeit als Positivwerte auf das Produkt und dessen Image be-
zieht, bringt der Inhalt des Textes und dessen Erscheinungsbild (sachliche Typographie)
Werte wie Seriosität und Rationalität ins Spiel.!??
Schönbeit ым
zartes, reines Geficht, Мепдепд jihöner ass 1С
Teint, rofiges jugendfriiches Ausjehen
z f, md ke ` bo, Age H d ateit d Gautausidhlä: mi
fammetweide Haut, weige Hände, in furzer тар һа: Жо (аде ie Mi
ейт A КИБ ЕШ
Sn бтётпе Benzoë. ZC
eier, Finnen, Gefichtspicel, Башга, Ein ма.
а көе fiede, Das "мнен" АУ Haarausjall
сэ
Steckenpferd- „Teerschwetel- Seite
bar RR Sommerjproiien
Hein echt mit der Schutimarke „Stectenpferd#
gelbe Dant unzeln, x Hautureinige won йиз Zei, Va A DES 50р18. ета en,
teiten, Dofe ME. 2,— (fr. 2,50) пер wijjenz
Ichaftlich.
маце Die Schönbeitspflege.
Tanjende Anerfennungen. Erfolg garant.
0 t to Rei h е Gg Ce
Sommerblumen
und Sommerkleider
Auer:
es sich zur Gewehnbeit, Ihre
Weider Sech nach dem Tragen zu waschen,
wei der Schweiß den Geweben гше und
sie есд macht.
Normal- Paket zu 50 Pig.
Doppelzreßies Paket zu 90 Pig.
SEIFENFLOCKEN
` Sunlicht Gesellschaft AC Mannheim-Rheinou
44: Reichel; BIZ 1902, 40
45: Steckenpferd; BIZ 1909, 18
46: Lux; BIZ 1927, 27
129 Vgl. Vitolan, ST 1956, 27.
160 | IMAGE. ZUR GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN
ені Leokrem mit Sonnen- Vitamin г |
. damit die Haut nicht rauh und
Zwei Glückliche!
Erhalten auch Sie fich fo gefund
Durch täglichen Genuß von
Kasseler Safer akao
Er bildet Blut, ftärkt Muskeln und Knochenbau!
Nur echt in blauen Schachteln зи 90 Pfennig, niemals lofet cine echte Player’s
47: Leokrem; BIZ 1935, 10
48: Kasseler Hafer-Kakao; BIZ 1935, 10
49: Player’s; ST 1954, 18
3. Die ENTWICKLUNG VON IMAGE-KOMMUNIKATION IN DER WERBUNG |161
3.3 Werbung und das System der Massenmedien
Die empirische Analyse der Anzeigengestaltung verdeutlicht, daß die Werbung bis
zum Ende der 1950er Jahre auf die Kommunikation von Bildern umstellt und dabei
ein komplexes Instrumentarium der spezifischen Beschreibung und Qualifizierung
sozialer Objekte gewinnt.!3 Mit der Erschließung der Bildlichkeit wechselt die Wer-
bung also nicht einfach ihre Darstellungsformen. Der Wandel des Wie des Werbens
geht vielmehr mit einem Wandel des Was des Beworbenen und einem Wandel des
Wozu der Werbung einher. Die Arbeit an ihren Formen ist also eine Arbeit an Inhal-
ten. Anschaulich wird dieser Sachverhalt im Blick auf die semantisch differenzierten
Identitäten, die in den spezifischen Bildlichkeiten der Werbung als Images kondensie-
ren. Vor deren Beschreibung (vgl. 3.4) kann jedoch bereits die Frage erörtert werden,
inwiefern sich der Strukturwandel in Richtung Bildlichkeit und die damit einherge-
hende Regelgeleitetheit der Werbungskommunikation systemtheoretisch genauer fas-
sen lassen.
Diesbezügliche Überlegungen setzen sinnvollerweise mit dem Hinweis auf sol-
che empirische Sachverhalte ein, die der These von der Werbung als Bereich eines
Funktionssystems auf den ersten Blick zu widersprechen scheinen. Denn obgleich
die (Bild-)Kommunikationen der Werbung höchst eigensinnige Gebilde darstellen,
die sich z.B. von anderen Bildgattungen mühelos unterscheiden lassen, 3! ist an-
dererseits nicht zu übersehen, daß der in diesen Gebilden (re-)produzierte Sinn im
wesentlichen keine Erfindung der Werbung ist. Untersucht man die Werbungsinsze-
nierungen z.B. mit einem wissenssoziologischen Instrumentarium (wie z.B. der
Goffman’schen Rahmenanalyse), lassen sich vielmehr verschiedene Wissenstypen
(u.a. Ritual-, Stil- und Symbolwissen) klassifizieren und zueinander in Beziehung
setzen, die als Alltagswissen jede Inszenierung fundieren und als solches dem Re-
zipienten verständlich machen, was in der jeweiligen Werbung vor sich geht. Von
grundlegender Bedeutung ist z.B. ein Rahmenwissen, das alltägliche Vorstellungen
von Kausalität!3? von Zeitlichkeit oder solche Vorstellungen beinhaltet, die die un-
130 Daß sich in der US-amerikanischen Werbung im selben Zeitraum ein analoger Struk-
turwandel in Richtung Bildlichkeit vollzieht, kann man den zahlreichen Bildbeispielen
entnehmen, die sich in Goodrum/Dalryple 1990 finden.
131 Daß bereits Kinder in jungen Jahren über eine Urteilskraft verfügen, mit der sie Wer-
bung als solche identifizieren (d.h. unterscheiden) können, zeigen verschiedene empi-
rische Studien (vgl. z.B. Kommer 1996; Aufenanger 1997; Baacke/Sander/Vollbrecht/
Kommer 1999).
132 Solche Vorstellungen kommen insbesondere in Skripts zur Geltung, also dann, wenn
(wie z.B. in Spots) ein Ereignis seinen Sinn nur über die Einbezugnahme des jeweils
fortlaufenden Geschehens gewinnen kann. Das Vorhandensein eines entsprechenden
Zuordnungsvermögens auf der Rezipientenseite wird in solchen Fällen immer voraus-
gesetzt.
162 | IMAGE. ZUR GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN
belebte (physikalische) Natur von den Lebewesen (insbesondere den Menschen)
unterscheiden und jeweils spezifizieren. Basales Alltagswissen ist zudem relevant,
wenn Vorstellungen vom Menschsein, von Menschen und Menschlichkeit impliziert
sind — und das ist in den meisten Werbungen offenkundig der Fall. Die (Stereo-)Ty-
pisierungen der Altersklassen, der Geschlechter, der Ethnien, der Landsmannschaf-
ten, der Erotik usw. sind prägnante Beispiele, die auf entsprechende Alltagstheorien
hinweisen. Auch Thematisierungen von Religion, (Schicht-)Status, Natur und Na-
türlichkeit, Technik oder von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft erfolgen in
starker Anlehnung an Sinnbestände, die die Werbung der sie umgebenden Kultur
entnimmt.'33 Nicht zuletzt gilt dies für die neuesten Trends, die jüngsten Moden
und den jeweils aktuellen Wertewandel.
Die Werbung ist also vielfältig kosmologisch fundiert und tendiert zur Zeleb-
rierung existierender symbolischer (Grund-)Ordnungen, die sie als Unterbau und
bewegenden Inhalt ihrer Inszenierungen benötigt und verarbeitet. Das zeigt sich
nicht zuletzt in diachroner Perspektive: Bei allem Wandel läßt sich ein Kontinu-
ieren von Themen — haben sie erst einmal das Licht der Werbungswelt erblickt —
nicht übersehen. Gerade im Bereich der besagten Kosmologie ist ein Tradieren von
Rahmen, Ritualen, Zeremonien und Stilisierungen neben einer Feindifferenzierung
der Gestaltung zu Zwecken der Adressierung unterschiedlicher Zielgruppen fest-
zustellen.!3* Die Kultur der Werbung ist fraglos weitgehend Publikumskultur. Eine
Formulierung Luhmanns, die die Diagnose eines autonomen Funktionssystems der
Massenmedien bezweifelt, läßt sich daher auch und gerade auf den Systembereich
der Werbung beziehen:
Gegen die Annahme eines eigenständigen Funktionssystems könnte sprechen, daß die Mas-
senmedien dicht mit der Kommunikation ihrer gesellschaftlichen Umwelt verbunden sind;
und mehr noch: daß gerade darin ihre gesellschaftliche Funktion liegt. Sie rechnen damit, daß
im Anschluß an die Veröffentlichung auch außerhalb der Medien über die entsprechenden
Themen kommuniziert wird; ja daß diese Möglichkeit zur Teilnahme an der Medienkommu-
nikation geradezu zwingt und damit die Gesellschaft der Selbstbeobachtung durch Medien
aussetzt. Und auch auf der Inputseite ist die Vernetzung dicht und unentbehrlich; denn wie
133 Zu einer ausführlichen Analyse zentraler Identitätstypen und Themen im Blick auf die
Jüngere Werbung vgl. Willems/Kautt 2003.
134 Dies zeigt sich auch an der Werbung für Jugendliche, die bekanntermaßen besonders
kritisch zur Werbung eingestellt sind. Hier versucht die Werbung schon länger, die
Verschiedenheit subkultureller Stile (Sprache, Mode usw.) und Werthaltungen zu be-
rücksichtigen und in ihren Inszenierungen gleichsam mimetisch nachzubilden — und
das setzt eine Analyse der Kultur lebenswirklicher Jugendlicher (z.B. durch »Trends-
couts«) voraus.
3. Die ENTWICKLUNG VON IMAGE-KOMMUNIKATION IN DER WERBUNG |163
sollten die Medien für ihre Berichte Glaubwürdigkeit und Authentizität gewinnen können,
wenn sie die Information nicht aus der gesellschaftlichen Kommunikation bezögen — mögen
dies recherchierte Sachverhalte, Indiskretionen, offizielle Pressemitteilungen oder was sonst
noch sein. (Luhmann 1997, 1103)135
Auch für die Werbung ist eine dichte wechselseitige »Vernetzung« von System und
Umwelt entscheidend: Während sie sich z.B. an den (Sub-)Kulturen der Publika
orientiert, beobachten letztere ihrerseits die diversen und massenhaft verbreiteten
Aufführungen der Werbung und eben dies kann bei der Herstellung weiterer Image-
Kommunikationen vorausgesetzt werden. Man kann die Werbung insofern als ein
»kulturelles Forum« (Newcomb/Hirsch 1986) verstehen, das sich in wechselseitiger
Beeinflussung von Produktion und Rezeption entwickelt.!36
135 Hier wie auch an anderen Textstellen geht Luhmann von der Publikumsorientiertheit
als einer zentralen Eigenschaft der Massenmedien aus und stellt z.B. fest, daß man
in allen Bereichen der Massenmedien eine »rekursive Vernetzung mit dem feststellen
(kann), was als moralische Überzeugung und als typische Präferenzen des Publikums
unterstellt wird.« (1997, 52) Daß Luhmann die empirische Tatsache dieser »Vernet-
zung« sehr klar im Blick hat, sieht man u.a. daran, daß er bereits den Buchdruck — und
nicht etwa erst die modernen (elektronischen) Verbreitungsmedien — für ein entschei-
dendes Moment der Entstehung einer rezipientenorientierten Produktion des Systems
der Massenmedien hält (vgl. 1997, 292).
136 Das gilt um so mehr, als dieses Konzept nicht von einer direkten Kopie gesellschaft-
licher Verhältnisse durch das kulturelle Forum, sondern von einer gewissen Eigenge-
setzlichkeit desselben ausgeht. Newcomb/Hirsch beschreiben die Massenmedien als
»eine Art Niemandsland«, »in dem man sich weder ganz außerhalb der Gesellschaft
noch wirklich innerhalb ihrer Grenzen befindet, einen Freiraum, in dem Regeln strapa-
ziert oder gar gebrochen werden können, in dem sich Rollen umkehren und Kategorien
umstoßen lassen.« (Newcomb/Hirsch 1986, 180) Die Massenmedien werden dabei als
Bühnen von (Gegenwarts-)Kultur interpretiert, auf denen Freiräume genutzt werden,
um Wiederholungen des Bekannten ebenso wie Variationen, Modulationen und Grenz-
überschreitungen von Kultur in der Kultur anzubieten und um zu testen, was »geht«
und was »nicht geht: Entsprechend will das Konzept des kulturellen Forums nicht nur
herausarbeiten, »wie die herrschenden Werte unterstützt« werden, sondern auch, wie
die Massenmedien »zum Wandel beitragen« (ebd., 189). In ganz ähnlicher Weise inter-
pretiert Luhmann das System der Massenmedien, wenn er feststellt, daß die Produktion
der Massenmedien »nicht auf einer quasi-feudalen Klassenstruktur, sondern auf einer
Rollenkomplementarität von Arrangeuren und sektorial interessierten Mitgliedern des
Publikums« beruht (Luhmann 1996, 128). Daß mit der Rollenkomplementarität von
Anbietern und Publikum bereits im 19. Jahrhundert eine »Fraktionierung der Suggesti-
оп von Bedeutung« einsetzt, die die »Illusion einer durchgehenden Überlegenheit bzw.
Unterlegenheit von Teilen der Bevölkerung« zerstört (ebd.), zeichnet sich im Bereich
der visuellen Kultur wie geschildert bereits mit der kommerziellen Photographie des
19. Jahrhunderts ab (vgl. 2.2.1).
164 | IMAGE. ZUR GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN
Die Feststellung einer dezidierten Publikumsorientierung ist jedoch kein Gegen-
argument zur These einer sehr spezifischen Operationsweise der Werbung. Eher ist es
umgekehrt: Wie schon die empirische Analyse zeigt, gewinnt die Werbung erst mit
ihrer spezifischen Selektivität eine weitreichende Freiheit in Sachen Themenwahl und
Darstellungsformen, so daß es zu einer vielfältigen Kultur: der Werbung kommt, die
sich auf die (Alltags-)Kultur beziehen wie zugleich eine eigene, für sie charakteristi-
sche symbolische Ordnung herstellen kann. !?7 Angesichts der Eigenständigkeit dieser
Ordnung und den damit zusammenhängenden Bezugsproblemen stellt sich die Frage,
ob man die Werbung überhaupt als ein Bereich des Systems der Massenmedien ver-
stehen kann oder ob man in ihr nicht eher ein eigenes Funktionssystem sehen sollte.
Ähnliches gilt offenkundig für die Unterhaltung und die Nachrichten. Es erstaunt je-
denfalls nicht, daß Luhmann bemerkt, daß es nicht leicht falle, »die These der Einheit
eines Systems der Massenmedien zu akzeptieren, das auf drei so verschiedenen Säu-
len beruht, wie es Nachrichten/Berichte, Werbung und Unterhaltung sind.« (Luhmann
1996, 119) Die Möglichkeit, die einzelnen Bereiche des Systems als eigenständige
Funktionssysteme aufzufassen, wird von Luhmann entsprechend etwas zurückhaltend
abgewiesen: »Wir können wohl ausschließen, daß die genannten Programmbereiche
jeweils eigene, operativ geschlossene (!) Funktionssysteme bilden.« (1996, 126) Mit
welchen Argumenten dieser Ausschluß erfolgt, wird dabei nur indirekt gezeigt, näm-
lich über diejenigen Argumente, die für die Beschreibung eines Systems optieren, das
die genannten Bereiche einschließt. Das zentrale Argument besteht darin, daß es mit
den Verbreitungsmedien in der Gesellschaft zur Ausdifferenzierung eines Bereichs
kommt, dem die Herstellung stabiler Objekte nicht nur für die eigenen Anschlußkom-
munikationen dient,!3® sondern dessen Funktion darin besteht, der Gesellschaft einen
Horizont solcher Objekte dauerhaft verfügbar zu machen:
Insgesamt dürfte aber der Beitrag aller drei Formen massenmedialer Kommunikation [...]
darin liegen, und darin kommen sie dann überein, Voraussetzungen für weitere Kommunika-
tion zu schaffen, die nicht eigens mitkommuniziert werden müssen. |...] Die gesellschaftliche
Funktion der Massenmedien findet man deshalb nicht in der Gesamtheit der jeweils aktua-
lisierten Informationen (also nicht auf der positiv bewerteten Seite ihres Codes), sondern in
dem dadurch erzeugten Gedächtnis. (Luhmann 1996, 120)
137 Man denke nur an die seit etwa dem Ende der 1980er Jahre üblich gewordene The-
matisierung gesellschaftsrelevanter Probleme (Krieg, Krankheit, soziale Ungleichheit
usw.), die keineswegs nur bei der Reklame für Objekte eine Rolle spielt, die diese The-
men nahelegen — also nicht nur bei der Imagekonstruktion für Kirchen, Wohlfahrtsver-
bände oder politische Parteien, sondern auch für Textil-, Nahrungsmittel- oder Sportar-
tikelhersteller.
138 Jedes System bzw. jeder symbolisch generalisierte Kommunikationszusammenhang
muß stabile Objekte und ein darauf bezogenes (System-)Gedächtnis entwickeln, um
Kommunikationen reproduzieren zu können.
3. Die ENTWICKLUNG von IMAGE-KOMMUNIKATION IN DER WERBUNG | 165
Eine Darstellung, die in Bezug auf die Kommunikations- und Verbreitungsmedien
die Ausdifferenzierung je eigener Systeme für die Bereiche Unterhaltung, Werbung
und Nachrichten bzw. Berichte beschriebe, ließe — wie deren Zuordnung zu anderen
Systemen — »die Eigendynamik« und den »»konstruktivistischen Effekt«« (ebd., 127)
der Massenmedien unberücksichtigt, der eben in der Herstellung eines Gedächtnisses
im Sinne einer »Hintergrundrealität« besteht, die in den verschiedensten Kontexten
der Gesellschaft zur Verfügung steht und als solche auf die Selektivität des Systems
und seiner Bereiche zurückwirkt.!3°
Wie läßt sich nun die Operationsweise der Werbung systemtheoretisch genauer fassen,
wenn man sie als ein Bereich des Systems der Massenmedien versteht? Im Anschluß an
und in Übereinstimmung mit Luhmanns Konzept der Massenmedien kann man zunächst
feststellen, daß auch die Werbung mit Informationen arbeitet. Auch im Falle der Werbung
geht es um die Konstruktion von Eigenwerten (Objekten), die die Herstellung von Neu-
heit (Information) ebenso ermöglicht wie die Reproduktion des Bekannten (Redundanz,
Nichtinformation). Die oben dargestellten Bezugsprobleme der Image-Kommunikation
sind insofern Spezifikationen des weitreichenden Problems der Anonymisierung sozialer
Redundanz unter den Bedingungen der Verbreitungsmedien, auf welches das System der
Massenmedien eingestellt ist. Dessen Selektionstypik wirkt auf einer allgemeinen Ebene
der Wahrscheinlichkeit entgegen, daß die jeweiligen Mitteilungen als Nichtinformatio-
nen behandelt werden. Die systematische Bearbeitung dieses Problems durch ein eigenes
Funktionssystem ist um so dringlicher, als mit den technischen Bildmedien die anonymen
Kommunikationsräume erheblich expandieren und in eben diesen Räumen die verschie-
densten sichtbaren Objekte kondensieren, die unter dem Gesichtspunkt ihres Informati-
onswertes angenommen oder abgelehnt werden können.
Dieser Ausgangspunkt macht die Beschreibung der Werbung als einen Bereich
der Massenmedien unter anderen plausibel. Damit stellt sich aber die Frage, inwie-
fern die Werbung als ein Teilbereich des Systems in spezifischer Weise Information/
Nichtinformation unterscheidet und anhand welcher Kriterien die Zuordnung der
beiden Codewerte erfolgt. Die Luhmann’sche Beschreibung von Präferenzen der
Werbung für bestimmte Themen und Darstellungsformen liefert hierfür lediglich
Anhaltspunkte. In Bezug auf die Darstellungsformen geht Luhmann davon aus, daß
die Werbung »mit psychologisch komplexer eingreifenden Mitteln« (ebd., 86)1*
139 Einem Hinweis Dirk Baeckers auf diesen Sachverhalt verdanke ich die Entscheidung,
die genealogische Beschreibung von Image-Kommunikation trotz ihrer grundlegenden
Bezugnahme auf Folgeeffekte der technischen Bildmedien als Kommunikations- und
Verbreitungsmedien nicht in die Beschreibung eines eigenen Funktionssystems (Wer-
bung), sondern in eine Spezifikation des Luhmann’schen Konzepts der Massenmedien
münden zu lassen.
140 Insofern knüpft Luhmann (allerdings ohne derartige Bezüge selbst herzustellen) an die
Tradition der Rede von der Werbung als den »geheimen Verführern« (»Hidden Persu-
aders«, vgl. Packard 1954) an: »Mehr und mehr Werbung beruht heute darauf, daß die
166 | IMAGE. ZUR GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN
wirbt, worunter er neben der Strategie der »Vereinnahmung des Gegenmotivs«'!®!
insbesondere das Prinzip der »schönen Form« und der »Opakisierung« faßt: »Gute
Form vernichtet Information. Sie erscheint als durch sich selbst determiniert, als
nicht weiter klärungsbedürftig, als unmittelbar einleuchtend.« (Ebd., 87) Die Mög-
lichkeit des Verzichts auf Information im Sinne sprachbasierter Aussagen - also die
Möglichkeit, die »zur Kritik neigende kognitive Sphäre« zu umgehen, wird dem-
nach wesentlich über »Ästhetisierung«, über »schöne Formen« hergestellt. Diese
Überlegung ist hilfreich, um auf folgenreiche strukturelle Unterschiede zwischen
Bild und Text hinzuweisen,!*? kann aber darüber hinaus kaum als Klammer der
Beschreibung der Werbungsinszenierungen fungieren. Es ist schon im Blick auf
die Vielfalt der angebotenen Designs kaum zu übersehen, daß völlig unterschied-
liche »Formen« existieren, die jeweils in völlig unterschiedlicher Weise für sich in
Anspruch nehmen, schön zu sein. Die Verschiedenheit dessen, was sich als schön
inszeniert, vernichtet also nicht nur Information, sondern generiert vor allem Infor-
mation. »Opakisierend« können nicht nur die »schönen Formen« der Werbung sein,
sondern auch Luhmanns Argument, das auf der Unterstellung gründet, das Schöne
werde einheitlich als ebensolches definiert und rezipiert.!#? Überhaupt ist der Be-
griff des Schönen nicht zur Bezeichnung der Fülle der Eigenschaften geeignet, die
in der Werbung visualisiert werden, um die jeweiligen Objekte zu identifizieren und
zu qualifizieren. Wie hier noch zu zeigen ist, baut die Werbung eine Vielzahl von Se-
mantiken in sichtbare Erscheinungsbilder ein — das Prinzip der »schönen Form« im
Sinne einer (mehr oder weniger) semantikfreien, »reinen« Ästhetik ist also lediglich
eine Möglichkeit der Image-Konstruktion unter anderen und als solche unter Image-
Gesichtspunkten spezifisch informativ. Und nicht nur das: Auch wenn die Werbung
Objekte nur über »Ästhetik< qualifiziert, existieren unverkennbar ganz verschiedene
Konzepte der »schönen Form«, die miteinander konkurrieren.
Motive des Umworbenen unkenntlich gemacht werden. Er wird dann erkennen, daß
es sich um Werbung handelt, aber nicht: wie er beeinflußt wird.« (Luhmann 1996, 86)
Luhmann zufolge geht es um eine offene »Deklarierung von Motiven« einerseits und
um »Raffinierung« und Kuvrierung der Mittel andererseits.
141 Dieses Merkmal konkretisiert Luhmann im Hinweis auf Werbetexte, die industrielle
Massenprodukte als »rustikal« empfehlen oder behaupten, man könne durch Geldaus-
geben »sparen« usw. (vgl. 1996, 86).
142 Vgl. zu einigen basalen Unterschieden zwischen Schrift und Bild Gozich 1991.
143 Man kann ein Problem auch darin sehen, daß Luhmann mit der Feststellung »gute
Form vernichtet Information« von einem Informationsbegriff ausgeht, der bestimmte
Zusatzkriterien impliziert, die sich weniger auf Werbung, um so mehr aber auf Pro-
grammbereiche wie den der Nachrichten beziehen lassen — oder allgemeiner gesagt:
Luhmann scheint hier von einem Informationsbegriff auszugehen, der hauptsächlich
auf sprachlich vermittelte Inhalte abstellt. Demgegenüber ist die bekannte Definition
von Bateson aber durchaus geeignet, Design (Ästhetik) als Information aufzufassen,
nämlich als »a difference that makes a difference«.
3. Die ENTWICKLUNG von IMAGE-KOMMUNIKATION IN DER WERBUNG | 167
Insofern Luhmann in der Ästhetik der Werbung nicht nur eine Darstellungsform
(»Prinzip der schönen Form«), sondern auch den Ausdruck einer Funktion erkennt,
spricht er von »Geschmack«!**:
Zu den wichtigsten latenten (aber als solche dann strategisch genutzten) Funktionen der Wer-
bung gehört es, Leute ohne Geschmack mit Geschmack zu versorgen. Nachdem es sich als
unmöglich erwiesen hat, Geld in Bildung umzusetzen, hat die umgekehrte Möglichkeit, Geld
als Bildung erscheinen zu lassen, immerhin gewisse Chancen [...]. Diese Funktion bezieht
sich auf die symbolische Qualität von Produkten, die in ihrem Preis auch, aber nicht hinrei-
chend ausgedrückt ist. Mit ihrer Hilfe kann man sich sowohl optisch als auch verbal in Berei-
chen, in denen man über keine eigenen Kriterien verfügt, mit Selektionssicherheit versorgen
lassen. [...] Diese Geschmack substituierende Funktion ist um so wichtiger, als der alte, im
18. Jahrhundert noch vorausgesetzte Zusammenhang von Schichtung und Geschmack heute
aufgelöst ist und bei raschem Aufstieg und unregulierter Heiratspraxis gerade in den Ober-
schichten ein Nachrüstungsbedarf besteht. (Luhmann 1996, 89)!45
Diese Textstelle ist für die hier entfaltete Argumentation von Image als dem The-
ma der Werbung besonders aufschlußreich. Zunächst einmal wird deutlich, daß auch
Luhmann eine Funktion der (Alltags-)Ästhetik darin sieht, Möglichkeiten bereit-
zustellen, mit denen sich Individuen in der Gesellschaft verschieden positionieren
können.!*6 Und Luhmann sieht in Übereinstimmung mit anderen Autoren, daß der
»Zusammenhang von Schichtung von Geschmack heute aufgelöst ist« (ebd.) bzw.
daß soziale Schichtung, wenngleich immer noch vorhanden, nur noch begrenzt einen
verbindlichen Rahmen für den Umgang mit symbolischen Qualitäten verschiedenster
Gegenstände bereitstellt. Das begriffliche Nachfolgemodell von Geschmack bleibt
im Rahmen dieser Überlegungen jedoch aus. Diese Leerstelle wird schon durch das
Festhalten an einem Begriff deutlich, der ja im Blick auf den offensichtlichen Struk-
tur- und Funktionswandel — den Luhmann selbst diagnostiziert — substituiert werden
144 Neben der Herstellung von Geschmack hält Luhmann wie viele andere Autoren das
Erzeugen von Aufmerksamkeit für eine zentrale Funktion der Werbung. Schon das
Herstellen von Aufmerksamkeit könne als Erfolg verbucht werden, »denn wahrschein-
licher ist ja zunächst, daß der Geist sich nicht mit seiner Küche, sondern mit etwas
anderem beschäftigt.« (Ebd., 88)
145 Die Tatsache, daß sich diese Bestimmung der Funktion der Werbung in nahezu iden-
tischer Formulierung in Luhmanns Arbeit »Die Gesellschaft der Gesellschaft« (vgl.
1997, 1105) findet, kann vielleicht als Hinweis darauf gelesen werden, daß Luhmann
hierin die entscheidende Funktion sieht, während in seiner Arbeit »Die Realität der
Massenmedien« verschiedene Funktionen genannt werden.
146 So allgemein betrachtet geht es um eine traditionsreiche Überlegung die schon bei den
soziologischen Klassikern des 20. Jahrhunderts mit unterschiedlichen Begriffen for-
muliert wurde. Man denke nur an das Konzept der »Lebensführung« (Weber) oder die
»Philosophie der Mode« (Simmel).
168 | IMAGE. ZUR GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN
müßte (siehe Zitat). Erkennbar ist hingegen, daß Luhmann — vermutlich im Blick
auf bestimmte (Oberschicht-)Inszenierungen der Werbung – den altbekannten Zusam-
menhang von Geld und Bildung wiederbelebt und einen besonderen »Nachrüstungs-
bedarf« der Oberschichten in der Versorgung mit Geschmacks-Selektionssicherheit
konstatiert. Damit wird unterstellt, daß sich die »symbolische Qualität von Produkten«
ebenso wie der darauf bezogene Bedarf bei den Rezipienten immer noch im wesent-
lichen an einer schichtorientierten Statussymbolik mit dem Zielpunkt »Oberschicht«
orientiert.!#’ Die empirische Analyse zeigt hingegen, daß Inszenierungen feiner Mi-
lieus, die nicht nur materielles Haben, sondern auch kulturell verfeinertes Sein als
Positivwerte erscheinen lassen, zwar unübersehbar immer noch eine Rolle spielen. !*®
Das Entscheidende ist jedoch: Sowohl Bildung als auch (damit zusammenhängend)
Oberschicht ist in der Werbung kein übergreifender, durchgängig Geltung erlangen-
der Maßstab.!*” Im Rahmen ihrer Inszenierungen stellt die Werbung verschiedenste
Gratifikationen mit verschiedensten Legitimationsgrundlagen in Aussicht. Das basale
Differenzierungsprinzip der Werbung besteht in der Differenzierung von Images, wo-
147 Und das, obwohl Luhmann selbst feststellt, daß es »keine überzeugende Oberschicht
mehr gibt, an der man ablesen könnte was ›реһі‹ und was »nicht geht«. Eher ist es
umgekehrt: daß die Oberschicht sich selbst in dem, was sie begehrt und für vorzei-
genswürdig hält, nach dem Geschmacksdiktat der Werbung richtet; nicht zuletzt auch
deshalb, weil der Markt gar nichts anderes anbietet, sondern allenfalls nach Preisen
differenziert.« (Luhmann 1996, 90)
148 Zu einer ausführlichen Darstellung entsprechender Inszenierungsmuster vgl. Willems/
Kautt 2003, 499-522 und den hier vorgestellten Image-Komplex unter 3.4.1.
149 Das gilt insbesondere für die zeitgenössische Werbung. Schon in den ersten Jahrzehn-
ten des 20. Jahrhunderts zeichnet sich jedoch ab, daß zu den traditionellen (schichtbe-
zogenen) Statussymbolen andere Image-Werte hinzutreten. Daß mit dem Begriff des
Geschmacks kaum das durchgängige Thema bzw. die Funktion der Werbung beschrie-
ben werden kann, wird vor allem dann deutlich, wenn man die Werbung für Objekte
jenseits der Wirtschaft fokussiert: In der Werbung für Sportvereine, politische Parteien,
Kirchen usw. geht es keineswegs darum, Rezipienten mit »Selektionssicherheit« (Luh-
mann) in Sachen Geschmack auszustatten. Aber auch in der Werbung für Wirtschafts-
güter ist die Strukturierung von Geschmack über differenzierte Ästhetiken (Designs)
nur ein Thema unter vielen anderen (Image-)Themen. Im übrigen kann man vermu-
ten, daß der Nachrüstungsbedarf von Oberschichten in Sachen distinktivem Konsum
— den es sicherlich gibt, weil sich diese Schichten, insofern sie sich selbst als solche
darstellen wollen bzw. müssen, auf das Fortbestehen der traditionellen Logik des Ge-
schmacks angewiesen sind — gerade nicht von der Werbung und deren symbolischen
Qualifizierungen über Image-Kommunikation gedeckt werden kann. Gerade weil sich
die Werbung mit ihren Image-Kommunikationen auf die verschiedensten Publika ein-
stellt und insofern in Bezug auf das alte Verständnis von Geschmack systematisch nicht
exlusiv ist, besteht ein wesentlicher Mechanismus der an Oberschichten adressierten
Konsumofferten nicht nur in der Differenzierung von Preisen (vgl. Luhmann 1996),
sondern vor allem darin, daß Werbung systematisch vermieden wird.
3. Die ENTWICKLUNG von IMAGE-KOMMUNIKATION IN DER WERBUNG | 169
mit eine Zuteilung von Positivwerten möglich wird, die die an Vorstellungen einer
stratifizierten Gesellschaft gebundene Geschmacksordnung prinzipiell unterläuft.
Ein weiteres Problem der Luhmann’schen Überlegungen besteht in der unklar
bleibenden Zuordnung der Werbung zu den Systemen Wirtschaft und Massenmedien.
Obwohl Luhmann die Werbung als einen Bereich der Massenmedien versteht, bezie-
hen sich seine Beschreibungen werbespezifischer Operationen und Funktionen weit-
gehend auf die Wirtschaftswerbung und treffen auch nur für diesen Anwendungsbe-
zug der Werbung zu. So hält Luhmann die »Differenz von Werbung und Markterfolg«
und die (wirtschaftsbezogene) »Möglichkeit, etwas nach erfahrungsbewährten Regeln
der Werbung tun zu können, ohne zu wissen, ob es sich lohnen wird«, für entschei-
dend (ebd., 91). Zwar konstatiert er eine zunehmende Abnahme der Beziehungen zum
System der Wirtschaft und einen Gewinn ästhetischer Freiheiten — doch das zeigt um
so mehr, daß die Werbung dann als Subsystem der Wirtschaft gedacht wird, das sich
als solches über die Massenmedien zunehmend von der Wirtschaft emanzipiert. 150
Um so mehr kommt es auf die Überlegung an, daß die geschilderten Problemla-
gen, die mit den technischen Bildmedien Einzug in die Gesellschaft halten und die im
System der Massenmedien an Bedeutung gewinnen, die entscheidende Spezifikation
des allgemeinen Bezugsproblems des Überzeugen-Müssens anderer darstellen. Das
Thema der Werbung ist die Herstellung von Images im Sinne »guter< Erscheinungs-
bilder und eben diese Fokussierung bildet den Kriterienkomplex, mit dem im Bereich
der Werbung die Codewerte Information/Nichtinformation unterschieden werden.
Die Werbung zielt darauf ab, soziale Objekte über Bildoberflächen so zu identifizie-
ren, daß die Wahrscheinlichkeit der Positivbewertung der jeweiligen Objekte unter
anonymisierten Kommunikationsverhältnissen gesteigert werden kann. Vergleichbare
Spezifikationen des allgemeinen Systemproblems, daß Mitteilungen nicht als Infor-
mationen wirksam werden (d.h. als Unterschiede, die Unterschiede machen), liegen
auch in den anderen Bereichen des Systems vor. So spielt im Bereich der Nachrichten/
Berichte der Wahrheitsgehalt des Berichteten eine zentrale Rolle.!5! Die Unterschei-
dung von wahr/falsch ist — wenngleich unter erheblich anderen Vorzeichen als im
System der Wissenschaft — gewissermaßen eine Leitdifferenz, die die Produktion und
rezeptive Bewertung von Informationen in diesem Systembereich orientiert. Im Be-
reich der Unterhaltung könnte man hingegen in Anlehnung an eine Beschreibung des
»Literatursystems« die Unterscheidung interessant/uninteressant als eine Perspektive
ansehen, über die Informationswerte ermittelt werden.!>?
150 Die Ausführungen zu aktuellen Trends dieser Emanzipation beziehen sich allerdings
wiederum auf Formen der Wirtschaftswerbung, z.B. über die Feststellung, daß die von
der Werbung angebotenen Produkte inzwischen integraler Bestandteil der Genese von
Jugendkulturen (Szenen) sind.
151 Vgl. zu dieser Ausrichtung mit Hinweisen auf neuere Journalismustheorien Luhmann
1996, 55 ff. und Beiträge in Altmeppen (Hg.) 2007.
152 Vgl. Werber 1992.
170 | IMAGE. ZUR GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN
Die Ausdifferenzierung des funktional spezifizierten Systembereichs der Werbung
wird nötig, weil sich die verschiedensten Sinnanbieter der Gesellschaft (auch: die
Massenmedien selbst) in den Kommunikationsräumen technischer Bildmedien eben
dieser Medien bedienen müssen, sich zugleich aber nicht darauf verlassen können,
daß die Rezipienten über die sichtbaren Oberflächen selbst zu positiven Einschät-
zungen der jeweils offerierten Identitäten kommen. Die Kommunikation von Images
muß also nicht nur mehr leisten als Verstehen anzuweisen oder über die sichtbaren
Formen der jeweiligen Erscheinungsbilder als solche zu informieren. Die Werbung
muß vielmehr darauf abzielen, daß die jeweils kKommunizierten Objekte in einem wei-
terreichenden Sinne akzeptiert werden. Das System der Massenmedien muß über eine
Spezialsprache verfügen, über die die Wahrscheinlichkeit gesteigert werden kann, daß
man in Bezugnahme auf Erscheinungsbilder z.B. Filmstars sympathisch findet, Poli-
tiker wählt, Non-Profit-Organisationen unterstützt, bestimmte Medienformate präfe-
riert oder Produkte kauft.
3.3.1 Symbolische Generalisierung, Codierung und Programmierung
Die erhebliche Spezifikation der Werbung im Umgang mit dem Medium
Information, !53 ihre Bezugsprobleme und die hierauf eingestellten Lösungsver-
suche legen es nahe, die Regelgeleitetheit ihrer Kommunikationen im Anschluß an
die Luhmann’sche Theorie der symbolisch generalisierten Kommunikationsmedien
zu beschreiben (vgl. 1.5). Wie erwähnt stellen sich diese Medien darauf ein, daß
die »Übernahme der Selektion als Prämisse weiteren Erlebens und Handelns« fun-
giert (Luhmann 1974, 239). Der beschriebene Strukturwandel der Werbungskom-
munikationen in Richtung Bildlichkeit ist, indem er eine spezifische Vertiefung der
Kommunikationen der Bilder ermöglicht, eine hierfür notwendige, nicht aber hin-
reichende Bedingung. Denn auch im Falle der Kommunikation von Images müssen
die »Annahmembotive in die Selektivität selbst verlagert werden« (Luhmann 1974,
242).15 Die Kommunikation muß gegen die individuelle Willkür und gegen indivi-
duelle Motivlagen der Kommunikationsteilnehmer abgeschirmt werden, so daß das
153 Wenn Luhmann feststellt, daß alle Bereiche den Code des Systems verwenden würden,
»wenngleich in sehr verschiedenen Ausführungen« (1996, 51), deutet er auf eine The-
menorientierung der Systembereiche hin, die über die Verschiedenheit der Kriterien
der Zuteilung der Codewerte (Programme) hinausreicht und eben deshalb einer Erwäh-
nung bedarf.
154 Im Unterschied zu Parsons geht Luhmann davon aus, daß »die konsensuelle Legitimati-
on und psychische Internalisierung von Wertsymbolen allein die erforderlichen Motive
kaum erzeugen kann. [...] Die Selektion muß gerade durch ihre Kontingenz sich durch-
setzen und verbreiten können, sie muß als Selektionsweise motivieren können.« (Ebd.)
3. Die ENTWICKLUNG VON IMAGE-KOMMUNIKATION IN DER WERBUNG | 171
Medium als ein soziales »Übertragungs<-Medium fungieren kann. 177 Für ein erfolg-
reiches, medienimmanentes Motivierungsverfahren zu diesem Zweck hält Luhmann
die Regelgeleitetheit der Kommunikation, die die Kommunizierenden in bestimmte
Bahnen lenkt: »Man kann eine Kommunikation annehmen, wenn man weiß, daß ihre
Auswahl bestimmten Bedingungen gehorcht; und zugleich kann derjenige, der eine
Zumutung mitteilt, durch Beachtung dieser Bedingungen die Annahmewahrschein-
lichkeit erhöhen und sich selbst damit zur Kommunikation ermutigen« (Luhmann
1997, 321). Wie die anderen Kommunikationsmedien steigert die Kommunikation
der Erscheinungsbilder die Wahrscheinlichkeit ihrer Akzeptanz über symbolische
Generalisierung einerseits und über binäre Schematisierung andererseits.!° Die
Pointe des Luhmann’schen Verständnisses symbolischer Generalisierung liegt in der
Annahme, daß der spezifische Zeichengebrauch des jeweiligen Mediums nicht nur
als Hinweis auf das Bezeichnete, sondern als Vergegenwärtigung des Bezeichneten
fungiert.!?7 Die spezifische Bildlichkeit der Werbung realisiert das Erscheinungsbild
und stattet es qua ihrer eigentümlichen symbolischen Generalisierung mit einer Fas-
zinationskraft aus, die über das bloße Hinweisen auf etwas hinausreicht. Die image-
bezogene Verwendung von Symbolen stellt einen Rahmen her, der kenntlich macht,
daß die Kommunikation ein Objekt konstituiert, das über die jeweiligen Sichtbar-
155 »Im Verhältnis zu psychischen Systemen hängen alle Kommunikationsmedien davon
ab, daß Selektionsmotive nicht kurzschlüssig allein im psychischen System, sondern
über den Umweg über soziale Kommunikation zustande kommen (wie immer sie dann
zur Annahme oder zur Ablehnung von Selektionsofferten disponieren).« (Luhmann
1974, 247)
156 Das nicht zufällige Entstehen dieser Mechanismen erklärt Luhmann damit, daß mit
ihnen die Chancen der Annahmewahrscheinlichkeit gesteigert werden können und daß
eben dies in den Systemen als Erfolg registriert werden kann, weshalb es zu einer ver-
stärkten »Selbstselektion« der Kommunikationen in Richtung symbolische Generali-
sierung und binäre Schematisierung komme (1974, 243).
157 Unter Symbol versteht Luhmann entsprechend einen bestimmten Typ von Zeichen,
nämlich den, »daß ein Zeichen die eigene Funktion mitbezeichnet, also reflexiv wird.
Die eigene Funktion, das heißt: die Darstellung der Einheit von Bezeichnendem und
Bezeichnetem. Durch Symbolisierung wird also zum Ausdruck gebracht und dadurch
kommunikativ behandelbar gemacht, daß in der Differenz eine Einheit liegt und das
Getrennte zusammengehört, so daß man das Bezeichnende als stellvertretend für das
Bezeichnete (und nicht nur: als Hinweis auf das Bezeichnete) benutzen kann [...]. Im
Kontext des Begriffs symbolisch generalisierte Kommunikationsmedien« ist demnach
mit »symbolisch« (wie bei Parsons) gemeint, daß diese Medien eine Differenz überbrü-
cken und Kommunikation mit Annahmechancen ausstatten. Sie begnügen sich nicht,
wie Sprache, damit, unter hochkomplexen Bedingungen und einer erst ad hoc gewähl-
ten Kommunikation hinreichendes Verstehen sicherzustellen. Das setzen sie voraus.«
(Luhmann 1997, 319)
172 | IMAGE. ZUR GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN
keiten identifiziert und zugleich (positiv) qualifiziert werden soll, (29 Stilbildend ist
neben und mit den oben skizzierten Bildlichkeiten ein homologer Verweisungsbezug
der Zeichen und Symbole, so daß das gesamte Arrangement als Ausdruck von be-
stimmten (guten) Eigenschaften gelesen werden kann.
Binär schematisiert ist Image-Kommunikation durch die Unterscheidung von
Imagepositiv/Imagenegativ, die sich im Zuge der Entfaltung der Bildlichkeit zu einer
Leitunterscheidung der Werbung entwickelt und in etwa seit dem Ende der 1950er
Jahre deren Operationsweise bestimmt. 15° Mit dieser Unterscheidung werden (Nicht-)
Informationen identifiziert und zur Konstruktion von (Image-)Objekten genutzt, wo-
bei die Orientierung an den sichtbaren Erscheinungsformen und deren Sortierung
nach qualifizierenden Gesichtspunkten entscheidend ist. Die Leitunterscheidung setzt
demnach nicht nur die produktive und rezeptive Identifizierung von Objekten über
das Schema von Oberfläche und Tiefe voraus, sondern sie amalgamiert dieses Schema
mit dem der Zuteilung von Achtung bzw. Mißachtung. Die Werbung setzt entspre-
chend den Menschen nicht nur »als ein seinen Nutzen kalkulierendes« (Luhmann
1996, 132), sondern als ein moralisches Wesen voraus. Im Unterschied zum Medium
der moralischen Kommunikation im Luhmann’schen Sinne!60 wird im Rahmen von
Image-Kommunikation die Unterscheidung Achtung/Mißachtung prinzipiell an der
Unterscheidung Oberfläche/Tiefe orientiert bzw. erstere durch letztere spezifisch ein-
geschränkt.!°! Über diese, gleichsam zweistufige Selektion reproduziert die Werbung
158 Feststellbar ist wie im Kontext anderer symbolisch generalisierter Kommunikations-
medien eine Reflexivität der Symbole, »die sich nicht ohne weiteres verknüpfen lassen
und insofern zunächst als eine lose gekoppelte Menge von Elementen gegeben sind
— Selektionen von Informationen, Mitteilungen und Verstehensinhalten. Sie erreichen
eine strikte Kopplung nur durch die für das jeweilige Medium spezifische Form — etwa
Theorien, Liebesbeweise, Rechtsgesetze, Preise.« (Luhmann 1997, 320)
159 Manche Zeitgenossen, wie z.B. Wilhelm Vershofen, Gründer der Nürnberger Gesell-
schaft für Konsumforschung, stellen jetzt fest, daß die »symbolischen Obertöne« der
Werbung entscheidend seien und den »Hauptnutzen« eines Produktes ausmachen könn-
ten (vgl. Vershofen 1959, zit. n. Gries 2006, 25).
160 »Das spezifische, aber zugleich universale Medium der Moral wird durch die codier-
te Unterscheidung von Achtung und Mißachtung bereitgestellt. Dessen Elemente be-
stehen aus Kommunikationen, die zum Ausdruck bringen, ob bestimmte Personen zu
achten oder zu mißachten sind.« (Luhmann 1997, 400) Zur Beschreibung der Entste-
hungsbedingungen und der Entwicklung von moralischer Kommunikation als einem
symbolisch generalisierten Kommunikationsmedium vgl. ausführlich Luhmann 1997,
396-405.
161 Auch Luhmann erkennt die werbliche Relevanz der Oberflächensteuerung, wenngleich
deren Stellenwert als (historisches) Thema der Reklame unthematisiert bleibt: »Das
wohl wichtigste Schema der Werbung liegt aber im Verhältnis von Oberfläche und
Tiefe. Wie einst die Divinationstechniken der Weisheit benutzt sie die Lineaturen der
Oberfläche, um Tiefe erraten zu lassen. Sie gleicht insofern auch der Kunst des Orna-
3. Die ENTWICKLUNG VON IMAGE-KOMMUNIKATION IN DER WERBUNG |173
Image-Kommunikation als mediales Substrat und Images als Formen, die sich in die-
sem Medium abzeichnen.
Wie das Erscheinungsbilder konstituierende Schema Oberfläche/Tiefe wird auch
die Leitunterscheidung der Image-Kommunikation nur in Beteiligung eines Beobach-
ters, und d.h. auch: über die Beteiligung eines Kommunikation ermöglichenden Be-
wußtseins vollzogen und reproduziert.! Anders formuliert: Auch die als Werbungs-
bilder vorliegenden Informationen müssen nicht als Images gelesen werden, wenn-
gleich die selektive Behandlung der bildlich gespeicherten Formen dies nahelegt. Die
»Digitalisierung« verschiedenster Weltsachverhalte vollzieht sich vielmehr erst mit
dem Gebrauch des Mediums, d.h. nur dann, wenn die Unterscheidung Imagepositiv/
Imagenegativ zur Abtastung vorliegender Informationen genutzt wird.!6 Die nur me-
dienimmanent gegebene Alternativlosigkeit der Informationsverarbeitung in Bezug
auf einen Code illustriert Luhmann am Beispiel des Mediums Wahrheit, das sich in
seiner zugespitzten, codierten Form von allgemeineren (Un-)Wahrheitsvorstellungen
unterscheidet: »Diese Konsequenz ergibt sich nur im Kommunikationsmedium selbst,
d.h. unter Bedingungen, die der Code erst herstellt — denn in der Welt an ach, bedeu-
tet das Nichtvorhandensein von Unwahrheit (Wahrheit) keineswegs Wahrheit (Un-
wahrheit).« (Luhmann 1974, 245)
Auch der Code der Image-Kommunikation ist durch einen Positiv- und einen Ne-
gativwert gekennzeichnet, wobei die eindeutige Markierung des »Präferenzwerts«
(Luhmann) Imagepositiv das Schließen auf den Negativwert erleichtert: »Die Beson-
derheit der Codes, verglichen mit anderen Unterscheidungen, besteht darin, daß der
Übergang von der einen zur anderen Seite, also das Kreuzen der Grenze, erleichtert
wird. Wenn ein Positivwert, z. B. wahr, angenommen wird, bereitet es keine Schwie-
rigkeiten, mit einer weiteren Operation zu bestimmen, was folglich unwahr wäre,
nämlich die gegenteilige Aussage.« (Luhmann 1997, 361) Die Markierung des Präfe-
renzwertes ist in der Werbung in der Regel so deutlich, daß auf eine bildliche Kontras-
tierung durch den Gegenwert verzichtet werden kann: Bilder kultivierten Reichtums
und von hohem (z.B. Berufs-)Status werden nicht durch Bilder von Armut komplet-
tiert, Images, die auf Jugendlichkeit setzen, kontrastieren diesen Positivwert nicht mit
ments. Aber Tiefe, das ist jetzt nicht das Schicksal, sondern die Unverbindlichkeit der
Werbung. Die Werbung kann nicht bestimmen, was ihre Adressaten denken, fühlen,
begehren. Sie mag ihre Erfolgsaussichten kalkulieren und sich dafür bezahlen lassen.
Insofern kalkuliert sie wirtschaftlich. Im System der Massenmedien folgt sie anderen
Gesetzen. Sie okkupiert die Oberfläche ihres designs und verweist von da aus auf eine
Tiefe, die für sie selbst unzugänglich bleibt.« (Luhmann 1996, 92)
162 Inwiefern Bewußtsein als Umwelt von Kommunikation ein Apriori derselben ist, be-
schreibt ausführlich Luhmann 1988a.
163 Auch hier gilt also: »Codes fungieren, wie andere Unterscheidungen auch, als Zwei-
Seiten-Formen, die ein Beobachter benutzen oder nicht benutzen kann.« (Luhmann
1997, 360)
174 | IMAGE. ZUR GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN
Altheit, und Modernität wird gewöhnlicherweise nicht durch die Inszenierung von
Rückschrittlichkeit zum Ausdruck gebracht. Der Negativwert bleibt latent, ja er muß in
vielen Fällen verdeckt bleiben, damit der Positivwert unirritiert zur Geltung kommen
kann. Die imagekommunikative Bildsprache vorausgesetzt, kann die Inszenierung des
Positivwertes hinreichend verdeutlichen, daß die Absenz der jeweiligen Zutrittsbedin-
gungen zum »Guten« ein negatives Image zur Folge hätte. Die Oberflächenpräparati-
on von Positivwerten wie Körperperfektion, Natürlichkeit, Kultiviertheit, Reichtum
oder Jugendlichkeit macht den Wert Imagenegativ also leicht bestimmbar. Zudem
wird in einzelnen Inszenierungen das Kreuzen der Grenze zwischen Imagenegativ/
Imagepositiv plastisch vorgeführt, indem die sozialen Folgen thematisiert werden,
die ein Nichtverfügen über die jeweiligen Positivattribute mit sich bringt. In jedem
Fall symbolisiert der Positivwert die »Anschlußfähigkeit für die medienspezifischen
Operationen«, während der Negativwert die »Kontingenz der Bedingungen der An-
schlußfähigkeit« symbolisiert (Luhmann 1997, 363). Über den Negativwert werden
also alternative Bedingungen der Zuteilung des Positivwertes reflektiert. Je mehr die
Werbung im Rahmen ihrer historischen Entwicklung Objekte als Images konstituiert,
desto mehr übernimmt die Sprache bzw. die Schrift eine Aktivierungsfunktion des
Negativwertes als »Reflexionswert« (Luhmann) des Mediums. Der Text weist dann
z.B. aufandere mögliche Positivattribute hin oder geht sogar zu den gezeigten kritisch
auf Distanz — z.B., indem er diese als Resultat eines oberflächlichen Prestigestrebens
darstellt.
Wie die Codes der anderen symbolisch generalisierten Kommunikationsmedien
macht sich die Unterscheidung Imagepositiv/Imagenegativ nicht durch eine Begrün-
dung ihrer Selektion attraktiv (die Unterscheidung enthält kein Argument), sondern
— man könnte fast sagen umgekehrt — dadurch beliebt, daß sie es ermöglicht, ohne
Argumente »unbestimmte in bestimmte und reduzierte Kontingenz zu überführen«
(Luhmann 1974, 250). Die Attraktivität des Codes besteht in der Komplexitätsreduk-
tion bzw. der durch sie überschaubarer gemachten Kommunikationsverhältnisse: Der
Positivwert (hier Imagepositiv) fungiert, so Luhmann, nicht nur als »Symbol für An-
schlußfähigkeit«, sondern »zugleich als Legitimation für den Gebrauch des Codes
selbst.« (1997, 365) Der Code selbst bietet jedoch keine Kriterien für die Zuordnung
von Erscheinungsformen zu der einen oder anderen Seite der Unterscheidung Image-
positiv/Imagenegativ. Die Kriterienkomplexe, die diese Zuordnungsfunktion für die
verschiedenen Mediencodes der symbolisch generalisierten Kommunikationsmedien
übernehmen, nennt Luhmann »Programme«:
In dem Maße, in dem der Übergang zum anderen Wert erleichtert wird, entsteht Kontextfrei-
heit der Operation und damit zuviel Spielraum, der dann wieder eingeschränkt werden muß.
Deshalb bildet sich im Zuge der Evolution von Codierungen eine Zusatzsemantik von Kri-
terien, die festlegen, unter welchen Bedingungen die Zuteilung des positiven bzw. negativen
Wertes richtig erfolgt. Wir werden diese Konditionierungen Programme: nennen. Sie hängen
sich wie ein riesiger semantischer Apparat an die jeweiligen Codes; und während die Codes
3. Die ENTWICKLUNG VON IMAGE-KOMMUNIKATION IN DER WERBUNG |175
Einfachheit und Invarianz erreichen, wird ihr Programmbereich, gleichsam als Supplement
dazu, mit Komplexität und Veränderlichkeit aufgeladen. Die jeweiligen semantischen »Be-
stände« des Rechts zum Beispiel oder der Wissenschaft bestehen in diesem Sinne aus Pro-
grammen. (Luhmann 1997, 362)
Die Programmierung der Image-Kommunikation erfolgt in der Werbung durch die
verschiedenen Bildsemantiken, die in den Inszenierungen als mehr oder weniger the-
matisch fokussierte Kriterienkomplexe die Zuteilung des Positiv- bzw. Negativwertes
anleiten. Im Rahmen der inszenatorischen Betonung der jeweiligen Themen, Wer-
te und Attribute wird vorgeführt, worin das Positive des Images besteht. Während
der Code Imagepositiv/Imagenegativ in der Werbung kontinuiert, leisten die Pro-
gramme die Anpassung an die in der jeweiligen Zeit vorherrschenden Vorstellungen
(Geschmack, Mode, Werte, Normen usw.), d.h. die Anpassung an die verschiedenen
Publikumskulturen (zur Darstellung einiger Programmressourcen vgl. 3.4). Das ist
auch möglich, weil auf der Programmebene alles, was der Code ausschließt, wie-
der eingeschlossen werden kann. So können die Einschränkungen des Codes in der
Image-Kommunikation als Problem thematisiert und kritisiert werden. Die Strategie,
in Anzeigen oder Spots völlig auf Bilder zu verzichten, um den Eindruck echter, nicht
an Image-Bildung orientierter Seriosität zu erwecken, ist ein solcher Fall.
Wie die empirische Analyse zeigt, bilden sich der Code und die Programme in Be-
ziehung zueinander im Laufe weniger Jahrzehnte aus: Die Grundlegung von Bildlich-
keit als dem zentralen Sinngenerator und die daran anschließende Vertiefung des sym-
bolischen Sinns geht einher mit einer zunehmenden Einteilung von gut und schlecht in
Bezug auf die Erscheinungsformen. Etwa am Ende der 1950er Jahre existieren (fast)
keine Werbungen mehr, die ihre Objekte nicht maßgeblich visuell qualifizieren und da-
bei Sondersemantiken zum Einsatz bringen, die bildlich plausibel machen sollen, warum
das jeweilige Objekt imagepositiv ist und das jeweilige Image als solches zu achten ist.
In dieser codierten und programmierten Form kommt Image-Kommunikation nur in der
Werbung und nicht etwa auch in den anderen Bereichen des Systems vor. Aufschluß-
reich ist ein Vergleich mit dem Bereich der Unterhaltung, denn gerade hier spielt die
Schematisierung und Qualifizierung verschiedenster Objekte über die Unterscheidung
Oberfläche/Tiefe eine große Rolle. Während die semantische Programmierung der Wer-
be-Images jedoch auf die Herstellung klarer Zuordnungskriterien für die positive bzw.
negative Bewertung von Images eingestellt, also auf den Code Imagepositiv/Image-
negativ bezogen ist, trifft dies für die Unterhaltungsinszenierungen nicht zu: So trivial
die Skripts, Settings, Rollen usw. der verschiedenen Serien, Gewinnspiele, Talk- und
Koch-Shows, Reality-Soaps usw. konstruiert sein mögen — sie reichern die jeweiligen
Sendungen immer mit so viel Sinn an, daß auf die einzelnen Objekte (z.B. die Rollenträ-
ger der Seifenopern) unterschiedliche Perspektiven mit dem Resultat unterschiedlicher
Beurteilungen angelegt werden können. Wie Luhmann zeigt, spricht daher vieles dafür,
die Unterhaltung als ein Nachfolgemodell des Romans mit der Funktion zu verstehen,
Kommunikationsüberschüsse zu erzeugen, deren Analyse, Diskussion und Beurteilung
176 | IMAGE. ZUR GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN
eine Arbeit an der je eigenen Identität ermöglicht, indem man dieselbe zu der darge-
stellten Realität der Massenmedien in Beziehung setzt. Ip) Demgegenüber ist im Blick
auf die Werbung nicht zu übersehen, daß einzelne Images jeweils einen (Design-)Stil,
eine Wertorientierung und einen Themenkomplex besonders in den Vordergrund rücken
und daß sie die entsprechend zentrierte Semantik auf ein Objekt beziehen, nämlich auf
das, das in der jeweiligen Werbung als Image identifiziert werden soll. Zwar ist kaum
zu übersehen, daß die reflexive Moderne längst in die Werbung Einzug gehalten hat:
Images spielen mit verschiedenen Wissensbeständen und setzen dabei z.T. ein mehr
oder weniger hochgezüchtetes Expertenwissen voraus. Auch nimmt die Komplexität
einzelner Images unverkennbar zu. Doch geht es auch dann, wenn die Werbungsinsze-
nierungen durch Unübersichtlichkeit, Widersprüchlichkeit und Kompliziertheit ge-
kennzeichnet sind, nicht um offene Kommunikationsüberschüsse zur Erzeugung von
Interpretationsspielräumen, sondern um die Vorführung von Komplexität als solcher,
und zwar im Rahmen von /mages, die Komplexität als Positivwert stilisieren. Beispiele
dafür geben Images für moderne Technologien (z.B. Computer), mit denen demonstriert
werden soll, daß die beworbene Technik so komplex ist wie die modernen Problemla-
gen, die mit ihnen beherrscht werden müssen (globale Logistik, situationsunabhängige
Erreichbarkeit usw.). Mit komplizierten Kameraführungen, verwirrenden Schnittfolgen
und Zitieren aktueller Moden aus der Musik, der Typographie usw. wird dann Komple-
xität als Positiv-Image ausgestaltet.!65
164 Vgl. dazu ausführlich Luhmann 1996, 96-117. Auch Newcomb/Hirsch betonen, daß die
Massenmedien den jeweiligen Themenkomplex gerade nicht im Rahmen eines Deutungs-
musters anbieten, sondern immer mehrere Perspektiven zur Wahl stellen und daß gerade
in der Vorführung von Alternativen in Bezug auf die verschiedensten Themen die Funkti-
on der Unterhaltung besteht. »Manchmal stoßen wir zwar auf eindeutige Positionen und
Parteinahmen für einen ganz bestimmten Standpunkt, der dann als der einzig richtige
hingestellt wird. Aber normalerweise verbleibt die Rhetorik des Fernsehens im Duktus
offener Diskussion. [...] Wir meinen [...], daß eine der Hauptfunktionen des Fernsehens
als Forum der Populärkultur darin besteht, die Effektivität und die Form von Pluralis-
mus immer wieder zu testen und zutage treten zu lassen. Das Fernsehen ist vermutlich
das einzige Forum, das diese Funktion wahrnimmt.« (Newcomb/Hirsch 1986, 183) Wie
Newcomb/Hirsch in ihrem Aufsatz »Fernsehen als kulturelles Forum« abschließend fest-
stellen, hängt die Funktion der Multiperspektivierung mit der Komplexität der modernen
Gesellschaft zusammen: »Unser Modell beruht auf der Annahme und Beobachtung, daß
in einer komplexen Gesellschaft nur ein sehr reichhaltiges Material ein Massenpublikum
finden kann. Das Forum-Konzept entspricht in seiner Vielschichtigkeit der gelebten Er-
fahrung in unserer Kultur: Es ist auf deren Widersprüchlichkeit und Heterogenität ebenso
abgestimmt wie auf deren Offenheit.« (1986, 190)
165 Auch wenn z.B. traditionelle und progressive Vorstellungen von Weiblichkeit und
Männlichkeit in ein und dasselbe Image integriert werden, geht es nicht um Re-
flexionshilfen im Stile der Unterhaltung, sondern um die Image-Kommunikation einer
bestimmten Weiblichkeit bzw. Männlichkeit.
3. Die ENTWICKLUNG VON IMAGE-KOMMUNIKATION IN DER WERBUNG |177
Frühe Beispiele, die die Differenzierung der Code- und Programmebene im Bereich
der Werbung deutlich machen, geben die Zigaretten-, Kosmetik- und Kakao-Reklame.
Daß sich der Ein- und Umstieg auf eine facettenreiche Image-Kommunikation gerade in
Bezug auf diese Produkte abzeichnet, hat sicherlich verschiedene Gründe. Neben dem
Sachverhalt, daß diese Gegenstände als Erscheinungsformen nur schwer in attraktive Mo-
tive zu übersetzen sind (sieht man von der Verpackung und deren Design ab) und daß hier
ein Mangel an positiv dramatisierbaren Produktinformationen besteht, ist vermutlich die
sachlich eingeschränkte Differenzierbarkeit des Produktes ein wichtiger Grund: Weil sich
die Produkte der miteinander konkurrierenden Hersteller in diesen Fällen besonders stark
und offensichtlich entsprechen, liegt eine Differenzierung der Gegenstände über Image-
Kommunikation besonders nahe, denn mit dieser kann den (weitgehend) invarianten Ob-
jekten ein unverwechselbarer Charakter zugeschrieben werden. Entsprechend werden ge-
rade in der Zigarettenreklame früh Images entworfen, die den Präferenzwert (Imageposi-
tiv) über verschiedene Programme ansteuern: Ein Image bezieht sich z.B. auf die Herkunft
des Tabaks und setzt die Exotik fremder Länder und Regionen ins Bild,!66 während andere
Anzeigen die »schöne Heimat« Deutschland beschwören.!67 Weitere Hersteller setzen auf
Aspekte von Männlichkeit (im Sinne von Härte, Entschiedenheit und Kompromißlosig-
kel. Experten- und Weltbürgertum!69), während wiederum andere Reklamen Eindrü-
cke von Freizeit, Erlebnis!70 oder Natürlichkeit!7! zu einem Image zusammenstellen. Und
166 Am Anfang beschränkt sich dieses Image noch auf die Gestaltung von Namen und ara-
bischen Schriftzeichen, die »Orient< assoziierbar machen sollen (z.B. in Reklamen für
die Zigarette namens »Matrapas«, BIZ 1904, 49). Für »Ova« (»im Araberformat«) von
Reemtsma werden Eigenschaften wie Ursprünglichkeit und Exotik schon recht früh
über Bilder fremder Menschen und Länder ins Spiel gebracht. In ähnlicher Weise setzt
die Marke Nil auf den »Stil ägyptischer Tabakkultur«, indem sie Bilder ägyptischer
Archaik in ihren Anzeigen verwendet (Nil, ST 1958, 36).
167 So z.B. eine längerfristige Kampagne für »Atikah Auslese«, die »Das schöne Deutsch-
land« in Illustrationen vorführt und im Text auf »Tradition und Qualität« abhebt (Ari-
kah Auslese, BIZ 1928, 32; vgl. Abb. 51).
168 Eine Reklame zeigt auf verschiedenen Bildern einen Aktenkoffer, eine Pistole und ei-
nen Fußball in Zuordnung zu den beworbenen Produkten: »Bruns rauchen große Män-
ner, harte Männer, junge Männer« (Bruns, ST 1966, 18).
169 Auf einer Zeichnung sieht man zwei rauchende Kosmopoliten, die, offenkundig »phi-
losophierend«, um einen Schreibtisch sitzen: »Männer von Format sind mit den guten
Markenerzeugnissen von Weltklasse vertraut. Überall in der Welt rauchen Männer aus
Industrie, Wirtschaft, Politik und Wissenschaft Simon Arzt, die ägyptische Zigarette
von Weltformat.« (Simon Arzt, ST 1953, 9)
170 »Zigarettenpause« untertitelt eine Reklame ein Bild, das einen Mann rauchend neben
einem Motorroller stehend zeigt, während die Frau ein »Sträußchen duftiger Feldblu-
men« pflückt (Supra, ST 1956, 27).
171 Typisch werden schnell Werbungen wie jene, die ein Paar auf einer Wiese unter einem
großen Baum vor einer Seenlandschaft zeigt und dazu schreibt: »Ein Morgen am Seeufer...
178 | IMAGE. ZUR GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN
nicht zuletzt kontrastieren Images von hohem Status!7? mit solchen, die das Produkt als
Durchschnittszigarette für Durchschnittsbürger!’? darstellen. Während sich alle Images
an der Leitdifferenz Imagepositiv/Imagenegativ und dem Schema Oberfläche/Tiefe ori-
entieren, wird der Positivwert doch über den Einsatz höchst unterschiedlicher Programme
angesteuert. Die Abbildungen am Ende dieses Abschnitts zeigen einige Zigarettenrekla-
men, die auf der Basis der skizzierten Gestaltungsmerkmale ein klar konturiertes Image
realisieren und damit zur Avantgarde des hier untersuchten Materials gehören (vgl. Abb.
50-57).174
Die Beziehung der Code- und Programmebene zeigt sich auch an dem Image-
Wandel, den einzelne Objekte durchlaufen können, also an der »Biographie« der Image-
Identitäten. Obwohl die Werbung mit zahlreichen Rekursionen im Dienste der (Image-)
Identitätsherstellung operiert und Redundanzen gezielt herbeiführt, bleibt die Image-
Arbeit über die Programme flexibel und kann die Zuteilung des Positivwertes an immer
neue Kriterien binden. Entsprechend lassen sich in der empirischen Analyse semanti-
sche Feinanpassungen ebenso beobachten wie radikale Image-Wechsel. Für die Marke
»Marlboro« wird z.B. bis in die 1970er Jahre nicht mit Bildern von Cowboys und dem
»wilden Westen: geworben, in denen Werte und Attribute wie Natürlichkeit, Abenteuer
und Tradition eine große Rolle spielen, sondern mit Inszenierungen feiner Leute, die
als »Lohn für ihren Einsatz und ihren Erfolg« die Marlboro rauchen (»zu solchen Men-
schen gehört die Marlboro«, Marlboro, ST 1966, 18; vgl. Abb. 81). Und die Marke »At-
tika«, die zunächst mit Bildern des traditionsreichen Deutschland wirbt, setzt später auf
die Erlebnis- und Spaßgesellschaft, indem sie z.B. gesellige Runden beim Sekttrinken
Sonnenlicht glitzert auf den Wellen...eine leichte, erfrischende Brise weht vom See herü-
ber...diese Stimmung, eingefangen in einer Zigarette, das ist Reyno.« (Reyno, ST 1962, 1)
172 Dazu gehören Images der Marke Astor, die z.B. mit der Zeichnung eines Paars vor einer
exklusiven Hotelanlage beworben wird: »Rendezvous der Prominenz. Club-Hotel des
Fürsten Hohenlohe, Marbella, Spanien« (Astor, ST 1966, 18). Sämtliche Status-Klischees
sind hier vertreten: »Der Geschäftsführer ein Graf, der Hausherr ein Fürst — Fürst Hohen-
lohe — die Gäste fast eine Familie, Europas Hochadel, Finanziers und Politiker dazu. Die
Loggien flacher Appartmenthäuser [...] um den weiten Patio; jenseits des Haupttraktes
ein [...] Paradiesgarten mit Bungalows darin, Swimmingpools, Kiefernhain zum Strand
hinab. Zimmerbestellungen [...] zwei Jahre im voraus.« Ähnliche Eindrücke vermittelt
einige Zeit die Image-Welt von HB, die kleine Spaßgesellschaften (Paare oder Klein-
gruppen) in nobler Umgebung zeigt (Yachten usw., vgl. z.B. HB, ST 1966, 18).
173 »Die meistgerauchte Deutsche Zigarette« heißt es zu Bildern, die den Jedermann in
Werbungen für Overstolz zeigen (BIZ 1927, 27). Auch der Zigarettenhersteller Roth-
Händle setzt mit der Marke »Kurier« auf dieses Image, wenn er den Schreibtisch eines
Briefmarkensammlers und damit das Bild des genußvollen Feierabends des kleinen
Mannes ins Bild setzt.
174 Einen Überblick über die Entwicklung der Zigarettenreklame von 1860-1930 im
deutschsprachigen Raum gibt mit zahlreichen Abbildungen Weisser 2002; für die USA
vgl. Schudson 1984, 178-209.
3. Die ENTWICKLUNG VON IMAGE-KOMMUNIKATION IN DER WERBUNG |179
oder ein Paar beim Einkaufen zeigt (»Einkaufen...entdecken...das Außergewöhnliche
wählen, um eine echte Freude zu finden«, Attika, ST 1967, 23).
Zusammenfassend kann man feststellen, daß die Konzeption der Differenzierung
von Codierung und Programmierung auf etwas anderes abzielt als auf solche Gene-
ralisierungen, die die Grammatik der Werbungsinszenierungen durch deren Tendenz
zur Idealisierung und zum schönen Schein bestimmt sehen. Denn solche Diagnosen
gehen nicht von einer inhaltsoffenen Leitunterscheidung der Werbung, sondern von
einer inhaltsbezogenen Orientierung an dem aus, was als durchschnittliche (normale,
gewöhnliche, typische) Vorstellung vom Positiven unterstellt werden kann.!75 Obwohl
es unverkennbar eine Orientierung der Werbung an einer Kultur der Mitte bzw. an der
Mehrheitsgesellschaft und den dazugehörigen Vorstellungen vom Guten gibt, kommt es
zunächst darauf an, zu erkennen, daß es auf der Ebene des (Zweit-)Codes zunächst nur
darum geht, daß und nicht inwiefern (mit welchen Kriterien) zwischen Imagepositiv
und Imagenegativ unterschieden wird. Die Unterscheidung von Imagepositiv/Imagene-
gativ liegt als eine Form der Unterscheidung prinzipiell jeder Werbungskommunikation
zugrunde und entsprechend ist mit der Beschreibung von Imagepositiv als dem Präfe-
renzwert der Werbung keineswegs eine Selektionslogik gemeint, die sich an bestimmten
(z.B. als allgemein gültig unterstellten) Vorstellungen des guten Lebens bzw. an der
Aussparung dessen orientiert, was allgemein als weniger schön und erstrebenswert gilt.
Im Rahmen der hier skizzierten Operationslogik der Werbung stellen bestimmte In-
szenierungen eines good life vielmehr nur eine semantische Programmierung dar, die
im Blick auf das zu bewerbende Objekt und die jeweilige Zielgruppe realisiert wird.
Geht man von einer solchen Trennung von (Zweit-)Codierung und Programmierung
aus, kann man auch die (durchaus nicht seltenen) empirischen Fälle problemlos in die
Theorie integrieren, die den Präferenzwert Imagepositiv durch solche Attribute zum
Ausdruck bringen, die den normalen Positivwerten der »Durchschnittskultur« (auch der
der Werbung) scharf widersprechen: So hat eine Werbeästhetik des nüchternen Rea-
lismus, ja gar eine Ästhetik des Häßlichen, die sich gegen den schönen Schein (auch:
anderer Werbe-Images) richtet, durchaus Tradition. Diese und andere Fälle können nicht
über die »Ausblendungsregel« (Schmidt 1995) oder eine Orientierung am »schönen
Schein« (Luhmann 1996), um so mehr aber über eine klare Differenzierung von Code
und Programm erklärt werden, die die Positiv-/Negativbewertung aller Kommunikati-
onen vorsieht, aber nicht an bestimmte Erfüllungskriterien bindet, sondern die Bereit-
stellung dieser Kriterien auf eine andere Operationsebene verlagert. Die Tatsache, daß
in der Werbung bestimmte, besonders populäre Vorstellungen vom Guten und Schönen
dominieren, ist lediglich auf den Sachverhalt zurückzuführen, daß sich deren Kommu-
nikationen in vielen Fällen an ein sehr breites Publikum wenden und wenden müssen,
175 Zu dieser häufig vertretenen Position vgl. exemplarisch Schnierer: »Werbung versucht,
dem Beworbenen eine ausschließlich positive Bedeutung zu verleihen, und es versteht
sich von selbst, daß deshalb nur die positiven Seiten von Bedeutungsträgern auf das
Produkt übertragen werden sollen« (1999, 208).
180 | Image. ZUR GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN
so daß der Spezifikation zielgruppenspezifischer Images relativ enge Grenzen gesetzt
sind bzw. die Werbung dazu gezwungen ist, ihre Definition vom Positiven auf der Pro-
grammebene sehr allgemein zu halten. Dieser Sachverhalt erklärt aber keineswegs die
alle Inszenierungen übergreifende Grammatik der Imagekonstruktion. Diese gibt sich
vielmehr im Blick auf die gesamte Breite der empirisch vorliegenden Einzelfälle und
deren Heterogenität zu erkennen: Während die eine Werbung das Besitzen von teuren
Statussymbolen als zentralen Image-Generator in den Vordergrund rückt, leitet eine an-
dere gleichsam umgekehrt gute Images über einen offensiv zur Schau gestellten Anti-
Materialismus ab. Während die eine Werbung Bilder einer gleichsam restlos techni-
sierten Lebenswelt als Modernität in einem positiven Sinne zugrunde legt, setzt eine
andere auf einen Traditionalismus, der Bilder eines ursprünglichen Daseins mit entspre-
chenden Sichtbarkeiten (bestimmte Landschaften, altes Brauchtum usw.) entfaltet. Und
während bestimmte Werbungen das Eingebundensein des Einzelnen in Gemeinschaften
und Gruppen und damit Beziehungsnähe als Image-Faktor positiv dramatisieren, lassen
andere Werbungen die völlige Autonomie des Subjektes in Distanz zu anderen als er-
strebenswert erscheinen und stilisieren Individualismus als Image-Ressource.
‚ RAUCHSITTEN der VÖLKER
ы lege ыб her Meng nad Tabak d de Anker
ët Sech акаа ine ët erwechen kan.
Та ао а еве ње eben
Мае тыра ко берети wrpußt тавга dr Ta
këegere ad ta Nasrid Aterteegetesg
Чынлы und майың, ofensar iu ubertate эбе.
Wir huden ur аца ven paden den Уй стаде
NERSTOLZ, SPL. RAVENKLAU PL LOWENBRÜCK At
manas nn
50: Haus Neuerburg; BIZ 1926, 23
51: Atikah; BIZ 1928, 32
3. Die ENTWICKLUNG VON IMAGE- KOMMUNIKATION IN DER WERBUNG | 181
Das untrügliche Urteil des türkischen
Tabakhänellers ist unser beste ЯО
WIE PRÜFT MAN
CIGARETTEN
QUALITÄT
Renee wirt der Er nicht durch de Zunge,
ме ai ie
ваљан und Berater.
Beet han die Nase berg von der Zunge vat genauen
HE gees ee Gut mer Operette авала
Om Freen der Озын» un de Suen hingen
en der нетте Раана
SIGANETTENFARRIKEN
REEMTSMA
AKTIENGESELLSCHAFT
d
HAUS
NEUERBURG
RM
„Fit mir leid mein Herr—
bin selber Raucheritrenge
* Dienstvorschrift!Ein Auge
zudrücken?...Aber.die Nase"
kann ich doch nicht zudrückeı
а muss man schon gehor ein paarZügen ohne viel Be-
sam sein!Allerdings,-eine dauern beiseite legt.viel-
OVERSTOLZ auszulöschen, mehr hat sie den herzhaft
das ist schon ein Entschluss! nussartigen Geschmack des
Sie ist eben keine jener fa- Macedonen-Tabaks und ist
den Zigaretten,die man nach dabei besonders bekömmlich.
‚Wohl bekomms!”
52: Reemtsma; BIZ 1926, 23
53: Ova; BIZ 1928, 32
54: Ova; BIZ 1930, 40
55: Haus Neuerburg; BIZ 1929, 36
182 | IMAGE. ZUR GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN
`
N
ч
R
La
N
N
N
N
N
S
N
DIE MEISTGERAUCHTE |
DEUTSCHE ZIGARETTE `
ме
БЕ[47 АУ АУ АУ АУ АУ АУ АУ ДУ АУ АЎ ДУ ДУ ДУ АУ АА
56: Overstolz; BIZ 1927, 27
57: Muratti; BIZ 1930, 40
3.3.2 Operative Schließung, Reflexivität
und strukturelle Kopplungen
Wie für das System der Massenmedien überhaupt schaffen die Verbreitungsmedien
im Bereich der Werbung entscheidende Voraussetzungen für die Ausbildung einer
spezifischen Operationsweise. Sie gewährleisten die Abkopplung von Sender: und
Empfänger, und ermöglichen mit der Herausnahme des Werbens aus den flüchtigen
Bedingungen der Kommunikation unter Anwesenden Zeitgewinne, die für den Auf-
bau komplexer(er) Sinnkonstruktionen genutzt werden können.!76 Da es für die Wer-
bungsrezipienten keine Möglichkeit des direkten Feedbacks gibt, ja die Werbenden
nicht einmal wissen können, wer die Empfänger der Botschaft sein werden, sind sie
darauf angewiesen, sich an ihren eigenen Kommunikationen zu orientieren, diese
prospektiv zu optimieren und Erfolge (d.h. die Akzeptanz beim anonymen Publi-
176 Demgegenüber kann der Werbende im Rahmen einer sozialen Situation zwar in Ab-
hängigkeit zu den Reaktionen des Gegenübers seine Performance zu Gunsten eines
optimierten recipient designs im Fortgang des Geschehens nutzen (z.B. Engagement
steigern oder verringern). Das Fehlen eines Sinn fixierenden Darstellungs- und Spei-
chermediums schränkt die Handlungen jedoch auf wenige, ad hoc zu wählende Aus-
drucksmöglichkeiten (Gestik, Mimik, Intonation) ein und verunmöglicht so Komplexi-
tätssteigerungen dieses Werbungstyps.
3. Die ENTWICKLUNG VON IMAGE-KOMMUNIKATION IN DER WERBUNG | 183
kum) über indirekte Verfahren retrospektiv zu beurteilen (z.B. über die Meinungs-,
Markt- und Konsumforschung). Operativ geschlossen ist das System auch im Bereich
der Werbung also nicht über die technisch abgesicherte Trennung von »Sender« und
Empfänger: Diese Schließung erfolgt vielmehr über die Spezifizierung der Selek-
tionstypik des Systems, die die Kommunikationen über bestimmte Beobachtungen
(Unterscheidungen) aneinanderbindet bzw. Kommunikationen mit diesen Unterschei-
dungen reproduziert.!7” Indem die Werbung nur mit bestimmten Operationen arbeitet,
die nicht an beliebige andere, sondern nur an solche gleichen Typs angeschlossen wer-
den können, kondensiert ein thematisch eingeschränkter Sinnbestand (Gedächtnis),
der es ihr ermöglicht, sich an der eigenen Unterscheidung von »Selbstreferenz« und
»Fremdreferenz« zu orientieren. Erst mit der bereichsspezifischen Themenorientie-
rung und einer darauf eingestellten Selektivität entstehen Images, an die im Fortgang
des Geschehens angeschlossen werden kann, so daß eine zunehmende Selbstorga-
nisation der Werbung!7® möglich wird und es schließlich zu einer Reproduktion der
177 Luhmann geht von einer operativen Schließung der verschiedensten Systemtypen aus:
»Ebenso wie Kommunikationssysteme sind auch Bewußtseinssysteme (und auf deren
anderer Seite Gehirne, Zellen usw.) operativ geschlossene Systeme, die keinen Kontakt
zueinander unterhalten können. Es gibt keine nicht sozial vermittelte Kommunikati-
on von Bewußtsein zu Bewußtsein, und es gibt keine Kommunikation zwischen Indi-
viduen und Gesellschaft. Jedes hinreichend präzise Verständnis von Kommunikation
schließt solche Möglichkeiten aus (ebenso wie die andere Möglichkeit, daß die Gesell-
schaft als Kollektivgeist denken könne). Nur ein Bewußtsein kann denken (aber eben
nicht: in ein anderes Bewußtsein hinüberdenken), und nur die Gesellschaft kann kom-
munizieren. Und in beiden Fällen handelt es sich um Eigenoperationen eines operativ
geschlossenen, strukturdeterminierten Systems.« (1997, 105)
178 Als einen besonderen Hinweis auf die mit der Herstellung eigener Objekte (Images)
gesteigerte Autonomie der Werbung kann man die Situation im Nationalsozialismus
deuten. So stellt Thoms (1995) fest, daß die Werbung einerseits eine Institution war,
die der nationalsozialistischen Ideologie unterstellt wurde: Die Verherrlichung des
bäuerlich-ländlichen Lebens (Trachten, Landschaftsmotive, z.B. in der Persilreklame),
die Idealisierung der Frau als (enterotisierte) Mutter und die als normal propagierte
Dreikindfamilie (anstatt der Ein- bis Zweikindfamilie, die die Werbung vorher meis-
tens darstellte) wurden politisch gefordert. Und auch einzelne Werbungsstrategien, wie
z.B. das Versprechen, ein bestimmtes Shampoo rette das blonde Haar von Kindern ins
Erwachsenenalter, sind als direkte Reaktionen der Werbung auf die damals herrschende
Ideologie zurückzuführen. Andererseits konstatiert Thoms — in Entsprechung zu den
empirisch-analytischen Ergebnissen vorliegender Untersuchung — daß sich eben diese
Ideologie in der Zeit des Nationalsozialismus als Werbungsideologie nicht wirklich
durchsetzen konnte, sondern nur neben anderen (älteren) Inszenierungen Bestand hatte:
»Vielmehr kam es zu einer eigentümlichen Dichotomie der abgearbeiteten, fest in deut-
scher Tradition verwurzelten Frau und Mutter und der altgewohnten schlanken Elegan-
ten, die im übrigen auch die Fachjournale der Werbewirtschaft auszeichnete. Nicht nur
blieb die geforderte deutsche Mode französischen Vorbildern verhaftet, sondern selbst
184 | IMAGE. ZUR GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN
bereichsspezifischen Elemente (Image-Kommunikationen) im Netzwerk eben dieser
Elemente kommt:
Alle Operationen (Kommunikationen) haben mithin eine Doppelfunktion: Sie legen (1) den
historischen Zustand des Systems fest, von dem dieses System bei den nächsten Operationen
auszugehen hat. Sie determinieren das System als jeweils so und nicht anders gegeben. Und
sie bilden (2) Strukturen als Selektionsschemata, die ein Wiedererkennen und Wiederholen
ermöglichen, also Identitäten (oft sagt man im Anschluß an Piaget auch: Invarianzen) kon-
densieren und in immer neuen Situationen konfirmieren, also generalisieren. Diese Erinnern
und Vergessen ermöglichende Strukturbildung ist nicht durch Einwirkung von außen mög-
lich, und ebendeshalb spricht man von Selbstorganisation. (Luhmann 1997, 94)
Über die kontinuierende Verkettung gleichartiger Sinnstrukturen ermöglicht Image-
Kommunikation wie die anderen symbolisch generalisierten Kommunikationsme-
dien!7? eine auf das Thema eingestellte Differenzierung der Beobachtung erster und
zweiter Ordnung. Im Modus der Beobachtung zweiter Ordnung werden Images pro-
duktiv wie rezeptiv nicht nur durch die Unterscheidung Imagepositiv/Imagenegativ
hergestellt (Beobachtung erster Ordnung), sondern sie werden als solche, d.h. als
spezifische Unterscheidungen, unterschieden. Indikatoren einer reflexiv werdenden
Image-Semantik sind für die jüngere Vergangenheit z.B. solche Inszenierungen, die
das Wissen um Image als einer bestimmten Schematisierung sozialer Objekte vo-
raussetzen, um sich dann auf diesen Sachverhalt wiederum imagespezifisch zu be-
ziehen, wie z.B. eine Inszenierung, die einen coolen: Jugendlichen beim Trinken
zeigt und dazu feststellt: »Image ist nichts. Durst ist alles a (Sprite 1998).!80 Auch
die Tatsache, daß das Berichten über die hoch selektive Herstellung von Images
schon früh zum Themenkanon der Werbung gehört,!8! verdeutlicht, daß sich die
die Frauen von Nazi-Größen trugen nach wie vor Kleider aus Paris. Gerade diejenigen
unter den Frauenzeitschriften, die der Dekadenz bezichtigt wurden, konnten ihre pu-
blizistische Arbeit weitgehend ungestört fortsetzen. So propagierte beispielsweise das
elegante Magazin »Die Dame« weiterhin ein wenig deutsches, international-elegantes
Bild der Frau, das keinesfalls dem offiziellen entsprach. Aber auch in bodenständigeren
Zeitschriften, wie etwa »Für’s Haus« fanden sich noch 1940 Anzeigen, die alles ande-
re als arische, sondern genau die puppenhaft-süßlichen Frauen zeigten, die doch zum
Feind erklärt worden waren.« (Thoms 1995, 262)
179 Vgl. Luhmann 1997, 374 f.
180 Die Kommunikation des Bildes ist auch hier eine Image-Kommunikation, die keinen
Zweifel daran läßt, daß und inwiefern (d.h. in Bezug auf welche sichtbaren Attribute)
Image nicht nichts, sondern alles ist.
181 Eine Parallelentwicklung läßt sich für andere Bereiche des Systems der Massenmedi-
en diagnostizieren. So veranschaulicht das Magazin »Look« in den USA 1938 unter
dem Titel »Studio Tricks« die Herstellungsmethoden von »Photogenität«, derer sich
die Werbungsproduzenten bedienen. Die Aussage, hier ginge es darum, »die glatten
3. Die ENTWICKLUNG VON IMAGE-KOMMUNIKATION IN DER WERBUNG | 185
Werbeproduzenten zunehmend auf einen Rezeptionsmodus der Beobachtung zwei-
ter Ordnung bei ihren Publika einstellen. Mit den medienimmanenten Rekursionen
kommt es zu einer systematisch nutzbaren Selbstbezüglichkeit, zu einer »prozes-
sualen Reflexivität« (Luhmann 1997, 372 f.) und zu einer zielorientierten Nutzung
von Reflexionsspielräumen, die durch das Erinnern von (Miß-)Erfolgen einzelner
Images gewonnen werden.
Wie im Kontext der Beschreibung von Funktionssystemen allgemein bedeutet
»operative Schließung« also auch für den Systembereich Werbung keineswegs »Iso-
lierung, Kontaktlosigkeit oder Abgeschlossenheit« (Luhmann 1997, 68). Vielmehr
zielt der Begriff auf die umgekehrte Argumentation: Nur weil Systeme Informationen
in spezifischer Weise verarbeiten, gewinnen sie die Möglichkeit, mit der Umwelt in
Kontakt zu treten bzw. diese »wahrzunehmen«. Die Zweitcodierung der Werbung, die
die Unterscheidung Information/Nichtinformation an der von Imagepositiv/Imagene-
gativ orientiert, sensibilisiert diesen Bereich besonders für bestimmte Ereignisse, so
z.B. für die Kommunikationen der anderen Bereiche der Massenmedien. Die hier
generierten Erscheinungsbilder werden über den Code beobachtet und für die eigene
Operationsweise genutzt. Die Images, die die Werbung auf der Basis der Inszenierung
prominenter Medienpersönlichkeiten realisiert (Sportler, Filmstars Politiker usw.),
sind hierfür deutliche Beispiele.
Man kann nun die Mechanismen, mit denen die Werbung neben und mit dem Zweit-
code Umweltkontakte organisiert, mit Luhmanns Begriff der »strukturellen Kopplung«
genauer beschreiben. Wie der Code ermöglichen die strukturellen Kopplungen Umwelt-
kontakte über selektive Mechanismen, indem sie »den Bereich möglicher Strukturen
(einschränken), mit denen ein System seine Autopoiesis durchführen kann.« (Luhmann
1997, 100)182 Derartige Beschränkungen existieren für die Werbung in zahlreicher Art,
so daß dieser Bereich wie die anderen des Systems eng an seine Umwelt angebunden
Mythen der modernen Konventionen photogener Werbung zu dekonstruieren« (Stein
2003, 157), greift jedenfalls zu kurz. Denn derartige Berichte sind keineswegs eine
Art parasoziologische Aufklärung gegen die Arbeit am Mythos. Sie setzen vielmehr
ein reflektiertes Publikum voraus, das bereits eine bestimmte Selektionslogik der Wer-
bung unterstellt und sich deshalb für die konkreten »Studio tricks« interessiert. Folgt
man diesem Argument, ist auch Boorstins Diagnose fragwürdig, daß sich die »Story
über die Story« in den Massenmedien einer großen Beliebtheit erfreue, weil selbst mit
ihr der falsche Schein der »Pseudoereignisse« nicht aufgehoben werden könne (vgl.
Boorstin 1964, 169). Begründeter ist vermutlich die Annahme, daß die Story über die
Story deshalb auf Interesse stößt, d.h. deshalb produziert wird, weil sie dem Manipula-
tionsverdacht und entsprechenden Reflexionen der Rezipienten entgegenkommt.
182 Zu dem Begriff der strukturellen Kopplung grundlegend Luhmann 1997, 100-120. Hier
geht es Luhmann vor allem um die für jede Kommunikation unabdingbaren struktu-
rellen Kopplungen der Wahrnehmung und des Bewußtseins über Sprache (Schrift) und
»Schemata« (Rahmen, Skripts usw.) und weniger um strukturelle Kopplungen sozialer
Systeme, die in den jeweiligen Monographien abgehandelt werden.
186 | IMAGE. ZUR GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN
werden Капп.!83 Als eine strukturelle Kopplung fungieren die Auftraggeber der Wer-
bung: Als politische Parteien, Vereine, Wirtschaftsunternehmen usw. verfügen sie über
eine eigene Realitätsbasis — d.h.: sie sind nicht selbst Bestandteil des Systems, werden
aber als selektive Mechanismen in die Operationen des Systems miteinbezogen. Bevor
die einzelnen Werbungen in den Druck gehen, gefunkt oder gesendet werden, entschei-
den sich die Auftraggeber im Produktionsprozeß für oder gegen eine Kampagne, für
oder gegen ein bestimmtes Image. Da Werbung auf dem Markt (konkurrierender Agen-
turen) gehandelt wird und die jeweiligen Auftraggeber die Produktion der Werbung be-
zahlen, haben sie in der Regel das letzte Wort. Auch so wird die Ausdifferenzierung des
Systembereichs in Richtung einer autonomen Ästhetik, die besonders nahe liegt, da sich
Image-Kommunikation als eine reflexive Behandlung der Kommunikation von Bildern
vollzieht, wirksam unterbunden. Die Auftraggeber haben immer ihre eigene Identität
(bzw. die des zu bewerbenden Objekts) und dessen positive Darstellung als Ziel der
Image-Arbeit im Blick und wählen die Alternativen mit diesem Fokus aus. Mit ihren
Selektionen reduziert diese Kopplung »Möglichkeitsüberschüsse« (Luhmann), die im
System erzeugt werden, und sie digitalisiert gleichsam neben und mit dem Zweitcode
der Werbung die analogen Verhältnisse von (zunächst beliebig möglichen) Erschei-
nungsformen und -bildern.
Weitere strukturelle Kopplungen bilden die Meinungs-, Markt- und Konsumen-
tenforschung, die, wenngleich mit anderen Themenorientierungen, auch in den Sy-
stembereichen Unterhaltung sowie Nachrichten/Berichte eine Rolle spielen. Indem
Untersuchungen z.B. den Erfolg von Werbungen vor oder nach deren Publikation
z.B. über die Messung von Erinnerungs- und Sympathiewerten kontrollieren oder in-
dem sie dem System Daten zur genaueren Bestimmung der Zielgruppen bereitstellen
(Alter, Einkommen, Lebensstil, Mediennutzung, Wertorientierung, Konsumgewohn-
heiten usw.), schließen sie für die Werbung bestimmte Möglichkeiten der Image-
Konstruktion aus, während sie ihr andere besonders nahe legen. Insofern die Ergebnisse
der verschiedenen qualitativen und quantitativen Studien überhaupt auf die Produktion
von Werbung Einfluß nehmen, werden sie also als Einschränkungen wirksam, die das
System in diesem Bereich spezifisch umweltoffen einrichten. Allerdings verdeutlicht
die empirische Analyse der Produktionsprozesse, daß Wissenschaft als strukturelle
Kopplung eher von untergeordneter Bedeutung ist. So äußern Werbungsproduzenten
in Befragungen immer wieder eine Skepsis gegenüber der beratenden Wissenschaft
oder bringen gar eine offene antiszientistische Haltung zum Ausdruck. !84
183 Dennoch gilt auch für die Werbung, daß die Umwelt »nur unter der Bedingung struktu-
reller Kopplungen und nur im Rahmen von dadurch kanalisierten und gehäuften Mög-
lichkeiten Einfluß auf die Strukturentwicklung« (ebd., 119) gewinnt. Da sich die Umwelt
durch die Einwirkung der Gesellschaft, also auch durch die Werbung selbst, verändert,
kommt es zu einem gegenseitigen »Variationsdruck« von System und Umwelt.
184 Vgl. Kautt/Willems 2006.
3. Die ENTWICKLUNG von IMAGE-KOMMUNIKATION IN DER WERBUNG | 187
Nicht zuletzt entwirft die Beschreibung der Arbeitsprozesse durch die Praktiker
ein wissenschaftsfernes Bild der Profession: Am Anfang stehen das Brainstorming
(und weniger die Lektüre von Ergebnissen der Markt- oder Konsumentenforschung)
und die Ausarbeitung von Bildern und Texten von den verschiedenen Rollenträgern,
die sich in der Praxis die benötigten Kompetenzen angeeignet haben. Die dann vor-
liegenden Alternativen werden in verschiedenen Gruppen und Gremien'®3 diskutiert,
wobei die Aussagen der Beteiligten keinen Zweifel daran lassen, daß in diesen Pro-
zessen die wichtigen Entscheidungen für oder gegen eine Kampagne, für dieses oder
jene Image fallen. Verbesserungen, die bei Mißerfolgen unerläßlich sind, werden ent-
sprechend nicht über eine verstärkte Orientierung an wissenschaftlichem Experten-
wissen, sondern über den Austausch von Personen oder Agenturen eingeleitet.
Neben und mit den strukturellen Kopplungen, die auf der Organisations- und Un-
ternehmensebene ausdifferenziert sind (und weiter spezifiziert werden könnten), spielen
das Wissen und die Erfahrung der an der Konstruktion von Werbung beteiligten Exper-
ten eine große Rolle, also jener Typus von Kopplung, den Luhmann »operative Kopp-
lung« nennt (1997, 788).!86 Insbesondere das ап der Schnittstelle zwischen Produktion
und Rezeption zum Einsatz kommende professionelle Sonderwissen der Praktiker fällt
ins Gewicht: Wie andere Medienakteure bringen diese neben einer berufspraktisch ge-
schulten Sensibilität (in Sachen Publikumsverstehen) und Kreativität immer auch und
primär ihren Jedermannshabitus zum Einsatz. Unter dem alles beherrschenden Zwang
stehend, dem jeweiligen Publikum zu entsprechen, operieren die Werbungsproduzenten
gewissermaßen parasoziologisch, um handlungsrelevante Urteile und Erwartungen der
Rezipienten voraussehen und imagekommunikativ umsetzen zu können. Sie tun dies
nicht zuletzt intuitiv, d.h. aufder Basis habitueller Dispositionen, die (z.B. Geschmacks-)
Urteile und Urteilskraft hervorbringen. Die Werber selbst beschreiben entsprechend den
»gesunden Menschenverstand«, die Kenntnis des »normalen Geschmacks« und die
Kenntnis der »Grenzen der Schicklichkeit« immer wieder als Kernkompetenzen ihres
Berufs und betonen — nach dem Vorhandensein einer Selbstzensur gefragt — die Orien-
tierung an gesellschaftlich gegebenen Werten und Normen. Diese Orientierung bzw. das
Fungieren des Habitus der Produzenten setzt der Image-Differenzierung Grenzen und
bindet diese an die (Sub-)Kulturen der jeweiligen Publika. Andererseits ist klar, daß die
Funktionslogik des Systems hier wie in anderen Systembereichen die Ausbildung eines
professionellen Sonderwissens verlangt und fördert, das über gängiges Alltags-Image-
Wissen hinausreicht. So werden die Kreativen sowohl in ihrer Ausbildung als auch in
ihrer beruflichen Praxis permanent zu spezifisch kompetenzbildenden Selbstreflexionen
185 Diese konstituieren sich in den Werbeagenturen, bei den Auftraggebern oder werden
über Dritte organisiert, die dann z.B. auch mehr oder weniger systematisch ausgewähl-
te Probanden »von der Straße« befragen.
186 Zu der Vielzahl hochspezialisierter Berufsrollen, die in Werbeagenturen, bei den Auf-
traggebern oder in Forschungsinstituten arbeitsteilig zusammenwirken vgl. ausführlich
Schmidt/Spieß 1994.
188 | IMAGE. ZUR GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN
und Selbstevaluationen gezwungen. Sie müssen etwa ihr gestalterisches und konzeptio-
nelles Vorgehen systematisch reflektieren, Problemlösungen und Alternativen vorschla-
gen und diskutieren sowie ihre (Vor-)Ergebnisse dem Auftraggeber präsentieren, der
genaue Auskunft über die vorgeschlagene Konzeption erhalten möchte. Auch vielfältig
ausdifferenzierte Formen handwerklich-technischen Wissens, die sich hauptsächlich
auf die Herstellung von Bildern beziehen, sind durchaus relevant, wie man schon an den
hochgradig spezialisierten Berufsrollen (Stylist, Photograph, Typograph, Texter usw.)
erkennen kann. Nicht zuletzt ist das professionelle Sonderwissen durch eine reflexiv-in-
strumentelle Beherrschung eines imagebezogenen Wissens gekennzeichnet, das sich auf
alltagskulturelle Sinnbestände im breitesten Sinne richtet: Werte, Moden, Geschmack,
Verhaltensmuster, Designs usw., und deren Wandel müssen von den Werbungsmachern
gleichermaßen als Produktionsressourcen der Image-Konstruktion reflektiert werden
können. Entscheidend ist vor allem ein durch Massenmedienbeobachtungen geschultes
Image-Wissen, das die Akteure in die Lage versetzt, die Passung von Images und Pu-
blika zu antizipieren, so daß es (das Wissen) als zielführende Einschränkung wirksam
werden kann. Dies ist um so schwieriger, als die Rekombination und Respezifizierung
alltagskultureller Sinnbestände unter Image-Gesichtspunkten immer als doppeltes reci-
pient design funktionieren muß — denn das Image muß die Erwartungen der Auftragge-
ber ebenso zufriedenstellen wie die der Zielgruppen. 187
Die verschiedenen Kopplungen ermöglichen eine enge Anbindung der Werbung
an ihre Publika, indem sie mehr oder weniger scharfe Grenzen des Möglichen zie-
hen.!88 Daß die Kopplungen als Einschränkungen wirken, sieht man nicht zuletzt an
den Konflikten, die sie im System erzeugen. So empfinden die Gestalter die Kont-
rollen, Vorschläge und Entscheidungen der Auftraggeber oftmals als Hemmnis ihrer
schöpferischen Freiheit. Das, was als Output des Systembereichs über die Verbrei-
tungsmedien kommuniziert wird, ist, wie man z.B. Interviews mit Werbungsprodu-
zenten in praxisorientierten Fachzeitschriften entnehmen kann, keineswegs durch-
gehend das, was sich die Kreativen unter guter Werbung vorstellen. Entsprechend
gehört das Lamentieren über den Mangel an Risikobereitschaft und an ästhetischem
Urteilsvermögen der Auftraggeber oder das Monieren der Vorgaben der Markt- und
Konsumforschung zum Alltag der Werbungsproduzenten. Die Einschränkungen der
187 Die für die Profession zentrale Fähigkeit, Sinn im Blick auf beide Kunden für eine Wer-
bung zu präparieren, beschreiben die Produzenten mit Vokabeln wie »Gespür«, »Intui-
tion«, »Feeling«, »Fingerspitzengefühl«, » Antennen« (vgl. Kautt/Willems 2006).
188 Daß die Rechtsprechung kaum als Einschränkung fungiert, kann man u.a. daran er-
kennen, daß der Deutsche Werberat als Instanz freiwilliger Zensur verbotsähnliche
Empfehlungen (der Unterlassung oder Einstellung bestimmter Werbungen) regelmäßig
ohne anhängige Rechtsverfahren ausspricht. Die deutliche Reaktanz des Publikums
(die sich z.B. über Beschwerdebriefe an die Auftraggeber der Werbungen äußert) oder
kritische (Selbst-)Beobachtungen des Systems genügen also für das In-Gang-Setzen
der (Selbst-)Zensur.
3. Die ENTWICKLUNG VON IMAGE-KOMMUNIKATION IN DER WERBUNG |189
strukturellen Kopplung werden für die Kreativen aber immerhin über die Vergabe ver-
schiedener Preise kompensiert, die als Auszeichnungen von Kreativität (und nicht als
Auszeichnung faktischer Erfolge im Sinne der Auftraggeber) die Reputation und das
Image der Agenturen bzw. Professionellen mitbestimmen — der Cannes-Wettbewerb
ist, nicht zuletzt aufgrund der selbst als Werbung fungierenden Spot-Publikationen
(»Cannes-Rolle«), hierfür das vermutlich bekannteste Beispiel.
Diese Überlegungen zusammenfassend kann man feststellen, daß sich die »Au-
topoiesis« des Systems im Bereich der Werbung neben und mit der Unterscheidung
Information/Nichtinformation über die Zweitcodierung Imagepositiv/Imagenegativ
und einer darauf eingestellten Programmierung vollzieht. Mit diesen Operationen
bestimmt sich der Systembereich selbst (die eigenen Objekte, die eigene Systemge-
schichte) und seine Umwelt, also »Selbstreferenz« und »Fremdreferenz«. Obwohl die
Werbung maßgeblich über ihre Zweitcodierung festgelegt ist, gilt es andererseits zu
beachten, daß sie in ihren Inszenierungen immer auch mehr bzw. anderes als Image-
Kommunikation betreibt. Wie andere Systeme reproduziert das System der Massen-
medien (u.a. im Bereich der Werbung) keineswegs nur das »autopoietische Mini-
mum« (Luhmann 1997, 406). Nicht alle Details einer Inszenierung müssen restlos
auf Image bezogen sein. So kann die Werbung durchaus imageneutrale Informationen
zum Einsatz bringen und sie macht faktisch von dieser Möglichkeit häufig Gebrauch.
Daß ein Kühlschrank weniger Energie verbraucht als vergleichbare Produkte, daß
eine politische Partei im Unterschied zur Konkurrenz (k)eine Erhöhung der Mehr-
wertsteuer anstrebt oder daß käufliche Produkte zu bestimmten (hohen oder niederen)
Preisen zu erwerben sind, mögen Informationen sein, über die die Werbung berichtet.
Als Werbung fungieren die verschiedensten Informationen jedoch nur, wenn sie auf
der Basis visueller Kommunikationen als Attribute der beworbenen Objekte identi-
fiziert werden und zur Qualifizierung derselben beitragen. Wie erwähnt, geht es ihr
inszenatorisch auch darum, Aufmerksamkeit herzustellen und die Erinnerung ihrer
Mitteilungen wahrscheinlich zu machen. Und immer wieder (aber keineswegs prin-
zipiell) muß sie die Glaubwürdigkeit ihrer Botschaften dramaturgisch berücksichti-
веп.!89 In jedem Fall aber muß die Werbung auch der Herstellung von guten Images
im skizzierten Sinne Rechnung tragen. Ein empirisches Indiz der Vorrangstellung ih-
rer Image-Kommunikationen sind z.B. solche Inszenierungen, die die unter modernen
Medienbedingungen zunehmend knapp werdende Ressource Aufmerksamkeit durch
extreme Abweichungen vom Erwarteten und Üblichen attrahieren wollen. Die Wer-
bungsproduzenten stellen diesbezüglich nämlich fest, daß die zur Steigerung von Auf-
189 So z.B. dann, wenn in der Image-Kommunikation selbst die Glaubwürdigkeit mitge-
teilter Informationen als ein Kriterium der Positivqualifizierung angesteuert wird (wie
z.B. in Fällen der Betonung von Seriosität als Identitätswert). Prinzipiell besteht eine
Leistung der Image-Kommunikation jedoch eher darin, die Akzeptanzwahrscheinlich-
keit der kommunizierten Objekte weitgehend unabhängig von dem Aspekt der (Nicht-)
Glaubwürdigkeit kommunizierter Informationen steigern zu Können.
190 | IMAGE. ZUR GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN
merksamkeit eingesetzten Mißachtungen von Normen, Werten oder kosmologischen
Normalitätsvorstellungen nicht zu einer Verdeckung, Irritation oder gar Beschädigung
des angestrebten bzw. vorhandenen Images führen dürfen. Hinweise in diese Richtung
geben weiterhin Werbungen, die scheinbar nur mit Informationen werben, den Objek-
ten aber gerade damit ein bestimmtes Image zuweisen. So sind z.B. Inszenierungen,
die bewußt auf Bildlichkeit verzichten, alles andere als imageneutral: Sie imprägnie-
ren im Umfeld bildbasierter Images vielmehr markant den Eindruck des Seriösen,
Schlichten, Realistischen usw., und sie vermitteln diesen Eindruck des Imagelosen
— nur scheinbar paradox — als Image (vgl. Abb. 170-174). Für die Reproduktion der
Werbungskommunikationen ist die qualifizierende Beschreibung der sichtbaren For-
men zu Zwecken der Herstellung einer Image-Identität also entscheidend und auf
dieser Ebene liegt das »autopoietische Minimum«, mit dem das System in diesem
Bereich (Nicht-)Informationen reproduziert. Und nur auf dieser Ebene, d.h. in Bezug
auf Images, determiniert sich die Werbung selbst. Während die Strategien und Insze-
nierungselemente zur Herstellung von Aufmerksamkeit im Zeitverlauf mehr oder we-
niger beliebig ausgetauscht werden können — solange deren Wechsel das Image nicht
mit unerwünschten Folgen tangiert —, gilt dies für die Image-Dimension keineswegs,
denn sie ist der elementare Stoff, mit dem die moderne Werbung wirbt.!90
3.4 Exemplarische Ressourcen der Image-Programmierung
Unter Programmierung wird im folgenden die Bereitstellung von Kriterien zur Un-
terscheidung Imagepositiv/Imagenegativ über eine bildbasierte Semantik verstanden,
die im Rahmen der werbungsspezifischen symbolischen Generalisierung angeboten
wird. Die thematisch fokussierten Arrangements von Zeichen und Symbolen machen
jeweils deutlich, unter welchen Bedingungen das beworbene Objekt Anspruch auf ein
gutes Image erheben kann (oder nicht). Obwohl die Programmierung in den meisten
Fällen den Positivwert konkretisiert, also zeigt, inwiefern dem Dargestellten ein po-
sitives Image zukommt, gibt es auch Werbungen, die vorführen, welche Attribute ein
schlechtes Image generieren. In beiden Fällen aber ermöglichen die entfalteten Kriterien
eine sachliche Bestimmung beider Codewerte über die jeweiligen Sichtbarkeiten. In
Bezug auf den häufigeren ersten Fall bedeutet das: Die Zuweisung eines guten Images
zeigt zugleich, unter welchen Bedingungen Imageverluste drohen bzw. schlechte Images
gegeben sind: Je weniger von den positiv dargestellten Eigenschaften zur Verfügung
stehen, desto niedriger ist das jeweilige Objekt auf einer hierarchischen (Image-)Skala
zu positionieren. Die intendierte Hierarchie wird also jeweils programmbezogen nicht
etwa durch werbungsübergreifende Werte hergestellt. Perspektiviert man die Images
190 Entsprechend sorgsam geht die Werbung mit einmal geschaffenen Image-Identitäten
um. Drastische Image-Wechsel wie in dem erwähnten Beispiel der Marke »Marlboro«
lassen sich nur äußerst selten beobachten.
3. Die ENTWICKLUNG VON IMAGE-KOMMUNIKATION IN DER WERBUNG | 191
als Identifikationsangebote für die »psychischen Systeme« (Luhmann) der Rezipienten
— eine Sichtweise, die insbesondere im Bereich der Konsumgüterwerbung naheliegt -,
kann man auch sagen, daß die Werbung mit der Rückseite ihrer glänzend erscheinenden
Medaille (Imagepositiv) die Erfahrung von Mängeln und Mangelhaftigkeit und die da-
mit verbundenen Gefühle der Scham, der Peinlichkeit, der (Selbst-)Verachtung und der
Angst instrumentiert. Diese Gefühle nimmt die Werbung nicht nur in Kauf, sondern sie
strebt sie an und nimmt sie ebenso in Dienst wie jene Gefühle, die mit ihrer positiven
Imagewelt assoziiert sind und die sie mit dieser Welt assoziiert: Selbstachtung, Selbstsi-
cherheit, Stolz, Souveränität, Autonomie, Glück.
Für die folgende Darstellung der imagekommunikativen Programme ist der Hin-
weis von besonderer Wichtigkeit, daß die Gesamtheit der in einer Werbung zum Einsatz
gebrachten Sichtbarkeiten in ihrer singulären Ausprägung die Kriterien der Positivbe-
wertung für das jeweilige Image definieren. Insofern liegen in der Werbung so viele
Programmvarianten wie Images vor. Daneben kann man aber auch von Programmres-
sourcen der Werbung sprechen, und zwar in zweierlei Hinsicht. Zum einen ist nicht zu
übersehen, daß die Kriterien der Positivbewertung in verschiedenen Werbungen für ein
und dasselbe Objekt (eine bestimmte Zigarette, ein bestimmtes Auto usw.) synchron und
diachron reproduziert werden, so daß ein (wieder-Jerkennbarer Image Kom konden-
siert. Die Images der in der Öffentlichkeit als Marken etablierten Dinge machen diesen
Sachverhalt schnell deutlich: Bei aller Varietät der einzelnen Inszenierungen (Anzeigen,
Spots usw.), auch in ein und derselben Zeit, ist hier ein stabiler Kriterienfundus der
Zuteilung von Imagepositiv/Imagenegativ zu erkennen. Daß man zu Namen wie Coca-
Cola, Greenpeace oder Deutsche Bahn Bildkomplexe mit charakteristischen Attributen
imaginieren kann, bestätigt das Vorhandensein solcher Image-Identitäten. Zum anderen
verdeutlicht die Analyse eine Präferenz für bestimmte, typologisierbare Themen, die
in den verschiedenen Images eine Rolle spielen und insofern als Programmressourcen
der Image-Kommunikation beschrieben werden können. Favorisiert werden z.B. Kri-
terienkomplexe wie Erotik, Status, Natürlichkeit, Jugendlichkeit, Männlichkeit bzw.
Weiblichkeit oder Seriosität. Sie treten allein oder kombiniert in Erscheinung, wobei die
einzelnen Ressourcen unterschiedliche Identitätsrelevanz besitzen können.
Sowohl die Invarianz einzelnen Image-Kerne wie das Vorhandensein eines The-
menreservoirs, das verschiedene Einzelimages fundiert, legen eine Systematisierung
der Programmebene nahe, die nicht auf eine vollständige Beschreibung einzelner
Images, sondern auf die Beschreibung imagetranszendierender Programmressourcen
abzielt. Die Zuordnung der aufgeführten Beispiele zu einer bestimmten Ressource er-
folgt dabei in Bezug auf das jeweils besonders hervorgehobene Thema (Natürlichkeit,
Erotik, Männlichkeit иѕуу.).!9!
191 Daß sich diese Darstellungen typologisch stärker differenzieren ließen, wird in den aus-
führlicher vorgestellten Themenkomplexen Status, Erotik und Realismus ersichtlich. De-
ren Beschreibung zeigt, daß innerhalb der werblichen Betonung eines bestimmten The-
mas als zentraler Image-Faktor erhebliche semantische Unterschiede bestehen können.
192 | IMAGE. ZUR GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN
Wenngleich für die Konstruktion verschiedener Images immer wieder ähnliche
Ressourcen in Anspruch genommen werden, muß hier an den bereits erwähnten Sach-
verhalt erinnert werden, daß die Gesellschaft der Werbung keineswegs durch eine
symbolische Ordnung integriert ist, die für alle Inszenierungen gleichermaßen gilt.
Integriert ist die symbolische Ordnung der Werbung vor allem dadurch, daß sich die
verschiedenen Programme alle an der Leitdifferenz Imagepositiv/Imagenegativ und
d.h. an einer achtungskommunikativen Spezifikation des Schemas Oberfläche/Tiefe
orientieren. Die verschiedenen Programme bringen also durchaus unterschiedliche
Kriterien der Positivbewertung ins Spiel: Erotische Attraktivität oder Modernität kön-
nen ebenso als Generatoren guter Images fungieren wie Güterbesitz, Traditionalität
oder ein »realistisches« Weltbild, wobei die Themenkomplexe in sich selbst wiederum
in verschiedenster Weise zu einem (positiven) Image modelliert werden können (z.B.
durch unterschiedliche (Körper-)Schönheitsideale, unterschiedliche Modernitätsvor-
stellungen usw.). Kriterien, die in der einen Werbung ein positives Image fundieren
(sollen), können daher im Lichte eines anderen Programms als Imagenegativ erschei-
nen (und umgekehrt), wobei mit den Inhalten zugleich die Darstellungsformen er-
heblich variieren. Während z.B. Inszenierungen eines feinen Lebensstils mit einer
kultivierten Ästhetik und hochkulturellen Statussymbolen operieren, stellen andere
Werbungen den von ihnen als positiv stilisierten Antimaterialismus mit einer Ästhetik
der Einfachheit zur Schau. Neben und mit der Flexibilität lassen sich weitere Charak-
teristika der Image-Programmierung feststellen:
a) Objektpersonifizierung
Ein wichtiger Grundzug (fast) aller Inszenierungen besteht darin, daß die verschie-
densten Image-Objekte mit Attributen belegt werden, die analog zu menschlichen
Eigenschaften konstruiert sind. Produkte wie Waschmittel, Schokoriegel, Versiche-
rungen oder Autos, aber auch Gegenstände jenseits des Konsumgüterbereichs wie
politische Parteien oder Non-Profit-Organisationen werden von der Werbung als
Charaktere modelliert, deren spezifische (Tiefen-)Eigenschaften das Image als eine
personale Identität entwerfen. Die Empfehlung, die Hans Domizlaff 1939 in seiner
wirkungsmächtigen Publikation über die »Gewinnung des öffentlichen Vertrauens«
den Werbungspraktikern ins Stammbuch schrieb — nämlich die, sich die jeweils zu
bewerbenden Artikel als Persönlichkeiten vorzustellen — kann man inzwischen in sehr
vielen Werbungen verwirklicht ѕеһеп.!9 Personifizierung ist eine Methode des Zei-
chengebrauchs, die wie andere Gestaltungsmittel quer steht zu den Kriterienkomple-
xen, die in den jeweiligen Inszenierungen unter inhaltlichen Gesichtspunkten plausi-
bel machen sollen, warum das jeweilige Image eut: ist. Das wichtigste (aber nicht
das einzige) Stilmittel ist das bildliche Vorführen menschlicher Darsteller. Am Bild
192 Wie man der neueren Ratgeberliteratur für Praktiker entnehmen kann, hat die Vorstel-
lung von der Marke als einer Persönlichkeit nichts an Aktualität eingebüßt (vgl. Herbst
2005; Deichsel 2004).
3. Die ENTWICKLUNG VON IMAGE-KOMMUNIKATION IN DER WERBUNG | 193
des Menschen, an seinen konkreten, d.h. jeweils charakteristischen Erscheinungs-
formen und an dem sichtbar gemachten Verhalten, das (Tiefen-)Eigenschaften veräu-
Bert, werden Attribute festgemacht, die für das jeweils beworbene Objekt stehen. Ja
man könnte sagen: Der Mensch ist im Rahmen der Image-Kommunikation das zen-
trale symbolische Trägermedium der Sache, um die es eigentlich geht — nämlich um
das jeweilige Objekt-Image und nicht um das Image des Darstellers, der die Image-
Attribute aufführt.'9 Und weil Menschen als Image Träger fungieren, bezieht sich
die Darstellung der empirisch-analytischen Ergebnisse im Bereich der Beschreibung
der Programmressourcen oftmals auf Inszenierungen von Menschen. Denn an der
entsprechenden Zeichenhaftigkeit (Kleidung, Verhalten, Kontextierung der Darstel-
ler usw.) ist in vielen Fällen am schnellsten und prägnantesten zu erkennen, welches
Image in der jeweiligen Werbung angestrebt wird.
Im Anschluß an Luhmann kann man in der Objektpersonifizierung einen »sym-
biotischen Mechanismus« mit »symbiotischen Symbolen« sehen, d.h. einen Mecha-
nismus, der in spezifischer Weise darauf eingestellt ist, daß symbolisch generalisier-
te Kommunikationsmedien »wie alle Kommunikation in struktureller Kopplung mit
dem Bewußtsein derjenigen psychischen Systeme (operiert), die sich an der Kommu-
nikation beteiligen.« (Luhmann 1997, 378) Die Rezipienten können über Personifi-
zierungen optimiert angesprochen werden, da mit ihnen die von Luhmann gesehene
»Notwendigkeit, in der Kommunikation auf die Körperlichkeit Rücksicht zu neh-
men« (ebd.), Rechnung getragen werden kann. Ein direkter Bezug über den Einsatz
menschlicher Darsteller (in dem man auch einen Mechanismus sozialer Konditio-
nierung sehen kann) findet auch statt, wenn die Gemeinschaft von Menschen als ein
»Ort« aufgeführt und dramatisiert wird, an dem die Beurteilung von Imagenegativ/
Imagepositiv mit relevanten Folgen für die beteiligten Individuen vollzogen wird.
Achtungsgewinne und -verluste werden dann nicht nur indirekt über die Erlangung
der jeweils programmierten Image-Aspekte in Aussicht gestellt, sondern zudem als
eine Art Spiegelung lebenswirklicher Beurteilungsprozesse ins Bild gesetzt. Ein typi-
sches Beispiel geben Werbungen, in denen einzelne Darsteller von anderen aufgrund
bestimmter Image-Attribute bewundert oder stigmatisiert werden. Dadurch wird im
Kommunikationsmedium symbolisch zum Ausdruck gebracht, daß Image-Kommu-
nikation als Kommunikationscode zwischen Kommunikationsteilnehmern fungiert,
daß also die Zuweisung von Achtung ein sozialer Prozeß bzw. eine Währung ist, mit
der sich Individuen nicht selbst versorgen können. Die Minimalversion dieses sym-
bolischen Mechanismus, die aber um so häufiger vorkommt, besteht in der Bezie-
193 Eine gewisse Ausnahme stellen Inszenierungen prominenter Persönlichkeiten dar, denn
dann setzt die Werbung lebenswirkliche Individuen und deren durch die Massenmedien
generiertes Image in Szene. Aber auch hier kann sich die Werbung nicht damit begnü-
gen, daß der (gute) Eindruck von der Person für sich selbst steht, sondern sie muß einen
Transfer dieses guten Eindrucks auf das beworbene Objekt herstellen, also eine Image-
Arbeit leisten, die über das Abbilden von Personen hinausgeht.
194 | IMAGE. ZUR GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN
hung, die die Sprache bzw. die Schrift zum Bild einnimmt. In vielen Fällen verhält
es sich so, als kommentiere die Bildunterschrift, der (gesprochene) Slogan usw. das
Erscheinungsbild wie ein gleichsam außenstehender Beobachter. Während das Bild
im Rahmen des jeweiligen Programms die Kriterien der Positivbeurteilung bereitstellt
(z.B. Natürlichkeit, hoher (Schicht-)Status), bestätigt und/oder spezifiziert der Text
diesen Eindruck. Schon aufgrund dieser parasozialen Beziehung von Text und Bild
und deren symbiotischer Verknüpfung spielt der Einsatz von Sprache (Schrift) für die
Image-Kommunikationen der Werbung eine große Rolle.
b) Universalismus
Wenngleich sich die Werbung über die Differenzierung von Codierung und Program-
mierung prinzipiell von den ästhetischen Urteilen und Wertvorstellungen einer Kul-
tur der Mitte lösen kann, ja die Struktur der Image-Kommunikationen gerade darauf
eingestellt ist, den Bedürfnissen der verschiedensten Publika Rechnung zu tragen, ist
dennoch im gesamten Untersuchungszeitraum eine Bevorzugung bestimmter Motive
bzw. Sujets nicht zu übersehen. Weil die Mitteilungen unter hochgradig anonymisier-
ten Bedingungen sehr heterogene Adressatenkreise erreichen müssen, ist die Werbung
typischerweise darum bemüht, dramaturgische Mittel zu wählen, die soziale Unter-
schiede, Trennungen und Distanzen unterlaufen oder invisibilisieren. Zwar kann die
Werbung auch auf (echte oder scheinbare) Distinktion setzen, aber in den meisten Fäl-
len muß sie mit sozial möglichst weitreichend konsensuellen Attraktoren operieren,
also z.B. mit allgemein akzeptierten Werten wie Jugendlichkeit oder Natürlichkeit.
Auch die (Image-)Bearbeitung von Themen wie Alter, Geschlecht, zwischenmensch-
licher Nähe und Intimität ist diesem Generalisierungszwang geschuldet. Sie transzen-
dert die (Sub-)Kulturen der Gesellschaft mit Sinnhorizonten, die alle Rezipienten
prinzipiell tangieren. Der Konformismus der Werbung (zu dem auch die Inszenierung
des Non-Konformismus gehört) ergibt sich also weniger über einen hegemonialen
Diskurs einer (z.B. bürgerlichen) Kultur der Mitte, als über die Ansteuerung univer-
saler Themen des Menschseins.
c) Die alltagstheoretische Bedeutung der beworbenen Objekte als Bezugsrahmen der
Image-Programmierung
Die empirische Analyse verdeutlicht, daß die Selektion der Programme häufig (aber
keineswegs immer) durch den Sinnhorizont orientiert bzw. eingeschränkt wird, dem
die jeweils beworbenen Objekte als solche — d.h. gleichsam vor jeder Werbung —
zugehören. Die alltagstheoretischen Vorstellungen etwa zu Kirchen, Politikern oder
Konsumgütern legen der Werbung die Wahl unterschiedlicher Programme nahe. Die
Beziehung von Image und Objekttyp entsteht erst im Rahmen der Image-Kommunika-
tion und muß in diesem Medium (Image) zielführend gesteuert werden. Ein hervorzu-
hebender Fall ist die Bewerbung solcher Objekte, die nicht nur für ihre positiven,
sondern gerade auch für ihre negativen Identitätswerte (ungesund, teuer, riskant, um-
weltschädlich u. a.) bekannt sind. In diesem Kontext wird häufig eine Strategie ge-
3. Die ENTWICKLUNG VON IMAGE-KOMMUNIKATION IN DER WERBUNG | 195
wählt, die man im Anschluß an Luhmann als »Vereinnahmung des Gegenmotivs« be-
zeichnen kann.'?* So werden z.B. in der Zigarettenreklame seit dem Ende der 1950er
Jahre bei aller Disparität der Images bevorzugt »natürliche< Landschaften ins Bild
gesetzt, um die Assoziation gesundheitsschädlich möglichst durch entgegengesetzte
Eindrücke zu unterbinden.
d) Varietät und Redundanz als Oberflächen-Tiefen-Struktur
Schon weil die Werbung Rezipientenaufmerksamkeit attrahieren und steuern muß, über-
nimmt die Variation der sichtbaren Formen eine Funktion, die an der Image-Arbeit pro-
grammübergreifend beteiligt ist. Die ästhetische Proklamation des Neuen ist gewisser-
maßen ein Meta-Programm bzw. läuft die Unterscheidung neu/alt als Orientierung des
Codes fortwährend mit. Dieser im Längsschnitt ersichtliche Befund ist nicht erstaunlich,
da die mit den Verbreitungsmedien zusammenhängende Anonymisierung sozialer Re-
dundanz in allen Bereichen des Systems ein Informationsmanagement nahelegt, das von
dem Bekanntsein aller mitgeteilten Informationen ausgehen muß.!” Wiederholungen
werden daher im System als Redundanzen antizipiert und in der Regel verhindert. Auch
die massenhaft verbreitete Werbung unterliegt der Selbstdynamisierung einer modernen
visuellen Kultur, deren Gedächtnis eine am Neuen orientierte Erwartungshaltung gene-
riert, die sie fortan bedienen muß (vgl. 2.2.2). Ja gerade die Werbung ist im Bereich der
Darstellung von Moden und Designs darauf angewiesen, neben und mit der Ausgestal-
tung der Programmressourcen Oberflächen permanent zu variieren.
Andererseits ist noch weniger erstaunlich, daß die Werbung für ihre Objekte eine
stabile (Image-)Identität herstellen muß, die als solche von den Rezipienten (wieder-)
erkannt werden kann. Die Notwendigkeit der gleichzeitigen Herstellung von Varietät
und Redundanz bildet in der Tat einen Zielkonflikt der Werbung.!?® Die Lösung, die
sich in Bezug auf das Dilemma einzupendeln scheint, besteht wiederum in einem
werbungsspezifischen Umgang mit der Unterscheidung zwischen Oberfläche und
Tiefe. Während das Neue über die fortlaufende Variation bestimmter Oberflächen-
merkmale hergestellt wird, kontinuiert die visuelle Gesamtinszenierung den substan-
tiellen, identitätszentralen Image-Wert (z.B. Natürlichkeit oder Jugendlichkeit) über
einen konstant bleibenden Formen- und Themenkanon. Besonders deutlich wird das
an Traditionsmarken wie Nivea, Coca-Cola oder Mercedes, die über Jahrzehnte einen
stabilen Image-Kern reproduzieren und zugleich über eine jeweils zeitgemäße Fein-
justierung der Ästhetik immer den Eindruck vermitteln, up to date zu sein.!97 Selbst
194 Vgl. Luhmann 1996, 87 f.
195 Vgl. Luhmann 1996, z.B. 28 f.
196 Vgl. Luhmann 1996, 94.
197 Bei allem Wandel ist z.B. das übergreifende Marken-Image von Nivea entscheidend
durch Eigenschaften wie Reinheit und Natürlichkeit geprägt, während Werbungen für
Coca-Cola tendenziell auf Jugendlichkeit setzen und das Image von Mercedes über die
Vermittlung von Exklusivität im Sinne eines hohen Schichtstatus definiert wird.
196 | IMAGE. ZUR GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN
traditionalistische Images beschränken sich keineswegs auf das Konservieren alt her-
gebrachter Darstellungsformen, sondern aktualisieren die gute alte Zeit im Glanz des
jeweils neueren Designs. Die zielführende Oberflächen-Tiefen-Differenzierung läßt
sich nicht nur bei einzelnen Werbungskampagnen, sondern in Bezug auf die Behand-
lung der Image-Programme überhaupt beobachten. Um dies zu verdeutlichen, werden
in den Bildanhängen immer wieder traditionelle Vorbilder Beispielen aus der aktuel-
leren Werbung gegenübergestellt.
e) Komplexitäts- und Reflexivitätssteigerung
Nicht zuletzt sind Komplexitäts- und Reflexivitätssteigerungen ein allgemeines,
programmübergreifendes Merkmal der Werbungsinszenierungen. Von einem Kom-
plexitätszuwachs kann man in einem doppelten Sinne sprechen: Zum einen wird das
Spektrum der Programmressourcen im Laufe der Entwicklung breiter. Während im
Längsschnitt der Untersuchung neue Image-Komplexe hinzutreten, läßt sich das Ver-
schwinden einmal etablierter Themen jedoch nicht beobachten. Frühe Ressourcen,
die bis heute (wenn auch variiert) genutzt werden, sind z.B. Status, Natürlichkeit und
Jugendlichkeit. Dabei ist nicht zu übersehen, daß mit der Erschließung neuer The-
menkomplexe eine Differenzierung derselben einhergeht — so bilden sich z.B. ver-
schiedene Natürlichkeiten, Jugendlichkeiten, Männlichkeiten/Weiblichkeiten. Zum
anderen wird im Laufe der Zeit die Komplexität einzelner Inszenierungen gestei-
gert. Dies geschieht z.B. über Integrationen verschiedener und z.T. divergierender
Semantiken. Geworben wird dann nicht nur mit Tradition, sondern mit einer »guten«
Kombination von Tradition und Moderne, nicht nur mit Jugendlichkeit, sondern mit
einer Kombination von Jugendlichkeit und reifer Persönlichkeit, nicht nur mit For-
men von traditioneller bzw. progressiver Weiblichkeit oder Männlichkeit, sondern
mit Images, die traditionelle (Geschlechter-)Rollenverständnisse ebenso reprodu-
zieren, wie sie diese (z.B. durch Ironie) auf Distanz setzen. Überhaupt nehmen die
Spielräume der Konstruktion von Image-Identität im Zeitverlauf erheblich zu. Die
gewöhnlichen Inkonsistenzen personaler Identität (lebenswirklicher Individuen)
werden zunehmend als Normalität auch von Image-Persönlichkeiten der Werbung
vorausgesetzt und instrumentalisiert: »You are always and never the same«, heißt es
programmatisch in einer Parfumreklame (Calvin Klein, ST 2001, 8). Entsprechend
wird man annehmen können, daß die Adressierung unterschiedlicher Publika (Sub-
kulturen) über unterschiedliche Images in unterschiedlichen Medienformaten nur
noch bedingt als Dissonanzproblem der Image-Konstruktion gehandhabt werden
muß. Ja geradezu umgekehrt können (Image-)Identitätsbalancen als eigene Positiv-
werte dramatisiert werden.
Im Folgenden werden nun einige der in der Untersuchung kategorisierten Pro-
grammressourcen detaillierter dargestellt.
3. Die ENTWICKLUNG VON IMAGE-KOMMUNIKATION IN DER WERBUNG |197
3.4.1 Schichtorientierter Status
Die Programmressource Status stellt Kriterien zur Unterscheidung zwischen Image-
positiv/Imagenegativ bereit, indem sie Vorstellungen einer stratifizierten Gesell-
schaft zugrunde legt und eine daran orientierte Statushierarchie im Anschluß an
traditionelle Symboliken in eine werbungsspezifische (Image-)Ordnung der Er-
scheinungsformen übersetzt. Mit den entsprechenden Inszenierungen geht es der
Werbung also um ein spezifisches Spiel mit Eindrücken sozialer Überlegenheit über
die Idealisierung einer bestimmten Sozialwelt. Die Zuteilung des Positiv- bzw. Ne-
gativwertes erfolgt hier in Abhängigkeit zur Positionierung der Objekte in einem
Gefüge von Unter-, Mittel- und Oberschicht. Im Rahmen der Images, die vor allem
auf diese Programmressource setzen, gilt also: Je höher die Schicht, desto besser
(auch die Leute). Entsprechend sind dann, wenn eine idealisierte Mittelschicht als
Status-Paradiesmodell zum Einsatz kommt, erkennbar diverse Versatzstücke der
(werblichen) Oberschichtsmythologie eingearbeitet. Typisch sind z.B. seit langem
großzügige Wohnungen und Häuser in überdurchschnittlichen Wohnlagen, ebenso
teure wie stilvolle Einrichtungsgegenstände (Möbel, technische Geräte) oder teure
Autos. Imagebildend ist hier der Glanz des Neuen und Perfekten, der den Objekten
— ganz im Unterschied zu Image-Programmierungen, die z.B. auf Natürlichkeit,
Realismus oder Coolness setzen!?® — eigen ist.
In den meisten Fällen sollen Statussymbole die Wahrscheinlichkeit der ge-
wünschten Objektidentifizierung steigern. Das unterstellbare Wissen um den (ho-
hen) Preis der jeweiligen Gegenstände erfüllt dabei eine wichtige Funktion. Denn
der Preis ist ein im Alltagsbewußtsein verankertes Knappheitsmaß und ein Knapp-
heitsgenerator, der Inklusion und Exklusion unmißverständlich reguliert.!% Schon
am Beginn des 20. Jahrhunderts, als die Werbung hohen Status noch nicht als Image
ausmalt, bezieht sich die Rhetorik der Texte gelegentlich auf den Sachverhalt, daß
billige Produkte als defizitär wahrgenommen werden können: »Ein Wunder ist es
nicht, daß meine Zigarren viel und gerne gekauft werden, sondern dieses ist ein Be-
weis, daß meine Fabrikate trotz des sehr billigen Preises gut sind.« (P. Pokora, BIZ
1907, 9) Ja in manchen Texten klingt der geringe Preis als eine Art Stigma an, das es
zu kuvrieren gilt, so z.B. in einer Anzeige, die das Photo eines rauchenden Mannes
zeigt, der nachdenklich auf seine Zigarette blickt: »Warum machen Sie nicht end-
lich Schluß mit dem alten Vorurteil? Warum soll eine 3 1/3 Pfg.-Zigarette nicht auch
gesellschaftsfähig sein? Wenn eine Zigarette einen so guten Ruf hat wie die Mokri,
198 Eindrücke des Ge- und Verbrauchten können dann Momente des Werbungsversuchs
sein, Authentizität bzw. eine Orientierung am Echten zum Ausdruck zu bringen.
199 Unmißverständlich heißt: Мар muß (von kriminellen Praktiken abgesehen) tatsächlich
zahlen, um dieses oder jenes (Status-)Objekt zu erhalten. Gerade im Bereich der Kon-
sumgüterwerbung ist daher der Preis ein wichtiger Bezugsrahmen der Dramatisierung
von Exklusivität.
198 | IMAGE. ZUR GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN
kann sie jeder überall getrost sehen lassen. Und daß die Mokri etwas Besonderes ist,
das wissen wir ja alle a (Mokri, BIZ 1937, 18200
Die Werbung beginnt dann allerdings schnell, stereotype Statussymbole mit
anderen distinktionsträchtigen Zeichen- und Symbolkomplexen zu kontextieren,
also Gesamtszenen zu konstruieren, innerhalb derer sich die symbolischen Be-
deutungen weit über die Exklusivität des Preises hinaus konkretisieren und spezi-
fizieren. Ein Statussymbol steht dabei selten für sich allein, sondern in der Regel
in Beziehung zu für vergleichbar gehaltenen niveauvollen Objekten, die deskrip-
tiv zusammenspielen. Besonders bestimmte (teure) Kleidung 201 Wohnungen und
200 Werbungen, die in der Gegenwart mit entsprechenden Problemlagen zu tun haben, ge-
hen die Lösung imagekommunikativ an — so z.B. eine Werbung für Bier, die das Prole-
tarier-Image des Objektes auflösen will: Hier wird der Biertrinker in einer Gesellschaft
von Sekttrinkern bildlich so dargestellt, daß er besser aussieht als die feinen Herren um
ihn herum (Maisels Weizen, ST 2003, 14).
201 Als ein in allen Situationen mitgeführtes Requisit der Selbstdarstellung ist Kleidung
zumindest potentiell ein Medium der Statussymbolisierung. Allerdings wird diese
Funktion der Kleidung durch historische Entwicklungen relativiert. Von Bedeutung ist
hier zum einen die Tatsache, daß sich die unteren Schichten bereits im 17. Jahrhundert
die jeweilige Mode der Oberschicht aneignen (vgl. Schnierer 1999, 150) und sich Mitte
des 19. Jahrhunderts ein schnell reagierendes »Kopiersystem« etabliert, das die Mode
der Oberschicht für Mitglieder unterer Schichten massenhaft verfügbar macht und ak-
tualisiert (vgl. Matthiesen 1988, 423). Mode ist spätestens seitdem ein Prozeß, an dem
alle Mitglieder der Gesellschaft teilnehmen können (bzw. müssen), und d.h. auch: Das
System der Mode hat sich sehr früh zumindest partiell von der Funktion der Status-
symbolisierung gelöst. In der Gegenwart läßt sich dementsprechend nur noch sehr ein-
geschränkt so etwas wie eine Kleiderordnung der Schichten beobachten — deutlich ist
eher die Funktion von Kleidung als individuelles »Ichfinish« (Matthiesen 1988) und als
Ausdruck bestimmter Lifestyles mit einem spezifischen Image (für das z.B. Markenna-
men stehen). Die Werbung partizipiert mit ihren Programmierungen substantiell an der
Ausdifferenzierung verschiedener Modesemantiken (während z.B. die eine Werbung
jeweils Coolness als Attribut der Mode vorführt, projiziert die andere Natürlichkeit auf
diesen Gegenstand). Nichtsdestoweniger lassen sich einige Merkmale des Kleidungs-
stils feiner Werbeleute beschreiben: In den allgemeinen Publikumszeitschriften wird
im Kontext von Oberschichtinszenierungen (Berufselite oder Werbe-Adel) meist ein
Stil schlichter Eleganz vorgeführt. Charakteristisch ist insofern eine Distanznahme zur
Mode selbst und deren verspielten (Übergangs-)Formen. Der dezente (dunkelfarbige)
Anzug des Herrn und das klassische (Abend-)Kleid der Frau sind formstabile Requisi-
ten, deren Güte in ihrer souveränen Reduziertheit und Konzentration auf die Tradition
zum Ausdruck kommen soll. Diesem Stil und seinen Anforderungen (Dezenz) ähnlich
ist die Kleiderordnung der Business Class, die in der Werbung eine wichtige Rolle
spielt und als solche unmittelbar an ihrer formstabilen (Anzug-)Mode zu erkennen ist.
Im Rahmen adeliger Milieus tauchen zudem hin und wieder barocke Ballkleider, Pelze
oder Fräcke (beim Dienstpersonal) auf. In den exklusiveren kulturellen Foren, wie z.B.
3. Die ENTWICKLUNG VON IMAGE-KOMMUNIKATION IN DER WERBUNG | 199
Häuser, Autos und Motorräder, Wohnungseinrichtungen, Schmuck und Uhren, ex-
klusive Hobbies, Dienstpersonal (Chauffeure), Fernreisen, Yachten (Segelboote)
sowie einige Berufsbezeichnungen und Bildungstitel fungieren als eindeutige Sta-
tussymbole.
Wie die Wertorientierungen der anderen Programmierungen setzt die Werbung
die Legitimität ihres vertikalen Statussystems beim Publikum voraus. Es bedarf kei-
ner Erklärung und keiner Rechtfertigung. Das gilt für die positiven (Licht-)Seiten
ebenso wie für die negativen (Schatten-)Seiten dieses Systems. Letztere sind in die
Werbewelt bis in die Gegenwart hauptsächlich implizit eingeschlossen, und zwar in
ebendem Maße, wie die »guten Gesellschaften: der Werbung explizit und dramatisch
hervortreten. Inferiorität und (Selbst-)Achtungsverlust beim Nichterreichen bestimm-
ter Zielvorgaben wird (wenn überhaupt) nur angedeutet. Die Werbung beschränkt sich
z.B. darauf, einen mit dem Lebensalter steigenden Status als normal vorzuführen oder
den Besitzer des jeweiligen Gegenstandes als einen Menschen darzustellen, der es zu
etwas gebracht hat, und das heißt: zu etwas mehr als andere 2 Inszenatorisch entfaltet
wird also hier wie überhaupt vorzugsweise der Wert Imagepositiv, während Imagene-
gativ als latenter Reflexionswert fungiert. Indem das Streben nach Geltung und Über-
legenheit hier in Konkurrenzbeziehungen von Schichten eingebettet ist, instrumentiert
dieser Image-Komplex einen Kampf um Anerkennung, für den Veblens Begriffe des
»neidvollen Vergleichens« und des »demonstrativen Konsumierens« (noch) beson-
ders gut passen, eben weil die stratifizierte Gesellschaft hier als Bezugsrahmen des
Vergleichens angenommen wird. Es ist daher auch kein Zufall, daß hoher (Schicht-)
Status eines der Themen ist, mit dem sich die Werbung zuerst auf Image-Kommunika-
tion einstellt. Wie nicht zuletzt Veblens 1899 erschienene »Theorie der feinen Leute«
verdeutlicht, fungieren am Beginn des 20. Jahrhunderts Schichten noch in stärkerem
Maße als eine integrierende Struktur sozialer Ungleichheit, die vorgibt, was guter
der Zeitschrift »Vogue«, sieht man (auch in der Werbung) vor allem Kleiderstile, die
sich von den werbungsüblichen Oberschichttypisierungen dadurch unterscheiden, daß
sie die jeweils aktuelle Haute Couture in ihren avantgardistischen Designs vorführen.
202 Daß man diese Struktur inzwischen als solche — d.h. gleichsam ironisch — vorführen kann,
ohne den Positivwert ernsthaft zu gefährden, zeigt ein Spot der jüngsten Vergangenheit.
Er zeigt die zufällige Begegnung zweier etwa vierzigjähriger Männer, die sich als ehema-
lige Jugendfreunde zu erkennen geben. Nach einer knappen Eröffnungsfloskel legen die
Akteure nacheinander wie bei einem Kartenspiel Photos verschiedener Statusobjekte auf
den Tisch, die sie ihr eigen nennen. Diese Objekte stehen gleichsam stellvertretend für
sie selbst, ihre Präsentation tritt an die Stelle einer längeren Unterhaltung, die den Verlauf
der zurückliegenden Jahre, deren Sinn und Ertrag vor Augen führen könnte: »Mein Haus,
mein Auto, mein Boot« kommentieren die Freunde (Kontrahenten) die Vorführung ihrer
Besitztümer (Sparkasse 1999). Mit diesem ironischen Zynismus (Lebensfhalbzeit)bilanz
= materielle Bilanz) trägt die Werbung einer potentiellen Kritik am Status- und Ober-
flächendenken (der Werbung) ebenso Rechnung, wie sie diese Mentalität reproduziert,
wenngleich letzteres stärker im Vordergrund stehen mag.
200 | IMAGE. ZUR GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN
und schlechter Geschmack ist, d.h. mit welchen den Schichten zugeordneten For-
men (Ästhetiken) sich Achtungsgewinne erzielen lassen oder nicht. Zudem kann die
Werbung gerade in diesem Themenbereich auf etablierte Symboliken zurückgreifen,
während sie für andere Image-Komplexe umfangreichere Vorarbeiten leisten muß.
Die Entfaltung aussagekräftiger Images erfolgt für diesen Kriterienkomplex daher
besonders schnell. Während hoher (Schicht-)Status um 1900 noch hauptsächlich im
Schrifttext als eine Dimension des beworbenen Objektes thematisiert wird, wechselt
die Werbung bald zu einer statussymbolischen Feinheit der Bildsprache bzw. wer-
den einfache Attribuierungen im Text (»vornehmste Möbel«, »exklusives Sortiment«,
»elegant«, »kultiviert«, »qualitätvoll« usw.) zunehmend durch Images ersetzt, die fa-
cettenreich und in zunehmender Unabhängigkeit von den materialen Eigenschaften
der beworbenen Produkte vorführen, daß und inwiefern das jeweilige Objekt exklusiv
ist. So informiert das Bild eine immerhin bereits halbseitige Waschmittelreklame von
1914, das den Eingangsbereich einer erkennbar exklusiven Modeboutique zeigt, den
Betrachter vor jeder Lektüre des Schrifttextes, auf welchem Niveau hier von Kleidung
die Rede ist (vgl. Abb. 62).
Obwohl die Statusinszenierungen den Positivwert des Codes über die Darstellung
verschiedener Oberschichtvarianten ansteuern, läßt sich doch eine gewisse Typenbil-
dung konstatieren und in ihren wichtigsten Ausprägungen skizzieren:
a) Aristokratische Milieus
Eine besondere und durch ihre programmimmanente Leitbildfunktion besonders wich-
tige Variante der Oberschicht wird durch Inszenierungen gebildet, die Formen aristo-
kratischer Lebensführung als Image-Generator zum Einsatz bringen. Der kristalline
Typus spielt mit Insignien höfischer Kultur: Die Kleidung der Akteure (z.B. Frack,
Ballkleider), die architektonische Umgebung (Schlösser, Herrenhäuser), Versatzstücke
klassischer (höfischer) Hochkultur (Ballett, Oper, Theater, Malerei, Skulptur usw.)
oder auch das immer wieder gezeigte Dienstpersonal entwerfen gleichermaßen Bilder
adeliger Noblesse (vgl. Abb. 58-65). Deren Exklusivität basiert offenkundig nicht nur
auf Reichtum, sondern auch auf guter Herkunft, weshalb die Hervorhebung traditi-
onsreicher (Familien-)Namen sowie das Zeigen der mit diesen Namen verbundenen
Embleme (Briefsigel, Wappen) systematisch vorkommen. Eine besondere Rolle spielt
die visualisierte Nähe zu den Königshäusern. Während sich die textbasierte Reklame
um 1900 noch auf den realitätsbezogenen Hinweis im Text beschränkt, »königlicher
Hoflieferant« zu sein, wird die höfische Kultur in den folgenden Jahrzehnten trotz
ihres faktisch fortschreitenden Autoritätsverlusts detailliert als ein Statusparadiesmo-
dell entworfen, in das die jeweils beworbenen Objekte integriert sind. Ein charakte-
ristisches Beispiel aus der jüngeren Vergangenheit stellen die Werbespots der Firma
Ferrero dar, die mit nostalgischen Klischees operieren. Hier erscheint die Oberschicht
als eine Gruppe, die in Schlössern oder schloßartigen Villen (mit diversen Antiqui-
täten, klassischen Kunstwerken usw.) ebenso üppige und prunkvolle wie zeremoniell
perfektionierte Feste feiert. Auf ihnen serviert das servile Dienstpersonal Menüs auf
3. Die ENTWICKLUNG VON IMAGE-KOMMUNIKATION IN DER WERBUNG |201
Silbertabletts, während die Damen und Herren gepflegte Konversationen führen, vor-
nehm ihre Sektflöten in der Hand halten und dazu klassische Musik hören.?0? Wei-
terhin klingt das Ideal der aristokratischen Oberschicht bis in die Gegenwart in For-
mulierungen an. Man spricht von »fürstlichem« oder »königlichem Genuß«, davon
»heute ein König« zu sein, sich mit »königlichem Aroma« auf »höchstem Niveau«
verwöhnen zu lassen, oder man zeigt sich stolz über das »königliche Hemd« und den
»königlichen Faltenfall« einer Gardine.
b) Prominenz
Prominente stellen eine weitere Oberschichtvariante dar. Deren Inszenierung ist zum
einen strategisch mit der Faszinationskraft der Tatsache verbunden, daß sie zu den
feinen Leuten im konventionellen Sinne (der Werbung) gehören, also auch einen de-
monstrativen Konsum praktizieren.?°* Der Reichtum prominenter Persönlichkeiten
wird jedenfalls immer wieder angedeutet. Zum anderen verkörpern sie als herausra-
gende Meister und Meisterinnen ihres jeweiligen Fachs ganz besonders die Erwor-
benheit von hohem (Schicht-)Status. Die jeweiligen individuellen Kompetenzen und
Leistungen, d.h. Eigenschaften in der Tiefe der Individualität hinter den vorgeführten
Oberflächen, begründen die qualifikatorischen Images, die den Einsatzbereich der
Prominenten in der Werbung festlegen.?0 Als Sportler, Schauspieler, Politiker, Musi-
ker usw. stehen sie in einem spezifischen Sinne ganz oben und sollen in eben diesem
203 Man sieht z.B. einen Butler, der, von klassischer Musik begleitet, ein silbernes Tablett
mit einer Pyramide in Goldfolie verpackter Rocher-Kugeln durch eine edle Holztür mit
goldenen Griffen trägt. Dazu erklingt eine sonore Stimme, die von einem Gefühl des
Stolzes getragen zu sein scheint, feierlich mit den Worten: »Rocher von Ferrero — eine
der edelsten Kreationen höchster Schokolatier- und Confisseriekunst« (Ferrero 1996).
Miterzeugt oder verstärkt werden Eindrücke des Noblen hier wie auch in anderen Fäl-
len durch film- und computertechnische Gestaltungsmittel. Bemerkenswert sind z.B.
die getragene Langsamkeit der Schnittfolgen sowie der Einsatz von Weichzeichnern,
Sepia-Farbtönungen und Filtern, die funkelnde Lichtreflexe erzeugen.
204 Die Werbung — vor allem der jüngeren Vergangenheit — relativiert aber auch die Ex-
klusivität von Prominenten, indem sie diese in strategischer Absicht als Privatpersonen
vorführt. Die ferne Welt einer (Prominenten-)High-Society wird hier als erreichbare
Welt des Nachbarn von nebenan inszeniert. Der gezeigte Lifestyle des Prominenten
bleibt dabei zwar deutlich abgehoben von dem des kleinen Mannes, wird aber minde-
stens insofern als vergleichbar dargestellt, als das beworbene Produkt ein Bestandteil
des Lebens von jedermann ist oder sein kann. Der Konsument kann offensichtlich an
denselben (Konsum-)Erfahrungen teilhaben wie die Stars oder zumindest Objekte sein
eigen nennen, die auch deren Leben bereichern.
205 Als höherwertig bzw. feiner erscheint der Status des Prominenten auch deshalb, weil
sein Wohlstand nicht aus einer direkten Arbeit am Reichtum hervorgeht (wie bei dem
Wirtschaftssubjekt Manager), sondern scheinbar eher als Nebenprodukt einer passio-
niert ausgeübten Tätigkeit entsteht.
202 | IMAGE. ZUR GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN
Sinne die jeweiligen Produkte und die (potentiellen) Konsumenten qualifizieren, so
z.B. der in den 1920er Jahren prominente Sänger Richard Tauber, mit dessen Photo-
portrait in einer Anzeige für »die Platte des anspruchsvollen Musikfreundes« gewor-
ben wird (Odeon Electric, BIZ 1927, 27).
Da die Bildung und Differenzierung von Prominenten-Images das Vorhandensein
einer bildbasierten Realität der Massenmedien voraussetzt, kommen Prominenten-
Images um 1900 noch nicht vor, während seit den 1920er Jahren dann vor allem jener
Prominententypus genutzt wird, der zuerst in den Massenmedien als Erscheinungsbild
kondensiert — nämlich der der Filmstars. Insbesondere weibliche Stars fungieren in der
Kosmetikreklame als Image-Trägerinnen, deren Körperbild nicht nur Schönheit, son-
dern auch den komplexen Glanz der Filmwelt auf die Images der Werbung transferieren
5011.206 Im Laufe der Zeit kommt es relativ schnell zum Einsatz weiterer Prominenten-
klassen, wobei die Werbung das in den anderen Systembereichen hergestellte Image
voraussetzt und moduliert.?07 Eine besondere Rolle spielen Persönlichkeiten des Hoch-
kulturbetriebs wie etwa Filmemacher, Künstler, Schauspieler, Theaterregisseure, Tän-
zer, Komponisten oder Musiker. Sie treten als Verkörperungen des guten Geschmacks,
als eine Art Geschmacksadel auf, dessen Urteile über jeden Zweifel erhaben sind.208
Die erwähnte Auflösung der Kopplung von Geschmack und Schicht und ein daraus
resultierender Orientierungsbedarf wird in diesen Images noch dadurch gelöst, daß eine
Kulturelite in Szene gesetzt wird, die in ihrem Verzicht auf Modisches signalisiert, daß
Geschmack in einer allgemeingültigeren Form in Anspruch genommen werden kann,
wobei die gezeigten Individuen insofern als legitime Repräsentanten einer allgemein
anerkannten (Geschmacks-)Kultur gelten sollen, als sie diese Kultur nicht nur verkör-
pern, sondern als Künstler selbst herstellen. Im Anschluß an Weiß (1998) könnte man
sagen, daß diese Images die Idee einer repräsentativen Kultur und einer dazugehörigen
personalen Repräsentation reanimieren und über das Prinzip der kulturellen Stellvertre-
tung hinaus als Zeichen einer allgemein vorbildlichen Geschmackskultur fungieren.”
206 Einem maßgeblich über die Bildmedien hergestellten Glanz eifert schon »das kunst-
seidene Mädchen« der 1930er Jahre nach, das Irmgard Keun in ihrem gleichnamigen
Roman (1932) zur Protagonistin macht.
207 Hochleistungssportler sind seit längerem eine bevorzugte Prominentenklasse der Wer-
bung. Dies mag nicht zuletzt daran liegen, daß Ehrgeiz, Disziplin, (Wett-)Kampfgeist
und harte Arbeit als Erfolgsbedingungen, sowie die unter diesen Bedingungen hervor-
gebrachten Resultate an diesem Prominententyp am deutlichsten sichtbar sind bzw.
gemacht werden können, nämlich am Körpereinsatz und am Körper selbst.
208 Ein neueres Beispiel hierfür sind Werbekampagnen des Stuhlherstellers Vitra (u.a. mit
John Cage, Spike Lee, Keith Haring, Dennis Hopper, Sonny Rollins, Lou Reed, Roman
Polanski, Claes Oldenburg, Grace Jones, Hanna Schygulla) und des Kleiderherstel-
lers Windsor (u.a. mit Marianne Faithful, Jörg Immendorff, André Eisermann, Armin
Mueller-Stahl, Rosemarie Trockel, Leander Haußmann); vgl. dazu Albus/Kriegeskorte
1999, 172-183.
209 Vgl. Weiß 1998, 132 f.
3. Die ENTWICKLUNG VON IMAGE-KOMMUNIKATION IN DER WERBUNG |203
c) High-Society und/als Skill-Society
Eine weitere Oberschichtvariante bilden Inszenierungen von Berufseliten, wobei seit
jeher, d.h. seitdem sich die Werbung auf Image-Kommunikation einstellt, eine deut-
liche Präferenz für die Gruppe der (Top-)Manager bzw. der Geschäftsmänner (und
seit längerem der Managerinnen und Geschäftsfrauen) zu bemerken ist. Diese Akteure
sind auf den ersten Blick an ihrer äußeren Erscheinung zu erkennen: Dunkler Anzug,
weißes Hemd, Krawatte und Kurzhaarfrisur prägen ihr Outfit. Sie hantieren mit Ob-
jekten wie Telefonen, Terminplanern, Aktentaschen oder (neuerdings) Notebooks (vgl.
Abb. 66, 67, 102, 103) und halten sich in architektonischen Umgebungen wie groß-
zügigen (Bank-)Büroräumen der oberen (Hochhaus-)Etagen, (Luxus-)Hotel-Lobbies,
Flughäfen oder Börsenräumen auf. Mit dem Image des Geschäftsmannes und des
(Top-)Managers und seiner Idealisierung folgt die Werbung einem Alltagsklischee.
Mit Sennett (1985) kann man annehmen, daß das Prestige dieser Elite wesentlich auf
der Vorstellung basiert, ihr Handeln sei autonom und ihre Autonomie sei das Resultat
von Kompetenz (eines besonderen Vermögens).?!" Das Werbebild des Managers ent-
hält entsprechend viele Hinweise auf den souveränen Umgang mit Medien, Menschen
und Informationen: Der Manager vereinbart am Handy das nächste Geschäftsessen,
er skizziert auf der Tagungstafel die (positive) Unternehmensentwicklung, verfolgt
die aktuelle Börsenentwicklung im Internet oder delegiert diverse Aufgaben an seine
Untergebenen - letzteres vor allem in den Chef-Sekretärinnen-Konstellationen, die
gerade in den ersten Jahrzehnten genutzt werden, um den hohen Status der männ-
lichen »Macher< und die dazugehörigen Image-Werte zu verdeutlichen. Eine beson-
dere dramaturgische Rolle spielt immer wieder ein voller Terminkalender, der photo-
graphisch herausgestellt wird, so daß der Rezipient Einblicke in die Tiefendimension
der statusindizierenden Tagesabläufe bekommt. Die High-Society erscheint hier als
eine »skill society« (Sennett 1985, 104), und die damit verbundenen Statusobjekte
sind folglich mehr als verweisungslose Zeichen von Reichtum: nämlich Zeichen von
Reichtum und Unabhängigkeit durch Kompetenz. Ein Kennzeichen derselben ist das
permanente In-Bewegung-Sein des Managers, worin sinnbildlich persönliche (men-
tale) Dynamik, Mobilität, Flexibilität und Wichtigkeit der Person (Zeitknappheit) zum
Ausdruck kommt (vgl. Abb. 66 u. 67). Charakteristisch bzw. charakterisierend ist zu-
dem ein sich auf der Zeichenebene manifestierender Habitus, der ihn als Entscheider,
210 Insofern die Werbung unter beruflicher Elite in erster Linie eine Business Class ver-
steht, d.h. wirtschaftlichen Erfolg und wirtschaftliche Kompetenz als Basis des Elitä-
ren vorstellt, weicht sie allerdings bezüglich der Positionierung verschiedener Eliten
von der Alltagswirklichkeit ab. Nach Sennett (bzw. zwei von ihm zitierten Meinungs-
umfragen zum Prestige verschiedener Berufe) verfügen jedenfalls in den »Vereinigten
Staaten, Großbritannien und Italien [...] die Berufe des Arztes, des Rechtsanwaltes und
des Naturwissenschaftlers über das größte Prestige. Die Befragten schreiben diesen
Berufen einen hohen Status zu, weil deren Inhaber ihrer Meinung nach selbständig und
nach eigenem Ermessen arbeiten können« (Sennett 1985, 106).
204 | IMAGE. ZUR GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN
Macher: und Führungspersönlichkeit qualifiziert. So kann der Manager stets kompe-
tent urteilen und leiten, und dies auch und gerade dann, wenn um ihn herum Nervosi-
tät und Unruhe herrschen, etwa während des Börsengeschehens.
Neben und mit dieser Milieu-Typologie (Aristokratie, Prominente, Berufselite)
lassen sich Merkmale klassifizieren, die bei allen Oberschichtvarianten eine Rolle spie-
len. So ist ihnen z.B. eine Praxis des »demonstrativen Müßiggangs« gemein. Veblen
versteht darunter eine symbolisch-strategische Handlung, die einen elitären Charakter
hat. Demonstrativer Müßiggang meint also nicht einfach Trägheit oder Passivität. Wo-
rum es geht, ist vielmehr die »nichtproduktive Verwendung der Zeit. Dies geschieht
aus zwei Gründen, 1. Aufgrund der Auffassung, daß produktive Arbeit unwürdig sei,
und 2., um zu beweisen, daß man reich genug ist, um ein untätiges Leben zu führen«
(Veblen 1997, 58). Am deutlichsten zeigt sich diese Tradition, wenn Freizeitbeschäf-
tigungen als Tätigkeiten vorgeführt werden, die dem hohen Status der jeweiligen Per-
sonen insofern entsprechen, als sie sowohl geld- und zeitkostenintensiv sind, wie auch
(damit zusammenhängend) die Aufnahme in einen Club von Personen vergleichbaren
Niveaus voraussetzen. Vor allem noble Sportarten wie Reiten, Golf, Tennis (später
auch Segeln und Fliegen) sind schon früh und bis in die Gegenwartswerbung beliebte
Formen des Müßiggangs: »Goldina Schokolade beim Golf« empfiehlt eine Anzei-
ge von 1929 und ist damit eine der ersten Werbungen in der Untersuchungseinheit,
die ein nichtexklusives Produkt in aller Deutlichkeit in ein Feine-Leute-Image integ-
riert (vgl. Abb. 72; vgl. auch Abb. 68-71, 73). Eine besondere und besonders häufige
Variante des demonstrativen Konsums und des demonstrativen Müßiggangs ist der
stellvertretende Konsum und die stellvertretende Muße durch (Ehe-)Frauen. Sie sind
vielfach in der Werbung die, die das von ihm verdiente Geld zu seiner Freude und
Prestigevermehrung in sich selbst (z.B. ihre »Ästhetik« und erotische Attraktivität) in-
vestieren. Der hier gemeinten Statuslogik entspricht in reinster Form das von Schmerl
(1992) so bezeichnete »Luxusweibchen«.?!! Bei diesem Typus verschmelzen Leben,
211 Auf der untersten Stufe praktizieren die als Mittelschichtangehörige vorgeführten
Hausfrauen in gewisser Weise einen stellvertretenden Müßiggang. Deren alltägliche
Arbeit (Kochen, Einkaufen, Waschen usw.) wird in der Werbung immer wieder in die
Nähe von Spaß und Freizeit gerückt, und zwar im Rahmen von Inszenierungen, deren
Requisiten (z.B. Wohnungsinterieurs) zugleich den Wohlstand vor Augen führen, in
dem sie ihre Tage verbringt. Für diesen Typ scheint folgende Feststellung Veblens nicht
unpassend zu sein: »Die Muße der Frau ist [...] natürlich nicht eine bloße Manifesta-
tion der Faulheit; sie versteckt sich vielmehr fast immer hinter der Maske irgendeiner
Arbeit, entweder hinter Haushalts- oder gesellschaftlichen Pflichten, die bei genauerem
Zusehen allerdings keinen oder kaum einen Zweck verfolgen als den, zu beweisen, daß
die Frau es nicht nötig hat, sich mit irgendeiner gewinnbringenden oder nützlichen Ar-
beit zu beschäftigen. [...] Das angesehene, präsentable Zubehör des bürgerlichen Haus-
haltes besteht einerseits aus Stücken des demonstrativen Konsums und andererseits
aus Einrichtungen, welche die stellvertretende Muße der Hausfrau zur Schau stellen
sollen« (Veblen 1997, 90 f.). Veblen (ebd., 79-93) deutet die Variante, bei der Frauen
3. Die ENTWICKLUNG VON IMAGE-KOMMUNIKATION IN DER WERBUNG |205
Muße und Konsum im Rahmen der Darstellung feiner und feinster Milieus. Bilder
von müßiggehenden Frauen in luxuriösen Wohnungen und Häusern (häufig auf dem
Sofa plaziert) oder Bilder von Frauen, die an beiden Händen mehrere Einkaufstaschen
tragen, gehören seit den 1920er Jahren zum Kernbestand werblicher Statusinszenie-
rungen und setzen sich mit erstaunlicher Formstabilität bis in die Gegenwart fort (vgl.
Abb. 74-77).
Eine andere Gemeinsamkeit gut situierter Werbemilieus ist ihr Weltbürgertum, das
in verschiedenen Inszenierungen pointiert wird. Insbesondere der Geschäftsmann tritt
als globaler Akteur einer (Wirtschafts-)Weltgesellschaft in Erscheinung, z.B. wenn man
ihn als Vielflieger in der Business-Class oder als Besitzer eines Privatjets sieht, den er
mit dem Aktenkoffer in der Hand verläßt, um schnellen Schrittes zum nächsten Mee-
ting zu eilen, in dem ein wichtiger Geschäftsabschluß mit Partnern anderer Kontinente
ausgehandelt werden muß. Aber auch jenseits des Geschäftslebens spielt die Verbildli-
chung der Vorstellung eine gewisse Rolle, daß die Größe des Aktionsradius von Perso-
nen (bzw. die Verbreitung von Produkten) Größe im wertbezogenen Sinne bedeutet.?!?
Dementsprechend läßt die Werbung ihre Protagonisten früh auf einem internationalen
Parkett erscheinen: Eine Anzeige von 1920 zeigt eine feine Kosmopolitin im Zugabteil
vor dem Hintergrund einer Weltstadtkulisse und stellt dazu fest: »Die Schattenseite des
Reisens wird mit Licht überstrahlt, wenn das belebende, köstlich-erfrischende »Köl-
nisch Wasser Lavendel-Orangen« in letzter Vollkommenheit, zum Begleiter erwählt ist.«
(Jünger&Gebhardt, BIZ 1920, 49; vgl. Abb. 75) Wenig später findet man regelmäßig
Inszenierungen einer High-Society, deren Mitglieder eine weltumspannende exklusive
Gemeinschaft ausbilden. Am Ende der 1950er Jahre zeichnet sich in der Werbung zu-
dem ein Jet-Set-Milieu ab, so z.B. in einer Anzeige, die Frau »Steffi Stroux« (»Immer
gut gelaunt«) im Flugzeug »Senator« der Lufthansa in 5000 Metern Höhe mit dem Hin-
weis zeigt, daß ihr dort der »Martini on the rocks besonders gut schmeckt« (Martini, ST
1959, 40; vgl. Abb. 82). Die beworbenen Konsumgüter werden als integrale Elemente
des kosmopolitischen Lebensstils vorgestellt und z.T. als dessen Erkennungszeichen
stilisiert. Zu einer Darstellung feiner Leute in der internationalen Anzug- und Kostüm-
(und nicht z.B. Dienstpersonal) den stellvertretenden Konsum praktizieren, bekannt-
lich überhaupt als eine Praxis der Mittelschicht der modernen Industriegesellschaften:
Die Möglichkeit zu permanentem Müßiggang und Konsum als Privileg einer exklusi-
ven (adeligen) Oberschicht erscheint demnach in der neu entstehenden Mittelschicht
als eine reduzierte Modulation, bei der lediglich einer der (Ehe-)Partner von der Arbeit
freigestellt werden kann, um Überfluß bzw. die Möglichkeit der Verschwendung dar-
zustellen.
212 In Bezug auf Produkte wird zunächst lediglich die weite Verbreitung des Produkts als
impliziter Beweis von guter Qualität ins Spiel gebracht (»Dr. Werner Janssens Tee wird
in 12 Ländern getrunken.«, Dr. Werner Janssens Tee, BIZ 1936, 14). Später werden sol-
che Hinweise Teil bildlich präzisierter Images, z.B. wenn es heißt: »Das macht Player’s
Cigaretten so weltberühmt: ihr internationales Geschmacksniveau; die erlesensten Ta-
bake aus aller Welt.« (Player 5, ST 1960, 45)
206 | IMAGE. ZUR GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN
mode heißt es: »Sie tanzten nach der Musik von Cole Porter. Der Herr aus Los Angeles,
die Dame aus Rom. Beide liebten diesen swingenden Rhythmus. Und noch eines hatten
sie gemeinsam: An der Ваг tranken sie ihren »Bisquit«. [...] Denn unter Kennern heißt
Cognac Bisquit.« (Bisquit, ST 1964, 107°"?
Nicht zuletzt sind die verschiedenen Oberschichtmilieus durch eine Kultiviertheit
gekennzeichnet, die die Akteure und Gruppen und damit das spezifische Image neben
und mit dem Reichtum distinguiert. Zunächst wird Kultiviertheit nur auf der sprach-
lichen Ebene als Wert postuliert. So spricht eine Reklame der 1920er Jahre davon,
daß der Gebrauch eines Lavendel-Wassers bedeute, »voll Kultur zu sein« (Lohse, BIZ
1929, 36). Analoge Qualifizierungen bringen Wortschöpfungen wie z.B. »kultivierte
Seife«, »kultivierte Gepflegtheit« oder »verfeinerte Rauchkultur« ins Spiel. Schon
bald entfaltet die Werbung diese Eigenschaft dann über bekannte hochkulturelle Zei-
chen- und Symbolarrangements. Neben den Formen vergangener (Kunst-)Epochen
(beliebt ist die griechische Antike und die italienische Renaissance) wird im Lauf
der Zeit zunehmend die klassische Moderne (z.B. des Bauhauses) beliebt. In jedem
Fall bedient sich die Werbung kultureller Bestände, die historische Selektionsprozes-
se durchlaufen haben und in der Kultur selbst als gesicherte Hochkultur beschrieben
werden. Als solche verweisen sie nicht nur auf (guten) Geschmack, sondern zugleich
auf Bildung.?!* Den Distinktionswert der Kulturinszenierungen verdeutlicht eine
zwölfteilige Kampagne für »Bemberg-Seide«, die das Thema Kleidung bereits 1928
kulturhistorisch und mit künstlerischem Anspruch aufarbeitet, indem sie Photos von
Kleidern verschiedener Epochen gegenüberstellt: »Unsere jetzt erscheinende Insera-
tenserie »Vom Linnen zur Bembergseide<« hat in Nummer 29 dieser Zeitung begonnen
und endet in Nummer 40. Gegen Einsendung dieser 12 Anzeigenausschnitte versen-
den wir eine künstlerisch ausgeführte Mappe, welche diese Anzeigen in vierfarbigem
Kunstdruck enthält.« (Bemberg, BIZ 1928, 32) Hier wie in anderen Fällen operiert die
(Hoch-)Kultur der Werbung mit dem »Prinzip der Verschwendung« (Veblen 1997)
— denn Ästhetik ist etwas, was man sich leisten können muß, und zwar um so mehr,
desto weniger sich die Objekte zugleich für andere Zwecke nutzen lassen. Die In-
vestition des Werbenden in Ȋsthetische< Werbung entspricht insofern funktional der
Investition von Konsumenten in »gutes< Design, denn auch dieses ist als Mehrwert
oftmals mit erheblichen Mehrkosten verbunden, so daß mit dem Konsum dieser Ob-
213 Ein vergleichbares Image entwirft eine Zigarettenreklame, die das Photo einer feinen
Dame und eines feinen Herrn folgendermaßen kommentiert: »Teheran — Tübingen...
einig im guten Geschmack. Überall in der Welt gibt es Leute mit gutem Geschmack.
Sie können unterscheiden.« (Winston, ST 1964, 10)
214 Allerdings kann man feststellen, daß Bildung über feines Benehmen und feinen Kultur-
sinn hinaus in der Werbung kaum als Bildung im engeren Sinne von (voraussetzungs-
vollerem) Wissen dramatisiert wird. Dementsprechend kommen (Berufs-)Titel, die auf
Bildung verweisen, fast nur dann zum Einsatz, wenn Expertentum als Ausdrucksmedi-
um von Seriosität und Glaubwürdigkeit eine Rolle spielt.
3. Die ENTWICKLUNG VON IMAGE-KOMMUNIKATION IN DER WERBUNG | 207
jekte ein hohes Zahlungsvermögen sichtbar gemacht werden kann bzw. soll. Zugleich
wird mit kultivierten Produkten gerade nicht ihr Geldwert (und die Fähigkeit, Geld zu
ver(sch)wenden), sondern ein Wissen um kulturelle Bedeutungen und eine kulturbe-
zogene Kompetenz?! in Sachen Geschmack demonstriert. Dem Vorführen von Kunst
kommt dabei eine besondere Rolle zu: Sie steht in einmaliger Weise für den Eigen-
Sinn der Ästhetik und das dazugehörige kulturelle (Experten-)Wissen. Kunst erhält
im Rahmen der Werbung also den Status einer spezifischen Image-Ressource und
wird als solche Teil des jeweiligen Images. Über die konsumierende Partizipation an
dem Sinnuniversum der (Hoch-)Kultur soll der Rezipient dabei Eigenschaften seines
Selbst zur Schau stellen können.
Zu dem Image-Komplex (Hoch-)Kultur gehört weiterhin eine Feinheit der Bildäs-
thetik, die die habituelle Feinheit der Akteure, d.h. Tiefenaspekte der Persönlichkeit, an
der Oberfläche zur Erscheinung bringt (vgl. Abb. 78-81). Ausdrucksebenen wie Gestik,
Mimik, Intonation, Haltung und Kleidung sind ebenso spezifiziert wie das Verhalten der
Protagonisten in Passung zu sozialen Anlässen und Situationen, die als solche ebenso sou-
verän beherrscht werden wie ihr Wechsel beherrscht wird.?! Dezenz ist hier ein zentrales
Charakteristikum der Bildgestaltung. Im Verzicht auf Modisches, d.h. im Kontinuieren
traditioneller, klassischer Formen, in der Reduktion von Farbigkeit und Verzierung usw.,
soll die wahre Größe des Charakters bzw. eine Orientierung am Wesentlichen sichtbar
gemacht werden. Das Prinzip der »schönen Form« vernichtet also auch hier nicht Infor-
mation, wie Luhmann vermutet (1996, 87), sondern generiert eine spezifische Mitteilung,
nämlich die der besonderen Wertigkeit und Exklusivität des Vorgeführten. Der Formen-
kanon feiner Dezenz, der sich im Umfeld der bunten, modischen Bildwelt anderer Images
immer deutlicher abhebt, bleibt im Zeitverlauf sehr stabil (vgl. Abb. 13, 71, 78-81).
Weiterhin arbeiten Dramatisierungen von Bescheidenheit an diesem Image-Kom-
plex.?17 Die Demonstration von Bescheidenheit fungiert als eine besonders elitäre
215 Im Rahmen der entsprechenden Images sieht man die Protagonisten gelegentlich auch
selbst Hochkultur (re-)produzieren: z.B. durch das Spielen klassischer Musikinstru-
mente (wie Klavier, Querflöte, Violine) oder durch das Herstellen von Kunstwerken
(vor allem Gemälden).
216 Ein Moment und Medium des Vornehmen ist auch die Sprache, deren Konstruktion — mit
einem gewünschten Auffälligkeitseffekt — der Primitivsprache anderer Images gegen-
übersteht (»super!«, »geil!« usw.). Im Gegensatz zu dieser zeichnet sich der vornehme
Werbediskurs durch eine relativ geschmeidige, wohlgesetzte und komplexe Artikulation
aus, die Form und Inhalt gleichermaßen umfaßt. Eine besondere Rolle spielen in diesem
Zusammenhang Fremdsprachen. Vor allem die französische Sprache gilt (bis in die Ge-
genwart) als Ausdruck von besonderer Bildung und besonders gutem Geschmack.
217 Veblen registriert schon Ende des 19. Jahrhunderts, daß das Bürgertum, das sich an
Reichtum in Permanenz gewöhnt, dem Natürlichen, Einfachen und Schlichten huldigt.
Dies interpretiert er jedoch nicht als neues Schema der Distinktion, sondern als eine
Rückbesinnung des Menschen auf seinen »Werksinn«, der mit einem garantierten Maß
an Luxus reaktiviert werde (vgl. Veblen 1997, 137).
208 | IMAGE. ZUR GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN
Rahmung des demonstrativen Konsumierens, wenn sehr teure und (daher) exklusive
Objekte beworben werden. Gezeigt wird ein Verständnis wahrer Vornehmheit, die von
jedem Statusdenken frei ist. Beliebt ist das Muster der Bescheidenheitsparadoxie, das
Girtler wie folgt beschreibt: »Es gewinnt der an Ansehen, der sich in Bescheidenheit
übt und anderen, »gewöhnlichen« Individuen demütig begegnet. Seine Vornehmheit
erhält dadurch eine Steigerung« (Girtler 1994, 13). In diesem Rahmen, der vor allem
in der neueren Werbung der Wohlstandsgesellschaft z.T. als Selbstdarstellungsstrate-
gie empfohlen wird, heißt es z.B.: »Man trägt keine Piaget, um sie zu zeigen« (Piaget,
ST 1988, 35), »Wer es sich leisten kann, kauft sich kein Status-Symbol« (Saab, ST
1990, 4), oder: »Wie man seinen Erfolg unauffällig genießt. Zurückhaltung ist eine
Qualität, die besonders herausragenden Persönlichkeiten zugesprochen wird. Dies gilt
auch für das Automobil. Der neue BMW М 5 beweist es. [...] Für Persönlichkeiten,
die ihre Individualität bewußt mit der feinen Art des Understatements verbinden. [...]
Denn vordergründige Leistungsdemonstration ist ihm völlig fremd« (BMW, ST 1989,
17). Hier wie in vergleichbaren Anzeigen wird ein Image der noblen Bescheidenheit
und Zurückhaltung als Ausdruck von substantieller Überlegenheit vorgeführt und als
sichtbarer Stil kultiviert, in dem der hohe Status gleichsam durchscheint. Im Untersu-
chungszeitraum läßt sich tendenziell eine zunehmende Sublimierung des demonstra-
tiven Konsums konstatieren. Werbungsanzeigen wie diejenige, die einen Mann zeigt,
der mit seinem Schirm auf ein Auto zeigt um (s)einer Frau mit der Mitteilung »Das ist
meiner« zu imponieren (BMW, ST 1959, 40), sind heute kaum noch vorstellbar, es sei
denn im Rahmen auf Humor setzender Images. Ähnliches gilt für eine Reklame der
1950er Jahre, die eine Uhr als »ein deutlich sichtbares Zeichen Ihres Geschmacks und
Ihres Wohlstands« anpreist (Dugena, ST 1959, 40).
Die Analyse zeigt also, daß die Programmressource hoher (Schicht-)Status von
einer bivalenten Struktur geprägt ist: Auf der einen Seite verweisen die Sichtbarkei-
ten, mit denen die verschiedenen Oberschichtmilieus identifiziert werden, immer auf
Reichtum, d.h. auf ein materielles Haben, das sich an den präsentierten Oberflächen
ablesen läßt. Auf der anderen Seite weisen die Zeichen und Symbole immer auch, ja
in vielen Fällen in erster Linie, auf eine besondere Güte, Qualität und Distinguiertheit
in der Tiefe der jeweiligen Objekte und Akteure, d.h. auf ein exklusives Sein hinter
dem Haben, hin. Mit der Berufselite, den Prominenten und dem alten Adel werden
Begründungsfaktoren von hohem Status ins Spiel gebracht, die in der Persönlichkeit
der Akteure liegen.?!8 Es geht in allen Oberschichtmilieus um die Vermittlung und
218 Von eigener Bedeutung ist in diesem Zusammenhang der Eindruck habitueller Wohl-
anständigkeit. Er wird in dem Modernisierungsprozeß — den schon Veblen z.B. als
Anonymisierung des öffentlichen Lebens im Auge hat — generell wichtiger, und zwar
mit Implikationen für die dramaturgische Selbstausstattung und Selbstkontrolle. Die
Statusdimensionen sind dabei spezifisch imagerelevant, und zwar im Sinne der Glei-
chung: Die feineren Leute sind auch die besseren Leute, d.h. diejenigen, von denen am
wenigsten Gefahr im Sinne von Unzivilisiertheit droht.
3. Die ENTWICKLUNG VON IMAGE-KOMMUNIKATION IN DER WERBUNG |209
Instrumentierung von kulturellem Kapital als einem Image-Faktor, also um den syste-
matischen Einsatz derjenigen Kapitalsorte, die Bourdieu zufolge die Vorrangstellung
begüterter Klassen herstellen soll.?!? Dieses Kapital ist der Werbung vermutlich be-
sonders dienlich, weil die Verwendung und Spezifikation des Schemas Oberfläche/
Tiefe zwangsläufig auf eine (Über-JBetonung von Oberflächen als Identitätsgenera-
toren hinausläuft bzw. auf eine Oberflächenästhetik, die als oberflächlich rezipiert
und kritisiert werden kann. Mit den beschriebenen Inszenierungstypen beziehen sich
die Statusprogrammierungen also — wenn auch in ganz anderer Weise als andere
Image-Ressourcen — auf das Problem des Tiefenverlusts, wobei die Kompensation
wiederum nur über Zeichen und Symbole, d.h. über sichtbare Oberflächen, erfolgt.
Zugleich kann man annehmen, daß die Werbung mit diesen Images den heute bereits
klassischen Wertewandel bedient. Denn ihre gute Gesellschaft entfaltet ein Werte-
set, das »postmaterialistischen Werten« (Inglehart 1977) durchaus nicht unähnlich
ist. Auch wenn mit feinen Milieus nicht die Selbstverwirklichung von Individuen im
Rahmen individualisierter Lebensstile inszeniert wird, spielen hier doch Individua-
lität, Authentizität und Autonomie als Positivwerte eine wesentliche Rolle, während
Gelddistanziertheit bei gleichzeitiger Betonung eines Sinns für feine Unterschiede
in Sachen Kultur ein identifizierendes Charakteristikum ist. Da die (hoch-)kulturel-
len Verfeinerungen dieser Images keine Hinwendung zu den postmaterialistischen
Werten vollzogen, sondern lediglich eine an diese Werte anschließbare Semantik
entwickelt haben, können sie gleichzeitig dem jüngsten »Wandel des Wertewandels«
(Hradil 2002) entsprechen. Denn die seit den 1990er Jahren wieder (jedoch in neuer
Weise)??? an Bedeutung gewinnenden Werte der Gemeinschaft (Orientierung an kon-
stanten Freundschafts-, Familien- und Paar-Beziehungen), des Berufs, des materiel-
len Status sowie (mit diesen Werten zusammenhängend) der Sicherheit sind ohnehin
in die feine Werbegesellschaft integriert. Mit den höchst generalisierten Klischees
von der guten Gesellschaft kann sozial distinktive Knappheit (hoher Status) zudem
sozial inklusiver und kommunikationstechnisch effizienter (schneller, einfacher, ein-
deutiger) zum Ausdruck gebracht werden als mit Inszenierungen der flüchtigeren und
219 Zu diesem Sachverhalt paßt, daß voraussetzungsloser Reichtum, z.B. durch Lottoge-
winne, auch in der Gesellschaft der Werbung nicht als Generator von hohem Status
fungieren kann. Die in der Lottowerbung gezeigten Gewinner bleiben einfache, wenn
auch sorgenfreie Menschen (vgl. Willems/Kautt 2003, 528). Schon eine Werbung von
1941 spricht die Problematik der Voraussetzungslosigkeit des Lotto-Reichtums an, in-
dem sie potentielle Gewinner als durchaus arbeits- und leistungswillige Gesellschafts-
mitglieder anspricht: »Der Sinn des Ganzen ist: Sich bei aller eigenen Leistung die
Möglichkeit des großen Glücksfalles offenzuhalten.« (Deutsche Reichslotterie, BIZ
1941, 36)
220 Hradil (vgl. 2002, 44 f.) interpretiert den »Wandel des Wertewandels« vor dem Hin-
tergrund empirischer Studien nicht als eine Orientierung an der Tradition, sondern als
eine spezifische Amalgamierung traditioneller Gemeinschafts- und Sicherheitswerte
mit den Selbstentfaltungswerten des Wertewandels.
210 | IMAGE. ZUR GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN
insgesamt diversifizierteren »Lifestyles«.??! Insbesondere die obere Oberschicht (Be-
rufselite und feine Leute bzw. Adel) dient der Werbung als ein Formulierungsmuster
und schnell lesbares Modell, das auch dann zum Einsatz kommt, wenn die Werbung
gar nicht die Oberschicht als solche konkret idealisieren will, sondern soziales Besser-
Sein überhaupt allegorisch zu kommunizieren trachtet. Auf der Basis des kollektiven
Oberschicht-Klischeewissens kann sich die Werbung effektiv verständlich machen
und zugleich eine der stärksten Motivgruppen des Publikums mobilisieren: das Stre-
ben nach sozialer Geltung und Überlegenheit.
(оГ
GESUNDHEIT
Schaffensfreude und Wohlbefin-
den durch das ti igliche Bad, das a
den Prospekt über G as-
He »iBwasser- Zu kostenlos.
LA
EE 7 OH. VAILLANT -REMSCHEID
( % 2 > Mberflüssige } Kätchen,
| A gnäd ige Frau,
m AAPUNGS
CREME MER
DULMIN “
58: Vaillant; BIZ 1929, 36
59: Cinque; Max 1998, 4
60: Dulmin; BIZ 1928, 32
61: Versace; Max 2001, 21
221 Diesen Begriff verwendet Hölscher, um die werbungsspezifische Transformation von
Lebensstilen zu markieren. Zu der Unterscheidung zwischen Lebensstil und Lifestyle
vgl. Hölscher 1998, 171-174.
3. Die ENTWICKLUNG VON IMAGE-KOMMUNIKATION IN DER WERBUNG |211
m |
SÉ |
H N
| NY
| Ў
| LUX
ER. d w ж” e ч
(mae PA rg Sunlight Seifenfabrik
>” тигин LEE G.m.b.H, Rheinau- Mannheim.
Vive
.2а
difference!
Vive
Cognac
Martelli
62: Lux; BIZ 1914, 23
63: Kölnisch Wasser; BIZ 1926, 23
64: Martell; ST 1970, 38
65: Wüstenrot; ST 1987, 24
EE SE
©».
Wi,
учн ны сукен rg
m N ү
wüstenrot
212 | IMAGE. Zus GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN
„RS
Günstiger können Sie keine Geschäfte
machen: jetzt tagsüber für 49 Pf/Min*
mobil telefonieren.
т. СТЕ
КОРЕЕ к=н е
Was haben Fonds mit Ihrer
Lebenspl
MICHEL
_ HERBELIN
"Аз —
66: Telecom; ST 1998, 16
67: Activest; ST 2000, 36
68: Herbelin; ST 1999, 42
69: Porsche; ST 2001, 14
Porsche
3. Die ENTWICKLUNG VON IMAGE-KOMMUNIKATION IN DER WERBUNG |213
JACOUES BRITTE
Æ] UM DEN UNWIDERSTEHLICHEN "A1 mn
7 FINER SCHÖNEN HAUT ZU BEWAHREN
RH
\ k ep)
E72 Kës
Е Ex
Ё * UREANMS
ie u! „зс.
70: Champagne Strub; BIZ 1909, 18
71: Jacques Britt; Max 2001, 22
72: Goldina; BIZ 1929, 36
73: Pond’s; BIZ 1930, 40
214 | IMAGE. Zus GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN
еч"
Kölnisches RASSE
Lavendel Or angen
ADLER KOFFER
x um
кые нар е агу a VIS
оо eis
ә че
Die Schattenseite der Reise
wird mit Licht überstrahlt,
„т=з 2
Kiem:
MORITZ УУЛБУ Segen E
155 У › d
PERERUFS) Arie BERIN W HAMBURG Lentz KÖL кдм мз Kötnisches Wewe [avendel-Orangen
GK раче verstraße G
in letzter Vollkommenheit hergestellt,
zum Begleiter erwählt ist,
D Ke E. |
N ‚Jünger Gebhardt |
d EE
Lavendel Orangen Belle =: som ertischensen Osh von
„Kölnisches Wasser Lavendel-Orangen“
VERSTECKTE EFFEKTE.
ROLF
BENZ
74: Mädler; BIZ 1920, 49
75: Gebhardt; BIZ 1926, 23
76: Trevira; ST 1965, 15
77: Rolf Benz; ST 1999, 19
3. Die ENTWICKLUNG VON IMAGE-KOMMUNIKATION IN DER WERBUNG |215
BIS ZUMABSCHIED
KUPFERBERG GOLD
DIEGUTELAUNE SELBST/
D ж. = + -
KUPFERBERG
GOLD \ vw’ m
Е < /, т л,
See} ChrAdı.Kupferberg a (9 degt 1851
A HL o
lonio maar want up EN Ihm Haar mehr Geet mehr Reiz, mehr Leben
78: Kupferberg Gold; BIZ 1928, 32
79: Kupferberg Gold; ST 1949, 49
80: Schwarzkopf, ST 1954, 1
81: Marlboro; ST 1966, 18
216 | IMAGE. Zus GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN
MARTIN | ЕШ
EDLE LINIE
DIE KLARE LINIENFÜHRUNG
bewundern jeder an den Werken klassischer Kunse, aber nich
don allein. »DIE ZEIT, v
ARABELLA
Ein neuer Wagen der Borgward-Gruppe - aus de
m Hause LLOYD
82: Martini; ST 1959, 40
83: Gilles; ST 2001, 21
84: Lloyd; ST 1959, 40
85: Die Zeit; ST 1950, 1
3. Die ENTWICKLUNG VON IMAGE-KOMMUNIKATION IN DER WERBUNG |217
Der Chrysier 300M. Design, das bewegt.
CHRYSLER
—|—
86: Chrysler; ST 1999, 41
3.4.2 Weiblichkeit und Männlichkeit
Das Geschlecht ist eine Kategorie der sozialen Grundordnung, die die verschiedensten
Erfahrungswirklichkeiten und Handlungsfelder des Menschen transzendiert. Durch ent-
sprechende Sozialisationsprozesse »lagert sich eine geschlechtsklassenspezifische Wei-
se der äußeren Erscheinung, des Handelns und Fühlens subjektiv über das biologische
Muster [...]. Jede Gesellschaft bildet auf diese Weise Geschlechtsklassen aus, wenn auch
jede auf ihre eigene Weise« (Goffman 1994, 109; vgl. auch 1981, 19). Das materielle
Geschlecht bildet dabei die »Grundlage eines zentralen Codes, demgemäß soziale In-
teraktionen und soziale Strukturen aufgebaut sind; ein Code, der auch die Vorstellungen
der Einzelnen von ihrer grundlegenden menschlichen Natur entscheidend prägt« (ders.
1994, 104). Demzufolge ist das soziale Geschlecht zentrales Moment des im Alltagsle-
ben wirksam werdenden Habitusrepertoires, das jedermann und jedefrau nicht nur dazu
befähigt, sondern auch und vor allem dazu zwingt, ein symbolisches Spiel zu spielen.
Es liegt daher auf der Hand, daß sich die Werbung auf die Realitäten der lebens-
wirklichen Geschlechterordnung bezieht. Dies gilt um so mehr, als sie sich im Zuge
der Entwicklung von Image-Kommunikation zunehmend der Darstellung menschli-
cher Körper bedient. In seiner bis heute wirkungsmächtigen Studie »Geschlecht und
Werbung« beschreibt Goffman (1981) verschiedene Ritualinszenierungen, deren Auf-
führungspraxis er durch ein Prinzip der Übersteigerung der hierarchischen Ordnung
218 | IMAGE. ZUR GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN
der Geschlechter charakterisiert sieht.??? Man kann nun feststellen, daß die von Goff-
man am Ende der 1970er Jahre beschriebenen »Hyperritualisierungen« sowie ein seit-
dem erheblich differenziertes Repertoire von (Hyper-)Stilisierungen der Geschlechter
in den verschiedensten Programmressourcen eine Rolle spielen.”?? Von Weiblichkeit
bzw. Männlichkeit als einer Image-Ressource zu sprechen meint jedoch Spezifische-
res als den breiten Zusammenhang von »Geschlecht und Werbung«. Als Image fun-
gieren die Geschlechter nämlich nur dann, wenn deren Eigenschaften als die zentralen
Positivwerte der jeweils beworbenen Objekte markiert werden, d.h. die Identität des
Images definieren.
Bemerkenswert ist zunächst eine weitgehende Orientierung an traditionellen Vor-
stellungen.?”* Bis in die Gegenwart sind wesentliche Attribute des Werbeweiblichen:
Zartheit, Weichheit, Einfühlsamkeit, Reinheit, Emotionalität, Expressivität, Selbst-
losigkeit/Hingabe/Passivität, Spontaneität, körperliche Attraktivität, Schönheit. Das
Bild der Kleinkinder liebkosenden Mutter ist neben der sich selbst zärtlich berüh-
renden Frau ein frühes Motiv, das einige der genannten Eigenschaften in sich verei-
nigt (vgl. Abb. 48, 106-108). Nicht zu übersehen ist auch, daß Weiblichkeit früh an
die Thematisierung weiblicher Körperschönheit gekoppelt ist. Schon in den 1920er
Jahren sieht man Mädchen, die wie ihre erwachsenen Geschlechtsgenossinnen mit
ihrer äußeren Erscheinung beschäftigt sind (»Матті und ich verdanken unser volles
Haar nur Teer-Seife« (Schering, BIZ 1926, 23). Weiblichkeit wird dabei interpretiert
als ein Verfügen über sichtbare Körperwerte sowie das performative Vermögen, die-
se als Reize erscheinen zu Іаѕѕеп.225 Männlichkeit hingegen stellen die Bildoberflä-
chen als Schnelligkeit, Intellektualität, Rationalität, Durchsetzungsvermögen, Härte,
Entschlossenheit, Autonomie, Erfolgsorientiertheit vor. Entlang dieser Alltagsanthro-
pologie (re-)produziert die Werbung ihre Weiblichkeits- bzw. Männlichkeitsimages,
wie man sehr deutlich an den unterschiedlichen Images für solche Produkte erkennen
222 Die symbolische Hierarchie konstituiert sich Goffman zufolge jenseits und diesseits
der Werbung in Anlehnung an den »Eltern-Kind-Komplex«. Gemeint ist damit eine
Orientierung des Geschlechterverhaltens an stereotypisierten Vorstellungen von Eigen-
schaften und Verhaltensweisen von Eltern und Kindern, bei der tendenziell Männer die
Eltern- und Frauen die Kindrolle übernehmen.
223 Zu einer Aktualisierung und Ergänzung der Goffman’schen Typologie im Blick auf die
jüngere Werbung vgl. Willems/Kautt 2003, 330-342.
224 Eine Konservierung traditioneller Geschlechterstereotypen läßt sich auch für die große
US-amerikanischen Zeitschriften »Look« und »Life« konstatieren (vgl. Stein 2003,
168). Da gerade in der jüngeren Vergangenheit progressivere Image-Definitionen des
Männlichen und Weiblichen Einzug in die Werbung halten, werden einige dieser Kon-
struktionen abschließend behandelt.
225 Ein Blick in die Anzeigen der bis heute auflagenstarken Frauenzeitschrift »Brigitte«
bestätigt schnell diesen Befund: Das Weibliche erscheint hier fast ausnahmslos als eine
Orientierung am Körperschönen und das Verfügen über letzteres wird als Substanz von
Weiblichkeit stilisiert.
3. Die ENTWICKLUNG VON IMAGE-KOMMUNIKATION IN DER WERBUNG | 219
kann, deren Objekteigenschaften unter funktionalen Gesichtspunkten für beide Ge-
schlechter identisch sind. Ein traditionsreiches Beispiel ist die Reklame für Uhren.
Während Männeruhren als Instrumente zur Bewältigung eines anforderungsreichen
Berufsalltags dramatisiert werden, die sich über Attribute wie Robustheit, Präzision
oder Zuverlässigkeit herausragenden Könnern empfehlen und deren Kompetenzen
wie ›Тітіпе‹, Übersicht, Entschlossenheit usw. zuarbeiten (»bewährt im Staub afri-
kanischer Wüstenpisten und im Eis am Nanga Parbat«, Dugena ST 1965, 15), wer-
den Damenuhren typischerweise als schmückende Steigerungen weiblicher Schönheit
vorgestellt (vgl. Abb. 87-90).
Wie im Falle anderer Images kommt es hier im Laufe der Entwicklung zu einer
bildlichen Spezifizierung von Qualitäten, mit der die Konstruktion latent gehaltener
Negativwerte einhergeht. Dies geschieht z.B. in der Anzeige für eine »kräftige« Zahn-
pasta, die mit dem Photo eines Mannsbilds auf Männlichkeit setzt: »Mit den süßlichen
Zahnpasten, die nicht mehr sein wollen als ein Kosmetikum, kann uns nicht gedient
sein. Wir brauchen die stark aromatische und anregende Zahnpasta Pecebo, herb kräf-
tig schmeckend.« (Pecebo, BIZ 1928, 32) Hier wie generell spielt die photographische
Oberflächenoptimierung (Schärfe, Farbigkeit, Auflösung) eine bedeutende Rolle. So
erscheint Reinheit in zunehmend dramatischer Weise als substantielle Eigenschaft des
Weiblichen, je mehr die photographische Darstellungstechnik Oberflächen, z.B. im
Rahmen von partialisierenden Nahaufnahmen des Körpers, präzise fixiert. Die Rede
von »porentiefer Reinheit« bringt diesen Wandel formelhaft auf den Punkt. Mit der
Perfektion der Bildoberflächen geht gewissermaßen eine Verschärfung des (vor al-
lem auf Frauen bezogenen) Problemzusammenhangs von »Reinheit und Gefährdung«
(Douglas) einher.
In diachroner Perspektive ist zu erkennen, daß sich diese Image-Ressource vor
allem in jenen Zusammenhängen entwickelt, in denen eines der Geschlechter adres-
siert wird. Dazu paßt eine tendenzielle Vermeidung des Kriterienkomplex in Fällen,
in denen das jeweilige Image Männer wie Frauen gleichermaßen ansprechen soll. Der
Werbeproduzent Ogilvy hat durchaus Recht, wenn er im Blick auf den Image-Wechsel
der Zigarettenmarke »Marlboro« in den 1960er Jahren weg von Inszenierungen feiner
Milieus hin zu Bildern einer von Männlichkeitsattributen bestimmten Lebenswelt der
Cowboys22® feststellt:
226 Wichtig sind für die Imagewelt dieser Marke vermutlich aber auch die (Image-)Identi-
tätswerte Natürlichkeit und Tradition; und eben deshalb, also aufgrund dieser spezifi-
schen Mischung von Image-Attributen, ist die Marke vermutlich international nicht nur
bei Männern erfolgreich. Zu einer Interpretation, die den Cowboy in treffender Weise
als einen »rebellischen Spießer« bezeichnet, dessen Lebenswelt gerade nicht nur von
Freiheit und Abenteuer (so die gängige Deutung der Marlboro-Bildwelt), sondern von
der Bewältigung von Freiheit und Abenteuer (Zähmen der Pferde, Lagerfeuerbesinn-
lichkeit, Einzäunen des Landes usw.) gekennzeichnet ist, vgl. Horx 1995.
220 | IMAGE. ZUR GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN
Sie (die Werbemacher) gingen ein Risiko ein, zu dem nur wenige Werbeleute bereit wären.
Sie scheinen zu dem Schluß gekommen zu sein, daß Marlboro einen rein männlichen Cha-
rakter bekommen sollte. Was für ein kühner Entschluß. Ich habe den Eindruck, daß viele
Produzenten nur widerwillig eine solche Einengung des Images und des Charakters des Pro-
dukts zu akzeptieren bereit sind. Sie wollen alles sein — für alle. Sie wollen, daß ihr Produkt
Anziehungskraft auf Männer wie auf Frauen ausübt. Auf die Oberschicht und die Plebejer.
(Ogilvy 1988, 96)
Naheliegenderweise beginnt die Entwicklung im Kontext der Bewerbung solcher
Objekte, die den menschlichen Körper unmittelbar tangieren (Körperpflegeprodukte,
Kleidung, Schmuck, Uhren, Brillen). Obwohl aus sachlich-funktionalen Gründen
eine »Genderisierung« des biologischen Geschlechts keineswegs erforderlich ist,
können Image-Differenzierungen hier leicht an lebenswirkliche Konstruktionen von
Weiblichkeit und Männlichkeit anschließen. Die Nutzung der Sichtbarkeit diverser
Materialien nach Maßgabe des rituellen Geschlechtercodes gewinnt dabei verschie-
dene Ausdrucksmöglichkeiten zur Herstellung des Weiblichen oder Männlichen. Die
Inszenierung von Gegenständen als weiblich oder männlich kann z.B. ebenso eine
Rolle spielen wie die geschlechtsspezifische Verdinglichung des Akteurs durch die
jeweilige Darstellung, wobei in nicht wenigen Fällen beide Aspekte vorkommen und
in Beziehung zueinander stehen. Zu diesen Fällen gehören etwa Werbungen, in de-
nen bestimmte ästhetische Ähnlichkeiten von Produkt- und Menschkörper inszena-
torisch konstruiert bzw. hervorgehoben werden. Wenn ein Parfumflakon weibliche
Linien nachahmt (und umgekehrt) oder wenn zarte Pastelltöne die Zartheit weiblicher
Eleganz vor Augen führen, handelt es sich um symbolische Analogiebildungen von
Produkt- und (Frauen-)Körper, die auf beiden Ebenen ansetzen und diese in eine spe-
zifische (vergleichende) Beziehung bringen (vgl. Abb. 91-93).
Eine geschlechtsspezifische (Kosmo-)Logik zeigt sich auch bei der Attribuierung
von Objekten (Produkten) als männlich und weiblich. Wenn z.B. durch entsprechende
Bildmontagen die Technik eines Autos (des Motors, der Elektronik, der Optik usw.)
als wesensverwandt mit der Rationalität des Mannes dargestellt wird, während gleich-
zeitig die schönen Formen des Designs in Analogie zu ihr (ihrem Körper) erscheinen,
dann werden beide Wertkomplexe in ein Produktimage vereint, ohne daß diese Inte-
gration von Geschlechtsattributen die soziale Geschlechtsdifferenz nivelliert. Es han-
delt sich hier vielmehr um die Integration eines Unterschiedenen als Unterschiedenes,
wobei die Differenz dadurch aufrechterhalten wird, daß die geschlechtsspezifischen
Stilelemente eine Art Arbeitsteilung praktizieren, die in einem Oberflächen-Tiefen-
Verhältnis organisiert wird: Das Männliche tritt als funktionale, strukturelle, unsicht-
bare Tiefe und das Weibliche als weiche, elegante, verspielte und in erster Linie schö-
ne Oberfläche auf.
Neben und mit dem Körper fungieren Kleider als wichtige Ausdrucksmedien des
Männlichen bzw. Weiblichen. Ebenso wie Frisuren, Körperbemalungen und Schmuck
stellen sie neben und mit den Möglichkeiten des bloßen Körperausdrucks symbo-
3. Die ENTWICKLUNG VON IMAGE-KOMMUNIKATION IN DER WERBUNG |221
lische Ressourcen dar, die werbungsdramaturgisch relevant werden. Vor allem die
Kleidung ist als zentraler Teil der »persönlichen Fassade« und als »Ausdruck, den
man selber ausstrahlt« (Goffman 1969, 25), mehr als nur ein unterstützendes Medium
der Selbstdarstellung. Sie ist eine Inszenierungsform, die in verschiedenen Hinsichten
als eine Art (Selbst-)Beschreibung von personalen und sozialen Systemen (Organi-
sationen) fungiert.”?’ Die in der Werbung (re-)präsentierten Kleidungsstile steigern
und verdichten die geschlechtsspezifische Kleiderordnung des Alltagslebens, die eine
kosmologische Differenz der Identitäten sichtbar macht. Während die vergleichswei-
se schlichte Mode der Werbemänner auf eine Sach-, Erfolgs- und Zweckorientierung
hinweist (z.B. Anzug als Berufskleidung, Sport- und Outdoor-Bekleidung in der Frei-
zeit, vgl. Abb. 100, 101, 113) und somit die Vorstellungen von Männlichkeit im Sinne
von Autonomie, Kompetenz und Rationalität unterstreicht, bringt die Frauenmode in
erster Linie Weiblichkeit im Sinne von Verspieltheit, Emotionalität und erotisch-kor-
poraler Attraktivität zum Ausdruck. Wie der weibliche Körper selbst ist auch seine
Verpackung in der Werbung vor allem als ästhetisches Zeichen und Inszenierungsin-
strument kenntlich gemacht, wie man schon an der Modewerbung um 1900 erkennen
kann. Körperbemalungen wie das Schminken der Lippen oder das Lackieren der Fin-
gernägel gewinnen im Laufe der Zeit an Bedeutung und entwerfen Weiblichkeit als
korporale Attraktivität.
Analoge Eigenschaften erscheinen als Substanz des Weiblichen oder Männlichen,
wenn die Werbung ihre jeweiligen Protagonisten in professionelle Handlungsfelder
einbettet. Im Falle der Weiblichkeitsinszenierungen reduziert sich das Berufsbild bis in
die 1970er Jahre hinein im wesentlichen auf das der Hausfrau oder Sekretärin. Selbst-
losigkeit, Hilfsbereitschaft, Fürsorglichkeit und Herzlichkeit sind sodann die Attribu-
te, die ein Image von Weiblichkeit fundieren. Diese Eigenschaften treten hier um so
mehr hervor, als Visualisierungsstrategien von Schönheit und erotischer Attraktivität
zurücktreten. Typischerweise stehen Frauen ihren offenkundig berufstätigen Männern
dienend und verwöhnend zur Seite, wobei die sichtbar gemachte Emotionalität und
Wärme mit den beworbenen Objekten assoziiert werden soll. Bilder von Frauen, die
ihrem Mann stolz das frische Hemd präsentieren, das Frühstück servieren (während
er die Zeitung liest) oder freundlich lächelnd am »Heimbügler« sitzen, gehören zu
diesem Bereich (vgl. Abb. 94-97). Die Ernsthaftigkeit und Identitätsrelevanz des so
interpretierten Weiblichen kann dabei durch eine visualisierte Psychologisierung zum
227 Als Moment einer eher unpersönlichen persönlichen Fassade spielt die Kleidung für
Organisationen und in Organisationen eine wichtige Rolle. Man denke hier an identi-
fizierende Berufskleidung wie die von Schaffnern, Verkäufern, Pflegern, Pfarrern usw.
oder an den Kleidungsstil als Ausdruckselement der Corporate Identity. In diesen Fäl-
len fungiert Kleidung als Erkennungszeichensystem, das im Sinne der Geschlechterdif-
ferenz »parallel organisiert« (Goffman) ist. Darüber hinaus differenziert die Kleidung
natürlich auf zahlreichen sozialen Identitätsebenen. Man erkennt (sich) in puncto Sta-
tus, Nationalität, Landsmannschaft, Szene usw.
222 | IMAGE. ZUR GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN
Ausdruck kommen: Das eigene Spiegelbild (Dor Glasreiniger), die Zwillingsschwe-
ster (Jacobs Kaffee) oder die Übermutter »Clementine« (Ariel Waschmittel) veran-
schaulichen den generalisierten Anderen und die dazugehörigen Erwartungen an das
Weibliche.
Ganz andere Positivwerte bestimmen Männlichkeit in Berufskontexten. Sach-
kompetenz und Rationalität sind hier die wesentlichen Attribute. Schon früh tritt er
z.B. als Chefkoch in Erscheinung oder erläutert nüchtern wie der Persil-Mann die
Vorzüge eines Produktes. Auch später entstehende Phantasiehelden wie der »Meister
Propper« oder der »weiße Riese« visualisieren entsprechende Männlichkeitswer-
te. Dramatisch anschaulich gemacht werden Eigenschaften wie Entschlossenheit,
Kampfgeist, Ausdauer, Zuverlässigkeit, Wagemut oder Zielstrebigkeit weiterhin
in bildlichen Vorführungen exotischer Ausnahme-Berufsrollen wie Pilot, Kapitän,
Künstler, Musiker, Dirigent, Cowboy oder Stuntman. Auch der Manager ist diesen
Profis in vielen Punkten des Charakters durchaus ähnlich. Im kumulativen Gebrauch
von Handy, Notebook oder Terminplaner (vgl. Abb. 66, 67, 102, 103) erscheinen
sie keineswegs als angepaßte Durchschnittsmenschen, sondern vielfach als souve-
räne, weitsichtige und effektive Strategen, die permanent Entscheidungen treffen
und etwas zu sagen haben. Als Männer der Tat handeln und delegieren sie, ohne
viele Worte zu machen oder sie richten ihr Wort, z.B. in der stilisierten Figur einer
wichtigen Medienpersönlichkeit, an ein breites Publikum (vgl. Abb. 101). Belohnt
werden diese Helden, die ihre Erfolge ganz offensichtlich ihrem Können und ihrer
Leistung verdanken, nicht nur mit Geld, Prestige und Statussymbolen, sondern (in
Konsequenz) auch mit erotischen Chancen, die sich darin zeigen, daß ihnen Frauen
»nachlaufen und ihnen buchstäblich zu Füßen liegen« (Blumschein 1986, 124). Die
Imageressourcen Männlichkeit, Erotik und schichtorientierter Status werden in die-
sen Fällen zu einem Gesamtbild arrangiert.
Männlichkeit und Weiblichkeit als Image zu präparieren bedeutet zudem das
Sichtbarmachen innerer Engagements, Gefühle und Gedanken. Insbesondere das
Gesicht als die wichtigste und differenzierteste »Ausdrucksmaschine« (Goffman)
des Menschen muß die geschlechtsspezifischen Binnenzustände und damit das We-
sen des Weiblichen bzw. Männlichen zum Ausdruck bringen. In Bezug auf Frauen-
darstellungen lernt die Werbung im Laufe der Jahrzehnte, symbolisch bedeutsame
Impressionen der Affektivität ins Bild zu setzen. Zum Repertoire gehören mit der
Zeit euphorische, schüchterne, verlegene, träumende oder wütende Frauen, die wie
die Kinder nicht nur permanent Gefühle haben, sondern diese auch ganz unverhüllt
zeigen können, seien sie positiver oder negativer Art (vgl. Abb. 107-109). Geleb-
te Emotionalität wird auch in Bezug auf die Beziehungen von Frauen zueinander
veranschaulicht. Schon in den 1920er Jahren sieht man Freundinnen, die ihre Stim-
mungen in einer unter Werbemännern ausgeschlossenen Weise miteinander teilen,
wobei die Beziehungsnähe in Formen intimer Berührung oder Unterschreitungen
gewöhnlicher Körperdistanzen zum Ausdruck kommen soll. Das werbliche Männ-
lichkeitssujet zeichnet sich dagegen tendenziell durch emotionale Gedämpftheit,
3. Die ENTWICKLUNG VON IMAGE-KOMMUNIKATION IN DER WERBUNG |223
Zurückhaltung, Selbstkontrolle, Stabilität und gedanklichen Tiefgang aus (vgl. Abb.
98 u. 99). Insbesondere der Ausdruck von negativen Gefühlen bleibt auf wenige so-
ziale Ernstkontexte bezogen. Aggression, Wut oder schlechte Laune beziehen sich
als legitime Emotionen des Mannes z.B. auf sportliche Niederlagen, Unfälle oder
beruflichen Streß.
Eine weitere Möglichkeit der bildlichen Charakterisierung von Weiblichkeit und
Männlichkeit findet die Werbung in Darstellungen der Natur bzw. des Natürlichen.
Die Bühnen und Kulissen fungieren dann als eine Art Geschlechteranthropologie
bzw. als allegorischer Hintergrund im Dienste der Beschreibung des unterschied-
lichen Naturells der Geschlechter. So stehen zerklüftete Canyons, (Eis-)Wüsten,
Ozeane, reißende Wildbäche, Urwälder und andere riskante oder anforderungsrei-
che Landschaften natürlich für die Natur des Mannes bzw. für eine Männlichkeit,
die das Abenteuer sucht, findet und meistert (vgl. Abb. 112 u. 113). Zudem gibt der
Naturbursche (zuerst zu finden in der Werbung für Alkoholika und Zigaretten) sei-
nen Körper als Naturprodukt zu erkennen: Zivilisatorische Ressourcen der Selbst-
darstellung und Selbststilisierung, wie z.B. Frisur und Kleidung, sind diesen herben
Mannsbildern fremd. Wie die Kleidung erscheint ihr muskulöser Körper als funk-
tionale Basis des (Über-)Lebens in der Natur und ist ebenso wie die gegerbte Haut
und das vom Naturleben geprägte Gesicht Zeichen authentisch-autonomer Männ-
lichkeit. Diese ist nicht nur selbst natürlich, sondern nutzt und unterwirft die Natur
zugleich. Diesem Image steht die Natur des Weiblichen gegenüber, die nichts ist als
schöne Oberfläche. Frauen befinden sich meist in sanft und harmlos anmutenden
Landschaften, die den weiblichen Körper vor keine größeren Herausforderungen
stellen. Idyllische Szenerien wie Frühlingswiesen, Gärten oder Sandstrände, die als
Sinnbilder von Zartheit, Weichheit, Schönheit und Genußorientierung zu lesen sind,
werden vorzugsweise als ihr natürlicher Lebensraum ins Bild gesetzt (vgl. Abb.
46). Vor allem potenziert die Naturkontextierung ihren Status als Bild, als Anblick.
Deutlich wird dies insbesondere in den Anzeigen, die Frauenkörper als hyperästhe-
tische Naturobjekte (z.B. Katzen, Blumen) darstellen und zugleich in der Logik des
Eltern-Kind-Komplexes entsubjektivieren. Frauen sind dann mit anderen Worten
Natur im Sinne kindlicher Unzivilisiertheit und ästhetischer Effekte (vgl. Abb. 110
u. 111), die oftmals auf erotische "Natur: verweisen. Symptomatisch für die Identi-
fizierung des Weiblichen im Sinne des (Natur-)Schönen sind zudem florale Muster
und Ornamente, die sich, vorzugsweise im Bereich der Kleidung (Unterwäsche)
über Jahrzehnte hinweg einer konstanten Beliebtheit erfreuen.
Auch Darstellungen von Freizeit werden genutzt, um Weiblichkeit und Männlich-
keit als Image zu profilieren. Exemplarisch genannt seien hier nur die Betätigungsfel-
der Sport und Geselligkeit. Sportliche Betätigungen identifizieren Werbefrauen über
Eigenschaften wie Zartheit und Beweglichkeit und betonen zudem körperliche Schön-
heit und erotische Attraktivität als Substanz des Weiblichen. Nicht selten weisen die
Visualisierungen sanfter Sportarten wie Schwimmen oder Joggen ebenso wie die Tex-
te auf eine Zweckorientierung des Sports hin, die eben darin besteht, als Steigerungs-
224 | IMAGE. ZUR GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN
medium des so verstandenen Weiblichen zu fungieren.??® Auf der Zeichenebene wird
das vor allem deutlich, wenn enge und freizügig ausgeschnittene Sportbekleidung
den Erotikkörper der Frauen betont und deren Sportlichkeit als erotische Attraktivität
rahmt. Signifikant ist in diesem Zusammenhang die Tatsache, daß sich die sporttrei-
benden Werbefrauen anscheinend weniger körperlich anstrengen und (daher) weniger
schwitzen als sporttreibende Werbemänner. Männlichkeit drückt sich dagegen typi-
scherweise in Sportarten aus, die Herausforderung, Kampf und Abenteuer bedeuten
und die den männlichen »Sportskanonen< demgemäße Fähigkeiten und Einstellungen
abverlangen: Aggressivität, Härte, Erfolgsstreben, Kampfgeist, Ausdauer, Geschick-
lichkeit usw. (vgl. Abb. 104 u. 105).229
Weiterhin dient die Inszenierung von Geselligkeitsanlässen und -formen der Her-
stellung von Geschlechterattributen. Ein inzwischen als klassisch zu bezeichnender
Typus ist der Klatsch zweier Freundinnen, ein anderer das sich mit mehreren Teil-
nehmerinnen konstituierende Kaffeekränzchen. Hier wie dort steht Emotionalität,
Expressivität, Spontaneität und Beziehungsorientierung stark im Vordergrund weibli-
chen Seins. In einem positiven Sinne erscheint die Pflege von sozialen Beziehungen
hingegen nur unter stark eingeschränkten Bedingungen als Zeichen guter Männlich-
keit: Der Ruhestand, der Feierabend oder das Wochenende sind solche limitierten
Kontexte, wobei über das Vorführen entsprechender Akteure (Rentner) und Settings
(die Kneipe, das Stadion) der Eindruck erweckt werden soll, daß sich hier Leistungs-
träger unter Kollegen in entspannender Atmosphäre nach getaner Arbeit erholen wol-
len. Männliche Geselligkeit wird als eine Gegenwelt entworfen, in der man(n) zur
Kompensation seiner öffentlichen und beruflichen Existenz ganz Mensch sein kann.
Die Stammtischrunde ist — vor allem in Werbungen für Alkohol- und Tabakprodukte
— ein frühes Sujet dieser Form von Männlichkeit.
228 In diesem Sinne ist Fitneß als weiblicher Positivwert nicht neu: »Wie besonders die
Abbildungen von Frauen in der Fahrradreklame seit den 1890er Jahren zeigen, wird
Sport allmählich für die Frauen akzeptabel und ein immer wichtigerer Bestandteil auch
des weiblichen modernen Lebensstils. Er erlangte im Hinblick auf die schlanke Linie
für die Frau schließlich eine ganz besondere Rolle und erreichte seinen Höhepunkt in
den zwanziger und dreißiger Jahren« (Thoms 1995, 250). Thoms zitiert hierzu einen
Text aus einer Frauenzeitschrift (»Korpulenz und Formschönheit«, in: »Die Hausfrau«
1896, Nr. 35, 139 Ё). Dieser nimmt auf eine entsprechende Werbeanzeige Bezug und
empfiehlt das Jonglieren mit Bällen, das einen so »gesteigerten Verbrauch von Nähr-
stoffen zur Folge hat, daß deren Verwendung zur Fettbildung vollständig verhindert
wird. Die Wirkung dieser Übungen macht sich bald bemerkbar; zunächst durch ein
augenfälliges Schwinden der Fettmassen am Unterleib, dann aber durch eine vollstän-
dig veränderte Haltung, indem der ganze Körper an Elastizität und Geschmeidigkeit
gewinnt.«
229 Daher werden Bilder sporttreibender Männer auch als Allegorien für »Höchstleistun-
gen« aller Art (z.B. für die von Banken und Versicherungen) eingesetzt (Diba, ST 2001,
43; vgl. Abb. 156).
3. Die ENTWICKLUNG VON IMAGE-KOMMUNIKATION IN DER WERBUNG |225
Abschließend sei noch auf einige Images der jüngeren Vergangenheit hingewie-
sen, die sich dezidiert als Formen emanzipierter Weiblichkeit und Männlichkeit stili-
sieren. Gerade Werberexte proklamieren seit den 1990er Jahren eine neue Weiblich-
keit. Frauen werden z.B. aufgefordert, ihren eigenen Weg zu gehen (o Your way«, She
1994), sich selbst zu fühlen (»Feel you«, Deyk 1995) und sie selbst zu sein (Selbst ist
die Frau«, Betty Barclay 1995).”?° Frauen vermitteln auf Plakaten und in Printanzei-
gen »The Power of Now« (West Lights 1997) und leben nach der Devise »Ich bin so
frei« (Nescafé 1989; »Die Freiheit nehm ich mir«, Visa 1997). Als gleichberechtigte
Wesen konsumieren Frauen wie Männer (z.B. Zigarren) und fällen Kauf- und Kon-
sumentscheidungen, die einst den Männern vorbehalten waren. Sie agieren auch auf
sich selbst gestellt in Bereichen, die traditionell nahezu ausschließlich mit männlichen
Akteuren verbunden wurden. Man findet nun Managerinnen, die zugleich die (frü-
her Männern vorbehaltene) Aufgabe der finanziellen Zukunftssicherung der Familie
übernehmen, ebenso wie die junge und innovationsfreudige Forscherin oder die harte
Unternehmerin.?3! Konsequenterweise ist es nun auch öfter sie, die aus ernst zu neh-
menden Gründen zu angeblich leistungssteigernden Präparaten greift oder im Sport
den Körper zu neuen Limits bewegt. Neben der modernisierten Frau trifft man in der
neueren Werbung immer häufiger auf neue Männer bzw. Aspekte neuer Männlich-
keit.232 Schönheit, Gepflegtheit, Wohlgeruch, Mode und Schmuck werden, wenn auch
(noch) zurückhaltend und mit deutlicher Kumulation in den entsprechenden Produkt-
bereichen, zunehmend zu männlichen Identitätsthemen. Jetzt kann es auch heißen:
»Ein idealer Mann ist sanft, einfühlsam und sensibel« (Guhl, ST 1995, 6). Mit dieser
Feminisierung geht häufig eine Erotisierung einher. Man denke hier z. B. an die, wenn
auch zögerliche Einführung männlicher Erotikkörper als Eyecatcher. Selbst narzißti-
sche Posen und Attitüden, die einst ausschließlich auf der Seite der Frauen zu finden
waren, dringen in die Männerwelt ein. Auch sind in der neueren Werbung auffallend
viele Männer mit ihren Klein- und Kleinstkindern in der Rolle des fürsorglichen und
liebevollen Vaters zu sehen, der seine Kinder im Arm hält, füttert und mit ihnen spielt.
Fast könnte man den Eindruck gewinnen, dieses Motiv sei derzeit sogar populärer als
das der Mutter im Kreise ihrer Lieben.
Bemerkenswerterweise stehen die meisten neueren Imagekonstruktionen mit der
Tradition (der Werbung) jedoch in engerer Verbindung, als es auf den ersten Blick
scheint. Daß und inwiefern dies der Fall ist, soll im folgenden in Bezug auf drei The-
menkontexte gezeigt werden. Zu erwähnen sind zunächst die beruflichen Autonomie-
230 Die Akzeptanz und Attraktivität der selbstbewußten (Werbe-)Frau unterstellend, kann
die Werbung diesen Typus modulieren, z.B. indem sie feststellt: »Starke Frauen haben
auch ihre schwachen Seiten.« (Hestia Relax, ST 1996, 13)
231 Мап kann also längst nicht mehr, wie noch Wartella (1980, 103) vor knapp dreißig
Jahren, von einer »symbolischen Nichtexistenz« weiblicher Berufstätigkeit in der Wer-
bung sprechen.
232 Vgl. Borstnar 2002.
226 | IMAGE. ZUR GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN
gewinne der Werbefrau. Einerseits ist nicht zu übersehen, daß die Hausfrau, die noch
bis in die 1970er Jahre eine Schlüsselfigur für die Inszenierung des (Berufs-)Weibli-
chen war, heute eher und zunehmend eine Randfigur darstellt.??3 Andererseits gibt die
Analyse emanzipierter Images durchaus semantische Ambivalenzen zwischen Mo-
dernismus und Traditionalismus zu erkennen. Stilbildend sind z.B. Ausblendungen
solcher Kontexte, die eindeutige Image-Festlegungen auf einen der beiden Pole tra-
ditionell oder modern ermöglichen. Dies gilt z.B. für Inszenierungen, die Frauen mit
Haushaltsprodukten in Verbindung bringen, ohne Assoziationen zur Berufsrolle der
Hausfrau wachzurufen: Wenn Frauenaugen durch ein (sauberes) Weinglas blicken,
oder wenn Frauenhände Staubsauger umfassen und dabei keinerlei Kontext (wie z. В.
die Küche), sondern nur ein weißer Hintergrund als (Nicht-)Bühne dient, ist das der
Fall. Einen ähnlich selektiven Umgang mit Kontexten kann man in Bildern sehen,
die moderne Karrierefrauen zeigen und dabei — ganz im Unterschied zur Darstellung
männlicher ›Масһег‹ — auf Vorführungen professioneller Handlungsfelder verzich-
ten. Das Fehlen eines sich agierend präsentierenden Expertentums pasteurisiert dann
Professionalität als Identitätsaspekt des Weiblichen. Bemerkenswert ist auch, daß die
Karrierefrau äußerst selten in Situationen gezeigt wird, in denen sie als statushöhe-
re Berufsrolleninhaberin neben statusniederen Männern erscheint. Während der hohe
Status männlicher : Macher: immer wieder und gerade durch statusniedere Mitarbeiter
und Mitarbeiterinnen unterstrichen wird, vermeidet auch die neuere Werbung eine
derart konkretisierte Umkehrung ihrer gewöhnlichen rituellen Ordnung. Statt dessen
zeigt sie Karrierefrauen immer wieder allein oder unter Kolleginnen (vgl. Abb. 188).
Eine analoge Methode der Verknüpfung von Tradition und Moderne besteht in der
Integration divergierender Bildsemantiken. Ein solcher Fall ist die Frau, die im Haus-
halt gerade nicht als Heimchen am Herd, sondern als Managerin dargestellt wird. Die
Verschränkung der symbolischen Sphären läßt dann die Frage offen, ob es sich um die
Darstellung einer berufstätigen Frau handelt, die nebenbei den Haushalt тапарї,234
oder (nur) um eine Aufwertung der mit einem Negativimage besetzten Hausfrauenrol-
le, also um die Konstruktion eines neuen Images für eine alte Rolle. Auch wenn eine
Frau als Straßenbauarbeiterin auftritt, die hinter einem Preßlufthammer ihren Mann
steht, bedeutet dies trotz bestimmter Zeichen (breitbeinige Standhaltung, abschätzi-
ger Blick, in die Hüfte gestemmte Arme) kaum den Versuch der Konstruktion eines
neuen Weiblichkeitsimages (West, Max 1998, 4). Vielmehr geht es hier neben und mit
der Erzeugung von Aufmerksamkeit durch die Irritation habitueller Wahrnehmungs-
muster um die spezifische Präparation eines durchaus werbegewöhnlichen Weiblich-
233 Unvorstellbar sind inzwischen nicht nur bildliche Darstellungen dienender Hausfrauen
(vgl. Abb. 94-97), sondern auch Texte, die Frauen als Hausfrauen ansprechen, wie z.B.
in einer durchaus gewöhnlichen Anzeige der 1950er Jahre, in der die Frage gestellt
wird: »Kann die Hausfrau zeitlos kochen?« (Junghans, ST 1953, 9).
234 Und wäre dies die intendierte Botschaft, bliebe dennoch zu fragen, warum Männer in
dieser Doppelrolle nicht erscheinen.
3. Die ENTWICKLUNG VON IMAGE-KOMMUNIKATION IN DER WERBUNG | 227
keitsgenerators — nämlich den der erotischen Attraktivität. Ähnlich doppelwertig sind
Darstellungen von Männern in familialen Kontexten dann, wenn ihre Berufsrolle so
thematisiert wird, daß unklar bleibt, ob die Rolle des erziehenden Vaters oder die des
Ernährers gemeint ist. Ein Beispiel hierfür gibt eine Anzeige, die mit der veranschau-
lichten Vater-Kind-Idylle und der Feststellung »Erfolgreiche Manager gucken jeden
Tag Sandmännchen« sowohl den erfolgreichen Haushaltsmanager wie den Part-time-
Papa idealisiert, der nach getaner Erwerbsarbeit den Abend mit dem Sohn vor dem
Fernseher ausklingen läßt (Pro-Tel-D1, ST 1997, 14).
In den Zusammenhang einer nur sehr bedingt antitraditionalistischen Konstruktion
von Weiblichkeit bzw. Männlichkeit kann man weiterhin die von Wilk (2002) für die
1990er Jahre diagnostizierte »Genderisierung« des Körpers einordnen. Diese läßt sich
Wilk zufolge vor allem an dem Verhältnis von Mode und Körper erkennen: »Heute ist
es weder die Kleidung noch die Mode, die den Körper ins mythische Kleid einer tra-
dierten Geschlechterrolle Һа. »Körper machen Leute«, lautet das modische Paradig-
ma der 90er Jahre, das der Mode den Code raubt, mit dem sie einst Geschlechtsattribute
zugeschrieben hat.« (Wilk 2002, 50) Obwohl diese Feststellung insofern unzutreffend
ist, als Kleidung bzw. Mode in den meisten Werbungen der 1990er Jahre durchaus als
wichtiger Generator von Weiblichkeit bzw. Männlichkeit fungiert, faßt sie dennoch
ein Charakteristikum neuerer Images, in denen systematische Ausblendungen sozialer
Kontexte mit Betonungen des Körpers als dem eigentlichen Bedeutungsträger des Ge-
schlechts einhergehen. Dabei fällt auf, daß die Attraktivität des Männerkörpers häufig
nicht nur als ästhetischer Eigenwert, sondern auch als Resultat einer instrumentellen
Handhabung des Körpers erscheint (z.B. im Sport). Überhaupt signalisiert der häufig
vorkommende Typ des Modellathleten nicht nur Schönheit, sondern auch Kraft und
(damit) Autonomie und Überlegenheit (vgl. Abb. 157). Die Nacktheit dieses Man-
nes ist »in den meisten Fällen (..) das einzige Tabuthema, das gebrochen wird. Denn
die Art des männlichen Auftretens (Körperhaltung, Gestik und Mimik) und die sze-
nische Ausleuchtung zeigen das klassische Schema vom bestimmenden Geschlecht
und bestätigen insofern das traditionelle sexuelle Rollenverhältnis« (Krohne 1995,
148). Dazu paßt, daß Männer immer wieder so abgebildet werden, daß ihre Körper
einen skulpturalen Charakter bekommen und damit an kulturgeschichtlich gerahm-
te Vorbilder erinnern, z.B. an die Helden Adonis oder Herkules.?5 Die klassizisti-
sche Anmutung rührt dabei nicht nur von (athletischen) Körperformen, sondern auch
von pathetischen Gesten, entsprechenden Staffagen (Säulen, fallende Stoffe usw.),
(Produkt-)Namensgebungen und einer systematischen Ausblendung lebensweltlicher
Bezüge her. Werbung leistet hier in einem spezifischen Sinn Arbeit am Mythos.”
Im Zitat der Antike findet sie eine Methode, die Nacktheit und nackte Schönheit der
Geschlechter differentiell zu behandeln. Indem sie den Schleier (kunst-)historischer
235 Vgl. Borstnar 2002, 700 ff.
236 Für Borstnar semantisieren derartige Darstellungen »den Mann selbst als göttlich und
kunstvoll« (2002, 700).
228 | IMAGE. ZUR GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN
Motive über den Mannskörper legt, hebt sie dessen bloße Nacktheit auf. Eine analoge
Rahmung liegt vor, wenn das männliche Bewußtsein eigener Schönheit in die Rolle
des Narziß gekleidet wird. Vergleichbare Bewußtseinslagen der Frau werden dagegen
in der Regel als profane Eitelkeiten inszeniert, z.B. in der Form des endlos wieder-
kehrenden Motivs »Frau mit Spiegek. Die weibliche Nacktheit steht auch meist in
realistischeren Kontexten, die nicht von dem Nimbus des Zeitentrückten, sondern von
gegenwärtigem Sexappeal geprägt sind. Neben und mit einer zunehmenden Erotisie-
rung bzw. Sexualisierung geht es mit den »gendered bodies« also auch auch um den
Versuch, Weiblichkeit und Männlichkeit als Image-Werte zu erschließen, ohne auf
die lebensweltlichen Kontexte der sozialen Codierung von Geschlecht referieren zu
müssen, die in der Gegenwart umstrittener sind denn je.
Abschließend sei auf neuere Images hingewiesen, die Vorstellungen von Männ-
lichkeit und Weiblichkeit integrieren und als Affirmation eines postmodernen Um-
gangs mit dem sozialen Geschlecht anbieten. Bemerkenswert sind vor allem Entwürfe
für und mit Jugendliche(n), in denen die Geschlechtsidentität der agierenden Dar-
steller nicht eindeutig erkennbar ist. Dieses Vexierspiel ist besonders eindrücklich,
wenn erotische oder sexuelle Handlungen die Frage nach der Geschlechtsrollenbeset-
zung der Szene auf den Plan rufen. Zu einer Hybridisierung der Geschlechter kommt
es dabei speziell durch den Einsatz bestimmter Formen symbolischer Interaktion
und Materialität. Ein wichtiges Element ist die Entdifferenzierung der Kleiderord-
nung: Die Werbung zielt dann, wie das Modedesign selbst, auf die Herstellung von
Erscheinungsgleichheit im Sinne eines geschlechtsneutralen Partnerlooks. Auch das
Fehlen geschlechtsspezifischer Ritualisierungen (des Berührens, der Hierarchie, des
emotionalen Ausdrucks usw.) vermittelt und verstärkt den Eindruck, die dargestell-
ten Individuen verbinde nicht eine wechselseitig auf den jeweils anderen bezogene
Unterschiedlichkeit, sondern eine Wesensgleichheit, die die Welten der Geschlechter
transzendiert. Eine andere Erscheinungsform des Androgynen besteht darin, daß die
geschlechtsspezifischen (Differenz-)Kennzeichen als solche erkennbar am jeweils an-
deren Geschlechterkörper festgemacht werden. Die Werbung führt dann feminisierte
(geschminkte, kostümierte, langhaarige) junge Männer und/oder betont maskulin er-
scheinende junge Frauen vor, wobei neben einem Umgang mit modischen Zeichen die
Auswahl der Körper sowie das Ausdrucksverhalten eine Rolle spielen. Vor allem Ab-
bildungen junger Männer zeigen Übersteigerungen dieser Inversionen mit travestie-
ähnlichem Charakter: Die Kleidung signalisiert dann, ähnlich wie bei der typischen
(Hyper-)Kostümierung von Frauen, ??7 einen gewissen Unernst der Identität. Seit den
1990er Jahren bezieht sich die Stilisierung des Androgynen auf den Markt der soge-
nannten Uni-Sex-Produkte: »One« heißt ein entsprechendes Produkt, das das Image
der Geschlechtertranszendenz bereits im Namen führt (Calvin Klein) und die Einheit
des Verschiedenen (der Geschlechter) über Bilder des fragilen Menschseins entfaltet.
237 Vgl. Goffman 1981, 200.
3. Die ENTWICKLUNG VON IMAGE-KOMMUNIKATION IN DER WERBUNG |229
Draufgänger:
Mil ins Wasser... mit zum Sport... mit zur Arbeit.
Eine Wanderuhr? Nein. Eine von Millionen Timex
Ten — die Uhr din niemals мум
тен! em mm өл шїн Da өт pi en
Fan a Kenn өтет Terme ле a Ter
DI
ОС ОАРВАМА
Tu
MADONNA UND IHRE BELUGA
87: Timex; ST 1966, 18
88: Breitling; Max 2001, 19
89: D&G; Max 2007, 5
90: Ebel; BG 1996, 7
230 | IMAGE. ZUR GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN
/
GIVENCÄHY
и |
GUCH WEIBLICH"
` Edizione Esclusiva A
91: Moschino; Max 1996, 12
92: Givenchy; BG 1997, 25
93: Alfa Romeo; Max 2001, 22
3. Die ENTWICKLUNG VON IMAGE- KOMMUNIKATION IN DER WERBUNG | 231
„Für Dich
wasch’ ich perfekt”
in dieser Woche!
Sein viertes Hemd |
|
Wipp-perfekt wäscht perfekt
94: Wipp; ST 1958, 36
95: Sunil; ST 1963, 6
96: Wipp; ST 1957, 31
97: Siemens; ST 1964, 10
Bügeln im Sitzen
mit dem
Heimbügler
SIEMENS
232 | IMAGE. Zus GENEALOGIE EINES KoMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN
THE MORE YOU KNOW.
BOSS
ELEGANT
BEQUEM
WIRTSCHAFTLICH
ÖBERALL ERHÄLTLICH NGEN SIE PROSPEKT!
FABRIKANTEN: BRODER BERG, WIEN-BERUN N54
98: Lord; ST 1959, 40
99: Davidoff; ST 1997, 1
100: Eterna; BIZ 1927, 27
101: Boss; ST 2000, 32
3. Die ENTWICKLUNG VON IMAGE-KOMMUNIKATION IN DER WERBUNG |233
Glo A
УУ ine)
` pe
beim männlichen Sport -
a а 227 ы КЕКИ
РКТЪЫЛСТКІС SHAVE
LOTION
Ватт
Оро «== Ss
102: Bergmann; ST 1962, 1
103: Ballantines; ST 1963, 6
104: Old Spice; ST 1960, 45
105: Casio; Max 2003, 1
234 | IMAGE. Zus GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN
ман
тне а Танн
Fenjal Creme Oelbad
Jungbrunnen
trockene Haut
кечә! mit ми кыа hems Oel
Veure unter den Creme (enker
Tannsten EE EE nenn |
ERIB A
106: Fewa; ST 1958, 36
107: Fenjal; BT 1999, 22
108: Perlon; ST 1966, 18
109: Nonchalance; BG 2001, 24
3. Die ENTWICKLUNG VON IMAGE- KOMMUNIKATION IN DER WERBUNG | 235
ee (NEUEN аң
lütengelst P
N
Rose, Flieder, Maiglöckchen
gibt den Duft der 8 in
ungeahnter Natur
Dauerhaft Feuchtigkeit. Dauerhaft frischer Teint
&Marlboro Country е7 Ж
De EG dengem Rauchen дебе de Окен. Der Rauch arer Zigarette
дезе Marko веба 0.9 mg Nikotin und 12 eng Kondensat (Teer). (Оливера nach EO)
110: Zephyr; BIZ 1909, 18
111: Ellen Betrix; BG 1999, 32
112: Ballantines; ST 1964, 10
113: Marlboro; ST 2002, 27
236 | IMAGE. ZUR GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN
3.4.3 Gute Form
Die Qualität der Gestaltung kann zu einem zentralen Bezugsrahmen der Zuteilung
der Codewerte Imagepositiv/Imagenegativ werden. Neben und mit dem Design
einzelner Objekte realisiert dann die Ästhetik der gesamten Inszenierung entspre-
chende Image-Eigenwerte. Sind gute Formen als zentrale Eigenschaften des Images
aktiviert, kann schlechtes Design als Defizit und Stigma erscheinen.??® Erste An-
sëtze einer Betonung von »Ästhetik« zeigen sich bereits um 1900. Wenngleich die
Zeichnung in dieser Zeit nur die Erkennbarkeit des Gegenstandes sicherstellen kann
und soll (vgl. Abb. 115), gibt es einige (wenige) Darstellungen, die das Design
der beworbenen Produkte akzentuieren — so z.B. die einer Anzeige, die als ein-
zige dieser Zeitungsausgabe mit einem schwarzen Hintergrund operiert, so daß der
formatfüllend abgebildete Gegenstand und dessen Ausschmückungen deutlich zu
sehen sind (vgl. Abb. 114). Zugleich zeigt dieses Beispiel jedoch, daß die »guten
Formen: um 1900 noch stark an der Kunst und am gebrauchsgraphischen Ornament
der Zeit orientiert sind, wobei der Einfluß des Jugendstils in der Untersuchungsein-
heit offenkundig eine besondere Rolle spielt.’ Der längeren Undifferenziertheit
des Formenangebots entspricht das weitgehende Fehlen der Thematisierung von
Gestalt und Schönheit im Test. 220 Erst in den 1950er Jahren werden schöne For-
men als Zentralwerte reflektiert, wenn man einmal von den bereits vorher üblichen
oberschichtorientierten Geschmackshinweisen absieht. So heißt es zu der Abbil-
dung eines »schönen« Kühlschranks von 1955 dann immerhin: »Schön muß er sein!
Hausfrauen denken praktisch, Hausfrauen haben aber auch ein Auge auf all die
Dinge, mit denen sie tagtäglich zu tun haben.« (AEG, ST 1955, 23)
Gerade mit der Photographie läßt sich die Werbung verstärkt auf den Versuch ein,
Objekte als gut gestaltete Formen zu präsentieren und gute Form als Eigenwert durch-
zusetzen. Seit dem Ende der 1920er Jahre lassen sich zunehmend Anzeigen finden, die
mit Photographien die Sachen selbst, sprechen lassen, wenn diese durch pute: For-
men gekennzeichnet sind (Hess, BIZ 1929, 36, vgl. Abb. 118). Wenngleich Photogra-
phien in dieser Zeit noch des öfteren manuell überarbeitet werden, so als könne sich
gute Gestaltung nur in Anlehnung an die traditionellen Formen der Kunst vollziehen,
238 Es liegt nahe, daß diese Programmierung vor allem dann gewählt wird, wenn die guten
Formen käuflich sind, also im Bereich der Konsumgüterwerbung. Aber auch in anderen
Fällen kann gute Gestaltung als zentraler Image-Faktor fungieren, so z.B. in Werbungen
für Kunstausstellungen. Das gute Design (z.B. von werbenden Ausstellungsplakaten)
repräsentiert dann die spezifischen und in jedem Fall hohen Ansprüche an »Ästhetik«,
die mit dem beworbenen Objekt in Verbindung gebracht werden.
239 Auch Borscheid stellt für diese Zeit fest, daß die Gestaltung »auf das Schöne nach dem
zeitgenössischen Verständnis, auf das Ornament und das Dekorative« beschränkt ist
(Borscheid 1995, 27).
240 Im Unterschied zur körperlichen Schönheit — sie ist schon um 1900 durchaus ein Thema.
3. Die ENTWICKLUNG VON IMAGE-KOMMUNIKATION IN DER WERBUNG | 237
kommt es recht schnell zu einer photographischen Bildsprache, die darauf abzielt, die
Form und nicht zuletzt deren Oberfläche zu einem werbungsspezifischen Argument der
Zuweisung eines positiven Images zu machen. Da diese Optionen unmittelbar an die
Präzision der Darstellungstechnik gebunden sind, expandiert dieser Kriterienkomplex
jedoch erst in den 1950er Jahren, weil in dieser Zeit die Qualität des Massendrucks
nochmals eine deutliche Steigerung erfährt und Bilder ermöglicht, deren Abbildungs-
treue (Schärfe, Kontrast, Auflösung usw.) sich von photographischen Originalabzügen
kaum noch unterscheiden läßt. Entsprechend gibt es jetzt zunehmend Bilder, die auf
die Perfektion von Oberflächen nicht nur symbolisch hinweisen, sondern diese in den
Bildern selbst demonstrieren. Das Prinzip der guten Form gewinnt seinen Positivwert
dann auch über die Faszinationkraft des »Realen«, der ein neuer Hyperrealismus der
professionellen Studiophotographie zuarbeitet. Die seit den 1960er Jahren üblichen
Photos voller Getränkegläser, die den Eindruck erwecken, sie stünden unmittelbar
greifbar vor dem Bildbetrachter, sind dafür ein Beispiel. Die gute Form rührt hier ganz
von der Perfektion der Darstellung der Oberfläche und dem durch sie hergestellten,
geradezu haptischen Bilderlebnis, auf das sich die Texte beziehen können: »Einer der
schönsten Momente des Tages: Die Sekunde vor dem ersten Schluck Beck’s Bier.«
(Beck’s Bier, ST 1967, 23) Bedeutsam sind hier die Möglichkeiten der Farbphotogra-
phie, die sich im »Stern« in den 1960er Jahren durchsetzt.?*!
Inzwischen ist nicht zu übersehen, daß es völlig verschiedenartige Formkonzepte
gibt, die jeweils für sich in Anspruch nehmen, »schön« zu sein. Die Verschiedenheit
der Designs ergibt sich nicht zuletzt durch die jeweilige Kontextierung gut: gestal-
teter Objekte. Über Bühnen und Kulissen können Images den Wert Modernität eben-
so ins Spiel bringen wie den der Natürlichkeit usw. Bei den frühen Varianten dieser
Programmierung sind Kontextierungen dominant, die die Güte »guter< Formen mit
Eindrücken von hohem (Schicht-)Status kombinieren, z.B. dadurch, daß das ange-
priesene Design in die Tradition des Adels, der Aristokratie und der Hochkultur der
(schönen) Künste gestellt wird (vgl. Abb. 84 u. 85). Wenn eine Werbung für Deutsch-
lands renommierte Wochenzeitung »Die Zeit« zu der schlichten Abbildung dreier
griechischer Säulen auf einem weißen Hintergrund erklärt, inwiefern die klassische
Gestaltung (und die griechische Klassik als Symbol) mit der inhaltlich redaktionellen
Tiefe des Blattes korrespondiert, ist das ein solcher Fall: »Die klare Linienführung
bewundert jeder an den Werken der klassischen Kunst, aber nicht dort allein. »Die
Zeit: verdankt ihr Ansehen als führende deutsche Wochenzeitung ihrer eindeutigen,
sauberen und geraden Haltung, ihrem Eintreten für Wahrheit und Recht.« (Die Zeit,
ST 1950, 1; vgl. Abb. 85).
241 Die Wahl der Farbigkeit ist spätestens seitdem ein wichtiges Element der Image-Pro-
grammierung. So fallen z.B. schwarz-weiß gestaltete Anzeigen in einer bunten Rekla-
mewelt durch Zurückhaltung auf – ein Sachverhalt, der immer wieder zur Konstruktion
bestimmter Images genutzt wird, z.B. dann, wenn Dezenz, Bescheidenheit oder Sach-
lichkeit als Image-Wert erschlossen werden soll.
238 | IMAGE. ZUR GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN
Auch die Lichtführung, die Perspektive und das räumliche Arrangement der Ob-
jekte unter Gestaltungsgesichtspunkten gehören zum Inventar bildsprachlicher Mittel,
die dem Zweck unterstellt werden können, gute Formen und Oberflächen als Image-
Eigenwerte zu präparieren (vgl. Abb. 120 u. 121). Ein Bild, das den Scherkopf eines
Elektrorasierers gleichsam als Skulptur modelliert und dazu eine ganze Doppelseite
in Anspruch nimmt, unterscheidet sich selbst in den 1970er Jahren noch deutlich von
anderen Produktpräsentationen dieser Zeit (Philips, ST 1970, 38; vgl. Abb. 124). Hier
wie in vergleichbaren Reklamen geht es um mehr als um ein Ins-Bild-Setzen gut
gestalteter Objekte — nämlich um die umfassende Beherrschung der Bildästhetik, die
sich vom Objektdesign zunehmend emanzipiert. Wenngleich das Programm der guten
Form vorzugsweise bei der Bewerbung »gut« gestalteter Objekte zum Einsatz kommt,
ist es also keineswegs prinzipiell auf deren Vorhandensein angewiesen. Indikator des
Emanzipationsprozesses ist die Ausnutzung des Gesamtformats der Anzeige (der
ganzen Zeitschriftenseite) und das Herstellen anspruchsvoll gestalteter Gesamtkom-
positionen. Ausschnitte, Collagen usw. werden dann so arrangiert, daß gute: Bilder
entstehen, deren hochwertige Ästhetik die Qualität der Images bestimmen soll (vgl.
Abb. 122-125). Prägnante Beispiele, die zeigen, daß gestalterische »Kreativität< und
Originalität als Image-Eigenwerte fungieren, finden sich vermehrt seit den 1960er
Jahren (vgl. Abb. 123; zu einer frühen Anlehnung an die Avantgarde der Kunst vgl.
Abb. 117).242 Später kommt es dann sogar zu einem sehr freien und geradezu experi-
mentellen Umgang mit Formen und Farben, der bisweilen an die Resultate der Kunst
erinnert (vgl. Abb. 235 u. 244).243
Vor diesem Hintergrund ist es nicht erstaunlich, daß manche Beobachter spätes-
tens seit den 1980er Jahren die Diagnose stellen: »Werbung ist Kunst« (Schirner 1991).
Doch diese Diagnose übersieht (mindestens) einen entscheidenden Sachverhalt: Das
freie Spiel mit Formen ist keineswegs ein durchgängiges Charakteristikum der Wer-
bungsoperationen bzw. ist Gestaltung keineswegs in allen Image-Kommunikationen
das entscheidende Kriterium zur Qualifizierung der Objekte. Man kann also die Frage
stellen: Warum ist die Werbung nur gelegentlich »künstlerisch«? Die Antwort lautet:
Weil Kunst im Rahmen der Werbung nur eine Image-Ressource ist, und zwar eine un-
ter anderen. Auch im (Programm-)Bereich der freien Werbungsästhetik, die sich schon
242 Auch hier gibt es Ausnahmen, die die Regel bestätigen — so gibt es bereits in den
1920er Jahren »künstlerisch< gestaltete Schwarz-Weiß-Kurzfilme (z.T. koloriert), die
hauptsächlich auf Ästhetik setzen. Im Rückblick wird man dies als Effekt der Beschäf-
tigung von Künstlern interpretieren können, die in der Werbung deshalb eine Anstel-
lung finden, weil die gesteigerte Relevanz von Ästhetik und Design registriert wird, es
aber zugleich noch an einer werbungsspezifischen Formensprache fehlt.
243 Dabei ist klar, daß entsprechende Vorbilder in der Kunst längst vorliegen (man denke
nur an die (Photo-)Arbeiten von Man Ray, Marcel Duchamp und Raoul Hausmann
oder an den russischen Konstruktivismus) und in der Werbung umgesetzt werden — so
z.B. in einer Reklame für »Leibniz-Keks« von 1926 (vgl. Abb. 116).
3. Die ENTWICKLUNG VON IMAGE-KOMMUNIKATION IN DER WERBUNG |239
länger nicht mehr nur darauf beschränkt, Kunst zu zitieren oder zu imitieren, sondern
auch einen eigenständigen Formenschatz hervorgebracht hat — wie nicht zuletzt die Mo-
dulationen dieser Sprache in der Pop Art deutlich gemacht haben —, erfüllt die Werbung
eine Funktion, die mit ihrem spezifischen, symbolisch generalisierten Kommunikati-
onsmedium in Verbindung steht. Bei allen Vergleichbarkeiten und Intertextualitäten un-
terscheiden sich die (symbolisch generalisierten) Medien von Kunst und Werbung doch
erheblich: Die Werbung muß nie nur als reine Ästhetik gefallen, sondern sie muß eine
(Image-)Identität für den Auftraggeber der Werbung (dessen Objekte) generieren. Der
ästhetische Auftrag ist erheblich spezifiziert, indem er den Sinnhorizont zu dem das be-
worbene Objekt gehört, immer mitberücksichtigen muß.?** Selbst in den avanciertesten
Ästhetisierungen verschwindet die Bedeutung von Image-Kommunikation also keines-
wegs. Im Gegenteil! Je mehr die Werbung sich von einem offensichtlichen Werben für
und mit Objekte(n) entfernt, je mehr sie eine reine Ästhetik proklamiert, desto sicht-
barer wird ihre Funktion der Image-Erzeugung für die jeweiligen Objekte. »Gut< bzw.
»künstlerisch« gestaltete Werbungen implizieren Expertentum in Sachen Ästhetik, sie
demonstrieren Kreativität und Phantasie und adressieren im Rahmen unterschiedlicher
Formensprachen das ästhetische Urteilsvermögen unterschiedlicher Zielgruppen. Die
Autonomie der Gestaltung unterscheidet sich in allen Fällen von der Eigenwertigkeit
der Ästhetik im Kunstsystem, die funktional ganz auf die Lösung von Formproblemen
abgestellt 181.225 Wie anspruchsvoll die Werbegestaltung im Einzelnen sein mag — sie
bezieht ihre Ästhetik immer auch als (Positiv-)Wert auf das beworbene Objekt, das nicht
restlos in der Ästhetik aufgeht. Das wird gerade dann sichtbar, wenn das beworbene
Objekt in der Werbung nicht vorkommt. Indem die Werbung die Objektreferenz nur
noch über den Namen einführt, so als sei derselbe gleichsam funktional äquivalent zur
Signatur des Künstlers, kann sie den Glanz der reinen Ästhetik um so besser zur Geltung
bringen und als Image-Wert auf das beworbene Objekt transferieren. Es wäre daher
völlig falsch, in der Autonomisierung der Ästhetik ein allgemeines Charakteristikum
moderner Werbung zu sehen. Vielmehr ist sie eine Variante der Image-Logik, die die
Kommunikationen der Werbung leitet.
244 Neben der funktional spezifizierten Operationsweise und den dazugehörigen strukturel-
len Kopplungen kann man die höchst unterschiedlichen Formen der Selbstreflexion der
Kunst einerseits und der Werbung andererseits als Hinweis auf die Medienunterschiede
lesen. So liegt es durchaus in der (spätestens romantischen) Tradition der Kunst, die
historisch vorfindbaren Zeichen- und Symbolsysteme miteinander zu vergleichen und
die Reflexion auf Gestaltung selbst zum Bestandteil der Kunst zu machen (sei es als
schriftbasierter Diskurs, sei es als Bildkonzept der Malerei). Eine solche dezidiert ver-
gleichende Reflexivität fehlt hingegen im Bereich der Werbung. Symptomatisch hierfür
ist der Sachverhalt, daß das Verhältnis bzw. die Intertextualität von Kunst und Werbung
im System der Kunst (und nicht in der Werbung) reflektiert wird, wie u.a. themenorien-
tierte Kunstausstellungen wie »Arts meets Ads« verdeutlichen (vgl. Harten 1992).
245 Vgl. hierzu die Luhmann’schen Ausführungen zum Ornament als einem Medium der
Kunst (Luhmann 1995, 346-360).
240 | IMAGE. Zus GENEALOGIE EINES KoMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN
Musikwerke jeder Art
Grammophone, Polyphone, Automaten etc.
liefern wir in allen Grössen unter
i bequemsten Zahlungs-Bedingungen.
Unser Platten-Leih-Institut bietet unseren Kunden
ganz besondere Vorteile.
Bial & Freund in Breslau ll.
| ШЕП FABRIKAT EIBNIZ-
(Asian Wu IE KEKS
Sanısen
‘LEIBNIZ `
HANNOVER
HBAHLSENS
= > KEKS -FABRIK Аб.
R BUTTER-KEKS HANNOVER
Allein ausgezeichnet durch die
Kyl. Preuls.Staatsmedaille
nfeineren Detailgeschäften zuhaben
wo nicht direkt v.d Fabrik in Köln:
à 012.15 Mk, Y2 012.750 МК
DER BUTTER-KEKS
114: Eau de Cologne; BIZ 1899, 27
115: Bial; BIZ 1905, 1
116: Leibniz; BIZ 1926, 23
117: R 6; BIZ 1936, 14
3. Die ENTWICKLUNG VON IMAGE-KOMMUNIKATION IN DER WERBUNG | 241
Daß er schön ist, ist nicht das Schönste an diesem Wagen.
ДООР!
118: Hess; BIZ 1929, 36
119: VW; ST 1967, 23
120: Gucci; ST 1998, 8
121: Joop; Max 1999, 6
242 | IMAGE. Zus GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN
ui
Der
neue
PHILIPS
Scherkopf 120 mit Hautprofil
1000 Touren schneller
PHILIPS
TROCKENRASIERER
122: Compliment; ST 1965, 15
123: Falke; ST 1970, 35
124: Philips; ST 1957, 31
125: Bogner; Max 1999, 11
3. Die ENTWICKLUNG VON IMAGE-KOMMUNIKATION IN DER WERBUNG |243
3.4.4 Modernität
Im Kontrast zum Werbungstraditionalismus basiert der Image-Komplex Modernität
auf der Annahme, daß das Moderne das Neue ist und daß das Neue als das Gute gilt.
Dem Modernen muß man sich demzufolge laut Werbung — ähnlich wie der Mode
— anpassen. In einer Reklame für »Die Schreibmaschine für jedermann« heißt es:
»Richtig — man muß auf der Höhe bleiben! Nun haben Sie sich also eine Filia gekauft.
Sie sagten sich: wer mit der Zeit Schritt halten will, braucht eine Schreibmaschine.
[...] Wer sie schreibt, zeigt, daß er auf der Höhe ist« (Olympia, BIZ 1937, 18). Daß
Neuheit als ein Positivwert vorausgesetzt wird, der keiner weiteren Erläuterung be-
darf, bringt der nach wie vor gängige und sich selbst genügende Hinweis »Neu!«
prägnant zum Ausdruck.”* Bereits am Anfang des 20. Jahrhunderts ist das Moderne
eine sprachlich identifizierte Qualität. »Fortschritt« ist z.B. eine Vokabel, die mit Fort-
schreiten offenkundig Besserwerden verbindet (»Fortschritt-Schuhe«, BIZ 1909, 18;
vgl. Abb. 126-128). Vor allem die Reklame für technische Produkte setzt auf die Dra-
matisierung des Modernen - z.B. dann, wenn das Objekt unter Statusgesichtspunkten
als imagedefizitär wahrgenommen werden könnte: »Das DKW-Auto ist nicht etwa
ein Kleinwagen im schlechten Sinne des Wortes, sondern ein Automobil, gebaut nach
den modernsten Grundsätzen der Technik.« (DKW, BIZ 1928, 32)24" Wie der »Fort-
schritt« im allgemeinen gelten neue Technologien ebenso wie die (Natur-)Wissen-
schaft zunächst prinzipiell als geeignete Vermittler guter Image-Attribute (vgl. Abb.
136). Eine Reklame für ein Motoröl von 1936, die das Bild zweier Zeppelin-Modelle
mit dem Satz kommentiert: »Beide Веһеггѕсһег der Lüfte verwenden es ausschließ-
lich« (Veedol, BIZ 1936, 14; vgl. Abb. 137), entspricht insofern — sieht man von den
patriotischen Konnotationen des Textes ab — ganz den gegenwärtigen Kampagnen für
dieses und vergleichbare Produkte, die z.B. mit Bildern von Formel-1-Rennwagen
beworben werden.
Das entscheidende Indiz der Ausarbeitung von Modernität zu einem Image-
Komplex ist eine Form der Neuheit, die als Neuheit der Gestaltung auf sich auf-
merksam macht. Modern ist dann das, was modern (neu) aussieht, wobei die Zei-
chenhaftigkeit auf den Wert des Modernen spezifisch eingestellt ist. Stilbildend und
246 Der Hinweis »Alt!« ist hingegen nirgendwo zu finden. Daß sich der Werbungstradi-
tionalismus nicht auf eine solche Kurzformel bringen läßt, liegt vermutlich auch dar-
an, daß die faktische Abgeschlossenheit der Vergangenheit eine stärkere Selektion des
Guten im Vergangenen erforderlich macht, während das Neue in die offene Zukunft
hineinragt, also noch keiner Bewertung unterzogen werden konnte.
247 Bis in die jüngere und jüngste Vergangenheit werden Eigenschaften wie Intelligenz
und Innovationsgeist in Kombination mit der Darstellung von High-Tech als Image-
Attribute von Kleinwagen modelliert — so z.B. in einer Werbung für den »Austin«
(»Die neue Formel: großartig КІеіп«, Austin, ST 1970, 38) oder in Kampagnen für den
»V W-Lupo« (»Man muß nicht groß sein um groß zu sein«, VW, ST 2001, 43).
244 | IMAGE. ZUR GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN
typisch für die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts ist dabei vor allem die Ausge-
staltung von Modernität im Sinne von Rationalität und Funktionalität. Diese Tie-
fenwerte werden durch eine klare, aufs Wesentliche reduzierte Bildsprache zum
Ausdruck gebracht, die oftmals mit der Einfachheit der Erscheinungsform, d.h. der
sichtbar gemachten Funktionsorientierung der beworbenen Objekte korrespondiert.
Die Karriere solcher Images beginnt in den 1920er Jahren im Anschluß an die Neue
Sachlichkeit, deren Design als eine Art Ethik gegen die ornamentale Warenästhetik
und den schönen Schein des 19. Jahrhunderts in Anschlag gebracht wird. Mit den
Worten von Norbert Bolz auf eine Formel gebracht: »Dasselbe seien Schein und
Sein — das ist das Ideal der Sachlichkeit: ästhetische Sichselbstgleichheit.« (Bolz
1989, 220)248 Zur Anwendung kommt diese Philosophie: z.B. in Bezug auf neuere
Produkte der industriellen Produktion, die das Leben erleichtern oder neuartige Ge-
nußerlebnisse verschaffen sollen. Praktikabilität (»praktisch«) und niedrige Preise
lassen die Güter zudem als rationale Wahl erscheinen. Daß und inwiefern die Sach-
lichkeit der Gestaltungen einer unterstellten (Konsum-)Rationalität des Rezipienten
zuarbeitet, verdeutlicht folgendes Beispiel: Unter der Überschrift »Die Stahlküche«
wird ein Stahlschrank gezeigt, dessen Design an funktionale Büro- oder Archivmö-
bel erinnert, wobei die geöffneten Türen den Blick auf einen wohlgeordneten Innen-
raum freigeben. Der Text unterstreicht den Bildsinn: »Die Stahlküche entspricht den
neuzeitlichen Bestrebungen, ist ganz auf den bequemen Arbeitsgang der Hausfrau
eingestellt. Unverwüstliche Lackierung, größte Stabilität bei billigstem Preis. Neu-
artige, gesch. Lebensmittelbehälter, staubdicht gearbeitet, praktischer als die bisher
gebräuchlichen.« (Beratungsstelle für Stahlverwendung, BIZ 1929, 36; vgl. Abb.
129) Auffällig ist bei den früheren Ausarbeitungen dieses Image-Komplexes die
Positivbewertung der modernen Massenproduktion, die sich z.B. in Hinweisen auf
die Produktion größerer Stückzahlen zu erkennen gibt 237 Numerische Superlative
kommen hier noch als Demonstration von Größe im übertragenen Sinne zum Ein-
satz, während der Aspekt der Massenhaftigkeit in späteren Werbungen eher kuvriert
wird, und zwar vermutlich deshalb, weil durch ihn die (Image-)Ansprüche in Rich-
tung Exklusivität und Individualität blockiert werden.
Obwohl ein Verständnis von (Design-)Modernität als Sachlichkeit, Rationalität
und praktische Funktionalität lange dominiert (vgl. Abb. 129-133) und bis heute in
der Werbung vorkommt, spielt diese Variante seit den 1960er Jahren eine geringere
Rolle. Gewöhnlich werden vielmehr Bilder, die den ästhetischen Funktionalismus mit
248 Daß und inwiefern dies ein paradoxes Unterfangen ist, »sofern Sachlichkeit abstrakte
Rationalität und formale Aufrichtigkeit als Selbstzweck propagiert und sie (die Sach-
lichkeit) selbst unmittelbar zum Ornamentersatz« wird, ist in Darstellung zeitgenössi-
scher Diskurse (Loos, Benjamin, Jünger u.a.) näher nachzulesen bei Bolz 1989.
249 »Jährliche Produktion 186 Millionen« (Matrapas, BIZ 1902, 40); »Größte Uhrenfabrik
der Welt. Tägliche Produktion 15000 Uhren« (Junghans, BIZ 1915, 27), »Ca. 130 eige-
ne Verkaufsstellen, 4000 Arbeiter und Beamte« (Schuhgeschäft Tack, BIZ 1929, 36).
3. Die ENTWICKLUNG VON IMAGE-KOMMUNIKATION IN DER WERBUNG |245
einer guten (Bild-JÄsthetik (vgl. Abb. 134 u. 135) und mit einem spezifischen Ge-
schmack gut situierter Bürger assoziieren. Prototypische Inszenierungen schließen an
bestimmte Formkonzepte des Bauhauses aus den Bereichen Architektur und (Objekt-)
Design an, die deutlich erkennbar als Hochkultur und als Element des Lebensstils fei-
ner Leute inszeniert werden (vgl. Abb. 83 u. 86). Die jeweiligen Images kombinieren
also Eindrücke eines schichtorientierten hohen Status mit einer sichtbaren Orientie-
rung an der klassischen Moderne. Der symbolische Funktionalismus bringt hier we-
niger die Praktikabilität von Gebrauchsgegenständen als vielmehr eine umfassende,
modernistische Lebens- wie Design-Philosophie zum Ausdruck. O’Sullivans Credo
»form follows function« kommentiert entsprechend immer wieder die in den Bildern
zur Schau gestellte Eigentlichkeit der Objekte und damit zugleich die am Substantiel-
len orientierte Mentalität feiner Leute, die als Image ausgestaltet werden soll.
Eine andere, recht früh zu beobachtende Variante dieses Image-Komplexes bilden
Inszenierungen, die das Moderne als das international Etablierte erscheinen lassen
(vgl. Abb. 138 u. 139). Zum einen soll die internationale Verbreitung von Produkten
als Gütesigel der besonderen Art fungieren: Weil das Produkt gut ist, so die Unterstel-
lung oder das explizite Argument, ist es in aller Welt verbreitet.?5? Zum anderen geht
es um die Verbildlichung von Internationalität im Sinne einer Staats- und Kulturgren-
zen transzendierenden Weltkultur, die als solche die moderne Moderne repräsentiert.
So feiert sich eine Firma 1951 als Motor globaler Motorisierung und Dynamisierung,
indem sie mit einer gezeichneten Weltkugel und dem Photo eines staunenden Män-
nerpublikums an den o Automobil Salon in Paris 1902« und die dort vorgestellte »Pi-
oniertat der Boschzündung« erinnert (Bosch, ST 1951, 5). Nicht zuletzt ist Modernität
ein Fokus im Bereich der seit den 1970er Jahren expandierenden Images, die, vor-
zugsweise in der Zigarettenreklame (man denke nur an die Werbungen für die Marke
Steywesant, die hier vermutlich eine Vorreiterrolle übernimmt), junge Kosmopoli-
ten zeigen, die auf allen Bühnen der Welt erfolgreich zu Hause sind. Erfolg basiert
hier nicht auf einer stratifizierten Statushierarchie, sondern auf einem globalen »way
of life«, der verschiedene Barrieren sozialer Ungleichheit überwindet und den part-
nerschaftlichen Dialog der Kulturen und Ethnien als Selbstverständlichkeit vorführt.
Dieses Weltbürgertum steht also in einem ganz anderen Image-Zusammenhang als die
erwähnten Oberschichtskosmopoliten.
Weiterhin ist erkennbar, daß die Reflexivität der Moderne seit den 1960er Jahren
verstärkt zu einem Bezugsrahmen der Herstellung von Modernität als Image-Wert
wird. Die vielfach gerühmten Kampagnen der 1960er und 1970er Jahre für die Marke
Volkswagen exemplifizieren dies über eine subtile (Selbst-)Ironie der Texte und eine
250 Hinweise auf die (hohe) Stellung im internationalen Wettbewerb übernehmen eine ent-
sprechende Rolle: »Im internationalen Wettbewerb wurde die Serie 1952-53 der Metz-
Rundfunkgeräte mit der Goldmedaille der Foire de Luxembourg für Form, Klang und
Leistung ausgezeichnet. Das ist das sichtbare Zeichen eines ungewöhnlichen Erfol-
ges.« (Metz, ST 1953, 9)
246 | IMAGE. ZUR GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN
dazugehörige funktionalistische (schlichte) Gestaltung, die die Marke als Avantgarde
markieren sollen (vgl. Abb. 140 u. 141).25! Eine wichtige Entwicklung in diesem
Kontext besteht darin, daß die Reflexion auf Modernsierungsprobleme als Ausdruck
guter Modernität gedeutet wird. Kardinalthemen derartiger Reflexionen sind Umwelt-
schutz und Gesundheit. Innovative Technik wird z.B. als Komponente einer guten
Moderne stilisiert, die es gegen die Option einer schlechten Moderne auszubauen gilt,
und gerade diese reflexive Thematisierung des Modernen wird als modern stilisiert.
EE
— IN
ModerneWellung
ohnasrinnen
ohno Wickeln
insMin. cas
rant. große
ıaltbare,vor-
nehm wirk,
Ondulat'on,
3. derzeitbei
ofen, Haar
sowie be: tertig, Frisur anwendbar
durch verdess. „‚Stab’s S Ibstondu-
и ©, отр. M, 5.—, Eriolg каг.
Stab’s Rstormhaus, Dresdun-K.otzsche3
d
126: Fortschritt Schuhe; BIZ 1914, 23
127: Stab’s Reformhaus; BIZ 1919, 44
251 »Ist Ihr Wagen so modern wie dieser? [...] Sie haben einen solchen Wagen? Dann ist er
sinnvoll, praktisch, vernünftig. Und bestimmt ein Volkswagen.« (VW, ST 1964, 10; vgl.
Abb. 140)
3. Die ENTWICKLUNG VON IMAGE-KOMMUNIKATION IN DER WERBUNG | 247
Die Stahlküc
entspricht den forde neuzeitlicher Bestrebungen
1$'
дап? a еп bequemen Arbeitsgang
sfr
der Hou Й u eingestellt, ` (ms
ander Spitze { bäi ihe Lackierung größte Stabilität
daer
в
sth Lebensmittelbehälter
beitet praktischer als die
Khlichen!
: atungsstelle für Stahlverwendung, Düsseldorf -Stat
Schuhfabrik &duard Hammer А-6. Dresdena t0 | de
Neuer Fortschritt:
Semiautomatic
128: Hammer; BIZ 1926, 23
129: Beratung für Stahlverwendung; BIZ 1929, 36
130: Nivea; ST 1950, 1
131: Scharpf; ST 1958, 36
248 | IMAGE. ZUR GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN
Transita automatic |
Der „Große” unter den Tranaistorkoftern
für Auto, Reise und Heim
© Modern und egen in де Form
@ Cana gest л und King
© UKW- pute „immer em Implung
тиа Bereet VER млн und Lange
TE EEN
zc Transita automatic - ein Gerät mit allem
Wünschen
= Komtort, ganz nach Ihren
жеу See
leben mit LURAN
132: Nordmende; ST 1964, 10
133: Olympia; ST 1959, 40
134: Progress; ST 1960, 45
135: Luran; ST 1963, 6
3. Die ENTWICKLUNG VON IMAGE-KOMMUNIKATION IN DER WERBUNG |249
PALMOLIVE-RASIERSEIER,
mit ihr gemeinsgm hat.
Die Wissenschaft
EE be
Gite ` reien КА ы
ieselmotoren
HER DER LÜFTE
VERWENDEN ES AUSSCHLIESSLICH ==
Fordern Sie bei Ihrem Heindier nur "9
—
Mehr ils
Millionen
SP Bir Radio-Londen Europas Vun
s auch pin Fiel А
TELEFUNKEN 40
Europa-Empfang mit
STATIONSWÄHLER
NICHT mehr SUCHEN
NUR noch EINSTELLEN
LEFUN КЕ EN
K te ndan Euu.
DACAPO DM 287.
ALLEGRO DM333-
FORTISSIMO DM475.-
PEA HESE NIE. WwW L TOM A R К. B
136: Palmolive; BIZ 1935, 10
137: Veedol; BIZ 1936, 14
138: Telefunken; BIZ 1929, 36
139: Telefunken; ST 1953, 9
250 | IMAGE. Zur GENEALOGIE EINES KoMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN
An die wenigen, die den VW nie gefahren haben
lund die vielen, die nicht genau wissen, worum er gut ist)
Ist Ihr Wagen so modern wie dieser?
"түтүгү
140: VW; ST 1963, 6
141: VW; ST 1964, 10
3. Die ENTWICKLUNG VON IMAGE-KOMMUNIKATION IN DER WERBUNG | 251
3.4.5 Tradition
Das Programm Tradition instrumentiert positive Einschätzungen des Vergangenen.
Wie in anderen Themenbereichen führt am Beginn der Entwicklung die schriftliche
Mitteilung den Positivwert ein: »Schon die Großmutter kannte die Vorzüge von Ne-
grin« (vgl. Abb. 142). Die späteren Inszenierungen geben dann zu erkennen, daß die
Qualität der Tradition in einer Selektionslogik gründet, die nur bestimmte, für gut ge-
haltene Aspekte der Vergangenheit tradiert. Diese also selektierte gute alte Zeit wird
in traditionalistischen Images entworfen. Das gute alte Brauchtum, gute alte Sitten,
traditionelle Formen der Geselligkeit oder ursprünglichere und daher bessere Lebens-
formen sind z.B. Themen solcher Inszenierungen (vgl. Abb. 144-147, 150, 151). Auch
die Güte klassischer Hochkultur kann — in Anlehnung an den skizzierten Statuskom-
plex — zum Bezugsrahmen der Programmierung von Tradition werden. Eine Reklame,
die das Photo eines berühmten historischen Kunstwerks dem des beworbenen Radios
gegenüberstellt, ist ein frühes Beispiel einer später üblich werdenden Traditionalisie-
rungsmethode: »Handwerkliche Feinarbeit schuf den Kulturwert der Aachener Kai-
serschätze. Der Aachen-Super setzt diese Tradition fort.« (Philips, BIZ 1935, 10; vgl.
Abb. 148)
Die symbolische Generalisierung der Image-Kommunikation bedient sich hier
wie in anderen Fällen semantisch imprägnierter Sichtbarkeiten: Möbel voraus lie-
gender Epochen, historische Bauwerke, traditionsreiche Kulturlandschaften oder
Vorführungen alten Handwerks bestimmen typischerweise das Bild. Nicht selten
wird eine altertümliche Lebensführung entworfen, indem die verschiedensten Zei-
chen und Symbole gleichermaßen auf gute: Traditionen hinweisen. So führt ein
Spot der jüngeren Werbung filmisch vor, was in älteren Werbungen noch mittels
einzelner Bilder gezeigt werden muß, nämlich Szenen eines idyllisch-vorindustri-
ellen (Land-)Lebens (Pferdegespann, historischer Bauernhof), geprägt von der har-
monischen Gemeinschaft der bäuerlichen Großfamilie und der »natürlichen« Land-
wirtschaft.
Obwohl Alter(n) in der Werbung nicht selten als Stigma thematisiert wird, 2°?
fungieren alte Menschen im Rahmen traditionalistischer Inszenierungen als wich-
tige Image-Träger (vgl. Abb. 143-147). Sie symbolisieren qua korporaler Zeichen-
haftigkeit das Potential des Erinnerns der Vergangenheit und werden in diesem
Sinne als Repräsentanten und sichtbare Beweise immer noch lebendiger Traditi-
onen eingesetzt, als aktive Reproduzenten des guten Brauchtums, der guten alten
Sitten und des guten alten Handwerks. Gerade in Bezug auf die Herstellung und
den Konsum von Nahrungsmitteln verkörpern die Alten die Kontinuität der guten
252 Dies gilt um so mehr, als Alter(n) als Thema auch dann eingeschlossen sein kann,
wenn es auf der Bildebene systematisch ausgeschlossen wird — so z.B. in den Jugend-
lichkeitsdramatisierungen der Kosmetikreklame, vgl. dazu ausführlich Willems/Kautt
2003, 266-276.
252 | IMAGE. ZUR GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN
alten Zeit. So gibt sich eine Oma im Kreise ihrer Lieben als treue Konsumentin zu
erkennen, wobei das gute Altern mit dem stabilen Qualitätsniveau des beworbe-
nen Produktes in Verbindung gebracht wird: »Die ersten von vielen, vielen Jaffa-
Orangen habe ich gegessen, als ich noch so klein war wie meine Enkelchen... und
die sollen doch auch mal so jung und frisch bleiben wie ich« (Jaffa, ST 1982, 17).
Eigenschaften wie Ruhe, Besonnenheit und Muße scheinen sich zudem am Kör-
perbild alter Menschen besonders gut symbolisch verankern zu lassen. Während
Photos Ruhe durch eine besondere Statik der stillen Bilder zum Ausdruck bringen
sollen, wird die Botschaft filmisch durch eine Dramaturgie der Langsamkeit un-
terstrichen, die in Slow-Motion-Bildern die reduzierten und ruhigen Bewegungen
alter Menschen (z.B. von Käse- oder Kellermeistern) betont. Deutlich wird so,
daß zu der »Güte« alter Zeiten eine Bedächtigkeit des Erlebens und Handelns ge-
hört, die in der hektischen Gegenwartskultur zu Verschwinden droht (vgl. Abb.
145-147). Überhaupt nimmt die Werbung mit traditionalistischen Images implizit
eine Kritik in sich auf, die die moderne Gesellschaft als überzivilisiert, unnatür-
lich, krank und entfremdet beschreibt (vgl. Abb. 152 u. 153). Sie stellt sich damit
Ablehnungen entgegen, denen potentiell solche Images ausgesetzt sind, die mit
Modernität als Zentralwert operieren. Im Unterschied zu Entwürfen einer refle-
xiven, (selbst-)kritischen modernen Moderne malt sie hier jedoch nicht eine op-
timierbare zukünftige Gegenwart, sondern Bilder der guten Vergangenheit aus.
Hergestellt wird eine Opposition gegen Neuheitsbeschwörungen anderer Images
in der Annahme, daß in einer sehr dynamischen Umwelt — nicht zuletzt einer Zeit
sich permanent wandelnder Produkte, Designs und Moden — das Konservieren des
Altbekannten als Positivwert durchgesetzt werden kann: »In unserer wechselvol-
len Zeit wieder zu sich selber finden«, formuliert ein Anzeigentext programma-
tisch (Bols, ST 1965, 15; vgl. Abb. 150).253
253 Die von Luhmann sogenannte »Vereinnahmung des Gegenmotivs« (Luhmann 1996)
scheint gerade bei dieser Image-Ressource eine wichtige Rolle zu spielen — denn fak-
tisch sind die beworbenen Objekte keineswegs durch die inszenierten Image-Aspekte
gekennzeichnet. So werden z.B. industriell hergestellte Fertiggerichte schon seit lan-
gem mit Bildern einer traditionellen Ernährungs- und Kochkultur assoziiert (Gemüse
und Kräuter aus dem eigenen Garten, Eier vom Bauern, eine manuelle und liebevolle
Zubereitung der Speisen usw.).
3. Die ENTWICKLUNG VON IMAGE-KOMMUNIKATION IN DER WERBUNG |253
Schon die Großmutter №2015 schmackhaft
2
-
se. wf
erfannte Me Vorzüge von
Dr. Geniner's Del sageicberpuh
N 1 g .
Tieffhwarzser Glans. Nicht abfärbend. Alfeiniaer
Serileller: Karl Сепіпег, Of pinaen(Würtiin.)
e \ ЭЩ
MenschenunsererZeit
sind ständig der Unrast ausgesetzt:
nervöse Beschwerden von Herz und
Magen - sowie schlechter Schlaf - sind
häufige Folgen. Wie wohl tt da der
echte Klosterfrau Melissengeist: durch
seine ausgleichende, beruhigende Wir-
kung auf das vegetative Nervensystem
ist er wie geschaffen für die gehetztem,
stropazierten Menschen umserer Zeit!
=
м
ШТ
Sogut” во mild” во reit ЖШ шшш ШЙ
Klolterfrau
fengeift
weii?
142: Nigrin; BIZ 1919, 44
143: Libby’s; ST 1958, 36
144: Klosterfrau; ST 1959, 40
145: Chantre; ST 1960, 45
254 | IMAGE. ZUR GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN
146: Gallo; ST 2000, 9
147: 12 Ouzo; ST 2002, 13
148: Philips; BIZ 1935, 10
149: Scharlachberg; ST 1951, 5
3. De ENTWICKLUNG VON IMAGE- KOMMUNIKATION IN DER WERBUNG
| 255
Ist die
Isolierung
auch nur an
einer Stelle
schadhaft,
50...
med da Lamung реа, und dan genee “андаа. рои а чече En pihon Wundenseh
ener im unserem Кёре. As һә диын gohan unge Сенди. Leer
Ма. = Alben өөө бш die Soch венд kregen. ФЙ der
e rte de ии „Nerven чч Dohi” haben und onen Topes Si imanmenbechen
Man har sid Дода über de Менада einen ago sinden Am нандан bendha
mar sh vor Schaden, mern man men den beren und wg зондо Kal Hat van
Sicherheit zuerst, darum Kaffee Hag!
150: Bols; ST 1965, 15
151: Asbach Uralt; ST 1961, 49
152: Kaffee Hag; BIZ 1930, 40
153: Dr. Buers Lecithin; BIZ 1937, 18
Das Hasten und Treiben des heut емдеп lebens,
Aigen die Beruf und Sport mit sich bringen, SE
größere Anlorderungen an unsere Nerven. Das bedeutet Ver-
brauch der Nervengrundsubstanz LZ, Es ist daher ein
Gebot der Vernunft, für starke Nerven durch reichliche Ernährung
zu Пее, Pr Sie bei Nervenschwäche,
bs Suen Kopi- Horz-u.Magenschmerzen,
подо ре ке VW allen nervösen Beschwerden
Dr. Buer’s Reinlecithin
256 | IMAGE. ZUR GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN
3.4.6 Jugendlichkeit
Schon Friedrich Tenbruck (1965) hielt die Inszenierungen der Werbung neben ande-
ren Manifestationen der (Alltags-)Kultur für eine Bestätigung der Diagnose, daß Ju-
gendlichkeit zu einem zentralen Leitwert der Gesellschaft des 20. Jahrhunderts avan-
ciert.”°* Nach wie vor bezeugen nicht wenige Werbebilder, daß die viel beschworene
Rede von einem Jugendkult der Werbung durchaus berechtigt ist.?°° Das gilt zumin-
dest dann, wenn man unter Jugendlichkeit weniger Eigenschaften einer bestimmten
Altersphase als einen allgemeinen Positivwert bzw. ein Ideal versteht, an dem sich
alle Altersphasen und -identitäten (jenseits der Kindheit) orientieren (kënnen) 279 Ju-
gendlichkeit in diesem allgemeinen Sinne, der sich im wesentlichen über (Körper-)
Attribute wie Flexibilität, Dynamik, Glätte, Straffheit oder Spontaneität auszeich-
net, ist im folgenden als ein Kriterienkomplex zur Orientierung der Unterscheidung
Imagepositiv/Imagenegativ gemeint. Hiervon zu unterscheiden wäre Jugendlichkeit
als ein Spektrum von Identitätswerten, über das Jugendliche als Individuen einer
254 Die Entwicklung des gesellschaftlichen Jugendlichkeitskomplexes, auf den die Wer-
bung referiert, hat mit grundlegenden sozialstrukturellen und kulturellen (Trans-)For-
mationen zu tun, die zunächst unter dem Generaltitel Modernisierung gefaßt werden
können. Nicht zuletzt ist dabei an die Auflösung traditionaler Semantiken und sozialer
Verankerungen zu denken. Vor allem der Verlust der religiösen Sinngebung spielt in
diesem Zusammenhang sicher eine zentrale Rolle (vgl. Hahn 1974). Nach ihm bleibt
eigentlich nur diesseitige »Transzendenz«< bzw. Selbstverwirklichung und mit dem ver-
schärften Bewußtsein knapper Lebenszeit das eigene (Erlebnis-)Leben und (d.h.) der
eigene Körper, von dem gewünscht werden muß, er möge für immer jung bleiben. In
der jüngeren Vergangenheit (den letzten Jahrzehnten) hat sich dieser Wunsch und der
Jugendlichkeitskomplex überhaupt offenbar noch verstärkt und sowohl sozial als auch
lebensperspektivisch generalisiert.
255 Zu einer inhaltsanalytischen Untersuchung zum »Werbeelement Jugendlichkeit«, die
sich auf Anzeigen des Stern (1966-1996) bezieht und weniger eine Zunahme als ein
»kontinuierliches Auf und Ab« der verschiedenen Jugendlichkeitssemantiken im Be-
obachtungszeitraum konstatiert, vgl. Kochhan 1999, insbesondere 155 f.
256 Hölscher spricht in Bezug auf die Gegenwartsgesellschaft von dem »sozialwelttypisch
vorherrschenden, alltagsästhetischen Empfinden, jugendliche Attribute als »attraktiv<,
»schön«, »erstrebenswert« zu beurteilen« (Hölscher 1998, 290). In ähnlicher Weise äu-
Bert sich Ferchhoff, wenn er Jugendlichkeit als »kulturelles Placebo für alle Alters-
gruppen« bezeichnet, dessen sich weite Kreise der Bevölkerung gewohnheitsmäßig
bedienen: »Die von vielen hoch geschätzte Jugendlichkeit, der von anderen wieder-
um beklagte Jugendlichkeitswahn ist inzwischen keine Frage des Alters mehr, sondern
schon eher eine Lebenshaltung, ein Habitus, wie er zumeist medial und jugendkulturell
ausbuchstabiert und allmählich, die Grenzen der Altersklassen aufweichend, auch von
den älteren Generationen übernommen wird« (Ferchhoff 2002, 385 f.). Zu einem Kom-
pendium gegenwartskultureller Jugendlichkeitsvorstellungen vgl. Bellebaum 2006.
3. Die ENTWICKLUNG VON IMAGE-KOMMUNIKATION IN DER WERBUNG | 257
Altersphase zwischen Kindheit und Erwachsenenalter charakterisiert werden.”°’ Es
geht dann nicht um die Bebilderung des allgemeinen Jugendlichkeitsideals, sondern
um die Illustration von Eigenschaften, mit denen angehende Erwachsene identifiziert
werden (wollen), so z.B. Authentizität und Coolness.?>8
Wie aber entwickelt sich nun das allgemeine Ideal des Juvenilen zu einer Image-
Ressource? Zunächst ist deutlich, daß bereits die Werbung um 1900 Jugendlichkeit
als einen etablierten Positivwert voraussetzen kann, der sich auch und gerade auf be-
stimmte Körpereigenschaften bezieht. Jedenfalls lassen die Anzeigen keinen Zweifel
daran, daß die Beweggründe für das Jugendliche selbst nicht begründet werden müs-
sen. Bemerkenswert ist vielmehr die Schärfe, mit der Jugendlichkeit als Körperwert
bereits am Anfang des 20. Jahrhunderts – und nicht etwa erst an dessen Ende, wie des
öfteren vermutet — als soziales Kapital konturiert wird. In einer Anzeige von 1906
heißt es zur Zeichnung eines lächelnden Männermundes schon ganz im Sinne der
Bourdieu’schen (Wirtschafts-)Kapital-Metaphorik und den dazugehörigen Kapital-
Transfer-Vorstellungen: »Die Zähne sind gleichsam die Firma unserer Persönlichkeit.
Eine Reihe blendender Zähne ist der beste Empfehlungsbrief, die wirksamste Rekla-
me der Individualität, die uns Vertrauen schafft und gesellschaftlichen Kredit. Dabei
beruht das ganze Geschäftsgeheimnis nur in zwei großen Kleinigkeiten — sie heißen
Zahnbürste und »Odol<!« (BIZ 1906, 5)25° Bemerkenswert ist weiterhin die Stabilität
derjenigen Elemente, die sich im Längsschnitt als unverzichtbare Komponenten des
jugendlichen Perfektkörpers zu erkennen geben. Hierzu gehören dichtes, gepflegtes
257 Jon Savage (2007, XV) stellt fest, daß das Marketing in den USA mit der Erfindung
des Begriffs »Teenager« im Jahre 1944 zunehmend sichtbar werdenden Konturen einer
Jugendkultur Rechnung trug und zugleich die Zielgruppe der Adoleszierenden erst-
mals als eine Subkultur mit eigenen Ritualen, Rechten und Bedürfnissen ansprach.
In der deutschen Printwerbung setzt diese Entwicklung etwas verzögert ein. Zu einer
Vorgeschichte des (Nachkriegs-)»Teenagers« entlang einer detaillierten Beschreibung
ausgewählter Jugend(sub)kulturen ab 1875 vgl. Savage 2007.
258 Diese Jugendlichkeit müßte in einer Analyse, die stärker als vorliegende auf eine voll-
ständige Typologie bestehender Imagekomplexe abzielt, als eine eigene Programm-
ressource gefaßt werden. Zu einigen Stilisierungsformen des Jugendlichen in diesem
Themenbereich vgl. Willlems/Kautt 2003, 198-216.
259 Auch folgendes Beispiel verdeutlicht die Prägnanz des Jugendkults: »Im Kampf um
das Dasein, um das Glück ist Schönheit, ist jugendlich gepflegtes Aussehen ein sicheres
Mittel, um vorwärts zu kommen. Wer will demnach einen Menschen verurteilen, wenn
er eine wirklich vernünftige Schönheitspflege betreibt? Nur Unbesonnene können hier
von Eitelkeit sprechen [...]. Jungbleiben, sein Äußeres pflegen, dem Alter vorbeugen
und vorhandene Fehler beseitigen, ist das Bestreben jedes Einzelnen, der im Leben
erfolgreich sein und bleiben will.« (Marylan, BIZ 1937, 18)
258 | IMAGE. ZUR GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN
Нааг,260 makellose und gebräunte”®! Haut, gepflegte Nägel, gute: (schlanke)? Figur,
weiße Zähne? sowie ein »frischer« Erhaltungszustand geschlechtsspezifischer Kör-
permerkmale (straffe Brüste?6* bei den Frauen, Muskeln bei den Männern). Während
der Körper demnach als Ausdrucksmedium des Jugendlichen fungiert, ist Jugendlich-
keit zugleich die Konstruktionsbasis des Körperschönen und damit das wichtigste
Attribut im Themenbereich der Erotik. Die Thematisierung von Körperschönheit und
gutem, jugendlichen Aussehen in Bezug auf Männer ist dabei keineswegs eine Trend-
wende der 1980er Jahre, die z.B. Soltau (1987) mit Formulierungen wie »Feminisie-
rung« und »Ästhetisierung« des Mannes faßt (vgl. Abb. 165). Bereits in den 1910er
Jahren werden Produkte wie der »Nasenformer Zello« (»für alle Nasenfehler geeig-
260 Schon in den 1930er Jahren unterstreicht eine Slice-of-Life-Konstruktion die Relevanz
dieser Körperlichkeit: »In den Pausen, wenn es im Kino hell wird, blicken unzählige
Menschen von allen Seiten auf Ihr Haar – Unbekannte und vielleicht auch Bekannte.
Sorgen Sie dafür, daß Ihr Haar auch im Kino tadellos gewaschen aussieht.« (Elida, BIZ
1930, 40)
261 Derbis in die 1920er Jahre hinein vorzufindende Leitwert weißer Haut (»Schöne weis-
se Hände zu haben, samten wie Pfirsich, welche Frau hätte diesen Wunsch nicht?«;
Scherk Cold Cream, BIZ 1920, 49) verschwindet in den 1930er Jahren. 1937 findet
sich die erste Werbung für eine Bräunungscreme, in der Bräune dann schon als gesell-
schaftsweites Ideal behauptet wird: »Ein schönes, frisches und gebräuntes Aussehen
wünschen sich nicht nur die Damen, sondern auch die Herren. Aber wenn man genü-
gend Zeit hat, sich in die Sonne zu legen, dann scheint sie gerade nicht, und wenn sie
scheint, dann hat man wieder keine Zeit.« Mit dem entsprechenden Produkt gilt: »Sie
sparen Zeit und sehen trotzdem gut aus.« (Kukirol, BIZ 1937, 18)
262 Die bis in die 1930er Jahre vorkommenden Werbungen, die eine gewisse Körperfülle
als ästhetisches Ideal propagieren, sind weniger als Hinweis auf das (Noch-)Vorhan-
densein eines anderen Schönheitsideals, denn als Hinweis auf ein unzureichendes Nah-
rungsangebot und eine dadurch verursachte Magerkeit zu lesen. Entsprechend werben
Darstellungen schlanker (und nicht fülliger) Frauen für diese Produkte, die der Pro-
blemlage entsprechend als »Nahrungsergänzung« beworben werden. »Magerkeit ist
das größte Hindernis der Schönheit« heißt es in einer Anzeige für einen Nährstoff-
Nektar, der verspricht, eine »üppige, fesche Figur« zu erreichen (Ambrosia, BIZ 1901,
35). Zur Kontinuität der schlanken Körpersilhouette als Schönheitsideal der Werbung
1850-1950 vgl. Thoms 1995.
263 Texte wie folgende sind keine Seltenheit, sondern gehören schon in der ersten Hälfte
des 20. Jahrhunderts zum Kanon: »zum Bleichen missfarbener Zähne« (Chlorodont,
BIZ 1919, 44), »Biox-Ultra macht die Zähne blendend weiß« (Biox, BIZ 1929, 1537);
»Klar-Zahnpasta ist antiseptisch, zahnsteinlösend, erfrischend, und vor allem: Sie ver-
leiht bei regelmäßigem Gebrauch den Zähnen jenen unvergleichlichen perlenweißen
Schimmer, der Menschen so anziehend für ihre Umgebung macht.« (Donto-Klar, BIZ
1937, 644)
264 »Formschöne Figur. Ideale straffe Brüste auch bei starker Erschlaffung oder spärl. Ent-
wicklung« (Hygiena Institut, BIZ 1937, 18).
3. Die ENTWICKLUNG VON IMAGE-KOMMUNIKATION IN DER WERBUNG |259
net«; Zello, BIZ 1915, 27) oder auch ein »Nasenbad« gegen »unschöne rote Nasen«
mit Darstellungen von Männern für Männer empfohlen (Laboratorium Eta, BIZ 1919,
44, vgl. Abb. 164).265 Überhaupt wird Jugendlichkeit – und nicht etwa »Reife« —
schon in den ersten Jahrzehnten des Untersuchungszeitraums als wichtige Eigenschaft
männlicher Schönheit stilisiert: »Das Geheimnis des eleganten Sportsmannes, des-
sen jugendliches glattes Gesicht stets auffällt, liegt in seinem Allegro-Klingenschleif-
apparat« (BIZ 1928, 32).?60 Selbst männliche Eitelkeit ist früh Thema. Eine Werbung
von 1926 zeigt einen Mann vor dem Frisierspiegel mit Haarbürste und Parfumfla-
kon, offenkundig einem im Hintergrund positionierten Geschlechtsgenossen ratend:
»Mein glänzendes Seidenhaar? Danke ich mir selbst!« (4711 Portugal, BIZ 1926, 23;
vgl. Abb. 162 u. 163)?67 Sichtbare Körperlichkeiten wie graue Haare und Glatze, ab-
stehende Ohren oder krumme Nasen werden gerade am Beginn des 20. Jahrhunderts
offensiv als Stigmata dargestellt, die dem Leitbild des jugendlich-vitalen Körpers ent-
gegenstehen. Selbst die Bereitschaft, den Körper operativ zu optimieren, treibt bereits
am Beginn des 20. Jahrhunderts seine Blüten. Beispiele wie die genannten bestärken
die Vermutung, daß die Werbung in Sachen Jugendlichkeit (wie in anderen Zusam-
menhängen) weniger Erfinderin, wohl aber eine Instanz der Verbreitung, Unterstüt-
zung, Steigerung und Transformation eines Wert- und Symbolgefüges ist. Zu diesem
Gefüge gehört traditionell, daß der Positivwert Jugendlichkeit dem Negativwert Alter
gegenübergestellt wird bzw. diese Werte aneinander ihre Form gewinnen. Folgt man
Göckenjahn, reicht die Alt-Jung-Polarisierung bis in die Antike zurück, erfährt dann
aber als ein Bezugsrahmen der Beschreibung von Alter(n) in den letzten Jahrhunder-
ten eine Zuspitzung hin zu der Vorstellung, daß Alter(n) im wesentlichen nur noch
als Nicht-mehr-jugendlich-Sein bzw. als Grad der Abweichung von Jugendlichkeit
verstanden wird und sich in diesem Sinne um 1900 als ein »Hauptmotiv« der Diskurse
etabliert.268 Alter und Altern sind also schon lange durch den Wert der Jugendlichkeit
265 Es scheint, als versuche die Werbung zyklisch Männer als Kosmetikkonsumenten an-
zusprechen, z.B. in den 1950er Jahren mit dem Photo eines Mannes, der mit einem
lippenstiftartigen Utensil einen Pickel retouchiert (»Pickel sofort unsichtbar«; Pixor,
ST 1959, 60).
266 Ein wichtiges Element des Körperschönen ist bis in die 1920er Jahre hinein ein gut
entwickelter, dichter Schnurrbart: »Wenn Sie bartlos sind und sich in kürzester Zeit
einen schneidigen Schnurrbart wünschen, so kann ich Ihnen einen Versuch mit meinem
weltberühmten Bartwuchsmittel Cavalier nur angelegentlichst empfehlen.« (Cavalier,
BIZ 1904, 49)
267 Auf einer ähnlichen Anzeige der selben Kampagne sieht man einen Mann, der sich
mit Hilfe eines Schminkspiegels auf einer Gartenparty die Haare kämmt, während ihm
eine Frau dabei zusieht — eine in der gegenwärtigen Mainstreamwerbung allgemeiner
Publikumszeitschriften undenkbare Szene (4711 Portugal, BIZ 1928, 32).
268 Vgl. Göckenjahn 2000, 33 f. Wurde noch im 19. Jahrhundert nicht nur das Alter stär-
ker gewürdigt, sondern auch Jugend deutlicher mit negativen Qualifizierungen belegt
(Dummheit, Unreife usw., vgl. Amann 1989, 25), so hat sich seit jener Zeit eine Ten-
260 | IMAGE. ZUR GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN
definiert (Defizitmodell). Umgekehrt kann man feststellen, daß Jugendlichkeit über
Vorstellungen von Alter(n) konstruiert wird — als Abwesenheit derjenigen physischen,
psychischen und sozialen Merkmale, die mit Alter(n) wesentlich assoziiert werden,
z.B. Gebrechlichkeit, Krankheit, Verschlossenheit, Ängstlichkeit, Einsamkeit und
Ausgeschlossenheit. Wie im Falle anderer Imageressourcen reicht es jedoch aus, den
Negativwert latent mitzuführen und darauf zu setzen, daß die Dramatisierung des Po-
sitivwertes die Folgen der Abweichung von diesem hinreichend deutlich macht.
Es liegt auf der Hand, daß mit diesem Imagekomplex im gesamten Untersu-
chungszeitraum vorzugsweise die Zielgruppen der Erwachsenen mittleren und fort-
geschrittenen Alters angesprochen werden, also jene Gruppen, denen es an jugend-
lichen Attributen zunehmend mangelt. Vor allem in der Werbung für Produkte wie
Anti-Faltencremes, Haarwuchsmittel, Zahnprothesenreiniger, Diäten oder »Aufbau-«
und »Ergänzungsnahrung« geht es um die Dramatisierung von Jugendlichkeit als
einem generellen »Komplex< und »als einem Bild, das sich diejenigen für sich ma-
chen, die nicht mehr jung sind« (Ziehe 1998, 136). Images von Jugendlichkeit stehen
dann explizit im Kontext einer strategischen Berücksichtigung oder Verwendung des
als Identitätsproblem gerahmten Alter(n)s.
Da die Werbung in Sachen Jugendlichkeit an einen etablierten Wertkomplex an-
schließen kann, stellt sich hier um so mehr die Frage, inwiefern sie über eine spezifische
Ästhetik Jugendlichkeit als Erscheinungsform herstellt und auf verschiedene Objekte
projizierbar macht. Es geht, anders formuliert, um die Frage nach der Ausarbeitung
eines Jugendkultes im Sinne eines Bilderkultes bzw. darum, inwiefern (Bild-)Oberflä-
chen Jugendlichkeit als Identitätswerte präparieren und instrumentieren.
Die Analyse der Anzeigen macht folgende Entwicklungsschritte erkennbar:
Schon um 1900 kommen Anzeigen vor, die Jugendlichkeit schriftlich als Qualität
postulieren und mit Schönheit oder Gesundheit assoziieren. Insbesondere im Kontext
der Kosmetikreklame, also dann, wenn die Schönheit des Körpers aus »produktiven«
Gründen im Zentrum steht, wird Jugendlichkeit als erstrebenswertes Gut beschworen:
»Schönheit«, heißt es in einem Text von 1899 lapidar, ist »jugendfrisches Aussehen«
(Reichel, BIZ 1899, 27).289 Hier wie in vielen anderen Anzeigen bis in die 1930er Jahre
verläßt man sich auf das gedruckte Wort, um auf das vermeintlich wichtigste Kriteri-
um für Körperschönheit hinzuweisen (»Wahren Liebreiz zeigt nur ein jugendfrisches
denzwende vollzogen und bis heute dynamisch verstärkt. Als soziale Identität ist das
Alter sozusagen immer schwächer geworden. Es hat Eigenwert, Status und Würde ein-
gebüßt und bedeutet heute vor allem, sozial besonders geschätzte Eigenschaften nicht
mehr zu besitzen. Die Werbung, so kann man vermuten, trägt neben anderen über die
Verbreitungsmedien (re-)produzierten Jugendlichkeitsidealisierungen zu dieser Ent-
wicklung bei.
269 Sie gehen damit über kriterienlose Unterstellungen von Qualität hinaus, die um 1900
durchaus üblich sind: »Lohse’s Lilienmilchseife; unvergleichlich zur Pflege der Haut«
(BIZ 1905, 1); »Kalodont — beste Zahncreme« (BIZ 1909, 18).
3. Die ENTWICKLUNG VON IMAGE-KOMMUNIKATION IN DER WERBUNG | 261
Gesicht«; Lohse, BIZ 1926, 23). Die Werbung leistet dann aber noch keine Arbeit am
Image, sondern weist nur auf das Vorhandensein eines (Körper-)Wertes hin, den es auf
der Rezipientenseite herzustellen gilt. Im Zuge ihrer Umstellung auf Bilder macht sie
dann sichtbar, was Jugendlichkeit ist bzw. sein soll und sie gewinnt mit zunehmender
Komplexität und Varietät ihrer Darstellungsformen erhebliche Gestaltungsspielräume
der Entfaltung von Tiefeneigenschaften des Jugendlichen, die sich am Sichtbaren zei-
gen (sollen). Solche Eigenschaften sind z.B. Sinnlichkeit, Spontaneität, Frische, Leis-
tungsfähigkeit, Flexibilität, Dynamik, Modernität (vgl. Abb. 154-157). Sie bilden über
eine Kombinatorik abgestimmter Gestaltungsmittel einen Image-Rahmen für das je-
weils beworbene Objekt. Das biologische Alter und ein dazugehöriges körperliches
Ausdrucksmuster (Haut, Haare, Haltung usw.) fungieren dabei (auch) in der Werbung
als ein Zuordnungsschema. Besonders die Haut spielt als optische Grenze zwischen
der sichtbaren Oberfläche und der unsichtbaren Tiefe eine besondere Rolle. Sie kann
als graduelles Zeichen von Jugendlichkeit bzw. Alter permanent und unmittelbar ge-
lesen werden. Vor diesem Hintergrund überrascht es nicht, daß die Indienstnahme des
Körpers für einen reflexiven Umgang mit dem Schema Oberfläche/Tiefe in der Re-
klame für Hygiene-, Pflege- und Kosmetikartikel einsetzt und Marken wie Odol oder
Nivea zu den ersten Produktidentitäten mit einem klar konturierten Image gehören.
Denn hier steht der Körper qua Produktfunktion notwendigerweise im Mittelpunkt.
Da dessen (Positiv-)Qualifizierung unter ästhetischen Gesichtspunkten schon längst
aufs engste mit dem Wert Jugendlichkeit assoziiert ist, muß die Werbung Alter(n) als
einen dazugehörigen Negativ-Wert voraussetzen und von dort aus die Annahme for-
cieren, daß die sichtbare Oberfläche die Substanz und Identitätsrelevanz des jewei-
ligen Alterszustandes zum Ausdruck bringt: »Man ist nur so alt wie man aussieht«
formulieren Anzeigentexte entsprechend (Exlepäng, ST 1952, 9). Dieser Vorstellung
folgend wird der Kampf gegen das Altern als einen Kampf gegen bestimmte, sichtbare
Zeichen ins Bild gesetzt. Schon früh rücken Partial-Darstellungen des Körpers des-
sen Oberflächenzustand in ein schärferes (Image-)Licht, das den Körper versachlicht:
Gezeigt wird im Bilder-Rahmen nicht der Körper in seiner Gänze als Träger eines
Individuums (Subjekts), sondern ein einzelnes Körperteil (Gesicht, Hände, Beine, De-
kollete), ап dem in objektivierter Weise der jeweilige Jugendlichkeits- bzw. Alterszu-
stand abgelesen werden kann und abgelesen werden soll. Diese Inszenierungsstrategie
führt schon bis zu den 1930er Jahren zu einem Repertoire von Motiven, die bis in
die Gegenwart stark kontinuieren (vgl. Abb. 28, 29, 158-161, 168, 206-211).270 Auch
der »Gesichtsrahmen« (Goffman), dem bei der Interaktion unter Anwesenden eine al-
tersspezifizierende Bedeutung zukommt, wird in der Werbung über Partialdarstellun-
gen operationalisiert. Vor allem eine bestimmte Form der Portraitierung junger Frau-
en entwickelt sich früh und existiert in verschiedenen Varianten bis in die Gegenwart
270 In Bezug auf entsprechende Bildfokussierungen kann es dann heißen: »Ihre Hände
verraten alles! Wein, selbst in Krystal kann trügen. Doch niemals täuschen die Hände
einer Frau über Kultur und Karakter.« (Elida, BIZ 1926, 23)
262 | IMAGE. ZUR GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN
fort. Gemeint sind Vorführungen, die makellose Jugend in übernatürlicher Perfektion
modellieren. Realisiert wird dies über eine weitgehende Zurückdrängung der natür-
lichen Hautstruktur bei gleichzeitiger Betonung der konturierten Gesichtselemente
(Augen/Augenbrauen, Lippen), wodurch die Gesichter einen skulpturalen Charakter
bekommen. Jugend erscheint hier als gleichsam zeitlose Maske. Verstärkt wird dieser
Eindruck oftmals durch die Eliminierung situativer Kontexte, so daß die monochromen
Hintergründe die Aufmerksamkeit des Betrachters ganz auf das Gesicht lenken (vgl.
Abb. 160 u. 161). In diesem Abstraktionszusammenhang erweist sich die Zeichnung
aus medientechnischen Gründen zunächst als überlegener Jugendlichkeitsgenerator:
Sie muß im Unterschied zur Photographie keine störenden Details zurückdrängen, son-
dern kann über die frei wählbare Linienführung eben jene skulpturenhaften Körper
hervorbringen, die dem Jugendlichkeitsideal entsprechen (vgl. Abb. 29, 31, 209). Es
ist daher kein Zufall, daß sich gerade die Kosmetikreklame bis in die Gegenwart im-
mer wieder der Zeichnung oder computertechnisch überarbeiteten Photographien be-
dient. Dennoch ist auch für diesen Imagekomplex die erhebliche Perfektionierung der
Oberflächendarstellung entscheidend, die die Verbesserung der Photographie und der
Drucktechniken ermöglicht. Im Unterschied zu früheren Körperzeichnungen sind die
späteren Photographien in der Lage, die Materialität der Oberflächen, also die sichtbare
Beschaffenheit von Haut, Haaren, Augen, Nägeln, Zähnen usw. in einem gesteigerten
»Realismus< abzubilden, der dem Gezeigten bisweilen geradezu haptische Qualitäten
verleiht. Damit kann nicht nur das Ideal der Jugendlichkeit, sondern auch das Stigma
Alter(n) schärfer in den Blick genommen und dramatisiert werden. Und erst jetzt, d.h.
seit den späten 1950er Jahren, ist ein differenziertes Stigmamanagement der Bilder
möglich, das eine nuancierte Typologie des Erscheinungsalters dem chronologischen
Alter gegenüberstellt. Mit den bewegten Bildern des Films und des Fernsehens wer-
den zudem neue Gestaltungsspielräume der Herstellung von Jugendlichkeit gewonnen
und instrumentalisiert. Attribute wie Spannkraft können jetzt z.B. durch schwungvoll-
dynamische Bewegungsfolgen der Kamera oder das expressive Verhalten der Akteure
im Zeitverlauf plastisch vor die Augen des Betrachters geführt werden.
Wenngleich Jugendlichkeit bis in die Gegenwart hinein in Werbungen für körper-
bezogene Produkte besonders häufig und prägnant in Erscheinung tritt, ist hier wie
im Falle anderer Themenbereiche die Emanzipation des Positivwertes von sachlichen
Objektbezügen ein charakteristisches Merkmal der Entwicklung in Richtung Image-
Kommunikation. So wird Jugendlichkeit seit den 1950er Jahren zunehmend als Iden-
titätswert für die verschiedensten Gegenstände ausgestaltet bzw. auf diese bezogen
(Zigaretten, Möbel, Zeitschriften, Urlaubsziele usw.). Das Darstellungsmedium par
exellence bleibt zwar trotz dieser Diffusion des Jugendlichen der menschliche Kör-
per. Der jugendliche Erhaltungszustand ist dann aber nicht mehr nur ein Eigenwert in
dem Sinne, daß er körperliche Eigenschaften repräsentiert, die als solche Image-Wer-
te darstellen. Mit ihm sollen vielmehr Tiefenwerte neben und hinter der Oberfläche
(Sinnlichkeit, Gesundheit, Spontaneität, Frische, Leistungsfähigkeit, Beweglichkeit/
Flexibilität) auf die verschiedensten Objekte projiziert werden.
3. Die ENTWICKLUNG VON IMAGE-KOMMUNIKATION IN DER WERBUNG |263
Auffällig ist die Beteiligung an Vorführungen guter: Erotik. Jugendlichkeit spielt
hier eine Rolle, insofern körperliche Attribute wie Schlankheit, Glätte, Straffheit, Fit-
neß, Kraft usw. als natürliche Basis erotischen Erlebens und Handelns dramatisiert
werden. Der jugendliche Körper tritt in den entsprechenden Images als der eigentlich
erotische Körper auf. Er erscheint als Voraussetzung und Ausweis von erotischem
Erfolg und bildet den ästhetischen Kern einer Erotizität, die das Identitätsmerkmal
nicht weniger Images ist (vgl. Abb. 213, 215, 219, 234, 235). Ein anderes Image-Feld
bilden Inszenierungen professioneller Könnerschaft. Auch hier geht es um Jugend-
lichkeit als eine Erfolgsbedingung und eine Eigenschaft, die auf die (Image-)Identi-
tät des beworbenen Objektes verweist und Dynamik, Schnelligkeit, Flexibilität usw.
bedeuten soll (z.B. indem fitte Körper von Erfolgsmenschen und deren dynamisches
Bewegungsverhalten gezeigt werden).?’! Nicht selten wird dann eine professionelle
High-Society entworfen, in der ökonomisches, kulturelles und korporales Kapital als
Erscheinungsbild integriert sind. Nicht zuletzt betritt das Jugendliche in den 1960er
Jahren als ein spezifischer Lebensstil die Werbebühne. Die entsprechenden Images
konsolidieren sich über eine visuelle Selektionslogik, die, im Anschluß an Schulze
formuliert, lebenswirkliche Erlebnismilieus und deren alltagsästhetische Schema-
ta (Mode, Design u.a.) stilisiert. Gezeigt werden seitdem zunehmend verschiedene
Spaß-Erlebniswelten, in denen Jugendlichkeit für starke emotionale Involviertheit
steht, wobei das sichtbar gemachte korporale Ausdrucksmuster (Lachen, Gestikulie-
ren, tanzende Bewegungen u.a.) die Qualifizierung der vorgeführten Erlebnisse als
Glückszustände und genußvolle Bedürfnisbefriedigungen leistet. In prägnanter Weise
fungiert eine Paradiesnatur — z.B. die Südsee — als Kulisse des »ewigen Frühlings«,
für den auch die Idealkörper stehen, die sich in diesen Settings ihrer Expressivität hin-
geben. Die Bildwelt der Marke »Bacardi« (»Living life an easy way...«) ist hierfür ein
markantes Beispiel. Ähnlich generalisierte Vorstellungen von Jugendlichkeit kenn-
zeichnen längst diverse Images für Getränke, Eis, Schokolade und andere Produk-
te mit relativ altersunspezifischen Zielgruppen. Wenn sich z.B. Kinder, Jugendliche
sowie Erwachsene mittleren und fortgeschritteneren Alters in Spots gleichermaßen
tanzend zu betont rhythmischer Popmusik bewegen, erscheint Jugendlichkeit im Sin-
ne von Lebensfreude, Lebensgenuß, Ausgelassenheit usw. als ein die Altersklassen
transzendierender Identitätsgenerator.
271 Von Ausnahmen abgesehen, tragen die beruflichen Erfolgsmenschen — (noch) überwie-
gend Männer, aber seit den 1970er Jahren auch zunehmend die Karrierefrauen — die
Körperzeichen der Jugendlichkeit. Sie entsprechen damit offenbar einer Anforderung,
die das Leben in zunehmendem Maße stellt (vgl. Koppetsch 2002, 360 f.). Ein von
diesem Schema abweichendes Sujet ist der »reife« Mann, der auf 40 Jahre und älter ge-
schätzt werden kann und soll. Das Weniger an Jugendlichkeit steht dann für ein Mehr
an Lebenserfahrung, das den männlichen Könner erst recht zu einem solchen macht.
Derartige Darsteller sind z.B. in solchen Images zu sehen, die auf Seriosität setzen
(vgl. 3.4.7).
264 | IMAGE. ZUR GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN
Vor dem Hintergrund des hier nur grob skizzierten, faktisch aber inzwischen
höchst variantenreich vorliegenden Imagekomplexes liegt es nahe, in der Werbung
eine deutliche Bestätigung der nun schon alten These Tenbrucks zu sehen, daß die
Gesamtkultur der Gesellschaft von einem »Puerilismus« erfaßt und die Jugend »in
mancher Hinsicht zur dominanten Teilkultur geworden« ist (1965, 56). Denn für die
Werbung wie für die Gesamtkultur läßt sich heute in der Tat feststellen, daß »Umgang,
Vergnügen, Lektüre, Freizeit, Moral, Sprache, Sitte der Erwachsenen [...] zunehmend
jugendliche Züge« (ebd.) aufweisen. Bei genauerer Betrachtung zeigt sich jedoch, daß
die Expansion des Juvenilen nur sehr bedingt als Prozeß der Durchsetzung einer »ein-
heitlichen Idealform« (Tenbruck) aufzufassen ist. Zwei Sachverhalte relativieren und
spezifizieren diese Diagnose: Zum einen ist nicht zu übersehen, daß auch der Image-
Komplex Jugendlichkeit nur eine Programmressource unter anderen ist. Schon lan-
ge etabliert sind z.B. Konstruktionen, die in image-kommunikativer Weise das Alter
würdigen. Man denke nur an die Images, die Brauchtum, Tradition, Erfahrung oder
Seriosität als zentrales Kriterium der Positivattribuierung in den Vordergrund rücken,
indem sie z.B. reife Persönlichkeiten im Rahmen einer modedistanzierten Ästhetik
vorführen (vgl. 3.4.5 und 3.4.7). Zum anderen setzen sich bestimmte Images dezi-
diert gegen die durchaus nicht seltene Image-Kombination der Eigenschaften jung,
reich und schön ab, indem sie den unverstellten Blick auf »reale Realitäten« als Gü-
tesiegel des beworbenen Objekts offerieren — z.B. in solchen Werbungen, die seit
den 1960er Jahren das Jugendliche der Jugendlichen (im Sinne einer Altersphase)
als Image ausgestalten wollen 27 Bemerkenswerterweise wird das allgemeine Ideal
der Jugendlichkeit hier oftmals nicht nur negiert, sondern z.T. sogar systematisch als
Anti-Ideal deklariert. Dies gilt z.B. für Stilisierungen des Morbiden, Verbrauchten
und Lebensmüden oder für Ironisierungen gängiger Schönheitsideale (der Werbung).
Nicht zuletzt stellt sich neuerdings sogar eine Ästhetik des Häßlichen offensiv gegen
den schönen Schein einer glatten, perfektionierten Jugendlichkeit (z.B. anderer Ima-
ges; vgl. 3.4.10).
Die Werbung betreibt also keineswegs einen alle Images transzendierenden
Jugendlichkeits-Kult. Zudem ist die These von Jugendlichkeit als Ausdruck einer
»einheitlichen Idealform« innerhalb des Image-Komplexes Jugendlichkeit zu spezi-
272 In den hier analysierten Materialien taucht erstaunlicherweise erst 1968 eine Anzeige
auf, die man eindeutig als den Versuch interpretieren kann, die Symbolwelt lebens-
wirklicher Jugendsubkulturen imagewirksam zu präparieren: »Die Tracht der jungen
Liebe« kommentiert der Werbetext die Photographie eines Hemdes im Hippie-Stil
(Blumenmuster, Buttons), in dessen Brusttasche das beworbene Produkt zu sehen ist
(Sinalco Kola, ST 1968, 27). Auch die Sprache stellt sich erst zu dieser Zeit — wenn
auch sehr zögerlich — auf die Zielgruppe ein. Zu dem Photo einer Popband heißt es:
»Life is a hit!« — sagen die Rattles. Wenn sie der Hafer sticht, stechen sie zurück. Ein-
fach MusiCassette ins Cassettophon, ein Daumendruck, ein heißer Beat — wer beatet
mehr?« (Philips, ST 1968, 27)
3. Die ENTWICKLUNG VON IMAGE-KOMMUNIKATION IN DER WERBUNG |265
fizieren. In diachroner Perspektive wird nämlich deutlich, daß es im Zeitverlauf zu
einer zunehmenden Differenzierung verschiedener Jugendlichkeiten kommt. Deren
inszenatorische Separation geht in erster Linie mit der Konstruktion von Images für
Zielgruppen unterschiedlicher Altersklassen einher. Im Rahmen einer vereinfachen-
den Typologie kann man sagen, daß neben den besagten Jugendlichkeiten der Jugend-
lichen die Jugendlichkeiten der Erwachsenen verschiedenen Alters sowie die Jugend-
lichkeiten der Geschlechter stehen 777 Image-Attribute wie Gemütlichkeit, Traditions-
bewußtsein oder Erlebnis-, Zeitgeist- und Lifestyleorientierung werden im Laufe der
Jahrzehnte zur Spezifikation des Juvenilen genutzt. Wenn auch die Thematisierung
reifer Schönheit keineswegs so neu ist, wie gelegentlich behauptet (vgl. Abb. 166),27
ist doch nicht zu übersehen, daß seit den 1990er Jahren Bilder in die Kosmetikreklame
Einzug halten, die die Affirmation des Jugendlichen mit Zeichen vorangeschrittenen
Alters (graue Haare, Falten) kombinieren und dadurch ein neues Jugendlichkeitsideal
вепетіегеп.275 Die Verschiebung, die hier stattfindet, besteht darin, daß die Diskrepanz
zwischen den am Körper festzumachenden Jugendlichkeitszeichen einerseits (weiße
Zähne, rote Lippen, sportlich-vitale Ausstrahlung) und der am selben Körper sicht-
bar gemachten Schätzbarkeit des realen Alters andererseits größer wird, ohne (und
das ist die strategische Absicht) als störende Dissonanz wahrgenommen zu werden
(vgl. Abb. 167 u. 168). An dieser Reife-Semantik läßt sich zeigen, daß die Werbung
Jugendlichkeit als (Körper-)Wert gerade für Ältere nicht dekonstruiert, sondern mehr
oder weniger subtil erschließt (vgl. Abb. 169). Das Ideal der Jugendlichkeit wird gera-
de in der scheinbaren Annäherung an die Körper-Realität der Älteren zur praktischen
Forderung und Anforderung.
273 Daß und inwiefern es in den letzten Jahrzehnten zu einer Image-Differenzierung von
Jugendlichkeiten und d.h. auch zu der Auflösung von Jugendlichkeit im Sinne einer ein-
heitlichen Idealform gekommen ist, wird deutlich, wenn man sich die Undifferenziertheit
einer Anzeige von 1959 vor Augen hält, die als solche in der aktuellen Gegenwartsgesell-
schaft vermutlich weder bei Jugendlichen noch bei Erwachsenen auf Akzeptanz stoßen
würde (es sei denn unter humoristischen Image-Vorzeichen). Auf dieser Anzeige für Her-
renmode posieren drei »junge Männer, die das atemberaubende Tempo des Fortschritts«
und den »Schwung der Zeit« lieben, in die sie »hineingeboren« sind und dabei »so gut
aussehende »seetüchtige< Männer sein wollen wie ihr alter Herr: immer sportlich, immer
modern, immer elegant.« (Dralon von Bayer, ST 1959, 40)
274 So zeigt schon eine Reklame von 1968 eine ältere Dame im modisch-eleganten Outfit
mit offenem Lachen (»zwei bildschöne Zahnreihen«) beim Buchlesen mit ihrem Enkel,
während der Text ausführt, »warum Oma nicht wie eine Oma aussieht«: »Liegt es an
ihrem Teint, an der Frisur oder dem neuen Kleid?« (Kukident, ST 1968, 74)
275 Zu Inszenierungen einer altenspezifischen Jugendlichkeit, die im Rückgriff auf Res-
sourcen wie Mode, Musik, Sprache usw. gebildet wird, vgl. in Bezug auf die neuere
Werbung Willems/Kautt 2003, 279-282.
266 | IMAGE. Zus GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN
höchfleiftung:
RIGLEY
w
SPORTUND
Muratti-
„PK ~ Privat
Ке A EE An
fr Go Ka Sporte Son
Ein Phckchen m 4 Stuck kostet nur о Pig. uns Int Фън га ага ате
Wrigley Aki Fabrik: Frankfurta.
Von echter Aerien
Befonders tartes Sormet - Ohne йч
H er
Ab der ersten Mark
Kostenlos und täglich verfügbar!
Profitieren Sie ра vom Raivo ionta, dem 1 Паана мни nach Hawe
Tagenpeidhomts mit атгана Versimuung.
МПа großer em S 1532.200 Ab 5000 D Менын
и маа AN Zinsen EA ab der erstem Mark Mr \ À
Hee La
B Konerio Ветово per Internet, T Onine e
Testen оне Brit
S tuda ennen been At: nd ene
EZB
р Dosis AL
154: Wrigley; BIZ 1927, 27
155: Muratti; BIZ 1935, 10
156: DiBa; Max 2001, 20
157: Motorola; Max 2004, 8
3. Die ENTWICKLUNG VON IMAGE- KOMMUNIKATION IN DER WERBUNG | 267
11
Э) аи
Ca 3 orjina ing
Glauben Sie mir,
Sie pflegen Ihre Haut
am wirksamsten mit Eukutol!
SIE SIND SO JUNG
WIE IHRE HANDE
.. UND MAN SIE HT E
IN TA S
REINER TEINT;
Die tägliche Teintpflege beginnt mit LUN
Auch Ihr Teint braucht LUX
158: Eukutol; BIZ 1930, 40
159: Kaloderma; ST 1963, 6
160: LUX; ST 1961, 49
161: Vanderbilt; ST 2003, 23
268 | IMAGE. ZUR GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN
Dort lugàl -
\ 2
Die < Írisur hal
ein wenig дееп
Frei von Pickel!
Wenn an besonders gefährdeten
Stellen des Gesichts Hautreisun-
gen, Pickel, Pustel auftreten,
mufi sofort Abhilfe geschaffen
werden, Pitralon befreit durch
tiefgehende
Е Einwirkung
/ von solchen
KÂ / Hautunrein-
«ЖЛ heiten.
Die Ursache für die Entstehung von um diese Erscheinungen zu beseitigen,
Pickel, Pusteln und anderen Haute Pitralon wirkt in die Tiefe. Es öffnet
unreinheiten liegt in den tieferen die Poren und Talgılrüsenausgänge
Hautschichten. SauberkeitanderOber- der Haut, durchdringt die beiden
liche der Наш allein hilft dagegen Hautschichten und vernichtet die ins
nicht Esisteineindie Unterhautzellgewebe
Tiefe dringende Des-
infektion notwendig,
D eingedrungenen
Entzündungserreger
PITRALON DOLCE «GABBANA
PARFUM
beseitigt Haulunreinheiten ` Lingwer-Werke, Dresden
162: Portugal; BIZ 1928, 32
163: Portugal; BIZ 1926, 23
164: Pitralon; BIZ 1942, 13
165: D&G; Max 2003, 5
3. Die ENTWICKLUNG VON IMAGE- KOMMUNIKATION IN DER WERBUNG | 269
Warum Oma nicht
wie eine
Oma
aussieht ...
Amar эн ишт
A mmer moment
Suche voii
DIE DREIFACH WIRKSAME
INTENSIVPFLEGE FÜR REIFE HAUT: d
mQ
TÄGLICH NEUE LEBENSKRAFT FÜR REIFE HAUT.
ме os keng — geng
Kukident
INT OPTIMAL
Imlanyı
Trockene Haut braucht
ganz viel von Wenigem.
wünsche werden
wüstenrot
166: Kukident; ST 1968, 27
167: Nivea Vital; BG 2000, 22
168: Imlan; BG 2007, 16
169: Wüstenrot; ST 2001, 17
270 | IMAGE. ZUR GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN
3.4.7 Seriosität
Eine erste Spezialisierung auf das Attribut Seriosität geben solche Anzeigen in den
1930er Jahren zu erkennen, die Bilder zur Dramatisierung von Problemen — und nicht
von Lösungen - nutzen (vgl. Abb. 170-173). So zeigt eine Anzeige von 1935 das Pho-
to von einer nächtlichen Straße und berichtet im Text von einem tödlichen Autounfall,
um vor diesem Hintergrund den Abschluß einer Lebensversicherung als sinnvolles,
rational begründetes Handeln zu plausibilisieren (vgl. Abb. 172). Hier wie in anderen
Fällen dient die Präsentation des »Faktischen« nicht nur der Herstellung negativer Ge-
fühle, deren Beseitigung dann durch die jeweiligen Objekte in Aussicht gestellt wird.
Bedeutsam ist vielmehr das Dokumentarische, das dem Werbenden einen seriösen
Charakter vermitteln soll. Dieser wird in einer sachlichen (Bild-)Sprache manifest, die
die unangenehme Wahrheit nüchtern ins Auge faßt. Überhaupt ist die Gestaltung des
Seriösen durch einen sachlichen Stil gekennzeichnet. Typisch ist z.B. eine räumliche
Distanzierung der abgebildeten Objekte, die um so auffälliger ist, als sich Nahaufnah-
men im Kontext anderer Images zunehmender Beliebtheit erfreuen. Im Unterschied
zur frühen Reklamephotographie, die ähnliche Darstellungsweisen zur Illustration des
jeweiligen Angebots nutzt, erscheinen solche Inszenierungen jetzt in einem anderen
Licht – nämlich in einem Image-Licht. Erkennbar wird nun die gezielte Vermittlung
von Eindrücken des Einfachen, Sachlichen und dadurch Seriösen. Dies gilt um so
mehr, als andere Image-Programmierungen im Laufe der Jahrzehnte bunte Bildwelten
entfalten, die mit solchen gestalterischen Selbstbeschränkungen kontrastieren. Am
Ende der 1950er Jahre konsolidiert sich ein Anzeigentypus, der sich wie die traditi-
onellen Zeitungsinserate auf den Text stützt, im Unterschied zu diesen aber jetzt als
Image lesbar wird (vgl. Abb. 174-177). Selbst textbasierte Anzeigen verdeutlichen
jetzt als Bild, daß es in den jeweiligen Reklamen (im Unterschied zu anderen) um
die Mitteilung reiner Informationen geht. Eine Extremvariante dieses Images liegt in
Anzeigen vor, die das Layout des redaktionellen Umfelds mimetisch imitieren (u.a.
Satzspiegel, Schriftschnitte; vgl. Abb. 175).276 Im Zuge des Strukturwandels in Rich-
tung moderner Image-Kommunikation werden die historisch weit zurückreichenden
Formen sprachlichen Überzeugens also keineswegs obsolet. Im Gegenteil! Sie gewin-
nen eine besondere Relevanz, und zwar — nur scheinbar paradox - als Bild.
Neben und mit der nüchternen Gestaltung entfaltet sich die Programmierung des
Seriösen über die sichtbare Markierung von Rollenträgern und dazugehörigen Kontex-
ten. Insbesondere die Vorführung professioneller Experten gehört schon früh zu dem
Repertoire des Versuchs, glaubwürdige und vertrauenerweckende Image-Attribute
276 Mit einer solchen Inszenierung von Nicht-Inszenierung kann z.B. auch auf prekäre The-
men reagiert werden, die die Identität der adressierten Rezipienten (Interessenten) proble-
matisch berührt (z.B. körperliche Gebrechen wie Inkontinenz). Die betonte Nüchternheit
in der Präsentation soll dann den Eindruck verstärken, daß es sich um ein gewöhnliches
Problem handelt, das reife Menschen offen ansprechen und angehen können.
3. Die ENTWICKLUNG VON IMAGE-KOMMUNIKATION IN DER WERBUNG |271
herzustellen. Bilder von Köchen, Ärzten, Ingenieuren oder Professoren sollen die im
Alltag verankerte Vorstellung von der Seriosität dieser Berufsstände wachrufen, treu
dem Motto »die müssen es ja wissen« (vgl. Abb. 182-183). Beliebt ist vor allem die
(Natur-)Wissenschaft als Instanz seriöser Wissensproduktion; sie wird schon seit den
1930er Jahren z.B. über Bilder von Laboratorien und den dort arbeitenden Forschern
in Szene gesetzt (vgl. Abb. 178-180).
Personifiziert, und d.h. immer auch sichtbar gemacht, wird Seriosität weiterhin
über den Einsatz älterer Darsteller. Vor allem Männer zwischen 45 und 60 Jahren treten
schon seit langem und bis in die Gegenwart immer wieder als Könner, Experten und
Leistungsträger auf. Die souveränen Macher, deren Alter an korporalen Alterszeichen
(graue Haare, Brille, faltige Haut usw.) zu erkennen ist, verfügen nach Auskunft der
Werbung im Unterschied zu ihren jüngeren Kollegen über eine Lebenserfahrung, Be-
sonnenheit, Ruhe, Umsicht und Klugheit, die sie in diesem Kontext zu geeigneten
Image-Generatoren macht 277 Als reife Persönlichkeiten stellen sie eine Distanz zu
den Problemen der Gegenwart her, die ihnen im Gegensatz zu den Hitzköpfen der
jüngeren Generation zielorientiertes Handeln auch unter schwierigen Bedingungen
ermöglicht. Auch ältere Männer statusniedrigerer Berufe (z.B. Handwerker, Verkäu-
fer) symbolisieren immer wieder besondere Erfahrenheit und Vertrauenswürdigkeit
und fungieren dementsprechend als Image Träger des Seriösen.?’®
Eine weitere Variante dieser Programmierung sind die sogenannten Testimonials.
Sie arbeiten am Eindruck des Echten, Glaubwürdigen und (daher) Seriösen, indem
sie yechte< Individuen vorführen, die die Objekte positiv beurteilen und sich zu dieser
Einschätzung öffentlich bekennen. Schon 1930 findet sich im hier zugrunde gelegten
Datenbestand ein Frauenportrait, dessen Inszenierungsweise den Eindruck erweckt,
in der Anzeige äußere sich eine lebenswirkliche Konsumentin zu Wort (Biomalz, BIZ
1930, 40; vgl. Abb. 186; zu ähnlichen Inszenierungen vgl. Abb. 187-189). Bis in die
Gegenwart werden derartige Bekenntnisse mit sachlichen Bildern vorgeführt und mit
»echten«, z.B. vergleichsweise weniger gut: aussehenden Darstellern so umgesetzt,
als zeige die jeweilige Werbung Menschen in ungestellten Alltagssituationen (beim
Einkaufen im Supermarkt, beim Wäschewaschen, beim Joggen im Park usw.).27?
277 Diese positiven Eigenschaften des Alter(n)s sehen im Blick auf die aktuellere Werbung
auch Knegendorf (1989) und Kochhahn/JäckeV/Rick (2002).
278 Inder jüngeren Werbung sieht man sehr häufig Prominente, deren höheres Alter durch-
aus zum anvisierten Image paßt: So »managt« der gereifte Uli Hoeneß Wertpapiere
»bei Deutschlands bestem Online-Broker« (Consors, ST 2000, 13), während der al-
tersweise Heiner Geißler Werbung mit seinem konstanten Image als CDU-Querdenker
macht (»Ich schätze Zeitungen, die gern gegen den Strom schwimmen«, Die Woche,
Max 1997, 12; vgl. Abb. 189).
279 Im Längsschnitt läßt sich eine Perfektionierung der Gestaltungsmittel feststellen: So wer-
den z.B. seit einigen Jahren immer wieder Spots gezeigt, die mit verwackelten Videobildern
arbeiten, so als habe ein Amateur spontan eine Szene in seiner Umgebung festgehalten.
272 | IMAGE. ZUR GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN
Wie im Falle anderer Image-Programmierungen steht die Auswahl dieses Krite-
rienkomplexes oft in einer systematischen Beziehung zu den beworbenen Objekten:
Mit seriösen Images wird vor allem dann geworben, wenn das Angebot Risiken in
sich birgt und die Herstellung von Glaubwürdigkeit und Vertrauen zu einer wichtigen
Akzeptanzbedingung der Kommunikation wird. Versicherungen, Banken oder Me-
dikamentenhersteller operieren daher besonders häufig mit diesem Image-Komplex.
Aber auch dann, wenn Unternehmen eine Imagepflege betreiben, die über die einfache
Produktwerbung hinausgeht (z.B. Sponsoring), oder wenn Non-Profit-Organisationen
im Rahmen des Social Marketing Probleme wie Armut, Krieg oder Umweltzerstörung
thematisieren, ist das Image des Seriösen und gewissermaßen Imagelosen immer wie-
der beliebt. Nicht zuletzt spielt es eine zentrale Rolle bei der sogenannten Wahlwer-
bung. Wenngleich für politische Parteien unterschiedliche Images mit verschiedenen
semantischen Schwerpunktsetzungen konstruiert und reproduziert werden, sodaß man
durchaus auch von politischen Image-Kulturen in der Werbung und durch die Wer-
bung sprechen kann, ist nicht zu übersehen, daß die Werbung für diesen Gegenstands-
bereich bestimmte Programmierungen systematisch unterläßt und parteiübergreifend
bevorzugt Eindrücke von Seriosität und die damit in Verbindung stehenden Attribute
(Aufrichtigkeit, Glaubwürdigkeit, Ehrlichkeit, Sachlichkeit, Sachkompetenz) ins Bild
setzt. Auch die immer wieder festgestellte — und keineswegs neue?° — Personalisie-
rung politischer Themen in der Wahlwerbung macht dies deutlich: Trotz einer gewis-
sen Flexibilisierung der Darstellungsformen und trotz einer zunehmenden Freiheit der
Kontextierung politischer Figuren in den letzten Jahren ist eine bis in die Gegenwart
anhaltende Gebremstheit der Ausnutzung verschiedener Glanzeffekte zu beobachten,
die in anderen Images (z.B. der Konsumgüterwerbung) zum Einsatz kommen. Ein
zentrales, wenn nicht das zentrale Moment vieler Wahlwerbungen besteht nach wie
vor darin, das menschliche Antlitz prominenter Persönlichkeiten der jeweiligen Par-
teien in einem tendenziell sachlichen Licht und einem neutralen Setting zu zeigen
und diese Bilder zum Bezugsrahmen des Ausdrucks von Echtheit, Authentizität und
Sachlichkeit zu machen.
280 Das zeigen z.B. Gries u.a. in ihrer Analyse der Werbung zur Bundestagswahl 1957
(vgl. 1995, 99-103).
3. Die ENTWICKLUNG VON IMAGE-KOMMUNIKATION IN DER WERBUNG |273
Gerade so geht es
auch Ihnen ohne
~
тен Modell 2
Preis 38 Mark
Capazität: 999,999,999,
ziert, diridiert, p
radizlert ete.
zige Billige Rechen,
* sam Bechnungs
те Jede geist.
ler als beim ge
hrt Sie im ein
moch gratis u. franco dem (iuste,
Prospekt Postkarte genügt
Justin Wm. Bamberger & Ca.
München 20, Neuhausersir. 9
Vertreter in allen Ländern gesucht
SIT
ekrankheiten. Schnupfen. Hasen Неше, gag
Bogt ‚hin der Zen pi
en Angri сы die D'Zeen
oberen Lunwege. — Meiben diese ungeschlig.
werden die natürlichen Abwehrkrd
lich doch übertannt, und die 1830
oa it штел
Sich vorsehen, genügt nicht,
Sio müssen sich schützen!
Eine kröftige Mundspühung mit ODOL überzieht Фе Séien,
1 Mund- und Kachenhöhle mit einer йм, ш,
ch wirksamen Schwisschi.ht, die dager Zeit ен
Tëlee Bakter TO
мез hindert Spü also mohrmahs am Tape Ae
Musd mit Ode d belebt außerdem, ам уы
aen das wohll icherbeit. das Ihre Mag,
ht асанов der Ansteckungsgeichr aus dat Lah
behütet Ihre Gesundbeit
organe
ausgi
170: Omega; BIZ 1906, 5
171: Forman; BIZ 1907, 9
172: Gem. d. Lebensversicherungen; BIZ 1935, 10
173: Odol; BIZ 1941, 36
274 |
Interessantes aus dem größten
Hotel der Welt
In jedem Zimmer
ein Fernseh-Apparat
Horre найме um $ Ошде m
e Той don Naben des д. серанд
Alte. Ass Manch in ба Роот om.
19009 Werer ie de ben be
беднее nhi der be Die 1900 Sen
beer EE teen
D fomgreiber mi eren Арты ie
менан. Uber мй.
a Dale безет» die Bahnen
bet дне wunde im Wilde. Aa
нА, éi
mn... 10 Аена
emp е .
e 8
дуб Kahes reen. Die Ebbe
S mien Prin, der beer Ee be
D mob dem Geh beten Одди
Sprechen diese Zahlen nicht eine deutliche Sprache? = Nw Güte der Wen sad
; Мида in der Reklame kann Едра заден, wie а Коев Hog in dem
25 Jahven seines Besichom im der ganzen Wek engen hat
e Kakoa Hag ей л und owd засва те von бетде Seberner eide Ал,
rr daher völlig unschädlich E besteht eener, edehten Hodhgenächren, Gesdnsds
und Arema und abe se baste Diane Узе haben ba de Seege und
į Anerkennung roe Misean Mendan in Y? Linden der Weh versde
2 Jede Bohne: Qualität, jeder Tropfen: Genuß,
jede Tasse: Gesundheit - das ist Kaffee Haat
Für erstaunlich
viele Rasuren ...
Super Silver,
die Dauerklinge
von Gillette
174:
175:
176:
177:
Kaffee Hag; BIZ 1931, 45
Kristinus; ST 1954, 18
Gillette, ST 1968, 27
Phrix; ST 1968, 27
IMAGE. ZUR GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN
pas Leben ist
wieder lebenswert!
inter uns liegen Jahre, die uns bente wie
ук Traum erscheinen. An die Tür eines
pochte damals die Sorge, wmd mach den
Ae Leben nicht mehr hoch bewerteten _
[ше der Leben seinen Siam verloren!
Die natürliche Folge war der. Verlen
der gelinfigsten Wertmahstäbe, nach
wir most unser Denken und Handeln
Selbst ein ко alliägliches Bedürfais
de Ensen hatte für uns einen völlig über:
‚en Wert bekommen; war doch jeder bis
Inserste beherrscht von dem Gedanken,
bet etwas Eühares anfzutreiben. Und
gierten wir nach Alkohol und Niko.
Mile und ungrzügelt gaben wir uns
lebensgenänsen him und dachten kaum
daß sich dünnen vernunftlose Trriben
en würde, dah unser Organismus
1 nicht mehr mitmachen und us
bhe Rechnung präsentieren Könnte.
besichen hat sich vieles von Grund auf
Dis Leben ist wieder Iebenswert, und
empänden Gesundheit wieder als das
Gut. Wir haben im Genichen za jener
kung zurückgefunden, veæderGorthe
Zb sich in ihr der Meister zeige. Wir
wicht che, ohar ans Morgen zu denken,
воет MUNCHEN
Diese Entwick hung neichnese sich кый aller
Deutlichkeit auch heim eschen ab. Nach der
Zeit,in der wir cin Vermögen für eine Stange”
Zigaretten angegelen haben, kamen die Jahre
des wilden und maisses Wencke, Ihnen
folgte die Tendenz nur keichteren Zigarette
und тип Filter-Rauchen, eine Tendens, die
immer stärker wird. Und als vor Jahrentrist
die LORD mit Filter erschien, bewies ihr suber-
wewühnlicher Erfolg, dab sie einem echten Be-
Biefeis der heutigen Zeit entspricht. Dies um
rm mehr, als sie mit einem besonders wirk-
samen Filter amgerüstet int.
Der Mikre-Feinfilter, der für die LORD in
jahrelanger Arbeit von Tabak fachleuten und
Wissenschaftlern grechaflen wurde, absorbiert
osent des Nikotins und eben.
* und der Ware, die im Rauch
enthalten sind. Dieses Маб an Alsorptien ist
weit höher als bei irgendeiner anderen Fi
Versigarette und ergibt eine ungewöhnliche
Steigerung der Bekömmlichkeit Und trotz
dieser starken Filterwirkung bietet die LORD
dem Raucher den Gemuh einer becharcama-
tischen, wäruigen Zigarette.
Raahen mit Verstand — dieses Gebot ist
gültiger denn je. Auch Sie sellen es befolgen.
Das Leben kann ja so schön sein, wenn man es
nur richtig, wenn man es mit Verstand рте.
Das ist eine Anzeige
des “unbekanntesten”
Chemiefaser-Herstellers
in der Bundesrepublik.
keng Kane? Immerhin haben
Obschon wir өөй über drei „ahrzehnuen Сме
meinen Fermeien Lind том Se achiechtenen
Doch we haten өө ne эл de große Locke perange
Murktforscher sagen Unbekannthent
Darm woren mr denen Zustand
et andern Denn unsere Produate brauchen sch
wirklich nicht га verstecken. Man kauft sie gern
Man schätzt Ave Eigenschaften Haben бе Markt
foracher eren
TEEN
reng
freche Вата Protiemione Frei
neen Fasern
und Stede Naschtene
эле Dessen
enden Dekorative Устае, Tepora vg
sere Prodate veger wenn
ве Namen poder Testitumen ge Моде machen
Ола dese Namen kennt jeder Ten eter
Unsere Fanermarken: Redon”, Shs", Perion”
чол Phris, Phrysn”, Phrilan", Pieter Sr" Reyon
won Presa
Unsere Anschrit Pfrin.Werke AG Hanturg
Pav
Phrix
3. De ENTWICKLUNG VON IMAGE- KOMMUNIKATION IN DER WERBUNG
| 275
ROTBART/ MOND-EXTRA
RASIERKLINGEN
On diese
Taschen
Ee
178: Rotbart; BIZ 1930, 40
179: Trilysin; BIZ 1937, 18
180: R 6; BIZ 1935, 10
181: Alpecin; BIZ 1934, 5
Rotn-Büchner A-G. Bessen für Rasierapparate u Ranierkingen. Berlin-Tempelhof 40
Der nene
MWirkitoff
im
Trilysin:
Mit offenen Karten
spielen — dan int ALPECIN-Prinzipl Als
nichel AgebautesHoorpfiege
aus seiner Zusommensetzung
Des
wë
уй
Schuppen und Has
ousfoll erfolgreich bekömp
беп und kräftigen Neu
276 | IMAGE. Zus GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN
| wanderm fett verständlich
| ae eine: „Verstehe! beim Fang
Almin ist wirklich das Besk? Essen
Summe are Ў LEA &
PERRINS
SAUCE
vergessen!
Auf diese Steine können Sie bauen
Mund Hitte von aut; sie haben
ZAHNARZT zx FRISCODENT
FRISCODENT.
182: Palmin; BIZ 1909, 18
183: Lea & Perrins; BIZ 1929, 36
184: Friscodent; ST 1949, 49
185: Wüstenrot; ST 1963, 6
3. Die ENTWICKLUNG VON IMAGE-KOMMUNIKATION IN DER WERBUNG |277
Iech Philips-Fern2 ber 12 Millionen
geräte gibt es in aller Welt. Warum?”
sch
mag Biomals nicht missen, denn es hilft тїгї
u |. nimm doch
FREE H 1 LI 5
к=) seg P
Y хет»
Fernsehen
Ich schätze Z
Strom schwimmen.
Gut zu wissen
SE nl сй Kein Wischi
186: Biomalz; BIZ 1930, 40
187: Philips; ST 1965, 15
188: n-tv; ST 1997, 15
189: Die Woche; Max 1997, 12
278 | IMAGE. ZUR GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN
3.4.8 Menschlichkeit
Bekanntlich wird das symbolische Universum der Werbung nicht selten als ein Reich
der Abundanz identifiziert, in dem die Unzulänglichkeiten des »wirklichen« Lebens
getilgt sind. Auch im hier untersuchten Material bilden Images einen Schwerpunkt,
die eine Welt der Jungen, Schönen und Reichen vor die Augen der Betrachter führen.
Daß man hieraus jedoch keineswegs eine allgemeine Grammatik der Werbeinszenie-
rungen ableiten kann, zeigen neben diversen anderen die hier unter der Überschrift
Menschlichkeit subsummierten Image-Programmierungen. Bemerkenswert sind
diese um so mehr, als sie — etwa im Unterschied zu Entwürfen von Erlebnis, Erotik
oder schichtorientiertem Status — nicht auf spektakulären Bildern, sondern auf einer
Ästhetik des Gewöhnlichen basieren, die leicht übersehen wird.
Ein frühes und bis heute genutztes Stilmittel der Herstellung von Menschlichkeit ist
Humor. In humoristischen Werbetexten, die bereits in den textbasierten Anzeigen um
1900 vorkommen, kann man einen Vorläufer späterer Image-Konstruktionen sehen. Der
Mehrwert dieser Texte über das rein Informative (Produktpreise, Händlernamen u.a.)
hinaus besteht darin, daß der Absender den Adressaten nicht als rational agierenden
Konsumenten, sondern als Wesen mit Emotionen anspricht und sich zudem selbst als
Persönlichkeit mit Gefühlen zu erkennen gibt. Humor dient demgemäß nicht nur der
Steigerung von Aufmerksamkeits- und Erinnerungsleistungen,®! sondern zugleich der
Erzeugung von Identitätswerten, die auf das beworbene Objekt bezogen werden sollen.
Die zunächst immer wieder eingesetzte Karikatur leistet eben dies nicht und muß durch
imageorientierte Humorinszenierungen ersetzt werden (vgl. Abb. 190, 191, 193). Bei
aller Verschiedenheit der Themenkontexte besteht eine wesentliche Gemeinsamkeit der
sich im Laufe der Zeit entwickelnden Formen darin, daß Menschlichkeit über Hinweise
auf Unzulänglichkeiten konstruiert wird. Angesprochen werden z.B. die kleinen Schwä-
chen und die kleinen Macken der Protagonisten, die diese aber gerade nicht als defizitär,
sondern als menschlich und (daher) liebenswürdig erscheinen lassen. Als Beispiel sei
eine Anzeige erwähnt, die einen Mann zeigt, dessen froher wie zugleich sorgenvoller
Gesichtsausdruck (lächelnder Mund und Stirnrunzeln) die Problemlage zum Ausdruck
bringt, die ihn so menschlich und gewöhnlich macht: »In jedem Mann steckt ein klei-
ner Mann und der will Beech-Nut [...] ein Kaugummi, der schmeckt« (Beech-Nut, ST
1965, 15; vgl. Abb. 196). Das Scheitern im ästhetischen Handeln, das z.B. durch offen-
kundig unpassende Kleiderzusammenstellungen sichtbar gemacht wird, ist ein weiteres
Beispiel der Herstellung von Sympathiewerten. Auch der dezidierte Verzicht auf gute
Gestaltung kann analoge Images generieren. So operiert eine Anzeigenkampagne für
einen Tequila-Hersteller mit dem Charme einer dilettantischen Gestaltung, um den net-
ten Charakter des Produkts zu veranschaulichen (innen gut, außen mit Hut«; vgl. Abb.
201; vgl. auch Abb. 200).
281 Daß und inwiefern Humor ein wichtiges Werbeelement zu diesen Zwecken ist, disku-
tiert Felser 1997.
3. Die ENTWICKLUNG VON IMAGE-KOMMUNIKATION IN DER WERBUNG |279
Der Zielrichtung des Lobs des Menschlichen im Menschen entsprechen systemati-
sche Abweichungen vom Übermenschlichen, das in den hochentwickelten Schönheits-
standards anderer Imagekomplexe Gestalt annimmt. Durchschnittlich und gewöhnlich
aussehende Menschen bestimmen das Bild und treten als spezifische Image-Medien
um so mehr hervor, als die Image-Selektivität der Darsteller unter Gesichtspunkten
des korporalen Erscheinungsbildes im Laufe der Entwicklung prinzipiell zunimmt.
Eine Anzeige von 1952 läßt keinen Zweifel mehr daran, daß der abgebildete Mann
in seiner konkret sichtbaren Erscheinung als gut gelaunter Jedermann in Erscheinung
treten soll, der sich als solcher gezielt von Images des Jugendlichen, der »guten« Erotik
oder des exklusiven Status absetzt (vgl. Abb. 192, 194, 195). Evidenterweise fungiert
hier ein menschlicher Mensch als Sympathie- und d.h. Image-Träger, wobei der Kör-
per und dessen Ausdruck (Mimik) das Image festlegen, weil sich die Abbildung (fast)
auf diese beschränkt. Beispiele wie dieses zeigen, daß auch körperästhetische Mängel
(Korpulenz, Glatze, schiefe Zähne usw.) im Rahmen dieses Image-Komplexes keine
Seltenheit sind. Ja immer wieder weisen körperliche Defizite gezielt auf eine Mensch-
lichkeit hin, die im Bedeutungshorizont des beworbenen Objekts als Kriterium der
Positivbewertung fungiert — so z.B. dann, wenn Körperfülle eine genuß- und freud-
volle Lebensführung bedeuten soll.
Vor allem die Darstellung des Gesichtes spielt weiterhin eine große Rolle, wenn
es der Werbung darum geht, Menschlichkeit als Image-Wert zu entfalten. Deutlich
wird dies insbesondere an solchen Photographien, die das Antlitz als Spiegel der Seele
bzw. der »Tiefe< menschlicher Erfahrungen in Szene setzen. In der jüngeren Werbung
wird das Gesicht darüber hinaus zudem als Ausdrucksmedium essentieller mensch-
licher Erfahrungen genutzt. Die Enträtselung des Werbetexts »The more you know«
gelingt mühelos in Kombination mit einer Schwarz-Weiß-Photographie eines älteren,
rauchenden Mannes, dessen introspektiv-kontemplativer Blick und dessen markante
Gesichtszüge sich von einem schwarzen Hintergrund abheben. Das Bild will ein tie-
fes, an substanziellen Erfahrungen reiches Wissen neben und mit dem Attribut Männ-
lichkeit als Image-Wert erschließen und sich so als adäquate Zigarettenmarke an reife
Konsumenten empfehlen (vgl. Abb. 99). Ähnliches geschieht mit dem Photo eines
etwa 60-jährigen Charakterkopfs, der in einer Anzeige für die »Schweizerische Ren-
tenanstalt« zum Einsatz kommt. Der Bildbetrachter kann die von Falten gezeichnete
Gesichtslandschaft des Mannes als Ausdruck gelebten Lebens, als eine verkörperte
Biographie lesen, wobei die Bildunterschrift »Das Lebens ist ein Roman« diese Lesart
unterstützt. Selbst die »letzten Fragen« des Menschen will der Versicherungsanbie-
ter zufriedenstellend beantworten, wenn er verspricht, den »Roman des Lebens« mit
einem Happy End abschließen zu können (»wir sorgen dafür, daß er gut ausgeht«,
Schweizerische Rentenanstalt, ST 2000, 43; vgl. Abb. 197). Im Bild des reifen Lebe-
mannes, der dem Betrachter frohgemut in die Augen blickt, verschränken sich nicht
zuletzt Sterblichkeit und Sterblichkeitswissen als basale Aspekte des Menschseins im
Rahmen positiver Vorzeichen, die mit dem Image des Werbenden verknüpft werden
sollen.
280 | IMAGE. ZUR GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN
Eine andere Dimension des Menschlichen manifestiert sich in Inszenierungen
lebensweltlicher Kontexte. Weder die Ausgestaltung der materiellen Sphäre (Klei-
dung, Möbel, Autos usw.) noch die der sozialen Anlässe zielt dann auf die Herstellung
von Exklusivitätseindrücken. Gezeigt wird vielmehr die Konsumwelt des »Otto-Nor-
malverbrauchers< und gängige Alltagssituationen: Das Gespräch zwischen Nachbarn,
die Arbeitspause unter Kollegen oder das kleine Glück nach Feierabend sind solche
Slice-of-Life Geschichten. Die Arbeit am Sichtbaren dient hier der Herstellung einer
Menschlichkeit, die als das Durchschnittliche identifiziert wird. Selbst der Lebensstil
des kleinen Mannes und der kleinen Frau kann dabei als durchaus erstrebenswert, da
menschlich vorgeführt werden, wobei die Visualisierung des emotionalen Vermögens,
sich an den kleinen Dingen im Leben zu freuen (ein nettes Wort, ein Bonbon, eine
Blume u.a.), eine große Rolle spielt (vgl. Abb. 55, 202). Dazu paßt, daß gerade für
diesen Imagekomplex Inszenierungen spezifischer Formen sozialer Nähe charakte-
ristisch sind. Im Unterschied zu Darstellungen erotischer Intimität modellieren die
Bilder hier eine besondere Tiefe von Freundschaften, wobei die emotionale Nähe und
Vertrautheit der Akteure meist durch eine räumliche Nähe sowie entsprechende Be-
rührungsformen zum Ausdruck gebracht wird (vgl. Abb. 203 u. 204). Einen typischen
Kontext bildet die Darstellung von Familien. Die visualisierte Herzlichkeit und Wär-
me zwischen den als Eltern und Kindern inszenierten Individuen fungiert oftmals als
Image-Wert des beworbenen Objekts. Bevorzugt werden solche Images für Süßwa-
ren, Kindernahrung und Körperpflegeartikel entworfen, also dann, wenn die Produkt-
nutzung Interaktionen im sozialen Nahraum wahrscheinlich macht. Die seit einigen
Jahrzehnten weitgehend kontinuierenden Imagewelten der Marken »Mon Cherie«
und »Merci« (»die Schokolade mit Herz«) sind dafür prägnante Beispiele. Neben
den Körperarrangements spielt die Verwendung warmer Farben eine wichtige Rolle
bei der Vermittlung von sozialer Nähe, Geborgenheit und Harmonie. Bemerkenswert
sind in diesem Zusammenhang TV-Spots, deren Möglichkeiten einen Handlungs- und
Erlebnisraum entwerfen, dessen Komplexität erheblich über die Printwerbung hinaus-
geht. Anwendung finden diese Möglichkeiten z.B. in Skripts, bei denen Produkte ein
gemeinschaftliches (Spaß-)Erleben initiieren, in dem das Menschliche im Menschen
offenkundig ethnische, subkulturelle und alterklassenbedingte Unterschiede im Medi-
um sozialer Nähe transzendiert. Auf entsprechende Image-Kommunikationen setzen
z.B. seit längerem Spots für die Marken »Coca-Cola« oder »Langnese«.232
Eine Entwicklung der jüngeren Vergangenheit stellen solche Images dar, deren
Identitätskern über die Stilisierung echter und d.h. hier verletzlicher Menschen gebil-
det wird. Die Akteure erscheinen dann in einer Aura des Gebrochenen, des Leidenden
und des (daher) Tiefen und Geheimnisvollen, die in einem irritierenden Kontrast zu
der glatten Oberflächlichkeit manch anderer Images steht. Ein Beispiel ist das Mo-
282 Zu einer ausführlichen Analyse, die die Herstellung einer Erlebnisgemeinschaft in die-
sem Themenkontext mit der Methode der objektiven Hermeneutik rekonstruiert, vgl.
Englisch 1991.
3. Die ENTWICKLUNG VON IMAGE-KOMMUNIKATION IN DER WERBUNG | 281
tiv der morbiden Kindfrau, deren Wesen als Mischung aus kindlicher Unschuld und
Naivität einerseits und existentieller Lebens- und Grenzerfahrenheit andererseits in-
szeniert wird (vgl. Abb. 243). Instrumente der Sichtbarmachung sind z.B. eine harte
Lichtführung, die kleine Hautfalten hervortreten läßt, sowie eine kosmetische Be-
handlung des Gesichts, die Hautblässe und Augenringe simuliert. Stilbildend sind
weiterhin die wiederkehrende Bevorzugung schwarzer Kleidung und Körperbema-
lungen (Lippenstift, Nagellack), an denen sich Eindrücke von depressiver oder mor-
bider Düsterkeit festmachen. Körper, die über das gewöhnliche Schlankheitsideal der
Werbung hinaus dünn sind und fragil oder gar krank wirken, sowie leere, in ein ima-
ginäres Nichts gerichtete Blicke verstärken zudem den Eindruck, daß die gezeigten
Personen existentielle (Grenz-)Erfahrungen hinter sich haben und von ihnen berührt
und geprägt sind. Die abgebildeten Personen werden mit den besagten ästhetischen
Mitteln auf den Kern einer individuellen Identität reduziert, die in empfindsamer, ver-
letzlicher und unvollkommener Körperlichkeit verkörpert ist. Im Unterschied zu den
übernatürlichen Perfektkörpern anderer Images setzen diese Bilder auf die Sichtbar-
machung echten und authentischen Menschseins. Geradezu programmatisch entfal-
ten bestimmte Parfumreklamen seit den 1990er Jahren, wie z.B. die Kampagnen für
Calvin Klein, diesen Körperpurismus. Der Bildaufbau und die Nüchternheit der Licht-
führung erinnern an die schlichte Ästhetik des Paßbildes und präparieren den Kör-
per als Ausweis der Person. Selbstberührungen wie die vor der Brust verschränkten
Arme signalisieren dann nicht wie im Rahmen anderer Images die Wertschätzung des
eigenen Körpers, sondern vermitteln den Eindruck eines beziehungs- und schutzlosen
In-die-Welt-geworfen-Seins. Der Betrachter einer solchen Reklame soll nichts als das
Wesen in der menschlichen Gestalt und im menschlichen Antlitz erblicken — wobei
im Falle von Calvin Klein der Produktname als unterstützende Verstehensanleitung
fungiert: »Be« (vgl. Abb. 243). Das inszenierte Sein der Person schrumpft hier darauf
zusammen, mit dem Körper in der Welt verortet zu sein. Der Körper erscheint als
Letztelement, dem in einem weiten und haltlosen Raum allein noch Vertrauen gebührt
und Glauben geschenkt werden kann.?%
283 Insbesondere die sozialstrukturell und kulturell verschärfte Schwierigkeit, sich selbst
und den anderen noch als einheitliches und stabiles Selbst zu erfahren, legt es nahe, den
Körper als Basis von Identität zu betrachten, aufzuwerten und entsprechend zu insze-
nieren. Seine Materialität signalisiert bei zunehmender Mittelbarkeit, Inkonsistenz, An-
omie und Fremdheit der (inter-)personalen Beziehungen um so mehr »Unmittelbarkeit,
permanentes Vorhandensein, Gegenwärtigkeit. An ihm können Wirkungen bewirkt und
konkrete, selbstinitiierte Kausalketten zumindest in einem mittleren Bereich erfahren
werden.« (Bette 1987, 607)
282 |
Reiten Sie mich!
Ich gehe zu Grunde, wenn
mein Rad nicht mit
New-Departure
ausgerüstet wird,
Za beziehen in jedem Fahrrad und durch jede Fahrradhandlung,
Verlangen Sie die kostenfreie New- -Departure Broschüre!
Allein - Vertrieb: Romain Talbot, Berlin. S, 42,
EGON BRAUR
Echter deutscher Weinbrand
Epon Braun ‚ Weinbrennereien - Homburg $
190: New Departure; BIZ 1907, 9
191: Ullstein; BIZ 1919, 44
192: Egon Braun; BIZ 1920, 49
193: Tempo; ST 1952, 9
IMAGE. ZUR GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN
Aufbruch
„Unsinn, Thu
brauchs nic
zur Völkerwanderung
snelda!
Ulistein-Schnittm
nsere Völker
egste überall unter
==
ж verschnupft - sie ist „verschnupft %
ein Hühnchen wird sogleich gerupft.
Drum Ehemann, sei still und klug,
kauf’ dir ein TEMPO-Taschentuch.“
* Gemeint sind die millionenfach bewährten TEMPO- Taschentücher,
die danernde Selbstansteckung vermeiden, die Schw baier
und das Waschen ersparen, Sie sind hygienisch, billig
3. Die ENTWICKLUNG VON IMAGE-KOMMUNIKATION IN DER WERBUNG |283
Хото! белден ой
avorbernnane 504 1806
Torden т Delfruesiand
пей ан +
Swiss Life +
Beech-Nut - überall in der Welt beliebt - ein Kaugummi, der schmeckt Dal: ENTER I Бр
194: Doornkaat; BIZ 1926, 23
195: Astra; ST 1952, 9
196: Beech-Nut; ST 1965, 15
197: Schweizerische Rentenanstalt; ST 2000, 43
284 | IMAGE. Zus GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN
| ter Weihnachtsmann,
ar BI icht so böse Lee
Schenk’ m n or
ich will auch immer artig
Ё fitter werden.
www. fitforfun.msn.de/trainer e
Sierra Tequila. Innen gut, außen mit Hut.
wen.vierretegulia.ee
198: AOL; Max 2003, 12
199: AOL; Max 2004, 10
200: msn; Max 2003, 9
201: Sierra Tequila; Max 2004, 12
3. Die ENTWICKLUNG VON IMAGE- KOMMUNIKATION IN DER WERBUNG | 285
k e
E
König
R "аме
Klar und rein, das ist wichtig- А
Schinkenhäger der ist richtig!
202: Schinkenhäger; ST 1960, 45
203: Quelle; BG 2007, 5
204: DB; ST 2007, 28
у:
gl dur:
der welt
QUELLE
AA
286 | IMAGE. ZUR GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN
3.4.9 Erotik
Die Inszenierung von Erotik spielt in der Werbung bekanntlich eine besonders wich-
tige Rolle. Erotik geht in der Werbung fast immer mit Abbildungen einher, die (insbe-
sondere über das Zeigen nackter Körperpartien) Schlüsselreize zur Geltung bringen
sollen und dies offenbar auch verläßlich tun.”8* Die Werbungsproduzenten hoffen je-
denfalls auf eine Reaktion beim Rezipienten im Stimulus-Response-Schema. Über
die Aktivierung von Wahrnehmungen und Affekten hinaus geht es der Werbung je-
doch immer auch um die sinnhafte Gestaltung von Erotik. Gerade im Bereich der
Konsumgüterwerbung lassen sich früh solche Images beobachten, die erotische At-
traktivität als zentrale Eigenschaft des jeweiligen Objekts markieren.?®° Vor allem
dann, wenn die beworbenen Produkte eine Optimierung des Erotikkörpers in Aussicht
stellen, wird der erotisch attraktive Körper als zentrale Dimension des vom Individu-
um herzustellenden und darzustellenden Selbstes propagiert, und zwar im Rahmen
von Images, die über spezifische Erscheinungsformen definieren, was unter guter Ero-
tik zu verstehen ist.
Die Entwicklung dieses Image-Komplexes beginnt im Zugriff auf Bildvorlagen
anderer Gattungen. Weisser zufolge orientiert sich die Werbung im 19. Jahrhundert
in puncto Körper- bzw. Erotikdarstellung noch fast ausschließlich an der Kunst und
deren Bild der Frau, wobei dieses in der »ersten Blütezeit der Reklame« (zwischen
1880 und 1930) durch die »drei wichtigsten Kunststile: Historismus, Jugendstil und
Art Deco« geprägt bleibt (Weisser 1981, 7).286 Später ist es dann vor allem der Film,
der eine Art Vorreiterrolle und Vorbildfunktion übernimmt. Begriffe wie Sexappeal
oder Sexbombe sowie die damit in Verbindung stehende Ausgestaltung eines spezifi-
schen Frauentyps entwickeln sich nicht nur mit der Werbung, sondern insbesondere
284 Diese Reize scheinen selbst dann zu funktionieren, wenn die jeweiligen Rezipienten
im entsprechenden Moment gar nicht spezifisch motiviert oder interessiert sind (vgl.
Felser 1997, 90; Kroeber-Riel 1990, 69). Erotik, die lediglich für sich selbst Aufmerk-
samkeit herstellt, nicht aber für die Handlung und den Sinnrahmen, in dessen Kontext
das beworbene Produkt eine Rolle spielt, scheint empirischen Studien zufolge den stra-
tegischen Zweck der Werbung oft nicht zu erfüllen: Erotik als Eigenwert wird im Ne-
gativfall zwar wahrgenommen und erinnert, weiteres aber geschieht kaum (vgl. Felser
1997, 315; Moser 1990, 92). Ja umgekehrt kann der Einsatz erotischer Werbung auf der
Ebene der Werte und Einstellungen zu Reaktanz führen (vgl. Smith/Haugtvedt/Anton
1996, 11 ff.).
285 Vor allem Frauenzeitschriften spielen eine Vorreiterrolle als Werbebühnen erotischer
Körperinszenierung und als Generatoren ästhetischer Leitbilder (vgl. Thoms 1995,
243). Nimmergut datiert den regelmäßigen und stilistisch kanonisierten Einsatz von
Erotik in der Werbung (mit einem Vorsprung der USA) auf die 1890er Jahre (vgl. Nim-
mergut 1966, 54 f.).
286 Vgl. zu dieser Einschätzung auch Thoms 1995, 247.
3. Die ENTWICKLUNG VON IMAGE-KOMMUNIKATION IN DER WERBUNG | 287
mit dem Film.?87 Bei aller Intertextualität”®® zu anderen Bereichen visueller Kultur
sind jedoch auch im Zusammenhang der Erotikdarstellungen die werbungsspezifi-
schen Formen symbolischer Generalisierung entscheidend. Sie prägen die werbliche
Erotikkultur, die auf die Bestimmung erotischer Attraktivität (Erotizität) als Image-
Wert spezifiziert ist.
Schon ab den 1920er Jahren wird die Präsenz erotischer Reklamebilder zum The-
ma kritischer Diskurse in den allgemeinen Publikumsmedien, 2°? und im Zusammen-
hang mit der zunehmenden Verbreitung massenmedialer Erotikangebote überhaupt ist
dann in den 1950er Jahren von einer »Sexualisierung« oder »Erotisierung« der Gesell-
schaft die Rede — meist im Sinne einer für problematisch gehaltenen Entwicklung, "20
für die nicht zuletzt die Werbung verantwortlich gemacht wird.??!
Im Blick auf das Untersuchungsmaterial ist die zunehmende Bedeutung und in-
szenatorische Vielfalt von Erotikdarstellungen im Laufe des 20. Jahrhunderts nicht zu
übersehen. Während der Einsatz von Erotik um 1900 noch auf die Reklame für solche
Produkte beschränkt ist, die selbst in engster Weise mit Erotik verbunden sind — so
z.B. »interessante Lectüre für Herren!« oder (Damen-)Unterwäsche (vgl. Abb. 205,
287 Vgl. Nimmergut 1966, 39-50.
288 Daß und inwiefern werbliche Körperschönheitsideale mit solchen Idealen in einem
wechselseitigen Beeinflussungsverhältnis stehen, die in der Mode, über Filmstars,
Mannequins oder durch die Schaufensterpuppengestaltung vermittelt werden, zeigt
ausführlich Thoms 1995, 266-272.
289 Vgl. Thoms 1995, 245.
290 1955 formuliert z.B. Schelsky in Bezug auf die »Sexualisierung« der öffentlichen
Sphäre: »Dies ist nun genau der Mechanismus, mit dem die westliche Zivilisation auch
die unerhörte Konformität zeittypischer sexueller Verhaltensweisen erzeugt: durch
aufdringliches Bereitstellen unausweichlicher Triebphantasmen. Man hat sich oft ge-
stritten, ob unsere Zeit eigentlich einen hohen Grad an Erotisierung zeige oder nicht;
die Bejaher dieser Ansicht konnten für ihre Behauptung auf die Allgegenwärtigkeit
erotischer Bilder in der modernen Publizität und Propaganda, auf die offenherzigste
Ausbreitung sexueller Anreize in Illustrierten, Kinos, Schlagermusik, Reklamebildern,
Fernsehschirmen und sonstwo hinweisen. Die Frage, ob das eine Erotisierung schlecht-
hin bedeutet, erscheint mir belanglos gegenüber der Einsicht, daß durch diese im Dau-
erdruck moderner Massenkommunikationsmittel aufgedrängten erotischen Bilder und
Klischees die im Individuum entspringende Triebphantasie bis zur Untätigkeit entlastet
und also in Wirklichkeit gehemmt wird. Man kommt der individuellen erotischen Ein-
bildungskraft zuvor, indem man ihr zur Übernahme und zum Gebrauch mehr anbietet,
als sie im Durchschnitt von sich aus überhaupt aufzubringen vermocht hätte. Die Folge
ist eine Erotisierung, besser sogar Sexualisierung des modernen Menschen von außen,
eine Daueraktualisierung sexueller Impulse durch die Gesellschaft ohne eigentlichen
Triebdruck vom Individuum her und mit der Konzession weitgehender Phantasie- und
Gefühlsträgheit.« (Schelsky 1955, 125 f.)
291 Vgl. Nimmergut 1966, 11-15.
288 | IMAGE. ZUR GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN
206), läßt sich seit den 1950er Jahren Erotik als objektunabhängiger Image-Faktor be-
schreiben. Mit dieser Expansion geht eine Prägnanzsteigerung erotischer Images ein-
her, und zwar fast ausnahmslos im Rückgriff auf Darstellungen weiblicher Körper.?”?
Thoms spricht für diese Zeit von einer » Aktivierung aller sexuellen Körpersignale
über die Demonstration aller sekundären Geschlechtsmerkmale« (1995, 264), die nun
als Waffen der Frau vorgeführt und empfohlen werden.
Vor der Darstellung verschiedener Semantiken, mit denen die Werbung expli-
ziert, was unter guter (und damit zugleich schlechter) Erotik zu verstehen ist, sei zu-
nächst auf einige Aspekte hingewiesen, die in den verschiedenen Sub-Images eine
Rolle spielen. So gilt z.B. prinzipiell und themenübergreifend, daß Erotik (auch) in
der Werbung auf symbolischen Kopplungen zur leiblichen Sexualität basiert. Dies
bemerkt bereits Schelsky in seiner »Soziologie der Sexualität« (1955), wenn er in
Bezug auf Darstellungen von Sexualität und Erotik feststellt, daß diese »zu einem
Medium künstlicher Kommunikation, zu einem Vehikel der Leiblichkeit werden und
damit neue Bereiche und Formen zwischenmenschlicher erotischer Beziehungen
schaffen, wie wir sie vor allem in den Auswirkungen der darstellenden Kunst, von
den Frauenstatuetten der Steinzeit bis zur modernen Reklame, studieren können.«
(Schelsky 1955, 15)2% Es versteht sich von selbst, daß die bildförmige Entfaltung
dieses Mediums über den Einsatz von verstehensanweisenden Zeichen und Symbolen
erfolgen muß. Der Mensch ist dabei in noch unverzichtbarerer Weise als in den ande-
ren Image-Konstruktionen die zentrale Zeichen- und Symbolressource. Der Körper
und der wechselseitige Körperbezug der Akteure fungiert nicht nur als Matrize der
Darstellung äußerlicher erotischer Attraktivität (Erotizität), sondern auch als Medi-
um psychischer Zustandsbeschreibungen. Am Körper muß also (nicht immer, aber
immer wieder) mehr sichtbar werden als oberflächliche Körperlichkeit, nämlich auch
die Tiefe erotischen Erlebens.??* Neben und mit dem Körper verfügt die Werbung
292 Auf der Seite des Mannes bleibt es dagegen, bei aller Ästhetisierung seiner Rolle und
bei aller Entfaltung einer männlichen Erotikkultur bis heute, bei einer relativen Un-
differenziertheit des inszenatorischen Spektrums und bei einer tendenziellen Unreflek-
tiertheit von Erotik als Identitätswert. Zu einer typologischen Darstellung männlicher
Erotikinszenierungen der neueren Werbung vgl. Zurstiege 1998, Borstnar 2002 und
Willems/Kautt 2003.
293 Genau genommen ist die Inszenierung reiner sexueller Reize gar nicht möglich. Auch
Inszenierungen, die Frauen als sachliche Erotik-Objekte vorführen (Schmerl spricht
im Blick auf die ›Сагмегипо‹ des Gezeigten mit mehr oder weniger nackten Frauen
von einem »Petersilieneffekt«), Können nur im Rahmen einer symbolischen Ordnung
oder Struktur präsentiert werden, hier z.B. derjenigen, die Frauen in einen »natürlichen
Rahmen« (Goffman 1977) stellt.
294 Vor allem der (junge) Frauenkörper wird in der Werbung in den verschiedensten Zu-
sammenhängen als ein erotiksymbolisches Ausdrucksmedium modelliert. Das Frau-
engesicht ist dabei von größter Bedeutung: Mehr oder weniger geöffnete Münder, ge-
schlossene Augen, herausgestreckte Zungen oder verklärte Blicke sollen erotische In-
3. Die ENTWICKLUNG VON IMAGE-KOMMUNIKATION IN DER WERBUNG |289
über verschiedene Symboltypen, um Erotik als Thema zu markieren und Kriterien
der Qualifizierung guter Erotik bereitzustellen. So übernehmen die in der Werbung
häufig zum Einsatz gebrachten Phallus- und Venussymbole eine Rahmungsfunktion
in Sachen Erotik. Zwar meinen nicht alle länglichen Objektformen das männliche
Geschlechtsteil — die Werbung rechtfertigt aber im Rahmen entsprechender An- und
Zuordnungen in vielen Fällen die von Gmelin gemachte Feststellung, daß man ins-
besondere allerlei Waren als »sekundäre Geschlechtsteile« bezeichnen kann (Gmelin
1975, 127).2% Auch Orte und Örtlichkeiten gehören zu der erotiksymbolischen Ord-
nung. Gemeint ist die Bezugnahme auf eine erotische Sinnhaftigkeit von Räumen, die
als allgemein bekannt vorausgesetzt werden kann. Eine Klasse dieser signifikanten
Räume hat sozusagen folkloristischen Charakter. Städte wie Venedig, Rom oder Paris
(bzw. deren architektonische Ikonen) und Landschaften wie die Toskana oder die Ka-
ribik fungieren geradezu als Sinnbilder romantischer Liebe oder erotischer Sensation.
Im intimen Nahraum stellen Sofas und Betten (und Schlafzimmer überhaupt) Örtlich-
keiten dar, denen ein Erotiksinn immanent zu sein scheint.
Ein weiterer Grundzug dieses Image-Komplexes besteht darin, Erotizität an
bestimmte Körperwerte zu binden, die in den verschiedensten Inszenierungen als
erotische Erfolgswerte vorgeführt werden. Gute Erotik konstruiert die Werbung
also grundlegend über die Selektion gezeigter Körper.” In diesem Image-Rahmen
erscheinen nur die Körper, die gängigen Schönheitsvorstellungen zufolge perfekt
ѕіпа.297 Als die wichtigsten Eigenschaften des Erotikkörpers werden im gesam-
ten Untersuchungszeitraum propagiert: Schlankheit,?°® Symmetrie (insbesondere
der Gesichtszüge), bestimmte Proportionen (z.B. lange Beine im Verhältnis zum
volviertheit, Verzücktheit oder Ekstase darstellen. Die Selbstberührung der Lippen mit
den Fingern, das Lecken und Befeuchten derselben mit der Zunge, das Knabbern an
ihnen, das Zusammenpressen oder Anspitzen des Mundes sind weitere orale Handlun-
gen, die als erotisches Engagement, als Begierde und Zugänglichkeit oder als Anspie-
lungen auf sexuelle Praktiken verstanden werden können und sollen. Hinzu kommen
Körperhaltungen wie gespreizte Beine, Gesten wie die in den Mund gesteckten Finger
usw., die erotische Bereitschaft und Affekte der Darstellerinnen indizieren.
295 Vgl. zu zahlreichen Beispielen Gmelin 1975, 122-127.
296 Vgl. Solomon u.a. 1993.
297 Daß die Werbung zugleich selbst an der Durchsetzung und dem Wandel entsprechender
Ideale beteiligt ist, dürfte kaum zu bestreiten sein.
298 Obwohl Schlankheit um 1900 schon ein Ideal in Sachen Erotikkörper ist und Kör-
perfülle implizit als Stigma erscheint, lassen sich hier auch noch (wenige) Anzeigen
finden, in denen dünne Körper als unattraktiv thematisiert werden, so z.B. in einer An-
zeige, die eine schlanke Frau zeigt, die ihre gute Figur dem Text zufolge nicht einer Ab-
nahme-, sondern einer Zunahme-Diät verdankt. Deutlich sichtbare Abweichungen von
diesen Werten wie etwa »rote Hände«, »Nasenfehler«, oder abstehende Ohren können
bereits um 1900 als Stigmata dramatisiert werden, deren Beseitigung (auch Männern!)
empfohlen wird.
290 | IMAGE. ZUR GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN
Oberkörper, schlanke Taille, hochsitzende Brüste (bei der Frau) sowie bestimm-
te Merkmale des Gesichtes (volle Lippen, schmale Nase, große Augen), der Haut
(Glätte, Makellosigkeit, Haarlosigkeit) und anderer Körperaspekte (straffe Brüste
(der Frau), Muskeln (des Mannes), gepflegte Finger- und Fußnägel, volles und glän-
zendes Haar, weiße und symmetrisch ausgerichtete Zähne). Das Perfektionsmaß
des Erotikkörpers wird also ausschließlich an sichtbaren Körpereigenschaften fest-
gemacht und dramatisiert. Wichtige Attribute des idealen Erotikkörpers sind neben
und mit den genannten Jugendlichkeit und Reinheit. Letztere wird nicht selten durch
den dramaturgisch hervorgehobenen Einsatz kristallklaren Wassers zum Ausdruck
gebracht. Es umspült den nicht nur attraktiven, sondern auch »porentief« reinen
Körper. Klares Wasser und saubere Nacktheit gehören als Symbolisierungen von
Reinheit zu einem Vorstellungskomplex, in dessen Rahmen Schweiß, Menstruati-
onsblut, Mundgeruch und Haare an der »falschen« Stelle (z.B. unter den Achseln)”
als unnatürliche Mängel oder Defekte gelten, die ihre Träger(innen) stigmatisie-
ren. Dabei ist unübersehbar, daß die Produkte zur Reinheitserzeugung wie deren
Inszenierungsformen im Laufe des 20. Jahrhunderts vielfältiger werden. Während
Haarentfernungspräparate schon zu den regelmäßig beworbenen Gegenständen um
1900 gehören, etabliert sich bald eine Produktpalette (z.B. Deodorants, Mundwas-
ser, Kaugummis), für die dann mit Images geworben wird, die den zivilisierten und
in gewisser Weise denaturalisierten Körper als guten und (daher) legitimierten Ero-
tik- bzw. Sexkörper stilisieren, und zwar im Rahmen von Bildern, deren präzisierte
Oberflächendarstellung neue Maßstäbe in Sachen Reinheit, Glätte usw. zu setzen
vermag 200 Es liegt auf der Hand, daß diese Fundierung positiver Erotik insbeson-
dere in solchen Reklamen in Erscheinung tritt, die für Produkte werben, die sich auf
die Herstellung bzw. Optimierung des erotischen Körpers beziehen — vor allem also
in der Werbung für Kosmetik, Körperpflegeprodukte und Mode bzw. Unterwäsche.
Aber auch in vielen anderen Zusammenhängen entfaltet die Werbung über die kon-
sistente Selektion und Präparation ihrer Modelle erotische Ideale als eine Qualität
der jeweiligen Images. Dabei erweckt sie im Ganzen ihrer Inszenierungen den Ein-
299 Haare gelten als unrein, insofern sie die Glätte der Haut irritieren. Sie erscheinen auch
gleichsam als Schmutzfänger.
300 In der jüngeren Vergangenheit wird diese Reinheitssemantik scheinbar immer wieder
invertiert: So sieht man schwitzende, ölverschmierte, mit Dreck beschmutzte Frauen-
leiber, und zwar gerade dann, wenn es sich um offensichtlich erotische Inszenierun-
gen handelt. Es scheint, als werde der Körper hier, sozusagen in die Gegenrichtung
von Reinheit als Ursprünglichkeit, naturalisiert. Bemerkenswert ist jedoch, daß sich
diese Inszenierungen nicht um eine realistische Darstellung von Schmutz bemühen.
Vielmehr werden Schmutzdekorationen gezeigt, die eine eigentümliche Spannung zu
dem erotischen Perfektkörper erzeugen, auf den sie aufgetragen wurden. Es geht hier
um die symbolische Darstellung von Schmutz als solchem auf dem Hinter- bzw. Un-
tergrund von Reinheit, also um eine akzeptable (zivilisierte) Form des Schmutzes und
Beschmutzens.
3. Die ENTWICKLUNG VON IMAGE-KOMMUNIKATION IN DER WERBUNG |291
druck, daß es nicht nur einen Zusammenhang von Körperschönheit und erotischem
Erfolg gibt, sondern daß auch die Qualität erotischer Erlebnisse eine Funktion der
Körperschönheit der (Inter-)Akteure ist: Die schönsten Menschen haben demnach
auch die schönste Erotik und den schönsten (heißesten, reinsten) Sex.
Die verschiedenen erotischen Körperwerte sind als Definitionsgrundlage guter
Erotik um so wichtiger, als ein sich historisch entfaltendes Spektrum von Erotikinsze-
nierungen darauf abzielt, den Körper - insbesondere den der Frau — zu objektivieren,
d.h. als eine Sache erscheinen zu lassen. Das Inventar von Gestaltungsmitteln ent-
spricht tendenziell dem der Pornographie 20) Zentral ist die Zerlegung des Körpers
durch Bildausschnitte, die nur einige der als erotisch attraktiv vorgeführten Körper-
teile zeigen, wobei das Gesicht als Identitätsaufhänger der Person bezeichnender-
weise oft ausgespart bleibt: Das Dekollete, der Hüftbereich (Bauch/Po) oder die Bei-
ne sind hier die Körperzonen, die ihrerseits von detaillierteren Ausschnitten ergänzt
oder ersetzt werden können. Derartige Partialisierungen generieren eine bestimmte
Verkörperung des Körpers und sie beschränken und konzentrieren den Körper auf
seine physische Erscheinung, die als Objekt erotischen Begehrens stilisiert wird (vgl.
Abb. 208-212).?% Als erotisches Spielzeug und Lustobjekt ist die Reklamefrau gele-
gentlich schon in den Werbung am Beginn des 20. Jahrhunderts auf den ersten Blick
zu erkennen, und zwar an ihrer (Reiz-)Wäsche. Auffällig ist dabei, daß im gesam-
ten Untersuchungszeitraum eine Pflanzen-Ornamentik vorherrscht, die nicht nur das
Verhältnis von erotischer Transparenz und Intransparenz reguliert, sondern auch eine
symbolische Dimension besitzt: Blumenmuster und ähnliche Pflanzenmotive rahmen
den Körper der Frau als schöne Natur.?®
Neben verschiedenen Formen weiblicher Selbstberührung (Abb. 107, 168, 213,
214) und weiblichen Posierens (vgl. Abb. 215-219) sind die Erotikinszenierun-
gen nicht zuletzt durch alltägliche Vorstellungen des erotischen Hofierens der Ge-
schlechter bestimmt. Die lebenswirkliche Interaktionsordnung in Sachen Erotik ist
also für die Werbung ein Modell, das ihr als Bezugsrahmen ihrer Image-Konstruk-
tionen dient. Besonders deutlich wird das in den schon relativ früh vorkommenden
Inszenierungen, die das traditionelle Hofierungsschema als Blickschema kopieren.
301 Man kann diese Versachlichung/Entsubjektivierung bzw. Naturalisierungen des weibli-
chen Geschlechts mit dem Begriff des Obszönen in Verbindung bringen (vgl. Willems
1998).
302 In der hier analysierten Konsumgüterwerbung steht die Partialisierung natürlich oft im
Zusammenhang mit der Funktion, ein zu bewerbendes Produkt vorzuführen. So sieht
man entkontextualisierte Beine in der Werbung für Strümpfe, Brüste in der Werbung
für BHs, Finger und Hände in der Werbung für Schmuck oder Nagellack usw. Die Wer-
bung schließt damit an einen Partialisierungssinn an, der diesen Objekten oftmals auch
in der Lebenswirklichkeit zukommt.
303 Zu diesen und anderen Entsubjektivierungen bzw. Naturalisierungen des weiblichen
Geschlechts vgl. Willems/Kautt 2003, 322-326.
292 | IMAGE. ZUR GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN
Dies kann auf zwei Ebenen geschehen. Auf der ersten Ebene wird das erotische
Blickspiel im Bild reproduziert: Während der Werbemann, oft im Hintergrund posi-
tioniert, als distanziert-interessierter Beobachter und Begutachter der Frau erscheint
oder ihre Attraktivität von der Seite mit anerkennenden Blicken Tribut zollt, führt
sie die Palette ihrer Reize vor (vgl. Abb. 217-219).?0* Hier gilt dann im Sinne einer
Verdoppelung des bekannten Prinzips: »Männer sind Anschauende, Begutachtende
oder Bild-Macher, Frauen sind Angeschaute, Begutachtete, Bildvorlagen« (Schmerl
1992, 21). Auf einer zweiten Ebene wird das Blickverhalten in Bezug auf einen
außenstehenden (Bild-)Betrachter konstruiert, den erotisch kontextierte Frauen bli-
ckend ansprechen (vgl. Abb. 218, 219, 221, 222). Sie erwecken dann den Eindruck,
von ihrer Rolle ebenso überzeugt wie erfreut zu sein, wobei meist eine reizvolle
(Ent-)Kleidung und das Exponieren einzelner Körperpartien die Botschaft unter-
stützt, daß sie und ihr Körper als »Anblick« (Berger 1998) gelesen werden sol-
len und wollen 202 John Berger beschreibt das weit in die Kunstgeschichte zurück-
reichende Mienenspiel so: »Es ist der Ausdruck einer Frau, die mit kalkuliertem
Charme auf den Mann reagiert, den sie sich als ihren Betrachter vorstellt — ohne ihn
zu kennen. Sie bietet ihre Weiblichkeit an als das (vom Prüfer in der Frau) Geprüf-
te« (Berger 1998, 52). Die Inszenierung der Frau (die ein Sujet darstellt) ratifiziert
demnach das männliche Begehren; die Frau weiß und will wissen, daß sie begehrt
wird, und sie operationalisiert dieses Wissen und Wissenwollen gleichsam im Rah-
men ihrer Selbstpräsentation. Es handelt sich um eine bildspezifische Modulation
des lebenswirklichen Hofierens mit dem Zweck, den ausgeschlossenen Bildbetrach-
ter einzuschließen, und d.h. die erotische Attraktivität als Image-Wert zu diesem in
eine direkte(re), gleichsam interaktive Beziehung zu setzen.
Neben und mit den genannten Symbolisierungen, Körperwerten und Formen des
Hofierens entwirft die Werbung Images guter Erotik, indem sie das Thema in verschie-
dene, über Erotik hinausweisende Kontexte einbindet, die ihrerseits spezifizieren, was
unter guter Erotik zu verstehen ist. Einige dieser erotischen Subkulturen werden im
folgenden skizziert.
304 Beliebt ist auch das Motiv »photographierender Mann mit posierender Frau: (vgl. Abb.
219 u. 220).
305 Dies verdeutlichen neben und mit dem klassischen Motiv der die eigene Schönheit
reflektierenden »Frau mit Spiegel, solche Inszenierungen, in denen Frauen (niemals
Männer) sich buchstäblich als Bild für ihre Geliebten inszenieren — so z.B. im Rahmen
der Werbung für Photoapparate, oder (später) für Videokameras, (mobile) Bildtelepho-
ne oder Webcams.
3. Die ENTWICKLUNG VON IMAGE-KOMMUNIKATION IN DER WERBUNG |293
a) Erotisches Mysterium
Ein traditions- wie variantenreicher Typus dieser Programmressource zeichnet sich
durch die Tendenz aus, das Erotische als ein Geheimnis zu stilisieren, in dem sich
ein tieferer Sinn verbirgt.’ Die Idealisierung weiblicher Körperschönheit im Rück-
bezug auf mythologisierende Darstellungen der Kunst, die sich in der Werbung des
19. und des beginnenden 20. Jahrhunderts einer gewissen Beliebtheit erfreut, kann
man als einen Schritt in diese Richtung interpretieren. Folgt man Thoms, erklärt
sich diese Darstellungsweise über den Sachverhalt, daß die Darstellung bloßer Ero-
tik in dieser Zeit noch als unschicklich gilt — die künstlerisch veredelte Erotik wäre
demnach eine funktional notwendige Pasteurisierung von Nackthei 207 In diachro-
ner Perspektive ist allerdings erkennbar, daß sich die Konstruktion geheimnisvoller
Verhüllungserotik in den späteren Jahrzehnten keineswegs auflöst. Im Gegenteil!
Solche Images kommen bis in die Gegenwart vor und bilden gerade in der jüngsten
Vergangenheit der Werbung einen Schwerpunkt ihrer Erotikinszenierungen. Der
weibliche Körper steht dabei in den Entwürfen erotischer Mysterien von Anfang
an im Vordergrund. Während die frühen Geheimnisbildungen im wesentlichen auf
Verdunklungseffekte festgelegt sind, entsteht mit der Zeit ein umfangreiches Me-
thoden-Inventar zur semantischen Vertiefung und Auratisierung von Erotik. Frauen-
körper werden z.B. hinter Schleiern, Netzen, Fächern, Stoffen usw. verborgen oder
von Spiegeln verzerrt oder vervielfältigt (vgl. Abb. 224). Auch das Spiel mit Kör-
perpartialisierungen, Perspektiven und anderen Gestaltungsmitteln (Unschärfen,
Weichzeichner, Bildmontagen und Filmschnitte) wird subtiler und ermöglicht die
Herstellung surrealistischer Bildrätsel, die allegorisch eine außergewöhnliche und
geheimnisvolle Wirklichkeit der Erotik zum Ausdruck bringen sollen. Nicht zuletzt
tragen die Bühnen und Kulissen zu einer Mystifizierung und Annäherung des Ero-
tischen an das Übersinnliche und Religiöse bei. Die einfarbigen Hintergründe, die
in den ersten Jahrzehnten noch Assoziationen mit der Alltagswelt unterbinden, ma-
chen später diversen Phantasiekulissen Platz, so z.B. synthetischen Möblierungen,
306 Die Verknüpfung von Erotik und transzendierenden, spirituellen Erfahrungen ist selbst-
verständlich keine Erfindung der Werbung. Schelsky stellt fest: »Die Ähnlichkeit der
Haltung gegenüber Sexualität und Religion ist immer erkannt und z.B. von W. Schu-
bart als ein vollkommener Parallelismus geistvoll analysiert worden; ihre weitgehende
Verschmelzung kann man darauf zurückführen, daß sowohl in beiden dem Menschen
schwer manipulierbare Bedrohungen des Gewohnten und der Alltagsordnung entge-
gentreten als auch, daß beide Lebensgebiete ihm die Chance der extremen Lebens- und
Gefühlszustände bieten.« (Schelsky 1955, 94)
307 Für die Zeit um 1900 stellt Thoms fest: »Das Motiv der Venus selbst wird in der Wer-
bung häufig aufgegriffen, meist in der Darstellung griechisch anmutender Frauen. Die
zeitweise Bevorzugung dieses Motivs dürfte sich damit erklären lassen, daß Idealisie-
rung, Allegorisierung und damit feste Eingliederung dieses Motivs in das künstlerische
Repertoire spätestens seit dem Historismus auch im Bildungsbürgertum keinen Ver-
dacht auf Erotisierung aufkommen ließen.« (Thoms 1995, 245 f.)
294 | IMAGE. ZUR GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN
historischen Bauwerken ferner Länder oder Naturmotiven wie Wüsten, Meeren,
Bergen und Himmelsansichten, die für die Größe und Erhabenheit dessen stehen,
was als Mysterium anklingen soll.
Im Rahmen der so verzauberten Welten verkörpern die Darsteller überdeutlich
ihre Leidenschaft und Versunkenheit in den erotischen Vorgang, in dem sie sich viel-
fach zur Gänze aufzulösen scheinen: Eng umschlungene Leiber, nach hinten geworfe-
ne Köpfe, ekstatisch aufgerissene Münder sind ebenso zu sehen wie Einzelpersonen,
die sich, offenkundig nach Innen gewandt, ihren sinnlich-übersinnlichen Erfahrungen
hingeben. Erotisch engagierte Akteure und Akteurinnen, die ihre Augen wie in Trance
gen Himmel emporrichten, erinnern an das aus der Kunstgeschichte bekannte Motiv
des »himmelnden Blicks«, der eine Nähe zum Heiligen, eine religiöse Erfahrung zum
Ausdruck bringen sollte (vgl. Abb. 227). Symptomatisch für die Transzendenz des
erotischen Mysteriums ist, daß die gezeigten Interaktionen die in der Werbung an-
sonsten vorherrschende symbolische Geschlechterordnung dekonstruieren (vgl. Abb.
226). Zu sehen sind in diesen Images z.B. passive Männer, die sich als ganz hingege-
bene Wesen berühren und verführen lassen. Derartige Inszenierungen zeugen von der
Eigensinnigkeit und Anarchie des erotischen Mysteriums, in dem die »reale Realität«
und die dazugehörige Interaktionsordnung umgekehrt werden kann. Dabei geht es
nicht nur um ein besonderes Erlebnis- und Glücksversprechen, sondern auch um ein
Seins- und Heilsversprechen, das gerade in der jüngeren Vergangenheit immer wieder
dramatisch herausgestellt wird. Als Beispiel kann hier eine Werbung für das Parfum
»Escape« (Calvin Klein) dienen: Zu sehen ist ein Liebespaar, eingekeilt von zwei wei-
Ben, glatten, d.h. haltlosen Wänden, die sich nach hinten zu einem Spalt verjüngen,
ohne daß ein Ende der Verengung in Sicht wäre, denn von hinten erhellt gleißendes
Gegenlicht die Szene. Die Darstellung des sich umschlingenden und (fast) küssenden
Paares ist von einer eigentümlichen Aura umgeben, die die erotische Intimität als
letzten Halt vor dem Abgrund, dem Nichts erscheinen läßt. Wie der Körper als solcher
wird die (körperliche) Erotik hier als Wahrheit und Substanz stilisiert, an die man sich
angesichts der Fragilität, Riskanz und Flüchtigkeit des Lebens noch halten kann (vgl.
Abb. 228).
b) Feine Erotik
Ein anderes Erotik-Image entwerfen Inszenierungen, die Erotik als Handlungs-
und Erlebnisfeld feiner Leute darstellen. Neben den üblichen Körperwerten spielt
dann die Sichtbarmachung von (Status-)Exklusivität eine hervorgehobene Rol-
le. Ein Kennzeichen ist die Dezenz der Kleidung (vgl. Abb. 229-231). Sie zielt
weniger auf eine Rahmung erotisch attraktiver Körperteile als vielmehr auf eine
schlichte Eleganz, deren erotischer Hintersinn sich nicht in den Vordergrund spielt.
Diese Form der Feinheit wird unterstützt durch eine »geschmackvolle< Auswahl
von Bühnen, Kulissen und Requisiten, die den kultivierten Lebensstil feiner Leute
ins Bild setzt und über aussagekräftige Statussymbole (z.B. Schmuck) zu einer
Veredelung der Erotik beitragen soll. Der Zivilisiertheit der Kleidung entspricht
3. Die ENTWICKLUNG VON IMAGE-KOMMUNIKATION IN DER WERBUNG |295
ein beherrschtes Verhalten der Akteure: Gestik und Mimik künden hier nicht von
erotischer Ekstase, wohl aber von einem spezifisch-erotischen Interesse der Han-
delnden. Ein prägnantes, bekanntes und daher erwähnenswertes Beispiel hierfür
geben die Spots und Anzeigen, die in etwa seit den 1970er Jahren das Image der
Marke »Campari« bestimmen. Mann und Frau, gleichermaßen in edle Kleidung
gehüllt, die beim Mann fast keine und bei der Frau vergleichsweise wenig Haut
freigeben, begegnen sich in diesen Inszenierungen in einer auf das Mindeste re-
duzierten Umgebung (eine Wand, ein Barhocker, eine stilisierte Theke), um wort-
los einen Drink zu sich zu nehmen. Gut kalkulierte Blicke, winzige Regungen
im Gesicht und entsprechende Körperhaltungen deuten eine erotisch aufgeladene
Beziehung und (Intim-)Kommunikation an, die davon bestimmt wird, daß sich die
Akteure ebenso stark voneinander distanzieren, wie sie aufeinander Bezug neh-
men. Die zur Schau gestellte Distanz und Coolness (zivilisierte Kühle) etabliert
einen Hintergrund, vor dem die heiße Erotik als Subtext entfaltet wird. Diese
Impression einer Mischung aus (Noch-)Selbstkontrolle und zu erwartender ero-
tischer Affektivität (Heftigkeit) der Akteure kommt auch in der Lichtgestaltung
zum Ausdruck, die kalte Farben (Dunkelblau) in den Kontrast zu warmen Farben
(Violett und Rot) setzt (vgl. Abb. 232).
c) Auto-Erotik
Eine weitere Image-Ressource bilden Inszenierungen, die verschiedene Dimensionen
des Autos, des Autofahrens und des Autoverkehrs als ein Feld erotischer Zeichen und
Symbole stilisieren. Aus naheliegenden Gründen kommen diese Images vorzugsweise
in der Automobilreklame zum Einsatz, wenngleich in den untersuchten Materialien
erst in den 1960er Jahren. Zentral ist zum einen die bildliche Verknüpfung physisch
faßbarer Dimensionen des Kraftfahrens (wie Beschleunigung, Tempo) mit erotischem
Handeln und Erleben, z.B. durch entsprechende Bildsequenzen, die eine natürliche
Abfolge von Autofahren und Sex suggerieren. Neben und mit der Betonung des ero-
tischen Erlebnischarakters des Autofahrens operiert die Werbung mit einer automo-
bilen Sexsymbolik im engeren Sinne. Die konkreten Formen des Autodesigns werden
dann mit Körperteilen und deren erotischer Attraktivität in Verbindung gebracht. Die
Inszenierungen arbeiten dann mit einer Arbeitsteilung der Geschlechter. Während die
Arbeit der Frau darin besteht, als erotisch stilisiertes Objekt neben, auf oder in dem
Auto als eine dem Design gleichwertige Form zu posieren — die Formen der Autos
werden als homolog zum weiblichen Körper stilisiert — besteht die Arbeit des Mannes
darin, sich an diesen Formen zu erfreuen und sie als Maschinist souverän zu beherr-
schen.
Kennzeichnend für diesen Erotiktypus ist, daß die unmittelbare Zugänglichkeit
von Sex als Positivwert stilisiert wird. In ähnlicher Weise wie in der Pornographie
entwerfen diese Images eine Bildwelt, in der die Subjektivität und die Sozialwelt der
Akteure nicht als Zivilisierungsbremse wirken, sondern in der die sozialen Beziehun-
gen systematisch ausgeblendet bzw. auf den Willen zum Sex reduziert werden. Die
296 | IMAGE. ZUR GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN
entsprechenden Bilder werden häufig von sprachlichen Zweideutigkeiten gestützt, die
die erotische Lesart der Bilder betonen und pornographische Inhalte (die nicht gezeigt
werden dürfen) assoziierbar machen.
d) Ethnizität
Eine weitere Spezial-Erotik gewinnen Image-Kommunikationen über die Kategorie
der Ethnizität. In der deutschen Werbung stehen z.B. »südländische« Darsteller und
Darstellerinnen für ein erotisches Erleben und Handeln der besonderen Art. Einen
Hintergrund hierfür liefern Vorstellungen von den »Minderzivilisierten«, die Rath
wie folgt beschreibt:
Von kulturell geforderter, fühlbarer Einbuße an Lust und der daraus resultierenden Unbe-
friedigung scheinen die Fremden verschont. Es ist, als seien sie frei von Schuldgefühlen,
würden nicht von Gewissensanforderungen gepeinigt, etwa bezüglich der Notwendigkeit,
die eigene Zeit gewinnbringend zu nutzen, anstatt sie mit Liebe, Spiel und Palaver zu ver-
tun. Der Traum von ihrer größeren Natürlichkeit und Freizügigkeit enthält die Vorstellung,
die »Minderzivilisierten< unterlägen laxeren oder gar keinen Verboten (1990, 16, zit. n.
Spieß 1995, 83 f.).
Im Rahmen dieser kosmologischen Figur werden südländische Nationalitäten
des europäischen Auslands (SpanierInnen, ItalienerInnen, GriechInnen) und
Ethnien anderer Kontinente (Asien, Afrika, Amerika) schon seit längerem regel-
mäßig als Identitäten mit besonders starken erotischen Attributen stilisiert. Die
entsprechenden Frauen und Männer stehen in der Werbung für eine aufregende
»exotic love« und verkörpern eine natürlich-erotische Triebhaftigkeit. So kann
ein dunkelhäutiges Model wie Naomi Campbell an ihre Geschlechtsgenossinnen
appellieren: »follow your instinct« (Naomi Campbell/Parfum 2000). Da hell-
häutige Menschen anscheinend nicht (mehr) über diesen Instinkt verfügen, kann
ihnen die Werbung schon einmal produktive Abhilfe versprechen, so z.B. in Form
blumenbedruckter »Tropicana«-Unterwäsche — mittels derer auch nordländische
Blondinen »dem Alltag einen Schuß exotischer Würze geben« können (Schiesser,
ST 1974, 6). Besonderen Nachdruck und Eindeutigkeit verleiht die Werbung den
Erotikstereotypen des Südländers und der Südländerin durch die Stilisierung von
Requisiten (z.B. offene Hemden, folkloristische Erotikmode) und Verhaltensstilen
(gefühlsbetontes Sprechen und Gestikulieren) sowie durch den Einsatz charak-
terisierender Vokabeln im kommentierenden Text (»rassig«, »temperamentvoll«,
»leidenschaftlich«).
Zu der werblichen Ethnien-Erotik gehört auch der Einsatz bestimmter Land-
schaften, die wie ihre Bewohner durch den Reiz ihrer Exotik bestechen. Als Gegen-
motiv zur zivilisierten Welt soll die Natur die Möglichkeit der Rückkehr zu einer
erotischen Natürlichkeit bzw. zur Natur des erotischen Körpers illustrieren. Vor al-
lem tropische Landschaften (z.B. Karibik, Malediven) werden in diesem Sinne im-
3. Die ENTWICKLUNG VON IMAGE-KOMMUNIKATION IN DER WERBUNG | 297
mer wieder als Glücksnatur inszeniert: Wenn die Sonne auf weiße Strände scheint
und klares Wasser zum Baden lockt, pflegen die dargestellten Akteure wie selbstver-
ständlich eine (Fast-)Freikörperkultur, die an die unterstellte glückliche Schamlo-
sigkeit der »Naturvölker« erinnern soll 208 Das Idealklischee der paradiesischen Na-
tur verweist zudem auf die Realität des Urlaubs — also auf einen Raum für zeitlich
begrenzte Fluchten aus dem Alltag. Dieser realistische Hintergrund tritt besonders
hervor, wenn Orte wie Schiffe, Strände oder Swimming Pools vom erwünschten
Dolce Vita zeugen. Hier sieht man immer wieder unverkennbar Urlauber, die von
heißblütigen »Naturmenschen« vor Ort verführt werden (meist in der Konstellation:
Frau verführt Mann).
Indem die Analyse das zunehmende Vorhandensein verschiedener und in gewis-
ser Weise konträrer Erotik-Images feststellt, läßt sie die Schlußfolgerung zu, daß
die Entwicklung der Werbungserotik nicht auf einer Achse der (Ent-)Zivilisierung
verläuft und sich demzufolge nur sehr partiell zivilisations-3°” oder informalisie-
rungstheoretisch?! rekonstruieren läßt. Hier wie in Bezug auf andere Image-Res-
sourcen ist vielmehr evident, daß die Image-Programmierung der Flexibilisierung
der Kriterienbildung im Blick auf verschiedene Publika dient bzw. daß es zu einer
Differenzierung unterschiedlichster Qualitätskriterien (hier: guter Erotik) kommt.
Vergleichbar sind die verschiedenen Erotik-Images aber insofern, als die jeweili-
gen Inszenierungen über die selektive Behandlung der Oberflächen in sich selbst
definieren, was unter guter Erotik zu verstehen ist. Und eben dies leistet die direkte
(unzivilisierte, informalisierte) Erotik, die sich inzwischen stilistisch und drama-
turgisch an der Pornographie orientieren kann (vgl. Abb. 234), ebenso wie die kul-
tivierte (zivilisierte, formalisierte) Erotik feiner Leute oder die Inszenierung des
erotischen Mysteriums. Geht man von einer Struktur der Image-Kommunikation
im Sinne einer Differenzierung von Codierung und Programmierung aus, wird ver-
ständlich, inwiefern sich scheinbar widersprüchliche Aussagen der vorliegenden
Literatur zum Thema (Ent-)Zivilisierung in einen sinnvollen Zusammenhang brin-
gen lassen: Während z.B. Nimmergut, der eine der wenigen breit angelegten Un-
tersuchungen zum Thema »Werben mit Sex« durchgeführt hat, die Geschichte der
308 Dabei wird deutlich, daß z.B. die Schamlosigkeit des »Bacardi-Stammes« voraussetzt,
daß die vorgeführten Frauen- und Männerkörper den (mindestens in der Werbung)
herrschenden Schönheitsidealen entsprechen. Es gibt also in dieser Richtung nichts,
wofür sich die Akteure schämen müßten — ja umgekehrt wird (weitgehende) Nacktheit
in diesem Fall dazu benutzt, Körperperfektion zu demonstrieren. Die hier gemeinte
Schamlosigkeit hat also nichts mit der scheinbaren Schamlosigkeit der sogenannten
Primitiven zu tun, sondern verweist gerade umgekehrt auf besonders scharfe Scham-
und Peinlichkeitsgrenzen, die in der zivilisierten Gesellschaft (u.a.) der Werbung gezo-
gen werden.
309 Vgl. Elias 1980.
310 Vgl. Wouters 1979.
298 | IMAGE. ZUR GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN
Werbung (bis 1966) durch einen mehr oder weniger klaren Trend weg von direkten
Erotik-Darstellungen hin zur Andeutung und zur Sublimierung sexueller Themen
gekennzeichnet sieht,?!! sehen andere Autoren wie z.B. Thoms (1995) oder Jen-
drosch (2000) die Erotik der Werbung im allgemeinen durch eine zunehmende Frei-
zügigkeit und einen Abbau von Darstellungsgrenzen geprägt. Die vorliegende Un-
tersuchung verdeutlicht, daß beide Aussagen zugleich zutreffen, insofern man eine
Spezifizierung feiner Erotik in Richtung Gegenwart ebenso feststellen kann wie die
Entwicklung solcher Varianten, die mit einer nahezu pornographischen Obszönität
operieren. Der Widerspruch entsteht also erst dann, wenn man die Zu- bzw. Abnah-
me von Kultiviertheit und Zivilisiertheit als den entscheidenden Bezugsrahmen der
Erotikdarstellung in der Werbung interpretiert bzw. wenn man den Versuch unter-
nimmt, die empirisch zunehmend vielfältiger werdenden Erotiken der Werbung in
eine zivilisationstheoretische Klammer einzufügen.
311 Nimmergut behauptet also so etwas wie einen diskursiven (reflexiven) Zivilisations-
prozeß (in) der Werbung, weg von ihren »Flegeljahren«, und belegt dies durch ver-
schiedene Beispiele aus dem frühen 20. Jahrhundert: »Junge Nackedeis saßen auf
Kohleschaufeln und verkündeten zwinkernd den überaus originellen Slogan: »Sie heizt
zwar besser ein, aber Kohlen brauchen Sie trotzdem, Kohlen von xyz.« « (Nimmergut
1966, 55) Auch Werbeslogans, die mittels Photomontagen auf nackte Frauenrücken
gleichsam tätowiert wurden oder Behauptungen im Werbetext, mit den Artikeln hätten
Vertreterinnen des ältesten Gewerbes der Welt den bourbonischen Prinzen verführt,
interpretiert er als Hinweise in diese Richtung. Bemerkenswert in diesem Zusammen-
hang ist auch, daß Werbungen für Produkte mit assoziierten Themen, wie Medikamente
gegen Geschlechtskrankheiten oder Impotenz, bereits um 1890 kein Tabu mehr waren
(vgl. ebd. 55 Ё).
3. Die ENTWICKLUNG VON IMAGE-KOMMUNIKATION IN DER WERBUNG | 299
Interessante Lectüre für Herren!
Sooben erschienen:
Neue, glänzend ausgestattete u. illustr. Ausgaben,
· Boccaccio, Dekamerone
‚ Casanova, Galante Memoiren
Chevalier de Faublas, Abenteuer.
octüro diosor berühmten galant. Erzähler
. elogant. Ausstattung für jodon о. Genuss,
Prois р. Bd. Mk. 2,20, allo З zusammen Mk. 5,30 free,
M. Luck, BERLIN 51, Brunnenstr, 24.
{ Ур, d D
Mansagt dazu >
„Salznäpfe“ = L
—
Magerkeit be-
ationsstörung,
das mangelhaft funk-
usschlag gibt. Der
cher Störung wird der
baustofT Drei-Nerv gerecht,
ur oberflächlich, sondern auch
will, dem steht der Körper-
Nerv zur Verfügun;
hnet Drei-Nerv dem
3 cine Anreicherungs-
er Ste'gerung des all-
gleitet ist. Drei- Nerv
onen hergestellt und
Zu haben ў
in D
Apotheken j%
und
Drogerien
Gratisgutschei
Prip. A.-G., В
Geschmacksproben un
w r41 h. Senden Sie mir
iteratur kostenlos.
205: M. Luck; BIZ 1901, 35
206: Hautana; BIZ 1904, 49
207: Drei Nerv; BIZ 1936, 14
208: Kaloderma; BIZ 1936, 14
HAUTANA “ar
Las auf der Haut zu an
auselastischem Trikotgewebo
.3.—, 4.50, 5.50, 8.75 pro Stück.
u. Miederansatz
für Sportzwecke und (йе
Damen mit starker Brust
ände
und Erfolg
latte, gepflegte Hände
sindimmer Ausdruck
einer gepflegten Persön-
lichkeit und si
Kampf um
das Spezialmittel 2
Pilege der Hände, verhin-
dert mit Sicherheit
und F und kneten Sie
tüch werden
bemerken, « kurzen
Sie Kaloder
ken und be
grifiene, rauhe und rote Ha
r weich und
KXLODER MA
Das \LODER Му
ZUR PFLEGE DER HÄND I
In Tuben zu RM —.30,
4 und 1,
F-WOLFF & SOHN-KARLSRUHE
300 | IMAGE. Zur GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN
San Kat
е
Ker ieren
Lifi
\lıne
2000
түүнү
CLARINS
PARIS
t
HOMME '
209: Arwa; ST 1952, 9
210: Clarins; ST 2000, 8
211: Joop; Max 2004, 12
212: Estée Lauder; Max 2001, 8
3. Die ENTWICKLUNG VON IMAGE- KOMMUNIKATION IN DER WERBUNG | 301
үү
KOR PER PUDER]
Jn die Ferien mit
Teiss Ron Camera!
... ein Traum von Strumpf
213: Vasenol; BIZ 1929, 36
214: Biotherm; ST 2000, 2
215: Zeiss; BIZ 1928, 32
216: ОЪ; ST 1965, 15
302 | IMAGE. Zus GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN
Mit „Lebewohl‘‘* gepflegte Füße
können Sie sich sehen lassen.
*) Gemeint ist natürlich das berühmte, von vielen Ärzten empfohlene Hühner-
augen-Lebewohl und Lebewohl-Ballenscheiben. Blechdose (8 Pflaster)
65 Pfennig. Lebewohl-Fußbad gegen empfindliche Füßc und Fußschweiß,
Schachtel (2 Bäder) 42 Pfennig, erhältlich in Apotheken und Drogerien.
Wenn Sie keine Enttäuschung erleben wollen, achten Sie auf die Marke
„Lebewohl“, da häufig weniger gute Mittel als „ebenso gut“ vorgelegt werden.
HAUTSTRAFF
PREI SAUSSCH км
К aus BEMBERGSEIDE
сысы ginn Fon nun Aundruch bung, wordenkslamnde Pori magta
Senden um Bet a de Da {Ден
+
Кы bat sa Baba А Dean onen
m. peng,
daa widadi Аер zm Dem Seenen a Мацае бе фи Doen von 1 Le
ebene > de Di won Jahr
un
217: Lebewohl; BIZ 1938, 22
218: Nivea; ST 2002, 27
219: Bemberg; BIZ 1927, 27
220: Pepe Jeans; Max 1995, 25
3. Die ENTWICKLUNG VON IMAGE-KOMMUNIKATION IN DER WERBUNG | 303
Miederfabrik Wilhelm Blank, Göppingen
TOSCA
m
221: Pulmonet; ST 1949, 49
222: Manhatten Cosmetics; Max 2001, 4
223: Tosca; ST 1965, 15
224: Versace; Max 2001, 8
304 | IMAGE. Zur GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN
EH fa?
BengerRibana,
gg
ме,
GUTSCHEIN. Cess н»
Bam pm ege a
ZS Í
<BOICE : GABBANA (9)
225: Benger Ribana; BIZ 1937, 18
226: Rochas; Max 1998, 18
227: D&G; Max 1997, 6
228: Calvin Klein; Max 1998, 2
3. Die ENTWICKLUNG VON IMAGE-KOMMUNIKATION IN DER WERBUNG |305
| <ET
|)
«| / | UA
29
( Der і А
Mann isi dankbar
wenn das Haar der Dame, mit der er
fanzt , schön gepflegt ist
Es geht nichis über das bewährte
Dës Uer EN
жы en IT i
wor Д
PIXAVON-SHAMPOON b
von
Was wäre Kühnheit
ohne Charme?
SO
PRETTY.
v DE
Cartier
е
BIC т) оа
Ла В Tandem Beet на Campan Me Samen (e
229: Pixavon; BIZ 1930, 40
230: 8х4; ST 1964, 10
231: Cartier; Max 1996, 11
232: Campari; ST 1974, 6
306 | IMAGE. Zur GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN
233: Calvin Klein; Max, 9
234: D&G; Max 2003, 4
235: D&G; Max 2004, 3
3. Die ENTWICKLUNG VON IMAGE-KOMMUNIKATION IN DER WERBUNG | 307
3.4.10 Realismus
Nicht erst seit Sachbücher wie »No Logo!« (Klein 2000), Zeitschriften wie das US-
amerikanische Magazin »Adbusters« oder Filme wie »American Beauty« in der Mit-
te der Gesellschaft angekommen sind, läßt sich Kultur- und Konsumkritik selbst als
ein Resultat der Kulturindustrie begreifen.?!? Auch die Werbung bedient seit längerem
einen entsprechenden Bedarf. In erster Linie geschieht dies über Darstellungen einer
realen Realätät: 2173 Wie in anderen Fällen wird das Image-Weltbild über bestimmte
Bilder von der Welt konstituiert. Spezifische Sujets und eine gesteigerte Sachlich-
keit der Gestaltung realisieren einen Kontrast zu anderen Images. Propagiert werden
Image-Widerstände gegen die Illusionen einer (Werbe-)Welt des schönen Scheins und
der falschen Ideale mit Entwürfen einer als wahrhaftiger, ehrlicher und authentischer
stilisierten Weltanschauung. Die Werbung reagiert so auf eine Kritik, die im Zuge ih-
rer Entwicklung in Richtung Image-Kommunikation Kontur gewinnt. Der Realismus-
Komplex nimmt diese Kritik reflexiv in sich auf und bietet sie als Image an. Wenngleich
sich entsprechende Kampagnen seit dem Ende der 1960er Jahre vereinzelt beobachten
lassen, kommt es erst Ende der 1980er Jahre zu einer Kanonisierung solcher Images.
Die folgenden Ausführungen beziehen sich daher ausschließlich auf Beispiele der jün-
geren Vergangenheit.3!*
Eine moderate Variante bilden Werbungen, die die Realität knapper finanziel-
ler Mittel fokussieren und einen rationalen Umgang mit denselben als bessere Le-
bensführung stilisieren. Die Autowerbung, die es mit besonders exponierten Sta-
tussymbolen zu tun hat, setzt hier gelegentlich an. Sie vertritt dann im Rahmen
yrealistischer< Inszenierungen eine Moral, die Statussymbole unter negative oder
312 Mit guten Gründen sprechen neuere Untersuchungen vom »Mythos der Gegenkultur«
(vgl. z.B. Holert/Terkessidis 1998; zu einer ausführlichen Darstellung von Märkten und
Produkten, die auf konsum- und kulturkritische Mentalitäten eingestellt sind vgl. auch
Heath/Potter 2005).
313 Die Forderung nach dem Echten kann man in den weiteren Zusammenhang des Entste-
hens einer neueren Medienkultur seit dem 18. Jahrhundert stellen: Die sich seitdem for-
mierende Klage über den Verlust der Mittelbarkeit im Zuge der expansiven Bedeutung
literarischer Fiktionalitäten (vgl. Luserke 1996, 171 Ё; Doelker 1991) entspricht den
aktuelleren Entwicklungen insofern, als schon mit dem Roman und dem Zeitungsfeuil-
leton Kulturkritik marktförmig angeboten wird.
314 In dem massenmedialen Zentralbereich der Unterhaltung ist seit längerem ein ähnli-
cher Trend zu beobachten. Die »reale Realität«, wie sie z.B. von Tatsachenberichten
(z.B. den Nachrichten) oder Dokumentarfilmen vorausgesetzt wird, fungiert zuneh-
mend als Kommunikationsressource. Jüngere Formate wie »Big Brother« stehen be-
reits in einer Tradition von Reality-Soaps (mit jeweils unterschiedlichen thematischen
Ausrichtungen), die darauf schließen läßt, daß das scheinbar Nichtinszenierte, Sponta-
ne und Zufällige im Umfeld einer Medienrealität, die jedermann für manipuliert hält,
Aufmerksamkeit, Interesse und Sympathie zu erzeugen vermag.
308 | IMAGE. ZUR GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN
relativierende Vorzeichen bringt: »Es gibt Wichtigeres als ein protziges Auto«, heißt
es in einer Werbung, die die wahre Relevanzstruktur menschlichen Lebens zu ken-
nen behauptet (»Wenn man jung ist, braucht man Geld für viele Dinge«; Suzuki ST
1998, 16). Seit den 1990er Jahren sind zudem Bilder zu sehen, die Realitäten im
Sinne alltäglicher Banalitäten über Inszenierungen des Nichtinszenierten vorführen
(vgl. Abb. 237). Ein Beispiel geben Anzeigen und Spots für eine Bank, die den Slo-
gan »Leben Sie. Wir kümmern uns um die Details« mit Bildern durchschnittlicher
Menschen in verschiedensten Alltagssituationen kombinieren (Hypo Vereinsbank,
ST 1999, 51; vgl. Abb. 236). Realistisch erscheinen diese Inszenierungen zum einen
insofern, als sie auf Schönungen verzichten und Szenen darstellen, deren Belanglo-
sigkeit kaum zu überbieten ist — das Herumsitzen in der Küche wird genauso zum
Thema wie das Sich-an-der-Nase-Reiben. Die Werbung zeigt hier eine Rollendis-
tanz, die die Aufmerksamkeit des gelangweilten Publikums (wieder-)gewinnen soll
und sie präpariert zugleich Authentizität als Image-Wert.?!? Erwähnenswert sind in
diesem Zusammenhang Image-Varianten, die sich als eine Art bildbasierte sozio-
logische Aufklärung formieren, so z.B. in Gestalt des von Benetton produzierten
Magazins »Colors«, das global recherchierte Photodokumentationen zu Themen
wie »Umwelt«, »Konsum« oder »Krieg« zum alleinigen Inhalt macht. Hier geht
es, wie im (Bilder-)Rahmen der langjährigen Werbungskampagnen des Textilher-
stellers darum, sich als Repräsentant einer verstehenden, illusionslosen Reflexivi-
tät darzustellen, die mit einer Bildsprache zum Ausdruck gebracht wird, die die
Perversionen der modernen Konsumgesellschaft mit maximaler Drastik als solche
vorführt. Gerade dann, wenn Jugendliche als Rezipienten (Konsumenten) ange-
sprochen werden sollen, operiert der Werberealismus mit einer Ästhetik des Unge-
schminkten, die die Dinge hinter der Fassade so zeigen will, wie sie angeblich wirk-
lich sind: »Image ist nichts« heißt es z.B. in einer Werbung, die einen Jugendlichen
315 Mit einem ähnlichen Kalkül verwendet der Werbespot eines Sportartikelherstellers,
der während der Fußballweltmeisterschaft 1998 gesendet wurde, allem Anschein nach
private Filmaufnahmen, die den Musiker Bob Marley in der Kleidung des beworbe-
nen Herstellers beim Fußballspielen zeigen. Werbung vertraut hier nicht nur auf das
Positiv-Image eines einstigen Jugendstars und auf die Beliebtheit von dessen Musik,
sondern auch auf den Eindruck des Realen, auf den Dokumentationsrahmen, der den
authentischen Spaß am Spiel beglaubigen soll (adidas 1998). Auch ein Spot für »Coca-
Cola« inszenierte über die Darstellung jugendlicher Fußballspieler der Dritten Welt
Fußballspielen als ein Erlebnis des Echten. Die entsprechenden Bilder wurden in der
Werbung gegen das von der Werbung selbst mitbestimmte Negativ-Image der Welt-
meisterschaft als Marketing- und Medienereignis positioniert. Der »echte< Spaß, den
die spielenden Kinder und Jugendlichen trotz der im Hintergrund gezeigten Armut
offensichtlich hatten, soll mit dem »echten< Spaß des Cola-Konsums in Verbindung
gebracht werden.
3. Die ENTWICKLUNG VON IMAGE-KOMMUNIKATION IN DER WERBUNG |309
beim Trinken zeigt (»Durst ist alles«; Sprite, ST 1998, 16).31° Insbesondere sol-
che Inszenierungen, die auf hohen Schichtstatus, gute Form oder Jugendlichkeit im
beschriebenen Sinne (vgl. 3.4.6) setzen, werden im Rahmen dieser Images konter-
kariert. Dies gilt auch für Bilder, die eine Orientierung am Existentiellen und Ei-
gentlichen über Portraits verletzlicher Individuen zur Schau stellen (vgl. Abb. 242
u. 243).
Weiterhin hat in den letzten Jahren ein, wiederum insbesondere an Jugendliche
adressiertes Image an Beliebtheit gewonnen, das die Großstadt der Gegenwarts-
gesellschaft nicht als idyllische Lebenswelt, sondern als urbane Wüste thema-
tisiert, in der es darum geht, mit Haltung und Stil den Alltag zu meistern. Auch
wenn in diesen Inszenierungen immer wieder Reste von »natürlicher Natur: vor-
kommen (z.B. Bäume oder Wiesen), fungieren die großstädtischen Kontexte als
Sinnbilder für eine künstliche und (daher) harte Umwelt, in der Menschen (über-)
leben müssen. So zeigen Photos ein Zelt, das inmitten von Hochhausschluchten
aufgeschlagen ist (vgl. Abb. 239), ein jugendliches Pärchen, das auf dem Dach ei-
nes Parkhauses ein Lagerfeuer entzündet oder einen vor Gefahr flüchtenden Stadt-
menschen. Die Idee von der urbanen Welt als einer anforderungsreichen Natur
wird auch dadurch zum Ausdruck gebracht, daß die Darsteller vor besonders kal-
ten Kulissen des städtisch-industriellen Raumes posieren (z.B. vor Ölraffinerien,
Betonmauern, Autobahnbrücken, Parkhäusern; vgl. Abb. 238). Der Bedeutung der
Bühnen und Kulissen entspricht ein modischer Funktionalismus der Kleidung. Er
tritt um so mehr hervor, als das gestische und mimische Verhalten der Darsteller
in diesen Inszenierungen auffallend zurücktritt, ja ausdruckslos ist — so als solle
der Betrachter nicht von der homologen Struktur zwischen den Zeichen der Klei-
dung und denen der dargestellten Umwelt abgelenkt werden. Die Mode erscheint
also nicht als solche, sondern eher als Ausrüstung, als Lösung für Probleme und
Aufgaben, die der urbane Lebensraum mit sich bringt: Viele und große Taschen
an Hosen und Jacken, stabile Materialien, dicke Schuhsohlen, bequem-schlichte
Schnitte und ein überhaupt ornamentfreies Design ohne verzierende Details sym-
316 Der paradoxe Charakter solcher Images des Imagelosen wird oftmals durch eine Dif-
ferenzierung von Text und Bild in der Logik des double-bind kuvriert: Während auf
der Ebene der Sprache die Irrelevanz von Oberfläche, Aussehen, Image usw. betont
wird, entfalten die dazugehörigen Bilder (so auch im oben stehenden Beispiel) genau
umgekehrt die ganze Palette von Oberflächenstandards und -idealen (der Kleidung,
der Frisur, des expressiven Verhaltens usw.), um die es eigentlich geht. So ist in einem
Werbeprospekt für Snowboards und entsprechende Mode, der die Produktpalette auf
97 Seiten als eine Serie von (jugend-)trendgerechten Bildern vorführt, zu lesen: »Nach
welchen Kriterien auch immer du dein Board aussuchst, kauf dein Board nicht wegen
der Graphics, die Bindung nicht wegen der Lackierung [...]. Das gilt auch für die Be-
kleidung. Das Beste am Snowboarden ist nicht, wie du aussiehst, sondern wie du dich
fühlst« (Burton 1999).
310 | IMAGE. ZUR GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN
bolisieren Funktionalität und (damit) optimale Angepaßtheit an die artifizielle,
nichtsdestoweniger rohe zweite Natur.?!7
Eine andere Variante dieses Image-Komplexes bilden Inszenierungen einer
jugendlichen Gegenkultur, die nicht selten in Anlehnung an lebenswirkliche
Jugendsubkulturen (der Hippies, der Rocker, der Hip-Hop- oder Techno-Szene
usw.) entworfen wird. Wichtiges Demonstrationsfeld ist wiederum der Körper:
Kleidung, Haare, Haut, Fingernägel und diverse Accessoires spielen eine zentrale
Rolle, wenn es darum geht, das aus der Normalität und Angepaßtheit Entrückte
als Merkmal jugendlicher Identität vorzuführen und als Image zu erschließen. Äs-
thetische Mängel kommen hier nicht nur vor, sondern werden gelegentlich poin-
tiert zu Schau gestellt, so etwa abweichende Figuren, Pubertätspickel oder schiefe
Zähne. Provozieren soll des weiteren der Umgang mit Farben, Materialien und
Formen. So sind das auffallende Färben (statt des dezenten Tönens) der Haare und
andere direkt am Körper festzumachende Details (z.B. bunt lackierte Fingernägel,
Tätowierungen, Piercings) »essentielle Zeichen« (Goffman 1981) dieser Stilisie-
rung. Auch Accessoires wie übergroße Hüte, Brillen, Armbanduhren und andere
Objekte sollen in ihrer ästhetischen Überhöhung einen Widerstand gegen die Äs-
thetik des Normalen und Durchschnittlichen zum Ausdruck bringen. Gezieltere
Angriffe auf die Werbeästhetik des schönen Scheins anderer Images unternehmen
Photos wie das von einem Mann, der die ungeschminkte Wahrheit in Form einer
großen Operationsnarbe vor das Objektiv der Kamera hält (vgl. Abb. 244), oder
das von einer Frau, der per Bildmontage eine betont häßliche Frisur aufgesetzt
wird (vgl. Abb. 245).
Auch Bühnen und Kulissen können eine Ästhetik des Häßlichen vermitteln.
Schmutzige Hinterhöfe, dunkle U-Bahn-Schächte und Wohnviertel mit Ghetto-
Charakter werden in jugendlichen Mode- und Lifestylewerbungen zum Synonym
für eine jugendliche Identität, die sich mit normalerweise für unschön gehaltenen
Objekten und Lebensräumen identifiziert (vgl. Abb. 240). Was auf diese Weise de-
monstrativ zur Schau getragen wird, ist Unangepaßtheit, Nonkonformität, funda-
mentale Distanz zur Durchschnitts- und Normalgesellschaft. Dazu gehören Abwei-
chungen auf den Ebenen der rituellen Umgangsformen (Manieren) sowie der Werte
317 In diesem Sinne formuliert der Werbetext einer solchen Inszenierung: »We shape the
things we build. Thereafter they shape us« (Carterpillar 1999). Doch nicht nur die
Zeichen der Mode selbst sprechen für das besagte Deutungsschema. Es ist alles ande-
re als zufällig, daß zu den wichtigsten Anbietern dieses Modetyps ein Hersteller von
Baumaschinen und Arbeitskleidung gehört, dessen Image jenen Zusammenhang von
funktionaler Kleidung und (harten) Umweltanforderungen besonders glaubwürdig ver-
körpert (CAT). In diesem Fall dient die Symbol- und Themenwelt einer Firma, deren
Markenlogo ein Bulldozer ist, als kosmologischer Kern, der im Hinblick auf einen
spezifischen Jugend-Stil lediglich variiert und stilistisch verfeinert werden mußte, um
den (Image-)Bedürfnissen jugendlicher Konsumenten entgegenzukommen.
3. Die ENTWICKLUNG VON IMAGE-KOMMUNIKATION IN DER WERBUNG |311
und Einstellungen. Abweichendes rituelles Verhalten zeigen z.B. Jugendliche, die
mit mißachtenden Gesten (Zeigen des Mittelfingers, abschätzige Blicke) oder be-
leidigenden Redewendungen Normen und Normalitäten der Achtungskommunika-
tion brechen. Aufgrund und mit dieser sozusagen antizivilisatorischen Identitätsrah-
mung kann der Jugendliche ähnlich wie das Kind Wahrheiten kommunizieren, die
normalerweise verschwiegen werden müssen oder einer höflichen Umschreibung
bedürfen.?!?
Nicht zuletzt kann man einen ironischen Umgang mit den Versprechen und Äs-
thetiken der Konsumkultur diesem Image-Komplex zuordnen. Denn auch dann wer-
den positive Image-Werte über die Stilisierung der Reflexion realer: Verhältnisse
der Gegenwartsgesellschaft hergestellt. Eine inszenatorische Technik besteht darin,
bestimmte (Alltags-)Ästhetiken und (Werbe-)Images mit ihren eigenen Gestaltungs-
mitteln so zu übersteigern, daß ihre Trivialität, ihr schlechter Geschmack oder ihre
Pseudomoral gleichsam enttarnt werden, wobei die Ironie der so gewonnenen Bilder
das spezifische Image konstituiert. Eine solche Konstruktion realisiert beispielswei-
se eine Werbeanzeige für die Popgruppe »Die Prinzen«: Unter der Überschrift »Die
Prinzen« ist das Photo eines schmierigen Brathähnchens zu sehen, das mit den Wor-
ten »Fett, Häßlich & Kult« in Verbindung gebracht wird. Da außer diesem Objekt
nichts zu sehen ist, bildet das Hähnchen sowie dessen ästhetische Präsentation den
Rahmen für das Image der Musikgruppe (vgl. Abb. 241). Dabei handelt es sich um
eine Art (Selbst-)Stigmatisierung, die ironisch sein soll und zur Umkehrung ihrer
selbst aufruft. Die ins Rampenlicht gestellte Häßlichkeit des Hähnchens verulkt die
ansonsten im Marketing üblichen Weihnachtsromantisierungen, die zeitgleich zu
der beworbenen Tournee der Band (Dezember 1999) zu beobachten sind, und führt
unter dem Motto »Die Tour zur Gans ’99« vor, worum es an Weihnachten eigentlich
geht (nämlich um Fressen, und nicht um Moral). Diese in die visuelle Kommuni-
kation eingebaute Reflektiertheit ist das eigentliche Identifikationsangebot hinter
der oberflächlichen Selbststigmatisierung. Zu der Reflektiertheit gehört das stilisti-
sche Zitat eines spezifischen Werbegenres, das dieser Inszenierung als Bezugspunkt
der Darstellung einer Spießer-Kultur dient, deren minderwertige Ästhetik sie unter
ironischen Vorzeichen reproduziert. Die verwendeten Farbkontraste, unmodischen
Schrifttypen, schlecht plazierten Textfenster und andere Gestaltungselemente fin-
den sich normalerweise nur in Randbereichen der Werbung, wie z.B. in der Su-
permarktwerbung, die über Postwurfsendungen in die Privathaushalte gelangt und
bei der das Design lediglich die Funktion erfüllt, die Preise von Produkten mit der
Abbildung derselben zu verknüpfen. Gespielt wird also mit einer Transformation
von Zeichen, indem bekannte Gestaltungsformen in einen anderen Zusammenhang
gestellt werden.
318 So gestikulieren z.B. zwei als Hip-Hopper verkleidete Jugendliche auf Werbeplakaten
in der Manier dieses Stils und reimen dazu den Kurz-Klartext: »Rabattpreise Laber-
scheiße« (Mediamarkt, ST 2001, 28).
312 | IMAGE. ZUR GENEALOGIE EINES KoMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN
Auch normale Vorstellungen von Schönheit, Ordnung oder Geschlecht können,
wie verschiedene Werte und Einstellungen, die die Werbung in anderen Images als
positiv bewertet, durch eine übertriebene Zeichenhaftigkeit oder kommentierende
Textpassagen ad absurdum geführt werden. Karikiert wird derart z.B. das übliche
Werbungsversprechen, der Kauf des jeweiligen Produktes verhelfe zu einem Mehr
an Schönheit, Anerkennung oder Lebensglück. In der Annahme, daß eine ironische
Übersteigerung anderer Imageprogramme und Werbungsklischees Sympathien beim
(jugendlichen) Publikum erzeugt,’!? zelebrieren entsprechende Inszenierungen Kon-
sum als einzige Form gelungener Lebensführung. Selbst der Zusammenhang von Äs-
thetik und Anästhetik kann hier reflektiert werden: »Think of all the bad things in the
world... Then think about shopping... that’s why I love shopping.” (Diesel 1999) »For
successfull living« lautet entsprechend der markenidentifizierende Slogan, unter dem
der Modehersteller Diesel seit Jahren Hilfestellungen für verschiedene Situationen
des jugendlichen Lebens zu geben beansprucht, wobei klar ist, daß die Verhaltens-
und Benimmregeln, z.B. in Form von Reise-, Einkaufs- und Interaktions-Ratgeber-
büchern (»How to [...] -Guides«) Teil einer ironisch-reflexiven Markenwelt sind, in
deren Image die Produkte eingeschlossen sind.
319 Ein ironisches Verständnis von Gegenkultur dürfte am ehesten zu lebenswirklichen
Entwicklungen passen: »Ein Großteil der Jugendkulturen entzieht sich in den 1990er
Jahren dem kommerziellen Druck nicht mehr, sondern verwendet Marken und Signets
direkt als stilbildende Elemente für die symbolische Arbeit« (Richard 1999, 118; vgl.
auch Bolz 1995, 346 f.).
3. Die ENTWICKLUNG VON IMAGE- KOMMUNIKATION IN DER WERBUNG | 313
dë En
FÜR LAU. es ОМО DRUCK DEINEN
SEH ч ZE о: For
236: Hypo Vereinsbank; ST 1999, 42
237: Motorola; Max 1999, 5
314 | IMAGE. Zur GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN
А Мо-Ег 15:00 P .
EEE едым 7 SEE со ОЁ 17.12.00 CM een Feet + ВА 1140 C Laera, Pepe
a ае айыб TELEVISION EE di
238: CAT; Max 2000, 1
239: Dockers; Max 2000, 12
240: Mtv; Max 1998, 11
241: Die Prinzen; Musikexpress 1999, 11
3. Die ENTWICKLUNG VON IMAGE-KOMMUNIKATION IN DER WERBUNG |315
be good. be bad. just be.
STA-PREST°E
ONE CREASE _
LIFE IN PROGRESS
MUSIK? FERNSEHEN! VIVA ZWEI A
242: Hugo; Max 1998, 9
243: Calvin Klein; Max 1997, 4
244: Viva Zwei; Max 1997, 5
245: Levi’s; Max 1999, 4
4. SCHLUSSBEMERKUNGEN
Vorliegende Untersuchung interpretiert die allgegenwärtige Bedeutung von Image
und Images in der Gegenwartsgesellschaft nicht als Resultat eines spezifisch mo-
dernen Kampfes um Anerkennung, der seinen Ursprung in neuartigen, oberflächen-
orientierten Motivlagen von Individuen findet.' Image-Kommunikation bildet sich
vielmehr als eine themenorientierte Spezialsprache aus, weil soziale Probleme gelöst
werden müssen, die im Zuge der Einführung technischer Bildmedien und deren Nut-
zung durch das System der Massenmedien entstehen. Entscheidend ist zum einen
der Sachverhalt, daß der spezifische (Nicht-)Realismus der technischen Bildmedien
im Themenkontext der Schematisierung und Qualifizierung sozialer Objekte die Be-
deutung von sichtbaren Oberflächen als Ausweis von Identität betont wie zugleich
in Frage stellt. Zum anderen ist entscheidend, daß die technischen Bildmedien nicht
nur als Kommunikations-, sondern auch als Verbreitungsmedien einen neuartigen
Problemhorizont in der Gesellschaft eröffnen: Mit der Reproduzierbarkeit entspre-
chender Bilder expandieren öffentliche Räume einer visuellen Kultur, in denen die
als Sichtbarkeiten kommunizierten sozialen Objekte unter hochgradig anonymisier-
ten Bedingungen akzeptiert werden müssen. Bereits die Aneignungsformen photo-
graphischer Bilder im 19. Jahrhundert manifestieren — als ästhetische Praxis ebenso
wie als schriftbasierter Diskurs — eine Bezugnahme auf die skizzierten Problemla-
gen. Letztere gewinnen durch das System der Massenmedien, das sich technischer
Bilder als basale Kommunikations- und Verbreitungsmedien bedient, eine beson-
1 Eine solche Erklärung ließe sich z.B. in Anlehnung an eine Feststellung von Elias im
Blick auf das gesteigerte Prestigestreben in der höfischen Gesellschaft zurückweisen:
»Angesichts solcher Phänomene begnügt man sich oft mit individualpsychologischen
Erklärungen, etwa mit dem Hinweis auf ein besonders starkes »Geltungsverlangen« der
betreffenden Menschen. Aber Erklärungen dieses Typs sind ihrer ganzen Anlage nach in
diesem Falle unzureichend. Die Annahme, die ihnen zugrunde liegt, daß sich zufälliger-
weise gerade in dieser Gesellschaft viele Individuen zusammenfanden, die von Natur aus
mit einem besonders starken Geltungsverlangen ausgestattet waren oder mit irgendwel-
chen anderen individuellen Eigenschaften, deren Besonderheit die der höfischen Status-
und Prestigekonkurrenz erklären kann, stellt einen der vielen Versuche dar, etwas Uner-
klärtes durch etwas Unerklärbares zu erklären.« (Elias 1983, 142) Vgl. zu einer ähnlichen
Kritik der Erklärung von Sozialprestige über »universale Triebe« Scheuch 1961, 66.
318 | IMAGE. ZUR GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN
dere Relevanz. Die Kommunikation bildlich identifizierter Objekte wird dauerhaft
und in den verschiedensten Themenzusammenhängen zu einer wichtigen Ressource
einer massenmedialen Realität, die entlang der reflexiven Behandlung des Informa-
tionswerts möglicher Mitteilungen (re-)produziert wird. Das System (re-)produziert
sichtbare Gestalten im Sinne stabiler Eigenwerte und schafft mit seinem (Bild-)Ge-
dächtnis den Bezugsrahmen von Variations- bzw. Informationsmöglichkeiten. Indem
dies geschieht, muß den Erscheinungsformen der in dieser Realität kondensierenden
sozialen Objekte in besonderer Weise Rechnung getragen werden. Sie sind zentraler
Bestandteil des Horizonts von (Nicht-)Informationen, mit denen das System arbei-
tet und entsprechend Ausgangspunkt weiterer Kommunikationen, die prinzipiell der
Wahrscheinlichkeit ausgesetzt sind, als Nichtinformationen behandelt zu werden. Da
sichtbare Oberflächen zudem eine wichtige Bewertungsgrundlage der jeweils dar-
gestellten Objekte bilden, kommt es gerade im System der Massenmedien zur Aus-
arbeitung von Bildsprachen, die die Annahmewahrscheinlichkeit der Erscheinungs-
bilder in den verschiedenen Systembereichen (Nachrichten, Unterhaltung, Werbung)
steigern. Das Reflexivwerden der Unterscheidung Oberfläche/Tiefe bei der Kommu-
nikation der jeweiligen (Bild-)Identitäten sowohl auf der Seite der Bildproduktion
wie auf der der Rezeption spielt dabei eine besondere Rolle. Während die Behand-
lung der Oberflächen im Kontext des berichtenden Informierens die Akzeptanzwahr-
scheinlichkeit des Gezeigten unter dem Gesichtspunkt der Authentizität (des »Doku-
mentarischen«) steigern, ist im Bereich der Unterhaltung die stimmige Charakterisie-
rung sozialer Objekte (Dinge, Personen) nach Maßgabe des jeweiligen Handlungs-
zusammenhangs unter dem Gesichtspunkt der Steigerung von Unterhaltungswerten
(z.B. Spannung) relevant. Die visuellen Kommunikationen der Werbung hingegen
zielen auf eine Verschmelzung der Identifizierung sozialer Objekte bei gleichzei-
tiger (Positiv-)Bewertung derselben ab. Der Bedarf hierfür entsteht, weil das alte
Bezugsproblem des Werbens — nämlich, daß Menschen nicht prinzipiell von sich
aus wollen, was andere als deren Wollen wollen — unter den Bedingungen der Reali-
tät der Massenmedien und unter den Kommunikationsverhältnissen der technischen
Bildmedien erheblich spezifiziert wird. Indem sich die Gesellschaft auf die Ausdiffe-
renzierung des Systems der Massenmedien im Sinne einer »Verdopplung der Reali-
tät« einläßt, mithin auf eine massenmediale »Hintergrundrealität« (Luhmann), deren
Konstruktionen gesellschaftsübergreifend Orientierungswerte und kommunikative
Anschlußmöglichkeiten herstellen, muß in diesem System eine Spezialsprache im
Bereich der Kommunikation von Bildern entwickelt werden, die für die verschie-
densten Sinnanbieter — nicht zuletzt: die Massenmedien selbst — Überzeugungsarbeit
unter eben diesen Bedingungen übernehmen kann. Dieser Aufgabe stellen sich die
Image-Kommunikationen der Werbung. Ihre Operationsweise ist über den Code und
die Programme darauf eingestellt, die visuelle Schematisierung sozialer Objekte mit
einer expliziten Positivbewertung zu verknüpfen und die Annahmewahrscheinlich-
keit eben dieses Selektionsschemas der Kommunikation von Bildern als Generatoren
der Identifizierung sozialer Objekte zu steigern.
A. SCHLUSSBEMERKUNGEN | 319
Die Leistung, die die Werbung für ihre Auftraggeber erbringt, besteht demnach
in der Steigerung der Annahmewahrscheinlichkeit der jeweils angebotenen Objekte
über Images unter den Bedingungen der technischen Bildmedien und des Systems der
Massenmedien — mögen die als Image kommunizierten Objekte Konsumgüter, poli-
tische Parteien, soziale Bewegungen oder Unterhaltungsformate des TV-Programms
sein.? Die Formen des Erlebens und Handelns, die an die (Nicht-)Akzeptanz von Ima-
ges anschließen, können dementsprechend verschieden sein. So kann man im Blick
auf Images Konsumgüter kaufen (nicht kaufen), politische Parteien wählen (nicht
wählen), Überzeugungen sozialer Bewegungen übernehmen (nicht übernehmen) oder
Fernsehsendungen rezipieren (nicht rezipieren). In der Umwelt des Systembereichs
können sich die (Nicht-)Erfolge der Image-Kommunikation nach Maßgabe der је ei-
genen Erfolgskriterien bemerkbar machen, also z.B. als Zu- bzw. Abnahme von Ver-
kaufszahlen, Wählerstimmen, Mitgliedern, Einschaltquoten.
Die gesellschaftliche Funktion der Werbung besteht hingegen — zunächst im An-
schluß an Luhmann formuliert — »in der Stabilisierung eines Verhältnisses von Re-
dundanz und Varietät in der Alltagskultur« (Luhmann 1996, 94). Die Funktion des
Systems der Massenmedien, nämlich einen Horizont stabiler Objekte herzustellen, der
in weiteren Kommunikationen vorausgesetzt werden kann und die dauerhafte Irritabi-
lität der Gesellschaft für die (Re-)Produktion von (Nicht-)Informationen ermöglicht,
ist demnach im Bereich der Werbung auf eine bestimmte Sach- bzw. Themenorientie-
rung eingeschränkt — nämlich auf das (Re-)Produzieren eines Gedächtnisses, das die
Informationsverarbeitung in der Alltagskultur reguliert. Daß es mit der Werbung nicht
zu der Stabilisierung des Verhältnisses von Redundanz und Varietät von Alltagskul-
tur im allgemeinen kommt, bringt Luhmanns wohlbedachte Formulierung nur eines
Verhältnisses von Redundanz und Varietät zum Ausdruck (ebd.).? Diese Einschrän-
kung wirft dann aber wiederum die Fragen auf, inwiefern, wozu und mit welcher The-
menorientierung die Werbung zur Stabilisierung dieses Verhältnisses beiträgt, also: auf
welches spezifische Verhältnis von Redundanz und Varietät in der Alltagskultur sich
2 Die Wirtschaft und die Massenmedien sind die Systeme, die die Leistung der Werbung
im deutschsprachigen Raum am häufigsten in Anspruch nehmen. Zu den Investitions-
summen der einzelnen Branchen im Jahr 2006 vgl. Wibbelt 2007, 63.
3 Zweifellos wäre es für die Gesellschaft viel zu riskant, sich in Bezug auf die fortlaufende
Reproduktion von Varietät und Redundanz der Alltagskultur im allgemeinen auf die Werbung
zu verlassen. Um so mehr wird man diesbezüglich — um nur im Rahmen der Funktionen
des Systems der Massenmedien zu bleiben — an den weiten und äußerst differenzierten Be-
reich der Unterhaltung denken müssen. Aber auch andere Organisationen, Unternehmen und
Institutionen des Kulturbetriebs jenseits der Massenmedien arbeiten entlang verschiedener
Themenspezialisierungen an kulturellen Eigenwerten. Dies ist um so mehr zu betonen, als
die »Kreativ- und Kulturwirtschaft« (vom selbständigen Musiker bis zum Museum) nach der
Automobilindustrie und der Ernährungswirtschaft europaweit der drittstärkste Wirtschafts-
sektor ist (vgl. Süddeutsche Zeitung vom 17. April 2008 (Nr. 90), 14).
320 | IMAGE. ZUR GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN
die Funktion der Werbung bezieht.‘ Die bisherigen Überlegungen kommen zu dem
Schluß, daß Image-Kommunikation die Themenorientierung ist, über die die Werbung
das Verhältnis von Varietät und Redundanz in der Kultur reguliert. Die Werbung ent-
faltet über ihre Images einen Informationshorizont, anhand dessen man sich über die
verschiedensten Objekte der Kultur unter Imagegesichtspunkten informieren kann.
Unter diesen — und nur unter diesen — Gesichtspunkten stabilisiert die Werbung das
Verhältnis von Redundanz und Varietät in der Alltagskultur. Sie setzt ihre Images auf
den verschiedensten »Märkten« — nicht nur denen der Wirtschaft — dem Prinzip von
Angebot und Nachfrage aus und trägt so zu einer Image-Kultur der Gesellschaft bei,
die bestimmtes erinnert und anderes vergißt. Ihre symbolische Ordnung ist eine Image-
Ordnung, und entsprechend gehört es, eine Feststellung Luhmanns spezifizierend, zu
der Funktion der Werbung, diese Ordnung bekannt zu machen und durchzusetzen.°
Wenngleich das symbolische Universum der Werbung ein Subuniversum eines
Funktionssystems ist, läßt es sich unschwer zugleich als Bestandteil der (Alltags-)Kul-
tur identifizieren. Das gilt zumindest dann, wenn man von einem weit gefaßten Kul-
turbegriff ausgeht, der das mit ihm Bezeichnete z.B. definiert als »Gesamtkomplex
von Vorstellungen, Denkformen, Empfindungsweisen, Wertungen und Bedeutungen,
der sich in Symbolsystemen materialisiert.« (Nünning/Nünning 2003, 6) Eine entspre-
chende Zuordnung liegt aber auch nahe, weil die Werbung die verschiedensten in der
4 Luhmanns Hinweis auf die Tatsache, daß das Marktprinzip für die Wiederholung er-
folgreicher Kommunikationsformen bzw. für die Änderung nicht erfolgreicher Werbun-
gen sorgt, umgeht diese Fragestellung bzw. erweckt sie den Eindruck, die Funktion der
Werbung beziehe sich lediglich auf die Konsumkultur der Alltagskultur, wenngleich im
Bereich der Wirtschaftswerbung sicher gilt: »Redundanz wird dadurch erzeugt, daß sich
etwas verkaufen läßt — that it sells well, Varietät dadurch, daß man die eigenen Produk-
te am Markt muß unterscheiden können. [...] Entsprechend liegt ein Hauptproblem der
Werbung darin, laufend Neues vorstellen und zugleich Markentreue, also Varietät und
Redundanz, erzeugen zu müssen.« (1996, 94)
5 Luhmanns Feststellung, die Werbung informiere »über den Wert des Produktes« (ebd.,
43), ist entsprechend enger und weiter zugleich zu fassen: Weiter insofern, als die Funk-
tionalität der Image-Kommunikation keineswegs auf Konsumgüter, sondern auf die ver-
schiedensten Objekte eingestellt ist. Enger insofern, als sich der Wert, den die Werbung
für die verschiedensten Objekte herstellt, genauer bestimmen läßt — nämlich als Image.
Daß den als Image konstruierten Objekten jenseits dieser Kommunikationen ganz andere
Werte und Qualitäten zugesprochen (bzw. nicht zugesprochen) werden können, ist damit
selbstverständlich nicht bestritten.
6 Luhmann hierzu: »Ein BMW bleibt ein BMW, aber er wird von Modell zu Modell im-
mer besser, und sogar die Beseitigung des Objekts, das sogenannte »recycling«, kann
verbessert werden. So entsteht eine Kombination von hoher Standardisierung mit gleich-
falls hoher Oberflächendifferenzierung — eine Art beste der möglichen Welten mit so viel
Ordnung wie nötig und so viel Freiheit wie möglich. Die Werbung macht diese Ordnung
bekannt und setzt sie durch.« (Ebd., 94)
A. SCHLUSSBEMERKUNGEN | 321
Gesellschaft kursierenden Themen und Gegenstände aufgreifen kann und faktisch von
dieser Möglichkeit fortwährend Gebrauch macht: Darstellungen von Freundschaft und
Gemeinschaft, Natur und Kultur’ kommen ebenso vor wie solche von Erotik, feinen
Milieus oder gesellschaftlichen Konflikten. Insofern schließt die Werbung das ein, was
in den anderen Funktionssystemen systematisch ausgeschlossen bleibt. Insbesondere
die Darstellungen des Menschen und des Menschlichen, die in der Werbung gleichsam
als image-transzendierendes Thema fungieren, leisten diesem Eindruck Vorschub. Ja
man ist versucht zu sagen, daß die Werbung mit ihrem offenen Horizont von (Bild-)
Semantiken gleichsam als Schmiermittel gegen Reibungseffekte wirkt, die die funktio-
nale Differenzierung hervorbringt und insofern ähnliches leistet wie Kultur, wenn man
derselben wie Baecker eine entsprechende Funktion attestiert: Gerade weil soziale Sy-
steme Kommunikationen entlang zweiwertiger Codes reproduzieren, so Baecker, muß
es einen Bereich in der Gesellschaft geben, über den auf der Ebene von Organisationen
und auf der Ebene von Interaktionen die jeweils ausgeschlossenen Werte wieder ins
Spiel gebracht werden können: »Kultur ist das tertium datur gegen die Zweiwertigkeit
aller Unterscheidungen. Das Unbehagen der Kultur ist das Ungenügen an der Binari-
tät.« (2001, 107)* Eine vergleichbare Funktionalität werblicher Image-Kommunikatio-
nen ließe sich mit einem knappheitstheoretischen Kulturbegriff formulieren. Sieht man
wie Balla die Daseinssphäre des Menschen durch Knappheitsbedingungen bestimmt
und denkt Kultur als eine auf dieses Problem bezogene »Daseinssphäre von Knapp-
heitsbewältigung«, scheinen sich die Images der Werbung zunächst durchaus (auch)
als Kommunikationen von Kultur verstehen zu lassen. Evidenterweise thematisieren
sie immer wieder »Knappheitsbereiche«, die die Lebensverhältnisse des Menschen
(d.h. aller Rezipienten) existentiell tangieren. So spielt die Knappheit materieller Gü-
ter oder intakter Beziehungsgefüge ebenso regelmäßig eine Rolle wie die Knappheit
von Zeit und Wissen. Auch die fundamentale Unzulänglichkeit menschlicher Existenz
— die Vergänglichkeit des Lebens (Körpers) — wird hier angesprochen, so z.B. in zahllo-
sen Jugendlichkeitsimages, aber auch in den Inszenierungen eines würdigen Alter(n)s.
Angesichts vielfältiger Adaptionen lebenswirklicher Zeichen- und Symbolbestände un-
7 Im Sinne derjenigen Objekte, die in der Gesellschaft selbst als Kultur thematisiert wer-
den, wie z.B. die sich in der Werbung einer gewissen Beliebtheit erfreuenden Kunstwer-
ke und Designs der klassischen Moderne des 20. Jahrhunderts.
8 Ваескег zufolge formiert sich dann im Kulturellen selbst das Unbehagen der Kultur als
funktional spezifizierte Kommunikation: »Nun ist allerdings der Einwand des tertium
datur selbst einer Unterscheidung geschuldet, nämlich der Unterscheidung der Drei-(und
Mehr-)Wertigkeit von der Zweiwertigkeit. Die Kultur etabliert also ihrerseits einen bi-
nären Code, nämlich den der Unterscheidung von Binarität und (mindestens) Tertiarität,
und sie tut es, da dafür kein eigenes System postuliert werden kann, auf der Ebene der
Gesellschaft. Kultur ist demnach die Schließung der Gesellschaft über der Möglichkeit,
dritte Werte als das einzuschließen, was alle anderen Funktionssysteme zur Sicherung
ihres binären Codes auszuschließen haben.« (Ebd.)
322 | IMAGE. ZUR GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN
terschiedlicher Publikumskulturen liegt es weiterhin nahe, von der Werbung als einer
Form der »kulturellen Stellvertretung« (Weiß 1998) zu sprechen. Dies gilt um so mehr,
als hierunter ein Nachfolgemodell einer »repräsentativen Kultur« zu verstehen ist, in
der bestimmte Träger (Eliten, herrschende Schichten, exzeptionelle Persönlichkeiten)
noch als Vergegenwärtigungs- und Verkörperungsmedien einer allgemein akzeptierten
und (daher) verbindlichen Kultur Geltung erlangen.’ Denn im Unterschied zu dieser re-
präsentativen Kultur zeugen auch und gerade die werblichen Image-Kommunikationen
von der Fortführung eines historischen Prozesses, in dem »nicht nur die Abspaltung der
kulturellen Sphäre von den übrigen Subsystemen der Gesellschaft, sondern vor allem
auch die interne Differenzierung dieser Sphäre [...] weiter vorangetrieben und durchaus
nicht in einer höheren Einheit »aufgehoben« worden (ist).« (Ebd., 136)
Nicht zuletzt ist kaum zu übersehen, daß das Kulturelle nicht nur Eingang in die
Werbung findet, sondern daß die imagekommunikativen Überarbeitungen, Modula-
tionen und Neuerfindungen von Kultur zugleich umgekehrt in die Kultur diffundie-
ren. Man kann daher von der Werbung als einem Generator der Image-Kultur der
Gesellschaft sprechen, die entlang wechselseitiger Beeinflussungen von (Alltags-)
Kultur und Werbung entsteht. Die räumlichen Grenzen dieser Kultur gehen mit der
Reichweite sozialer Redundanz einher, die über die Bildverbreitungsmedien und das
System der Massenmedien hergestellt wird. Die Reichweite der sozialen Redundanz
entspricht dabei mühelos der technisch herstellbaren, da Sprache und Schrift als Kom-
munikationsmedien bei der (Re-)Produktion von Images (fast) keine Rolle spielen,
die Grenzen der Sprachräume für das symbolisch generalisierte Kommunikations-
medium Image also kaum soziale Grenzen konstituieren. Ja gerade mit der Werbung,
so scheint es, gewinnt die als Kommunikationszusammenhang gedachte Weltgesell-
schaft eine prägnante Form.'® Daß sich die Image Kultur als ein Zentralbereich der
Weltkultur der Weltgesellschaft entfaltet, ist jedenfalls kaum zu übersehen.
Trotz dieser Argumente für die Beschreibung von Werbung als Kultur ist es jedoch
entscheidend zu sehen, daß der werbliche Einschluß des Kulturellen immer im Rahmen
der skizzierten Selektionslogik der Image-Kommunikationen erfolgt. Die Kommunika-
tionen der Werbung mögen von dem Ungenügen an der Binarität der Funktionssysteme
(bzw. der symbolisch generalisierten Kommunikationsmedien) profitieren, indem ihre
Images auf der Klaviatur kultureller Semantiken spielen. Doch kann dies nicht darüber
hinwegtäuschen, daß ihre Kommunikationsangebote nicht funktional auf das Ungenü-
9 Zur ausführlichen Entfaltung dieser Überlegung, insbesondere im Blick auf die Reprä-
sentation bzw. Stellvertretung von Kultur in den Bereichen Bildung, Wissenschaft und
Kunst vgl. Weiß 1998, 121-151.
10 Zu dem Begriff der »Weltkommunikation« mit Hinweisen auf die Werbung vgl. Bolz
2001. Während die längerfristigen Entwicklungen einer werbungsindizierten globalen
Image-Kultur nicht abzusehen sind, ist offensichtlich, daß die Image-Kommunikationen
internationaler Kampagnen derzeit kaum auf kulturelle Unterschiede Rücksicht nehmen.
Für entsprechende Untersuchungen vgl. exemplarisch Müller 1997.
A. SCHLUSSBEMERKUNGEN | 323
gen an der Binarität eingestellt sind. Evident ist vielmehr die polarisierende Zuspitzung
dargestellter Kultur zu Zwecken der Positivbewertung der jeweiligen (Image-)Identität
im Rahmen bestimmter Image-Attribute. Entsprechend zielt ihre Funktion auch nicht
auf die Überwindung von Knappheit. Geradezu umgekehrt trägt die spezifische Be-
handlung des Kulturellen im Werbungsrahmen zu einer Steigerung von »komparativen
Knappheitsproblemen«'' bei. Die Inszenierungen entfalten mit ihren Image-Werten in
sich selbst einen Horizont von Vergleichsmöglichkeiten, der als solcher ohne die Wer-
bungskommunikationen nicht existieren würde. Besonders deutlich werden die Image-
Knappheiten zweifelsohne im Bereich der Konsumgüterwerbung, die dem Rezipienten
in Bezug auf das jeweilige Image vor Augen führt, was er hat und ist und damit immer
auch: was er nicht hat und nicht ist. Von kultureller Stellvertretung kann hier wie im Fal-
le von Werbung überhaupt nur insofern die Rede sein, als die Zeichenvorräte gewählter
(Sub-)JKulturen als /mage rekonstruiert und kommuniziert werden. Die Kommunika-
tionen der Werbung sind also nicht selbst als eine Kulturleistung im Sinne Baeckers
zu verstehen. Noch weniger sind sie Kultur im Sinne eines Rests von Sinnbeständen,
der der Gesellschaft jenseits funktionalisierter Kommunikations- und Handlungssphä-
геп zur Verfügung steht.'? Sie sind vielmehr funktional spezifizierte Kommunikationen
eines Bereichs der Massenmedien, der auf die skizzierten Problemlagen eingestellt ist.
Indem sich die vorliegende Untersuchung auf die Rekonstruktion der Bezugs-
probleme von Image und die Entwicklungsgeschichte der Image-Kommunikationen
der Werbung konzentriert, bringt sie verschiedene Forschungsdesiderata hervor. Drei
Themenbereiche seien genannt.
a) Image-Kommunikation und (die Theorien des) Marketing
Ein Fragenkomplex bezieht sich auf die Reichweite der Genealogie der Image-Kom-
munikation im Sinne einer Theorie der modernen Werbung. Indem die Operationsweise
der Image-Kommunikationen als prinzipiell unabhängig von den Objekten gedacht ist,
für die die Werbung wirbt, ist der Begriff der Werbung hier weiter gefaßt als im Rahmen
solcher Konzepte, die im Blick auf unterschiedliche Auftraggeber und entsprechend dif-
ferenzierte Objekttypen zwischen Werbung, Reklame und Propaganda unterscheiden."?
Er ist aber zugleich enger gefaßt als ein Begriff des Werbens, der jede Form des profes-
sionell organisierten Informations- und Beeinflussungsmanagements umfassen und sich
11 Vgl. Balla 1987, 244.
12 Zu diesem Kulturbegriff vgl. Bude 1999, 106 ff. u. 121 f.
13 So schlägt z.B. Westerbarkey vor, Reklame, Propaganda und Public Relations hinsicht-
lich verschiedener Beeinflussungsziele und Gegenstandsbereiche zu unterscheiden (vgl.
2002b, 620-624). In puncto Propaganda wird häufig eine Orientierung der Kommunikati-
on an politischen Interessen und Zielsetzungen (vgl. Maletzke 1972) oder doch immerhin
eine enge Verbindung mit dem Medium der Macht betont (vgl. Merten 2000). Zu einer
wissenschaftsgeschichtlichen Darstellung des Propagandabegriffs im 20. Jahrhundert bis
hin zu einer Typologie gegenwärtiger Definitionsansätze vgl. Bussemer 2005.
324 | IMAGE. ZUR GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN
entsprechend auch auf Public Relations! und die verschiedensten Varianten des Mar-
ketings beziehen will. Es wäre daher theoretisch und empirisch-analytisch genauer zu
zeigen, in welchen Beziehungen etwa Sponsoring, Product-Placement, Programming
oder Viral-Marketing einerseits und Image-Kommunikation andererseits zueinander
stehen. Einen Ausgangspunkt könnte dabei die Hypothese bilden, daß Image-Kommu-
nikationen auch für die Marketingformen einen maßgeblichen Bezugsrahmen bilden,
die mit eigenen Begriffen bezeichnet werden, weil sie sich systematisch von der Wer-
bung im engeren (Image-)Sinn unterscheiden. So stehen beispielsweise Events ebenso
wie Product-Placements durchaus in engen und dezidiert herbeigeführten Beziehungen
zu den Images, die in der (Image-)Werbung für die jeweiligen Objekte konstruiert wer-
den. Neben und mit diversen Intertextualitäten in Sachen Design (z.B. Event-Bühnen,
-Kulissen, -Requisiten) und Kontextierungen (z.B. Settings für Events, Filme für Pro-
duct-Placements) läßt sich ein regelrechtes Hineinkopieren von Zeichen und Symbolen
in den jeweils anderen Rahmen beobachten, so z.B. dann, wenn für Events im Vorlauf
mit Werbung (Image-Kommunikation) geworben wird, wenn Image-Filme (Spots) auf
Events gezeigt werden oder wenn — in umgekehrter Kopierrichtung — Darstellungen
von Events oder Product-Placements als Rohmaterial für Werbespots und deren Image-
Arbeit dienen. Selbst beim Sponsoring, bei dem sich der »Mäzen« oftmals nur über sei-
nen Namen bemerkbar macht, wird der Imagewert des Kontextes berücksichtigt, in dem
dieser Name erscheint und zwar gerade dann, wenn ein werblich programmiertes Image
vorliegt, das für den Namen steht bzw. für das der Name des Sponsors steht. Ähnliches
gilt für die über das Verbreitungsmedium Funk kommunizierte Werbung, wie man leicht
an der Passung von assoziierbaren Bildern von Radio-Spots einerseits und sichtbaren
Images dazugehöriger TV-Spots/Printwerbung andererseits erkennen kann "e
b) Image-Kommunikation und moderne Identität
Eine andere Erweiterung vorliegender Untersuchung könnte auf die Verknüpfung der
Entwicklungsgeschichte von Image-Kommunikation mit solchen Modernisierungs-
prozessen abzielen, die die Entfaltung des Individualismus und des modernen Selbst
14 Zu einer aktuellen Übersicht über Public Relations als eigenständige Kommunikations-
form vgl. Zerfaß/van Ruler/Sriramesh (Hg.) 2008.
15 Dabei kann vermutet werden, daß die inzwischen als klassisch zu bezeichnende Werbung
im Stile der Image-Kommunikation zu einem Bedarf anderer Formen der Beeinflussung
beiträgt, da die Image-Probleme, die die Werbung mit der Festlegung ihrer Kommunika-
tionen auf das Medium Image selbst hervorbringt, nur bedingt in diesem Medium gelöst
werden können. Neben bekannten Erweiterungen wie dem Eventmarketing trifft man
inzwischen auch Kommunikationsformen an, die an die Krisenexperimente der Ethno-
methodologie oder an künstlerische Happenings und Performances erinnern. Zu einer
Übersicht über aktuelle Strategien und Formen vgl. Himpe 2006.
16 Die Bedeutung des einzigen bildlosen Verbreitungsmediums von Werbung ist dabei von
marginaler Bedeutung. So hält die Radiowerbung 2006 lediglich einen Marktanteil von
6,1 % der Bruttowerbeumsätze (vgl. Wibbelt 2007, 66).
A. SCHLUSSBEMERKUNGEN | 325
bedingen. Denn es liegt auf der Hand, daß bestimmte Effekte funktionaler Differen-
zierung dem Bedarf an Image-Kommunikation und an Images über eine hier nicht
thematisierte Problemlage zuarbeiten: Gemeint ist der bereits von Dilthey gesehene
Sachverhalt, daß Individuen in den themenorientierten »Kultursystemen« nur noch
als Funktionsträger nachgefragt werden und sich daher in der Umwelt der Systeme
als Identitäten in neuer Weise formieren müssen.'” Entsprechend ließe sich z.B. fra-
gen, ob und inwiefern sich werbliche Image-Kommunikationen als spezifische »Bio-
graphiegeneratoren« und »partizipative Identitäten« (Hahn 1987) beschreiben lassen,
die einer durch Prozesse funktionaler Differenzierung bedingten »Generalisierung
von Fremdheit« entgegenwirken.'® Ein solcher Bedarf ist um so größer, als Indivi-
duen unter diesen Bedingungen soziale Identität bekanntlich nur noch bedingt über
familiale Herkunft gewinnen können. Die mit Prozessen funktionaler Differenzierung
einhergehende »Dynamisierung des Selbst« macht jedenfalls verständlich, warum
(u.a. Image-)Identität zu einer erfolgsversprechenden Offerte der »Kulturindustrie«
und zu einem Hebel werden kann, an dem die Konditionierungen der Image-Kom-
17 Zur Entstehung des modernen Selbst bzw. moderner Identitäten vor dem Horizont der
durch gesellschaftliche Differenzierungsprozesse verursachten Problemlagen vgl. exem-
plarisch Sennett 1983; Luhmann 1989; Weiß 1998; Willems/Hahn 1999. Im Blick auf
Diltheys Diagnosen stellen Willems und Hahn fest: »War bei Emile Durkheim oder —
wenngleich ganz anders akzentuiert – auch bei Marx das Problem, daß die verschiedenen
Gruppen nur einen Ausschnitt der gesamtgesellschaftlichen Realität repräsentieren konn-
ten, so wird nun deutlich, daß das Individuum sehr wohl in alle Sphären der Gesamtge-
sellschaft eingelassen ist, aber jeweils nur in für es selbst partiellen Engagements, z.B.
als Zahler, Liebhaber, Glaubender oder Gläubiger, Patient oder Arzt.« (Willems/Hahn
1999, 14)
18 Während Biographiegeneratoren auf das Problem bezogen sind, daß Individuen ihre je
individuelle, einzigartige biographische Identität als ein Ganzes konstruieren müssen,
d.h. auf das Problem der Vereinzelung von Identität bezogen sind, stehen die »partizipa-
tiven Identitäten« vor dem Problem, »wie die derart vereinzelten Objekte sich als soli-
darisch empfinden können.« (Willems/Hahn 1999, 17) Hahn sieht in den partizipativen
Identitäten dabei nicht nur ein (funktionales) Resultat moderner Fremdheiten, sondern
zugleich ein Apriori funktionaler Differenzierungsprozesse. Nur wenn integrative Iden-
tifikationsmöglichkeiten über tragfähige Identitätsbeschreibungen abgesichert sind, so
Hahn, können Prozesse funktionaler Differenzierung ungestört ablaufen. Zu diesen, ins-
besondere an den Formen »Nation« und »Mensch« ausgearbeiteten Überlegungen vgl.
Hahn 1997. Beschriebe man Images als partizipative Identitäten, könnte man auch sagen,
daß die Werbung eine Kohäsionsfunktion für die funktional differenzierte Gesellschaft
übernimmt.
19 Vgl. Willems 1999, 94 f. Daß gerade auch das System der Massenmedien über eine all-
gemeine Steigerung von Reflexivität, die sich im Modus der Beobachtung zweiter Ord-
nung dann u.a. auf das jeweils beobachtende Subjekt bezieht, einen neuen und forcierten
Bedarf an Selbstschematisierung — d.h. Identität — erzeugt, betont Luhmann (vgl. 1996,
195-205).
326 | IMAGE. ZUR GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN
munikation gerade im Bereich der Konsumgüterwerbung ansetzen können. Für das
moderne Individuum, das die Herstellung von Identität selbst leisten muß, bieten sich
gerade Images als im konsumtiven Handeln (relativ) leicht zugängliche wie zugleich
semantisch aussagekräftige und fein differenzierbare »Verlängerungen des Selbst«
(Belk 1988) an. Die Überlegung, daß sich die gesellschaftliche Konstruktion bzw.
die Erziehung des Konsumenten (vgl. Trentmann 2006) auch und gerade über die
Konstruktion von Images vollzieht, könnte dabei in Auseinandersetzung mit moder-
nisierungstheoretischen Diagnosen wie etwa Riesmans Beschreibung der Entstehung
einer »außengeleiteten Lebensweise« (1958) oder Baudrillards Analyse symbolischer
Tauschbeziehungen (1982) spezifiziert werden.”
c) Image-Kommunikation, soziale Praxis und soziale Ungleichheit
Die Frage nach der Funktion von Images für den modernen »Existenzbastler«?' berührt
diejenige nach den faktischen Bedeutungen der Image-Kommunikationen in der so-
zialen Praxis. Offensichtlich ist, daß die Werbung die Akzeptanz ihrer Kommunika-
tionen nicht prinzipiell sicherstellen kann. Wie die anderen symbolisch generalisier-
ten Kommunikationsmedien generiert die Image-Kommunikation mit ihren Lösungen
vielmehr zugleich Akzeptanzprobleme, die aus diesem Medium hervorgehen.” Mit der
Differenzierung unterschiedlichster Images wird es zunehmend unwahrscheinlich, daß
sich das einzelne Image umstandslos gegen vorliegende Alternativen durchsetzt. Das
gilt um so mehr, als Entscheidungen für Images immer als Entscheidung gegen andere
Images reflektiert werden können bzw. Image-Identitäten als Zwei-Seiten-Formen ver-
standen werden müssen, die mit ihren jeweiligen Identitätswerten nicht nur spezifische
Einschlüsse, sondern auch Ausschlüsse (z.B. anderer Image-Attribute) regulieren. Auch
das Image-Medium spezifiziert also Annahme- bzw. Ablehnungswahrscheinlichkeiten
und verschiebt dadurch eher ein Problem, als daß es dieses aufhebt. Ja man wird sagen
können, daß das Ungenügen der einzelnen Images vor dem Horizont wählbarer Alter-
nativen die Orientierung der Individuen (psychischen Systeme) an dem Medium der
Image-Kommunikation stabilisiert, indem es (das Ungenügen) ein permanentes Sich-
Informieren sowie fortwährende (Neu-)Entscheidungen in puncto Image nahelegt.”
20 Zu einem Überblick über Funktionsbeschreibungen des »symbolischen Konsums« unter-
schiedlicher Fachwissenschaften im allgemeinen vgl. Reisch 2002. Zu einer Differenzie-
rung von Funktionen der Produktkommunikation vgl. auch Karmasin 1993.
21 Vgl. Hitzler 2001.
22 Vgl. Luhmann 1997, 317.
23 Die so ermöglichte Irritabilität der Rezipienten könnte man vermutlich als Basis einer
habituell werdenden »Außengeleitetheit« beschreiben, die Riesman u.a. (1958) für ein
Merkmal des modernen (Medien-)Menschen hält. Ähnliches diagnostiziert Baudrillard
(1970), wenn er von einer prinzipiellen Unersättlichkeit von Bedürfnissen im Rahmen
des modernen konsumsymbolischen Universums spricht, oder auch Sennett (1983), wenn
er die Medienkultur als Generator eines heillosen Narzißmus beschreibt.
A. SCHLUSSBEMERKUNGEN | 327
Entsprechend geht die Entlastungsfunktion, die die Image-Schablonen für die Rezipi-
enten übernehmen können, mit einer spezifischen Belastung einher, die die Image-Kom-
munikationen erst herstellen. Nicht zuletzt ist es Individuen prinzipiell freigestellt, sich
an Images zu orientieren — die Funktion der Werbung kann, muß aber nicht nachgefragt
werden. Zu Recht weisen auch die Cultural Studies darauf hin, daß die Rezeptionswei-
sen verschiedener Medienangebote bis hin zur Werbung keineswegs auf die Bedeu-
tungen festgelegt sind, die die Mitteilungshandelnden selbst im Sinn haben — so sehr sie
einen »idealen Leser« ihrer Botschaften unterstellen mögen bzw. in ihren Angeboten
Bedeutungsstrukturen anlegen, die im Sinne eines »preferred reading« fungieren, also
»die eine Interpretationsweise fördern und andere erschweren« (Fiske 1987, 65).
Andererseits gibt es fraglos Umstände, in denen man durchaus von der Unmög-
lichkeit sprechen kann, nicht Images zu kommunizieren. Das trifft wiederum insbe-
sondere für die — alle Mitglieder der Gesellschaft einschließende — Sphäre des Güter-
konsums zu. Mit dieser Feststellung ist das Bestehen sozialer Unterschiede und damit
gegebener Exklusionsmöglichkeiten in puncto Image (z.B. durch unterschiedliche
Kaufkraft), keineswegs bestritten. Entscheidend ist jedoch, daß in der Gesellschaft
(fast) kein Mensch (mehr) existiert, der keine mit Images versehenen Dinge sein
eigen nennt und entsprechend von anderen u.a. im Blick auf diese Images identifiziert
werden könnte. Gerade sichtbare Waren werden mit Images der Werbung assoziiert
und entsprechend laufen alle Personen als Konsumenten Gefahr, von anderen ganz
unabhängig von eigenen Kaufmotiven unter Image-Gesichtspunkten beobachtet zu
werden. Image-Kommunikation kann sich also ohne die Intentionalität derer reprodu-
zieren, die in den jeweiligen Situationen als sichtbare Träger bzw. als Kommunikati-
onsmedium von Image fungieren. Dieser Sachverhalt ist um so folgenreicher, als mit
der Diffusion der Image-Kommunikationen in die verschiedensten Themen- und Ge-
genstandsbereiche Zugriffsmöglichkeiten auf imagelose Objekte zunehmend knapp
werden.”
Im Anschluß an die hier skizzierte Image-Kommunikation, die man auch als ein Re-
gelwerk der Herstellung eines »preferred reading« visueller Kommunikationen verstehen
24 Vgl. z.B. auch Hall 1980; Winter 1995; Krotz 2003; Wren-Lewis 1983; Newcomb/Hirsch
1986. Zu einer handlungstheoretischen Darstellung von Medienaneignungsprozessen
vgl. Göttlich 2006. Zu einer konversationsanalytischen Untersuchung der situativen An-
eignung von Werbespots vgl. Ayaß 2001.
25 Luhmann beschreibt die Ausweglosigkeit des modernen Konsumenten mit einem schö-
nen Beispiel, das vorliegender Untersuchung zufolge in Sachen Werbung auf deren
Image-Ordnung zu beziehen ist: »Man kann in typischen amerikanischen Restaurants
zwischen Salat dressings (French or Italian) wählen, aber nicht Olivenöl und Zitronensaft
verlangen und selbst über eine angemessene Mischung entscheiden. Und offenbar wäh-
len nur wenige den Ausweg, unter diesen Bedingungen auf Salate ganz zu verzichten.«
(1996, 95)
328 | IMAGE. ZUR GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN
kann,” stellt sich in einem weiteren Schritt also die Frage nach den verschiedenen Aneig-
nungspraktiken von Images. Mit theoretischen und empirisch-analytischen Konzepten, die
z.B. in der Wissenssoziologie oder der Medienrezeptionsforschung gebräuchlich sind,”
könnten sich die individuellen und gruppenspezifischen Perspektiven auf und die Erwar-
tungen an konsumierbare Images näher bestimmen lassen. Neben und mit den Rationa-
litäten, die dem Entscheidungsverhalten von Konsumenten, Wählern, Vereinsmitgliedern
usw. im Anschluß an Images zugrunde liegen, wäre an imagebezogene Identitätsbalancen
von Individuen ebenso zu denken wie an eine Beschreibung der Beziehungen zwischen
den Image-Kommunikationen und den symbolisch generalisierten Kommunikationsme-
dien wie etwa der Liebe oder der Macht im Feld sozialer Praxis.”
Die Frage nach den lebensweltlichen Aneignungspraktiken von Images läßt sich
zudem als eine Frage nach der Einflußnahme verschiedener Kategorien sozialer Un-
gleichheit auf die sozialen Gebrauchsweisen der Image-Kommunikation stellen. Alter,
Geschlecht, Ethnizität, soziale Schicht, Milieu oder Lebensstil sind z.B. Kategorien,
mittels derer das Konzept der Image-Kommunikation empirisch-analytisch überprüft
werden könnte. Von Interesse wäre insbesondere eine Auseinandersetzung mit der So-
ziologie der Lebensstile?’, da gerade diese symbolische Ordnungen als (Re-)Produk-
tionsmechanismen sozialer Ungleichheiten auffaßt, wenngleich die Autonomie der
Lebensstile von traditionellen (insbesondere stratifikatorischen) Gliederungsformen
26 Die Regelgeleitetheit der Image-Kommunikationen, deren problembezogene Funktion
und deren Struktur zielt ja gerade darauf ab, die Wahrscheinlichkeit der Annahme trotz
unterschiedlicher Motivlagen der Individuen, also gleichsam gegen die Individualität der
Bewußtseine zu steigern. Im Blick auf den kommunikativen Output der Werbung ist die
Feststellung entsprechend durchhaus gerechtfertigt, daß sich die Polysemie der Werbung
in erheblich engeren Grenzen bewegt als gelegentlich angenommen. Man mag den Kom-
munikationen der Werbung zustimmen oder sie ablehnen, aber man wird nur in wenigen
Fällen sagen können, daß unklar bleibt, daß es um die Konstruktion von Images geht und
worin der positive Imagewert besteht, den die jeweilige Werbung modelliert (z.B. Natür-
lichkeit, Jugendlichkeit, Erotik). Selbstverständlich kann man Werbungs-Images variieren,
ironisieren oder, wie z.B. die kanadische Aktivisten-Gruppe »Adbusters«, mittels subtil
modulierter Re-Inszenierungen kritisieren. Selbst im Konsum von Image-Objekten kann
man Distanz zum jeweiligen Image zum Ausdruck bringen, z.B. durch ein »modisches
Handeln« (Würtz/Eckert 1998), das verschiedene Image-Symbole semantisch kontrastiert
oder manipulierte Werbeslogans zum Einsatz bringt. Derartige Phänomene sind aber kein
Beweis gegen die Eindeutigkeit der Image-Logik der Werbung. Vielmehr weisen die ge-
nannten Beispiele darauf hin, daß die Images als solche deutlich kommuniziert werden und
deshalb als Grundlage verschiedenster Anschlußkommunikationen fungieren können.
27 Zu einem Überblick vgl. Jäckel 2008 und Bonfadelli 1999.
28 Zu einer Kritik der systemtheoretischen Nichtberücksichtigung der »Triangulation von
Mediendifferenzen« in der sozialen Praxis allgemein vgl. Renn 2006.
29 Zu der Beziehung von Lebensstilen und Werbung vgl. Hölscher 1998 und Borgmann
1999.
A. SCHLUSSBEMERKUNGEN | 329
der Gesellschaft unterschiedlich eingeschätzt wird.’ Zu denken wäre in diesem Zu-
sammenhang auch an einen auf Image-Kommunikation bezogenen Theorievergleich
zwischen Bourdieus Konzept des symbolischen Kapitals einerseits und Luhmanns
Theorie der (symbolisch generalisierten) Kommunikationsmedien andererseits.’
Vor der Untersuchung derartiger Problemstellungen kann aber bereits vor dem Hin-
tergrund der skizzierten Struktur und Eigenlogik der Image-Kommunikation mit guten
Gründen angenommen werden, daß Images als Mikrostrukturen der (Re-)Produktion
sozialer Ungleichheit fungieren, die keineswegs aufgehen in Phänomenen wie Schicht,
Milieu oder Lebensstil.” Sie stellen vielmehr eigenständige Sinnstrukturen dar und ge-
rade das macht ihre Stellung im Themenzusammenhang sozialer Ungleichheit aus. Als
spezifisch schematisierte und qualifizierte soziale Objekte (Image-Identitäten) stehen
sie der Konstruktion von Identität (u.a. des Geschlechts, des Lebensstils, der Ethnizität)
als ein Baustein von Fremd- und Selbstbeschreibungen zur Verfügung. Die sich im 20.
Jahrhundert entfaltende Image-Kommunikation etabliert einen weiteren Horizont sym-
bolischer Ordnungsmöglichkeiten in der Gesellschaft, wobei sie jeweils in sich selbst
festlegt, welche (sichtbaren) Attribute als Identitätsaufhänger fungieren und inwiefern
dieselben Anlaß zu (Image-)Positivbewertungen geben. Die Operationsweise der Wer-
bung ermöglicht dabei eine hochgradige Flexibilität der Kriterienbildung für die Zutei-
lung der Codewerte Imagenegativ/Imagepositiv. So entsteht eine symbolische Ordnung,
die keineswegs über eine Logik »feiner Unterschiede« (Bourdieu) und eine dazugehö-
rige (wie auch immer verdeckte) Anerkennung einer hierarchischen Gesellschaftsord-
nung angemessen beschrieben werden kann. Der Kommunikationscode Image und das
symbolische Universum der Werbung bestätigt vielmehr neuere Positionen der aktuellen
Debatte zum Thema soziale Ungleichheit, die die Ablösung von Prozessen sozialer Ex-
klusion (Inklusion) von allgemein akzeptierten Vorstellungen eines gesellschaftlichen
»oben« und »unten« betonen.” Die strukturell äußerst flexiblen Gratifikationszuteilungen
der Image-Kommunikationen passen bestens zu den diffusen Inklusions-/Exklusions-
mechanismen der modernen Gesellschaft, die in den verschiedensten Lagen, Schichten,
Milieus und Lebensstilgruppierungen vorkommen, aber eben kaum mehr anhand ein-
heitlicher Muster zu beschreiben sind.
30 Die Positionen reichen von der Interpretation von Lebensstilen als Ausdruck von Schich-
ten (Bourdieu 1982; Vester 1993) bis hin zur Konzeption von Lebensstilen als völlig ei-
genständige Sozialstrukturen (Schulze 1992; Müller-Schneider 1994; zu einer mittleren
Position vgl. z.B. Müller 1992; Hradil 1996; Spellerberg 2002; zu einem Überblick über
die neuere Debatte vgl. Otte 2005; Rössel 2005; Burzan 2005).
31 Zu einem solchen Vergleich entlang des Themas Liebe vgl. Becker 2005.
32 Das heißt selbstverständlich nicht, daß die Image-Kommunikationen der Werbung nicht
auf alltagsästhetische Schemata Rücksicht nehmen würden, die die Soziologie verschie-
denen Lebensstilen oder Milieus zuordnet (vgl. Schulze 1992). Zu dem Zusammenhang
von Lebensstil und Werbung vgl. Hölscher 1998 und Bächold 1991.
33 Ур]. Bude 2008, 246 f. und 258 ff.
330 | IMAGE. ZUR GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN
Schon diese Aufzählung von Anschlußfragen verdeutlicht, daß das Konzept von
Image-Kommunikation keineswegs als abgeschlossen zu betrachten ist. Folgt man
der hier entfalteten Argumentation, eröffnet sich jedoch neben und mit einer genealo-
gischen Perspektive auf die als Image kommunizierten Objekte eine neue Perspektive
auf die Verwendung des Wortes Image im Alltag einerseits und auf die Image-Begriffe
der Sozialwissenschaften andererseits. Inwiefern dies für das Alltagswort zutrifft, läßt
sich gut anhand entsprechender Einschätzungen Boorstins (1964) verdeutlichen, die
immer noch aktuell sind, da andere Untersuchungen bislang fehlen, die Image als ein
historisches Phänomen in den Blick nehmen. Boorstin deutet die alltägliche Rede von
und die Bezugnahme auf Images als Symptom eines medienbedingten Realitätsver-
lustes. Im »Zeitalter der Images«, so Boorstin, sei die »Kopie« wichtiger geworden
als das »Original«.’* Vorliegende Untersuchung gelangt hingegen zu einer entgegen-
gesetzten Diagnose — nämlich zu der, daß der Alltagsgebrauch des Wortes Image dem
Sachverhalt Rechnung trägt, daß sich ein Kommunikationscode in der Gesellschaft
einspielt, der an die neuartigen, über die Verbreitungsmedien und das System der
Massenmedien kommunizierten Identitätskonstruktionen angepaßt ist. In puncto Re-
alitätsbezug indiziert die Image-Semantik gerade nicht Realitätsverlust, sondern Rea-
litätsgewinn. Mit Image zielt man — und zwar schon im alltäglichen Sprachgebrauch
— auf die Bezeichnung einer spezifischen Identität. Gerade weil man eine unterscheid-
bare Selektivität als Generator der bezeichneten Objekte unterstellt, benutzt man die-
ses Wort. Da mit den Massenmedien und deren »Hintergrundrealität« (Luhmann) die
entsprechenden Identitätsschematisierungen zu gewöhnlichen Bezugspunkten alltäg-
licher Kommunikation werden, braucht man ein Wort, mit dem man sich reflexiv auf
diese Objekte beziehen kann. Die mehr oder weniger gepflegte Image-Semantik dies-
seits und jenseits der Massenmedien seit den 1950er Jahren weist auf diesen Bedarf
hin. Die seitdem zu beobachtende Vergewöhnlichung des Wortes hat, so die hieran
anschließende These, bei allen feststellbaren Bedeutungsmodulationen in den ver-
schiedenen Anwendungskontexten ihren Kern, ihren Ausgangs- und Haltepunkt in
den über die Verbreitungsmedien und das System der Massenmedien reproduzierten
Images und den stärker formalisierten Image-Kommunikationen der Werbung. Vor
dem Horizont dieser Images entsteht eine Image-Metaphorik der Alltagssprache, die
in die verschiedensten Lebenswelten diffundiert, so daß man z.B. vom Image von Per-
sonen des sozialen Nahraums, vom Image eines lokalen Sportvereins, eines Museums
oder einer Schule spricht und nicht etwa (mehr) von deren Ruf oder Ansehen.’
Eine vergleichbare Diagnose ergibt sich in Bezug auf die Image-Begriffe der Sozial-
wissenschaften. Der Nichtthematisierung von Image im Sinne eines historischen Un-
tersuchungsgegenstands entspricht das Ausbleiben einer geschichtlichen Reflexion der
34 Auch spätere Untersuchungen arbeiten mit der Entgegensetzung von Realität (Wirklich-
keit) und Image (vgl. z.B. Zankl 1971, 41-50 und Regenthal 2002, 61).
35 Auch Prozeßbeschreibungen wie Image-Pflege, Image-Marketing oder Image-Politik ge-
hören in den letzten Jahrzehnten zunehmend zum alltäglichen Sprachgebrauch.
A. SCHLUSSBEMERKUNGEN | 331
Aufnahme des Begriffs in die eigenen Disziplinen.’ Beides ist um so erstaunlicher, als
man annehmen kann, daß der Begriff hier nicht zufällig in derselben Zeit wie in der All-
tagskultur in Erscheinung tritt?” — und zwar aus ganz anderen Gründen, als z.B. in der
Soziologie bisher vermutet. Denn insofern sich diese bislang überhaupt die Frage stellt,
ob und inwiefern ihr Image-Begriff eine Beziehung zum Alltagswort unterhält, sieht sie
hier keinen bedeutsamen Zusammenhang.” So schreibt Erwin Scheuch 1961 im Blick
auf die Neueinführung des Image-Begriffs der voraus liegenden Jahre in einem Aufsatz
über »Sozialprestige und soziale Schichtung«: »Die soziale Wirksamkeit der Soziologie
in Deutschland erschöpft sich weitgehend darin, Modeworte zu liefern, die für die vor-
wissenschaftliche Daseinsorientierung konservativ eingestellter und kulturkritisch mo-
tivierter Personen handliche Klischees abgeben.« (Scheuch 1961, 93)?’ In einer Reihe
von Begriffen und Theoremen wie »nivellierte Mittelstandsgesellschaft«, »skeptische
Generation« und »außengesteuerte Persönlichkeit« nennt Scheuch auch den Begriff des
Images als eine der neueren »Errungenschaften« der Soziologie. Vorliegende Analyse
legt hingegen den Schluß nahe, daß Image keineswegs ein Begriff ist, den die Sozio-
logie in der Gesellschaft lanciert. Die Soziologie entdeckt diesen Begriff vielmehr erst,
als von Images bereits in der gepflegten Semantik des Alltags die Rede 15.4 Sie bedient
sich eines Begriffs, der für die »vorwissenschaftliche Daseinsorientierung« relevant wird
36 Sozialwissenschaftliche Image-Begriffe zielen bis in die Gegenwart auf den Aspekt
der Typisierung ab und orientieren sich an Begriffen wie »Vorstellungsbild« (Kleining
1961); vgl. zu ähnlichen Definitionen auch Bergler 1966; Faulstich 1992; Bentele 1995;
Herbst 2005; Kückelhaus 1998. Entsprechend bringt Mersmann die Imageforschung zu
Recht in die Nähe zur Stereotypen- und Universalienforschung (vgl. Mersmann 2004, 99
u. 102). Eine Sonderstellung nimmt Goffmans Image-Begriff ein, der neben und mit der
Schablonisierung von Identität die Kommunikation von (Miß-)Achtung als Funktion der
Image-Arbeit (»Face-Keeping«) auffaßt (vgl. 1967) und insofern dem hier vorgestellten
Image-Konzept am nächsten steht.
37 Diese Annahme läßt sich auch auf die prominenten und soziologisch einschlägigen Be-
griffe von Kleining (1961) und Goffman (1967) beziehen, wenngleich beide Studien
diesen Zusammenhang nicht thematisieren.
38 Auch die Wissenssoziologie, der sich diese Frage am ehesten hätte aufdrängen müssen,
schweigt sich hierüber bislang aus.
39 Zu einer solchen Diagnose vgl. auch Dahrendorf 1961, 327.
40 Von dort aus wird sie vermutlich zuerst von der US-amerikanischen Konsum- und Ab-
satzforschung adaptiert, also von einem Forschungsbereich, der durch seine Anwen-
dungsbezüge und durch seine Gegenstände (u.a. (Bild-)Werbung) für die Aufnahme des
Begriffs besonders prädestiniert ist. Der Hinweis auf die amerikanische Absatzforschung
als Ausgangspunkt soziologischer Begriffsprägungen (vgl. Brachfeld 1976) kann also in
den weiteren Zusammenhang der Entstehung von Image-Kommunikation gestellt wer-
den. Diese These schließt natürlich nicht aus, daß die Soziologie den Begriff terminolo-
gisch bzw. theoretisch kontextiert immer wieder in die verschiedenen Diskurse (auch der
Massenmedien) eingespeist und zu seiner Vergewöhnlichung beigetragen hat.
332 | IMAGE. ZUR GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN
und sich von dort aus geradezu aufdrängt, und zwar, wie gezeigt, nicht aus Gründen der
Mode. Allerdings bildet sie dann eine Terminologie in Bezug auf diese Vokabel aus,
die die Genealogie des Begriffs, seine historische Bedeutung und Besonderheit ebenso
unberücksichtigt läßt wie die damit zusammenhängende Beziehung von Wissenschafts-
begriff und Alltagssemantik.*' Zu einem entsprechenden Perspektivenwechsel will die
vorliegende Untersuchung einen Beitrag leisten.
41 Insofern kann man Scheuch doch Recht geben, wenn er den Begriff (schon) zu seiner
Zeit für eine Modeerscheinung hält. Denn wenn man ihn, wie z.B. Kleining (1961) als
einen Ersatzbegriff für »Vorstellungssysteme« oder kognitive »Typisierungen« einsetzt,
bleibt in der Tat offen, wieso er an die Stelle der genannten Synonyme treten muß.
LITERATUR
Adkins, Covert/Tawnya, Selma (1997): »Mobilization Propaganda: Advertisements
in Womens Magazines during World War II«. American Sociological Associati-
on, Association-Paper.
Albus, Volker/Kriegeskorte, Michael (Hg., 1999): Kauf mich! Prominente als Mes-
sage und Markenartikel, Köln: DuMont.
Alexander, Victoria D. (1994): »The Image of Children in Magazine Advertisements
from 1905-1990«. Communication Research 21 (6), S. 742-765.
Altmeppen, Klaus-Dieter (Hg., 2007): Journalismustheorie next Generation: soziolo-
gische Grundlegung und theoretische Innovation, Wiesbaden: VS.
Armbrecht, Wolfgang/Avenarius, Horst/Zabel, Ulf (Hg., 1993): Image und PR. Kann
Image Gegenstand einer Public Relations-Wissenschaft sein? Opladen: VS.
Arnold, Klaus (2003): »Propaganda als ideologische Kommunikation«. Publizistik 48
(1), S. 63-82.
Assmann, Aleida/Assmann, Jan (1994): »Das Gestern im Heute. Medien und soziales
Gedächtnis«. In: Klaus Merten/Siegfried J. Schmidt (Hg.), Die Wirklichkeit der
Medien, Opladen: VS, S. 114-140.
Aufenanger, Stefan (1997): »Verlockungen und Gefahren heutiger Werbewelten für
Kinder«. In: Dorothee M. Meister/Uwe Sander (Hg.), Kinderalltag und Werbung:
Zwischen Manipulation und Faszination, Neuwied/Kriftel/Berlin: Luchterhand,
S. 28-44.
Ayaß, Ruth (2001): »Werbespots«. In: Werner Holly/Ulrich Püschel/Jörg Bergmann
(Hg.), Der sprechende Zuschauer. Wie wir uns Fernsehen kommunikativ aneig-
nen, Opladen: VS, S. 201-225.
Baacke, Dieter (1986): »Rock und Pop. Intensität als Stil«. In: Willi Bucher/Klaus
Pohl/Deutscher Werkbund e.V./Württembergischer Kunstverein Stuttgart (Hg.),
Schock und Schöpfung. Jugendästhetik im 20. Jahrhundert, Darmstadt/Neuwied:
Luchterhand, S. 80-86.
Baacke, Klaus-Dieter/Sander, Uwe/Vollbrecht, Ralf u.a. (1999): Zielgruppe Kind:
Kindliche Lebenswelt und Werbeinszenierungen, Opladen: Leske + Budrich.
Bachmann-Medick, Doris (2006): Cultural Turns. Neuorientierungen in den Kultur-
wissenschaften, Reinbek: Rowohlt.
Bächold, Rolf (1991): »Lebensstil hat ausgelebt«. Vierteljahreshefte für Media- und
Werbewirkung (3), S. 14-17.
334 | IMAGE. ZUR GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN
Baecker, Dirk (2001): Wozu Kultur? Berlin: Kadmos.
Baecker, Dirk (2007): Studien zur nächsten Gesellschaft, Frankfurt a.M.: Suhrkamp.
Baetzgen, Andreas (2007): Kontextbasierte Markenkommunikation. Ein handlungs-
theoretischer Planungsansatz, Bern/Stuttgart/Wien: Haupt.
Balázs, Béla (2001): Der sichtbare Mensch oder die Kultur des Films, Frankfurt a.M.:
Suhrkamp (Erstausgabe 1924 im Deutsch-Österreichischen Verlag).
Baldinger, Allan L./Rubinson, Joel (1997): »Markenimage. Der Schlüssel zur Marken-
treue«. Vierteljahreshefte für Media- und Werbewirkung (2), S. 20-25.
Ball, Michael S./Smith, Gregory W. Н. (1992): Analyzing Visual Data, Newbury Park:
Sage Publications.
Balla, Bälint (1987): »Kultur als Daseinssphäre von Knappheitsbewältigung«. In:
Wolfgang Lipp (Hg.), Kulturtypen, Kulturcharaktere. Träger, Mittler und Stifter
von Kultur (= Justin Stagl (Hg.), Schriften zur Kultursoziologie, Bd. 7), Berlin:
Reimer, S. 241-256.
Balzer, Axel/Geilich, Marvin/Rafat, Shamim (Hg., 2005): Politik als Marke: Politik-
vermittlung zwischen Kommunikation und Inszenierung, Berlin: Lit.
Baringhorst, Sigrid (1995): »Die Macht der Zeichen zur Aufwertung des Symbo-
lischen in der Politik des Medienzeitalters. Eine Einführung«. In: Sigrid Baring-
horst/Bianca Müller/Holger Schmied (Hg.), Macht der Zeichen — Zeichen der
Macht: neue Strategien politischer Kommunikation, Frankfurt a.M.: Peter Lang,
S. 9-21.
Baringhorst, Sigrid (2004): »Soziale Intergration durch politische Kampagnen Gesell-
schaftssteuerung durch Inszenierung«. In: Stefan Lange/Uwe Schimank (Hg.), Go-
vernance und gesellschaftliche Integration, Bd. 2, Wiesbaden: VS, S. 129-146.
Barrett, Elizabeth (1981): »Brief über Portraitphotographie«. In: Wilfried Wiegand
(Hg.), Die Wahrheit der Photographie. Klassische Bekenntnisse zu einer neuen
Kunst, Frankfurt a.M.: Fischer, S. 41-43.
Barthes, Roland (1957): Mythologies, Paris: Folio.
Barthes, Roland (1989): Die helle Kammer. Bemerkung zur Photographie, Frankfurt
a.M.: Suhrkamp.
Barton, Allen H./Lazarsfeld, Paul F. (1979): »Einige Funktionen von qualitativer Ana-
lyse in der Sozialforschung«. In: Cristel Hopf/Elmar Weingarten (Hg.), Qualita-
tive Sozialforschung, Stuttgart: Klett-Cotta, S. 41-89.
Bateson, Gregory (1994): Ökologie des Geistes. Anthropologische, psychologische
und epistemologische Perspektiven, Frankfurt a.M.: Suhrkamp.
Bateson, Gregory/Mead, Margaret (1942): Balinese Character: A Photographic Ana-
lysis, New York: Special Publications of the New York Academy of Sciences Vo-
lume II.
Bau, Axel (1995): Werbewandel — Wertewandel: Zum Verhältnis von Zeitgeist und
Werbung, Frankfurt a.M.: Haag + Herchen.
Bauch, Kurt (1994): »Imago«. In: Gottfried Boehm (Hg.), Was ist ein Bild? München:
Fink, S. 275-299.
LITERATUR | 335
Baudelaire, Charles (1980): »Das moderne Publikum und die Fotografie«. In: Wolf-
gang Kemp (Hg.), Die Theorie der Fotografie I, 1839-1912, München: Schirmer/
Mosel, S. 110-113 (Zuerst in: Revue Francaise, 10. und 20. Juni 1859).
Baudrillard, Jean (1970): La Société de Consommation: Ses Mythes, ses structures,
Paris: Editions Gallimard.
Baudrillard, Jean (1982): Der symbolische Tausch und der Tod, München: Matthes &
Seitz.
Baudrillard, Jean (1989): »Jenseits von Wahr und Falsch, oder: Die Hinterlist des
Bildes«. In: Hans Matthäus Bachmayer/Otto van de Loo/Florian Rötzer (Hg.),
Bildwelten — Denkbilder (Reihe Texte zur Kunst Bd. 2), Grafrath: Boer, S. 265-
273.
Baxandall, Michael (1972): Painting and Experience in Fifteenth-Century Italy: A
Primer in the Social History of Pictorial Style, Oxford: Clarendon Press.
Becker, Thomas (2005): »Liebe: Medium der Kommunikation oder symbolisches
Kapital der sozialen Reproduktion? Ein Vergleich zwischen Systemtheorie und
Feldsoziologie«. Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie 57, S.
624-643.
Behmer, Markus/Krotz, Friedrich/Stöber, Rudolf/Winter, Carsten (Hg., 2003): Medie-
nentwicklung und gesellschaftlicher Wandel. Beiträge zu einer theoretischen und
empirischen Herausforderung, Wiesbaden: Westdeutscher Verlag.
Bekmeier, Sigrid (1987): Nonverbale Kommunikation in der TV-Werbung. Eine em-
pirische Studie, Paderborn: Lehrstuhl für Absatz-, Konsum- und Verhaltensfor-
schung.
Belk, Russell W. (1988): »Possessions and the Extended Self«. Journal of Consumer
Research 15 (2), S. 139-168.
Belk, Russell W./Pollay, Richard (1985): »Images of Ourselves: The Good Life in
20th Century Advertising«. Journal of Consumer Research 11 (4), S. 887-897.
Belknap, Penny/Leonard I./Wilberg, М. (1991): »A Conceptual Replication and Ex-
tension of Erving Goffman’s Study of Gender Advertisement«. Sex Roles 25
(3/4), S. 103-118.
Bell, Philip (2001): »Content Analysis of Visual Images«, In: Theo van Leeuwen
(Hg.), Handbook of Visual Analysis, London: Sage Publications, S. 10-34.
Bellebaum, Alfred (2006): »Der ideale Körper. Gesundheit, Jugendlichkeit, Schlank-
heit und Schönheit als kulturelle Werte«. In: Alfred Bellebaum/Detlef Herbers
(Hg.), Glücksangebote in der Alltagswelt, Münster: Aschendorff, S. 181-206.
Belting, Hans (1990): Bild und Kult. Eine Geschichte des Bildes vor dem Zeitalter der
Kunst, München: Beck.
Belting, Hans (2000): Menschenbild und Körperbild, Münster: Rhema.
Belting, Hans (2001а): Bild-Anthropologie. Entwürfe für eine Bildwissenschaft,
München: Fink.
Beniger, James (1994): The Control Revolution, Cambridge: Harvard University
Press.
336 | IMAGE. ZUR GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN
Benjamin, Walter (1977): »Kleine Geschichte der Photographie«. In: ders., Das
Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit, Frankfurt a.M.:
Suhrkamp (zuerst in: Literarische Welt 18.9., 25.9., 2.10.1931).
Benjamin, Walter (1977): Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reprodu-
zierbarkeit, Frankfurt a.M.: Suhrkamp.
Bentele, Günter (1995): »Der Entstehungsprozeß von Nationenimages, Informations-
quellen und Verzerrungen. Überlegungen zu Grundlagen der staatlichen Auslands-
Öffentlichkeitsarbeit«. In: Walter A. Mahle (Hg.), Deutschland in der internatio-
nalen Kommunikation, München/Konstanz: UVK, S. 59-71.
Bentele, Günter/Seidenglanz, René (2005): »Das Image der Image-(Re-)Konstruk-
teure: Ergebnisse einer repräsentative Studie zum Image der Public Relations in
der deutschen Bevölkerung und einer Journalistenbefragung«. In: Edith Wienand/
Joachim Westerbarkey/Armin Scholl (Hg.), Kommunikation über Kommunika-
tion. Theorien, Methoden und Praxis. Festschrift für Klaus Merten, Wiesbaden:
VS, S. 200-222.
Berger, John (1998): Sehen. Das Bild der Welt in der Bilderwelt, Reinbek: Rowohlt.
Bergler, Reinhold (1966): Psychologie stereotyper Systeme. Ein Beitrag zur Sozial-
und Entwicklungspsychologie, Stuttgart: Huber.
Bergler, Reinhold (1991): »Der Standort als Imagefaktor«. prmagazin, 22 (7), S. 31-38.
Bette, Karl-Heinz (1987): »Wo ist der Körper?« In: Dirk Baecker (Hg.), Theorie als
Passion. Niklas Luhmann zum 60. Geburtstag, Frankfurt a.M., S. 600-629.
Bie, Oskar (1925): Der Tanz, 3. Aufl., Berlin: Julius Bard.
Biel, Alexander (1993): »Converting Image into Equity«. In: David Aaker/Alexander
Biel (Hg.), Brand Equity and Advertising, New Jersey: Lawrence Erlbaum, S.
67-82.
Birkigt, Klaus/Stadler, Marinus M./Funck, Hans Joachim (Hg., 2002): Corporate
Identity. Grundlagen, Funktionen, Fallbeispiele, 11. überarbeitete und aktualisier-
te Aufl., München: Moderne Industrie.
Blecha, Karl (1966): »Das Image der Parteien«. In: Institut für höhere Studien und
wissenschaftliche Forschung (Hg.), Wahlen und Parteien in Österreich, Bd. II:
Österreichisches Wahlhandbuch Teil B. Wahlwerber, Wien: Österreichischer Bun-
desverlag, Verlag für Jugend und Volk, S. 586-605.
Blumschein, Christine (1986): Wie man(n) Frauen macht. Das Fernsehen als Vermitt-
ler und Produzent von Geschlechterideologien, München: Profil.
Boeger, Annette/Seiffge-Krenke, Inge (1994): »Body Image im Jugendalter: Eine
vergleichende Untersuchung an gesunden und chronisch kranken Jugendlichen«.
Praxis der Kinderpsychologie und Kinderpsychiatrie 43 (4), S. 119-125.
Boehm, Gottfried (Hg., 1994): Was ist ein Bild? München: Fink.
Boehm, Gottfried (1999): »Vom Medium zum Bild«. In: Yvonne Spielmann und
Gundolf Winter (Hg.): Bild – Medium — Kunst, München: Fink, S. 165-177.
von Boehn, Max (1923): Die Mode. Menschen und Mode im 16. Jahrhundert, Mün-
chen: Bruckmann.
LITERATUR | 337
Böhme, Gernot (1999): Theorie des Bildes, München: Fink.
Bohn, Cornelia (1999): Schriftlichkeit und Gesellschaft, Opladen: Westdeutscher Ver-
lag.
Bohn, Volker (Hg., 1990): Bildlichkeit, Frankfurt a.M.: Suhrkamp.
Bolz, Norbert (1989): »Angriff auf den schönen Schein«. In: Hans Matthäus Bach-
mayer (Hg.), Bildwelten – Denkbilder, München: Boer, S. 215-222.
Bolz, Norbert (1991): Kurze Geschichte des Scheins, München: Fink.
Bolz, Norbert (1993): Am Ende der Gutenberg Galaxis: Die neuen Kommunikations-
verhältnisse, München: Fink.
Bolz, Norbert (2001): Weltkommunikation, München: Fink.
Bolz, Norbert/Bosshart, David (1995): Kult-Marketing, Düsseldorf: Econ.
Bonfadelli, Heinz (1999): Medienwirkungsforschung. Grundlagen und theoretische
Perspektiven, Konstanz: UVK.
Bongard, Willi (1964): Fetische des Konsums: Portraits klassischer Markenartikel,
Hamburg: Nannen.
Boorstin, Daniel J. (1964): Das Image — oder was wurde aus dem amerikanischen
Traum? Reinbek: Rowohlt (Originalausgabe: The Image Or What Happened to
the American Dream? New York 1961).
Borchert, James (1981): » Analysis of Historical Photographs: A Method and a Case
Study«. Studies in Visual Communication 7 (4), S. 30-63.
Borgmann, Anette (1999): »Gesellschaftliche Rahmenbedingungen. Fernsehwerbung
und Konsumption in der Erlebnisgesellschaft«. In: Mike Friedrichsen/Stefan Jen-
zowsky (Hg.), Fernsehwerbung. Theoretische Analysen und empirische Befunde,
Opladen: Westdeutscher Verlag, S. 61-86.
Borscheid, Peter (1995): »Am Anfang war das Wort. Die Wirtschaftswerbung begin-
nt mit der Zeitungsannonce«. In: Peter Borscheid/Clemens Wischermann (Hg.),
Bilderwelt des Alltags. Werbung in der Konsumgesellschaft des 19. und 20. Jahr-
hunderts, Stuttgart: Franz Steiner, S. 20-44.
Borscheid, Peter/Wischermann, Clemens (Hg., 1995): Bilderwelt des Alltags. Wer-
bung in der Konsumgesellschaft des 19. und 20. Jahrhunderts, Stuttgart: Franz
Steiner.
Borstnar, Nils (2002): Männlichkeit und Werbung. Inszenierung und Bedeutung im
Zeichensystem Film, Kiel: Ludwig.
Bösch, Frank (2006): »Politische Skandale in Deutschland und Großbritannien«. Aus
Politik und Zeitgeschichte 7. Beilage zur Wochenzeitung »Das Parlament«, S.
25-32.
Bosman, Jan (2000): »Stereotyping in Self Image Brand Image Research«. The Euro-
pean Journal of Communication Research 25 (3), S. 269-289.
Boulding, Kenneth (1956): The Image, Ann Arbor: University of Michigan Press.
Bourdieu, Pierre (1982): Die feinen Unterschiede. Kritik der gesellschaftlichen Ur-
teilskraft, Frankfurt a.M.: Suhrkamp.
Bourdieu, Pierre (1998): Über das Fernsehen, Frankfurt a.M.: Suhrkamp.
338 | IMAGE. ZUR GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN
Bourdieu, Pierre/Boltanski, Luc/Castel, Robert/Chamboredon, Jean-Claude/
Lagneau, Gerard/Schnapper, Dominique (1983): Eine illegitime Kunst. Die
sozialen Gebrauchsweisen der Photographie, Frankfurt a.M.: Suhrkamp (zu-
erst: Un art moyen. Essais sur les usages sociaux de la photographie, Paris
1965).
Brachfeld, Oliver (1976): »Image«. In: Joachim Ritter (Hg.), Historisches Wörter-
buch der Philosophie, Basel: Schwabe.
Braive, Michel (1965): Das Zeitalter der Photographie, München: Callwey.
Brandt, Reinhard (1999): Die Wirklichkeit des Bildes. Sehen und Erkennen — Vom
Spiegel zum Kunstbild, München: Carl Hanser.
Braudel, Fernand (1973): Capitalism and Material Life: 1400-1800, London: Harper-
collins.
Bretl, Daniel J./Cantor, Joanne (1988): »The Portrayal of Men and Women in U.S.
Television Commercials: A Recent Content Analysis and Trends over 15 Years«.
Sex-Roles 18 (9/10), S. 595-609.
Brettschneider, Frank (1998): »Medien als Imagemacher? Bevölkerungsmeinung
zu den beiden Spitzenkandidaten und der Einfluß der Massenmedien im Vor-
feld der Bundestagswahl 1998«. Media Perspektiven (8), S. 392-401.
Brosius, Hans-Bernd/Staab, Joachim-Friedrich (1990): »Emanzipation in der Wer-
bung? Die Darstellung von Frauen und Männern in der Anzeigenwerbung des
Stern: von 1969 bis 1988«. Publizistik: Vierteljahreshefte für Kommunikations-
forschung, Zeitschrift für die Wissenschaft von Presse, Rundfunk, Film, Rhetorik,
Öffentlichkeitsarbeit 35 (3), S. 292-303.
Brown, Bruce W. (1981): »Family Intimacy in Magazine Advertising, 1920-1977«.
Journal of Communication 32 (3), 173-183.
Brückle, Wolfgang (1998): »Wege zum Volksgesicht. Imagebildung für das Kollektiv
im fotografischen Portrait des Nachexpressionismus«. In: Andreas Köstler/Ernst
Seidl (Hg.), Bildnis und Image. Das Portrait zwischen Intention und Rezeption,
Köln u.a.: Böhlau, S. 285-308.
Brückner, Wolfgang (1975): »Fotodokumentation als kultur- und sozialgeschicht-
liche Quelle«. In: Ellen Maas (Hg.), Das Photoalbum 1858-1918, München: Lipp,
S. 11-32.
Bruhn, Manfred (Hg., 2001): Die Marke. Symbolkraft eines Zeichensystems, Bern
u.a.: Haupt.
Buchli, Hans (1962a): 6000 Jahre Werbung. Geschichte der Wirtschaftswerbung und
der Propaganda, Bd. I: Altertum und Mittelalter, Berlin: de Gruyter.
Buchli, Hans (1962b): 6000 Jahre Werbung. Geschichte der Wirtschaftswerbung und
der Propaganda, Bd. II: Die Neuere Zeit, Berlin: de Gruyter.
Buddemaier, Heinz (1970): Panorama, Diorama, Photographie. Entstehung und Wir-
kung neuer Medien im 19. Jahrhundert, München: Fink.
Bude, Heinz (1999): Die ironische Nation. Soziologie als Zeitdiagnose, Hamburg:
Hamburger Edition.
LITERATUR | 339
Bude, Heinz (2007): »Das Phänomen der Exklusion«. In: Heinz Bude/Andreas Wil-
lisch (Hg.): Exklusion. Die Debatte über die »Überflüssigen«, Frankfurt a.M.:
Suhrkamp, S. 246-260.
Burckhardt, Jacob (1989): Die Kultur der Renaissance in Italien, hg. von Horst Gün-
ther, Frankfurt a.M.: Deutsche Klassiker.
Burckhardt, Martin (1994): Metamorphosen von Raum und Zeit. Eine Geschichte der
Wahrnehmung, Frankfurt a.M./New York: Campus.
Burke, Peter (1998): »Reflections on the Frontispiece Portrait in the Renaissance«.
In: Andreas Köstler/Ernst Seidl (Hg.), Bildnis und Image. Das Portrait zwischen
Intention und Rezeption, Köln/Weimar/Wien: Böhlau, S. 151-162.
Burke, Peter (2001): Augenzeugenschaft. Bilder als historische Quellen, Berlin: Wa-
genbach.
Burkhart, Günter/Runkel, Gunter (Hg., 2004): Luhmann und die Kulturtheorie, Frank-
furt a.M.: Suhrkamp.
Burnby, Juanita (1988): »Pharmaceutical Advertisements in the 17th and 18th Centu-
ries«. European Journal of Marketing 22 (4), S. 24-40.
Burzan, Nicole (2005): Soziale Ungleichheit: eine Einführung in die zentralen Theo-
rien, Wiesbaden: VS.
Busch, Bernd (1989): Belichtete Welt. Eine Wahrnehmungsgeschichte der Fotografie,
München/Wien: Carl Hanser.
Buss, Eugen/Fink-Heuberger, Ulrike (2000): Image-Management. Wie Sie Ihr Image
Kapital erhöhen! Erfolgsregeln für das öffentliche Ansehen von Unternehmen,
Parteien und Organisationen, Frankfurt a.M.: Frankfurter Allgemeine Buch.
Bussemer, Thymian (2005): Propaganda. Konzepte und Theorien, Wiesbaden: VS.
Campbell, Colin (1987): The Romantic Ethic and the Spirit of Modern Consumerism,
Oxford: Basil Blackwell.
Clarke, John (1998): »Stilschöpfung«. In: Peter Kemper/Thomas Langhoff/Ulrich
Sonnenschein (Hg.), but I like me . Jugendkultur und Popmusik, Stuttgart: Re-
clam, S. 375-392.
Coltrane, Scott/Allan, Kenneth (1994): »»New<« Fathers and Old Stereotypes: Repre-
sentations of Masculinity in 1980 Television Advertising«. Masculinities 2 (4), S.
43-66.
Cowan, Ruth (1976): »The Industrial Revolution in the Home: Household Technolo-
gy and Social Change in the 20th Century«. Technology and Culture 17, S. 1-23.
Crary, Jonathan (1996): Techniken des Betrachters. Sehen und Moderne im 19. Jahr-
hundert, Dresden/Basel: Verlag der Kunst.
Cronau, Rudolf (1887): Das Buch der Reklame. Geschichte, Wesen und Praxis der
Reklame, Ulm: Wohler.
Dahrendorf, Ralf (1961): »European Sociology and »the American Self-Image««. Eu-
ropäisches Archiv für Soziologie 2, S. 324-366.
Dalle Vacche, Angela (2003): The Visual Turn. Classical Film Theory and Art History,
New Brunswick: Rutgers University Press.
340 | IMAGE. ZUR GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN
Davis, Mary E. (2006): Classic Chic. Music, Fashion and Modernism, Berkeley/Los
Angeles/London: University of California Press.
Deichsel, Alexander (2004): Markensoziologie, Frankfurt a.M.: Deutscher Fachver-
lag.
Demos, Vasilikie/Peterson, Fred (1986): »Microcomputer Ideology: An Examinati-
on of Computer Ads From 1975-1985«. North Central Sociological Association,
Association-Paper.
Denscher, Bernhard (1984): »Die Frau in der Werbung«. In: Historisches Museum der
Stadt Wien (Hg.), Die Frau im Korsett. Wiener Frauenalltag zwischen Klischee
und Wirklichkeit, 1848-1920, Wien: Eigenverlag der Museen der Stadt Wien, S.
97-100.
Denzin, Norman (2000): »Reading Film — Filme und Videos als sozialwissenschaft-
liches Erfahrungsmaterial«. In: Uwe Flick/Ernst von Kardorff/Ines Steinke (Hg.),
Qualitative Forschung. Ein Handbuch, Hamburg: Rowohlt, S. 416-429.
von Dewitz, Bodo/Matz, Reinhard (Hg., 1989): Silber und Salz. Zur Frühzeit der
Photographie im deutschen Sprachraum 1839-1860, Köln/Heidelberg: Edition
Braus.
Diepolder, Hans (1965): Die attischen Grabreliefs des 5. und 4. Jahrhunderts v. Chr.
(unveränderter Nachdr. der Orig.-Ausg. v. 1931), Darmstadt: Wissenschaftliche
Buchgesellschaft.
Dieterle, Gabriele S. (1992): Verhaltenswirksame Bildmotive in der Werbung. Theo-
retische Grundlagen, praktische Anwendungen, Heidelberg: Physica.
Dikovitskaya, Margaret (2006): Visual Culture. The Study of the Visual after the Cul-
tural Turn, Cambridge/London: MIT Press.
Disderi, André Adolphe-Euge£ne (1862): L’Art de la Photographie, Paris: L’ Auteur.
Doelker, Christian (1991): Kulturtechnik Fernsehen. Analyse eines Mediums, Stuttg-
art: Klett-Cotta.
Domizlaff, Hans (1939): Die Gewinnung des öffentlichen Vertrauens. Ein Lehrbuch
der Markentechnik, Hamburg (Sonderdr., Hamburg: Marketing-Journal, 1991).
Dörner, Andreas (2000): Politische Kultur und Medienunterhaltung. Zur Inszenierung
politischer Identitäten in der amerikanischen Film- und Fernsehwelt, Konstanz:
UVK.
Dörner, Andreas (2001): Politainment. Politik in der medialen Erlebnisgesellschaft,
Frankfurt: Suhrkamp.
Dubois, Philippe (1998): Der fotografische Akt. Versuch über ein theoretisches Dispo-
sitiv, Schriftenreihe Geschichte und Theorie der Fotografie, Bd. 1, hg. von Herta
Wolf, übers. von Dieter Hornig, Amsterdam/Dresden: Verlag der Kunst.
Dreitzel, Hans Peter (1962): »Selbstbild und Gesellschaftsbild. Wissenssoziologische
Überlegungen zum Image-Begriff«. Archives europeennes de sociologie, Cam-
bridge: Cambridge University Press, S. 181-228.
Dröge, Franz/Kopper, Gerd G. (1991): Der Medien-Prozess. Zur Struktur innerer Er-
rungenschaften der bürgerlichen Gesellschaft, Opladen: Westdeutscher Verlag.
LITERATUR | 341
Dyer, Richard (1979): Stars, London: British Film Institute.
Dyer, Richard (1986): Heavenly Bodies: Filmstars and Society, London: Macmillan.
Eckert, Roland/Winter, Rainer (1990): Mediengeschichte und kulturelle Differenzie-
rung. Zur Entstehung und Funktion von Wahlnachbarschaften, Opladen: Leske +
Budrich.
Eco, Umberto (1977): Zeichen. Einführung in einen Begriff und seine Geschichte,
Frankfurt a.M.: Suhrkamp.
Edwards, Elisabeth (2003): »Andere ordnen. Fotografie, Anthropologien und Taxo-
nomien«. In: Herta Wolf (Hg.), Diskurse der Fotografie. Fotokritik am Ende des
fotografischen Zeitalters, Frankfurt a.M.: Suhrkamp, S. 335-355.
Eisenegger, Mark (2005): Reputation in der Mediengesellschaft: Issues Monitoring,
Issues Management, Wiesbaden: VS.
Elias, Norbert (1980): Über den Prozeß der Zivilisation. Soziogenetische und psycho-
genetische Untersuchungen, 2 Bd., Frankfurt a.M.: Suhrkamp.
Elias, Norbert (1983): Die höfische Gesellschaft. Untersuchungen zur Soziologie des
Königtums und der höfischen Aristokratie, Frankfurt: Suhrkamp.
Elsner, Monika/Müller, Thomas/Spangenberg, Peter M. (1992): »Zwischen utopischer
Phantasie und Medienkonkurrenz. Zur Frühgeschichte des Deutschen Fernsehens
(1926-1935)«. In: Knut Hickethier (Hg.), Fernsehen. Wahrnehmungswelt, Pro-
gramminstitution und Marktkonkurrenz, Berlin: Peter Lang, S. 131-143.
Engell, Lorenz (2006): »Die Gesellschaft des Fernsehens«. In: Andreas Ziemann
(Hg.), Medien der Gesellschaft — Gesellschaft der Medien, Konstanz: ОУК, S.
209-230.
Englisch, Felicitas (1991): »Bildanalyse in strukturalhermeneutischer Einstellung.
Methodische Überlegungen und Analysebeispiele«. In: Detlef Garz/Klaus Krai-
mer (Hg.), Qualitativ-empirische Sozialforschung: Konzepte, Methoden, Analy-
sen, Opladen: Westdeutscher Verlag, S. 133-176.
Evans, Jessica/Hall, Stuart (1999): Visual Culture: The Reader, London/Thousand
Oaks/New Delhi: Sage.
Ewen, Stuart (1988): All Consuming Images. The Politics of Style in Contemporary
Culture, New York: Basic Books.
Fahle, Oliver/Engell, Lorenz (Hg., 2006): Philosophie des Fernsehens, München:
Fink.
Falk, Pasi (1997): »The Genealogy of Advertising«. In: Pekka Sulkunen/John Hol-
mwood/Hilary Radner/Gerhard Schulze (Hg.), Constructing the New Consumer
Society, London: Palgrave Macmillan, S. 81-107.
Faulstich, Werner (1982): Medienästhetik und Mediengeschichte, Heidelberg: Win-
ter.
Faulstich, Werner (Hg., 1992): Image, Imageanalyse, Imagegestaltung, Bardowick:
Wissenschaftler Verlag.
Faulstich, Werner (2006): Mediengeschichte. Von 1700 bis ins 3. Jahrtausend, Göt-
tingen: UTB.
342 | IMAGE. ZUR GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN
Faulstich, Werner/Korte, Helmut (Hg., 1997): Der Star. Geschichte, Rezeption, Be-
deutung, München: Fink.
Faulstich, Werner/Korte, Helmut/Lowry, Stephen/Strobel, Ricarda (1997): »>Konti-
nuität« — zur Imagefundierung des Film- und Fernsehstars«. In: Werner Faulstich/
Helmut Korte (Hg.), Der Star. Geschichte, Rezeption, Bedeutung, München: Fink,
S. 11-28.
Faßler, Manfred (2005): Erdachte Welten. Die mediale Evolution globaler Kulturen,
Wien: Springer.
Featherstone, Mike (1982): Consumer Culture and Postmodernism, London: Sage Pu-
blications.
Fellmann, Ferdinand (1991): Symbolischer Pragmatismus. Hermeneutik nach Dilth-
ey, Reinbek: Rowohlt.
Felser, Georg (1997): Werbe- und Konsumentenpsychologie. Eine Einführung, Stutt-
gart: Schäffer-Poeschel.
Ferchhoff, Wilfried (1995): »Jugendkulturelle Individualisierungen und (Stil)
Differenzierungen in den 90er Jahren«. In: Wilfried Ferchhoff u.a. (Hg.),
Jugendkulturen — Faszination und Ambivalenz, Weinheim/München: Juventa,
S. 52-66.
Ferchhoff, Wilfried (2002): »Jugend und Mode«. In: Herbert Willems (Hg.), Die Ge-
sellschaft der Werbung, Wiesbaden: Westdeutscher Verlag, S. 383-397.
Fiske, John (1987): Television culture, New York/London: Routledge.
Fox, Bonnie J. (1990): »Selling the Mechanized Household: 70 Years of Ads in Ladies
Home Journal«. Gender and Society 4 (1), S. 25-40.
Fox, Stephen (1987): The Mirror Makers. A History of American Advertising and its
Creators, New York: William Morrow.
Fraser, W. Hamish (1981): The Coming of the Mass Market — 1850-1940, Hamden/
Conneticut: Palgrave Macmillan.
Freund, Gisele (1978): Photographie und Gesellschaft, Reinbek: Rowohlt.
Fuchs, Georg (1980): »Malerei, Fotografie und Kultur«. In: Wolfgang Kemp (Hg.),
Die Theorie der Fotografie I 1839-1912, München: Schirmer/Mosel, S. 260-265
(zuerst in: Die fotografische Kunst, 1904, S. 96-112).
Furbank, Philip Nicholas (1970): Reflections on the Word »Image«, London: Secker
& Warburg.
Gardner, Burleigh/Levy, Sidney J. (1955): »The Product and the Brand«. Harvard
Business Review 33 (March-April), S. 33-39.
Gehlen, Arnold (1993): Anthropologische und sozialpsychologische Untersuchungen,
Reinbek: Rowohlt.
Geiger, Theodor (1932): Die soziale Schichtung des deutschen Volkes. Soziogra-
phischer Versuch auf statistischer Grundlage, Stuttgart: Enke.
Geiger, Theodor (1987): »Kritik der Reklame — Wesen, Wirkungsprinzip, Publikum«.
Soziale Welt. Zeitschrift für sozialwissenschaftliche Forschung und Praxis 38 (4),
S. 471-492.
LITERATUR | 343
Gerndt, Helge (2004): »Kleine Auswahlbibliographie zur Münchner Bildforschung«.
In: ders. (Hg.), Volkskunde als Bildwissenschaft. Programmheft, München,
S. 30-40.
Gernsheim, Helmut (1983): Geschichte der Photographie. Die ersten hundert Jahre,
Frankfurt/Berlin/Wien: Propyläen (Übers. und erw. Ausgabe von: ders., The Hi-
story of Photography, from the Camera Obscura to the Beginnings of the Modern
Era, London 1969).
Gheude, Michel (1975): »Ideologie et Publicite«. Recherches Sociologiques (6),
S. 169-185.
Gidal, Tim N. (1972): Deutschland — Beginn des modernen Photojournalismus,
Luzern/Frankfurt am Main: C.J. Bucher.
Giesecke, Michael (1992): Sinnenwandel, Sprachwandel, Kulturwandel. Studien zur
Vorgeschichte der Informationsgesellschaft, Frankfurt a.M.: Suhrkamp.
Girtler, Roland (1994): Die feinen Leute. Von der vornehmen Art, durchs Leben zu
gehen, Berlin: Ullstein.
Giuliani, Luca (1998): »Das älteste Sokrates-Bildnis. Ein physiognomisches Portrait
wider die Physiognomiker«. In: Andreas Köstler/Ernst Seidl (Hg.), Bildnis und
Image. Das Portrait zwischen Intention und Rezeption, Köln/Weimar/Wien: Böh-
lau.
Glaser, Barney G./Strauss, Anselm L. (1967): The Discovery of Grounded Theory:
Strategies for Qualitative Research, New York: Aldine Transaction.
Gmelin, Otto F. (1975): Anti-Freud. Freuds Folgen in der bildenden Kunst und Wer-
bung, Köln: DuMont.
Göbel, Andreas (2006): »Der »heilige Geist des Systems«? Gesellschaftstheoretische
Bemerkungen zum System der Massenmedien«. In: Andreas Ziemann (Hg.), Me-
dien der Gesellschaft — Gesellschaft der Medien, Konstanz: UVK, S. 111-140.
Göckenjahn, Gerd (2000): Das Alter würdigen. Altersbilder und Bedeutungswandel
des Alters, Frankfurt a.M.: Suhrkamp.
Goethe, Johann Wolfgang (1995): Wahlverwandtschaften, München: Beck.
Goffman, Erving (1969): Wir alle spielen Theater. Die Selbstdarstellung im Alltag,
München: Piper.
Goffman, Erving (1977): Rahmen-Analyse. Ein Versuch über die Organisation von
Alltagserfahrungen, Frankfurt a.M.: Suhrkamp.
Goffman, Erving (1981): Geschlecht und Werbung, Frankfurt a.M.: Suhrkamp.
Goffman, Erving (1986): Interaktionsrituale. Über Verhalten in direkter Kommunika-
tion, Frankfurt a.M.: Suhrkamp.
Goffman, Erving (1994): »Die Interaktionsordnung«. In: Hubert Knoblauch (Hg.),
Interaktion und Geschlecht. Erving Goffman, Frankfurt a.M./New York: Campus,
S. 50-104.
Goldman, Robert (1984): »Legitimation Ads, Part I: The Story ofthe Family, in Which
the Family Saves Capitalism from Itself«. Knowledge and Society: Studies in the
Sociology of Culture — Past and Present 5, S. 243-267.
344 | IMAGE. ZUR GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN
Goldman, Robert/Papson, Stephen (1994): » Advertising in the Age of Hypersignifica-
tion«. Theory, Culture and Society 11 (3), S. 23-53.
Goodman, Nelson (1995): Sprachen der Kunst. Entwurf einer Symboltheorie, Frank-
furt a.M.: Suhrkamp.
Goodrom, Charles/Dalrymple, Helen (1990): Advertising in America. The First 200
Years, New York: Abrams.
Göttlich, Udo (2006): Die Kreativität des Handelns in der Medienaneignung, Kon-
stanz: UVK.
Gozich, Wlad (1991): »Vom Paradox der Sprache zur Dissonanz des Bildes«. In:
Hans Ulrich Gumbrecht/K. Ludwig Pfeiffer (Hg.), Paradoxien, Dissonanzen,
Zusammenbrüche. Situationen offener Epistemologie, Frankfurt a.M.: Suhr-
kamp.
Grassl, Wolfgang (1999): »The Reality of Brands: Towards an Ontology of Marke-
ting«. American Journal of Economics and Sociology 58 (2), S. 313-359.
Gries, Rainer (2006): Produkte und Politik. Zur Kultur- und Politikgeschichte der
Produktkommunikation, Wien: WUV.
Gries, Rainer/Ilgen, Volker/Schindelbeck Dirk (1995): »Ins Gehirn der Masse krie-
chen!« — Werbung und Mentalitätsgeschichte, Darmstadt: Wissenschaftliche
Buchgesellschaft.
Gripsrud, Jostein (2000): »Mary, Doug und die Moderne«. Montage/av. Zeitschrift für
Theorie und Geschichte audiovisueller Kommunikation 9 (1), S. 29-45.
Gronemeyer, Nicole (2004): Optische Magie. Zur Geschichte der visuellen Medien in
der Frühen Neuzeit, Bielefeld: transcript.
Grosse, Eduard (1980): 100 Jahre Werbung in Europa, Berlin: Dreilinden.
Große, Fritz (2003): Image der Macht. Das Bild hinter den Bildern bei Ottheinrich
von der Pfalz (1502-1559). Petersberg: Imhof.
Groys, Boris (1992): Über das Neue. Versuch einer Kulturökonomie, München/Wien:
Carl Hanser.
Groys, Boris (1995): »Die Logik der Sammlung«. Kritik (2), S. 16-31.
Gunning, Tom (1995): »Vor dem Dokumentarfilm: Frühe non-fiction-Filme und
die Ästhetik der Ansicht«. In: Frank Kessler/Sabine Lenk/Martin Loiperdin-
ger (Hg.), KINtop4: Anfänge des dokumentarischen Films, Frankfurt/Basel,
S. 111-121.
Guschker, Stefan (2002): Bilderwelten und Lebenswirklichkeit. Eine soziologische
Studie über die Rolle privater Fotos für die Sinnhaftigkeit eigenen Lebens, Frank-
furt a.M.: Peter Lang.
Haarmann, Harald (1998): Universalgeschichte der Schrift, Sonderausgabe, Köln:
Parkland.
Haas, Stefan (1995): »Die neue Welt der Bilder: Werbung und visuelle Kultur der Mo-
derne«. In: Peter Borscheid/Clemens Wischermann (Hg.), Bilderwelt des Alltags.
Werbung in der Konsumgesellschaft des 19. und 20. Jahrhunderts. Festschrift für
Hans Jürgen Teuteberg, Stuttgart: Franz Steiner, S. 64-77.
LITERATUR | 345
Habermas, Jürgen (1985): »Politischer Funktionswandel der Öffentlichkeit. Vom
Journalismus schriftstellernder Privatleute zu den öffentlichen Dienstleistungen
der Massenmedien. Werbung als Funktion der Öffentlichkeit«. In: Dieter Prokop
(Hg.), Konzerne, Macher, Kontrolleure, Frankfurt a.M.: Fischer.
Hahn, Alois (1974): Religion und der Verlust der Sinngebung. Identitätsprobleme in
der modernen Gesellschaft, Frankfurt a.M.: Herder.
Hahn, Alois (1987): »Identität und Selbstthematisierung«. In: Alois Hahn/Volker
Карр (Hg.), Selbstthematisierung und Selbstzeugnis: Bekenntnis und Geständnis,
Frankfurt a.M.: Suhrkamp, S. 9-24.
Hahn, Alois (1999): »Kann der Körper ehrlich sein?« In: Hans Ulrich Gumbrecht
(Hg.), Materialität der Kommunikation, Frankfurt a.M.: Suhrkamp, S. 666-679.
Hall, Stuart (1980): »Decoding/Encoding«. In: Stuart Hall/Dorothy Hobson (Hg.),
Culture, Media, Language, London: Routledge, S. 128-138.
Harms, John/Kellner, Douglas (1991): »Critical Theory and Advertising«. Current
Perspectives in Social Theory (11), S. 41-67.
Harper, Douglas (2000): »Fotografien als sozialwissenschaftliche Daten«. In: Uwe
Flick/Ernst von Kardorff/Ines Steinke (Hg.), Qualitative Forschung. Ein Hand-
buch, Hamburg: Rowohlt, S. 402-416.
Nibbrig, Christiaan H. (He. 1994): Was heißt »Darstellen«? Frankfurt a.M.: Suhr-
kamp.
Harten, Jürgen/Schirner, Michael (Hg., 1992): Art meets Ads. Kunst trifft Werbung
in der Ausstellung. Avantgarde und Kampagne, Kunsthalle Düsseldorf, 18.-27.
September 1992, Stuttgart: Edition Cantz.
Haubl, Rolf (1992): »Früher oder später kriegen wir euch«. In: Hans Hartmann/Rolf
Haubl (Hg.), Bilderflut und Sprachmagie. Fallstudien zur Kultur der Werbung,
Opladen: Westdeutscher Verlag, S. 9-32.
Haug, Wolfgang Fritz (1971): Kritik der Warenästhetik, Frankfurt a.M.: Suhrkamp.
Heath, Joseph/Potter, Andrew (2005): Konsumrebellen. Der Mythos der Gegenkultur,
Berlin: Rogner & Bernhard.
Hebdige, Dick (1983): »Posing... Threats, Striking... Poses. Youth, Surveillance and
Display«. SubStance, 11 (37/38), S. 68-88.
Hebdige, Dick (1998): »Stil als absichtliche Kommunikation«. In: Peter Kemper/Tho-
mas Langhoff/Ulrich Sonnenschein (Hg.), »but I like me . Jugendkultur und Pop-
musik, Stuttgart: Reclam, S. 392-420 (zuerst: Hebdige, Dick (1979): Subculture.
The Meaning of Style, London: Methuen).
Hegel, Georg Wilhelm Friedrich (1986): Vorlesungen über die Ästhetik I, Bd. 13,
Frankfurt a.M.: Suhrkamp.
Heidegger, Martin (1972): »Die Zeit des Weltbildes«. In: ders., Holzwege, 5. Aufl.,
Frankfurt a.M.: Klostermann, S. 69-104.
Held, Jutta (1993): Sozialgeschichte der Malerei vom Spätmittelalter bis ins 20. Jahr-
hundert, Köln: DuMont.
Hellmann, Kai-Uwe (2003): Soziologie der Marke, Frankfurt a.M.: Suhrkamp.
346 | IMAGE. ZUR GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN
Hellmann, Kai-Uwe 2004: »Alles Konsum, oder was? Der Kulturbegriff von Luhmann
und seine Nützlichkeit für die Konsumsoziologie«. In: Günter Burkart/Gunter Run-
kel (Hg.), Luhmann und die Kulturtheorie, Frankfurt a.M.: Suhrkamp, S. 136-168.
Herbst, Dieter (1998): Corporate Identity: Aufbau einer unverwechselbaren Unter-
nehmensidentität. Leitbild und Unternehmenskultur. Ein Leitbild entwickeln und
in der Öffentlichkeit umsetzen, Berlin: Cornelsen.
Herbst, Dieter (2005): »Der Mensch als Marke«. In: Kai-Uwe Hellmann/Rüdiger
Pilcher (Hg.), Ausweitung der Markenzone: interdisziplinäre Zugänge zur Erfor-
schung des Markenwesens, Wiesbaden: VS, S. 99-118.
Hesse, Kurt R./Gelzleichter, Astrid (1993): »Images und Fernsehen«. In: Günter Ben-
tele/Manfred Rühl (Hg.), Theorien öffentlicher Kommunikation: Problemfelder,
Positionen, Perspektiven, München: Ölschläger, S. 409-434.
Hettlage, Robert (2002): »Marktidentitäten: Wirtschaftskultur und Persönlichkeit«.
Jahrbuch Ökonomie und Gesellschaft 18, S. 283-322.
Hickethier, Knut (1997): »Vom Theaterstar zum Filmstar. Merkmale des Starwesens
vom 19. zum 20. Jahrhundert«. In: Werner Faulstich/Helmut Korte (Hg.), Der
Star. Geschichte, Rezeption, Bedeutung, München: Fink, S. 29-47.
Hildenbrand, Bruno (1991): »Vorwort«. In: Anselm L. Strauss (Hg.), Grundlagen qua-
litativer Sozialforschung. Datenanalyse und Theoriebildung in der empirischen
soziologischen Forschung, München: Fink, S. 11-17.
Himpe, Tom (2006): Die Werbung ist tot — lang lebe die Werbung, München: Stieb-
ner. (Zuerst: Ders. (2006): Advertising is Dead — Long Live Advertising, London:
Thames & Hudson.)
Hirth, Georg (1881-1897): Kulturgeschichtliches Bilderbuch aus drei Jahrhunderten,
Leipzig: Hirth.
Hitzler, Ronald (2001): »Existenzbastler als Erfolgsmenschen. Notizen zur Ich-Jagd
in der Multioptionsgesellschaft«. In: Achim Brosziewski/Thomas S. Eberle/Chri-
stoph Maeder (Hg.), Moderne Zeiten. Reflexionen zur Multioptionsgesellschaft,
Konstanz: UVK, S. 183-197.
Hobsbawn, Eric/Ranger, Terence (Hg., 1984): The Invention of Tradition, Cambridge:
Cambridge University Press.
Hoerner, Ludwig (1989): Das photographische Gewerbe in Deutschland 1839-1914,
Düsseldorf: GFW.
Hofman, Wilhelm (2004): »Die politische Kultur des Auges. Der pictorial turn als
Aspekt des cultural turn in der Politikwissenschaft«. In: Birgit Schwelling (Hg.),
Politikwissenschaft als Kulturwissenschaft. Theorien, Methoden, Problemstel-
lungen, Wiesbaden: VS, S. 309-334.
Holert, Tom (Hg., 2000): Imagineering. Visuelle Kultur und Politik der Sichtbarkeit,
Köln: Verlag der Buchhandlung König.
Holert, Tom/Terkessidis, Mark (1998): »Mainstream der Minderheiten«. In: Peter
Kemper/Thomas Langhoff/Ulrich Sonnenschein (Hg.), »but I like me. Jugendkul-
tur und Popmusik, Stuttgart: Reclam, S. 314-333.
LITERATUR | 347
Hölscher, Barbara (1998): Lebensstile durch Werbung? Zur Soziologie der Life-Style
Werbung, Opladen: VS.
Holtz-Bacha, Christina (2000): Wahlwerbung als politische Kultur. Parteienspots im
Fernsehen 1957-1998, Wiesbaden: Westdeutscher Verlag.
Holtz-Bacha, Christina/Lessinger, Eva-Maria/Hettesheimer, Merle (1998): »Perso-
nalisierung als Strategie der Wahlwerbung«. In: Kurt Imhof/Peter Schulz (Hg.),
Die Veröffentlichung des Privaten — die Privatisierung des Öffentlichen, Opladen:
Westdeutscher Verlag, S. 240-250.
Homburg, Heidrun (1991): »Warenanzeigen und Kundenwerbung in den »Leipziger
Zeitungen« 1750-1800. Aspekte der inneren Marktbildung und der Kommerziali-
sierung des Alltagslebens«. In: Dietmar Petzina (Hg.), Zur Geschichte der Ökono-
mik der Privathaushalte, Berlin: Duncker & Humblot, S. 109-131.
Horn, Christian (2004): Der aufgeführte Staat. Zur Theatralität höfischer Repräsentation
unter Kurfürst Johann Georg II. von Sachsen, Tübingen: Narr Francke Attempto.
Horx, Matthias/Wippermann, Peter (Hg., 2002): Markenkulte. Wie Waren zu Ikonen
werden, Düsseldorf: Econ.
Hradil, Stefan (1996): »Sozialstruktur und Kultur. Fragen und Antworten zu einem
schwierigen Verhältnis«. In: Otto G. Schwenk (Hg.), Lebensstil zwischen Sozial-
strukturanalyse und Kulturwissenschaft, Opladen: Leske + Budrich, S. 13-30.
Hradil, Stefan (2002): »Vom Wandel des Wertewandels — Die Individualisierung und
eine ihrer Gegenbewegungen«. In: Wolfgang Glatzer/Roland Habich/Karl Ulrich
Mayer (Hg.), Sozialer Wandel und gesellschaftliche Dauerbeobachtung, Opladen:
Leske + Budrich, S. 31-47.
Hüttermann, Jörg (1999): »Kultur als Irritation? Über den Umgang der Luhmannschen
Systemtheorie mit dem Problemfeld der Kulturbegegnung«. Berliner Journal für
Soziologie 9 (2), S. 233-252.
Ilgen, Volker/Schindelbeck, Dirk (2006): Am Anfang war die Litfasssäule: illustrierte
deutsche Reklamegeschichte, Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft.
Illouz, Eva (2003): Der Konsum der Romantik. Liebe und die kulturellen Widersprü-
che des Kapitalismus, Frankfurt a.M.: Campus.
Imdahl, Max (1994): »Ikonik. Bilder und ihre Anschauung«. In: Gottfried Boehm
(Hg.), Was ist ein Bild? München: Fink, S. 300-324.
Imhof, Kurt/Schulz, Peter (Hg., 1998): Die Veröffentlichung des Privaten — die Priva-
tisierung des Öffentlichen, Opladen: Westdeutscher Verlag.
Imhof, Kurt/Blum, Roger/Bonfadelli, Heinz/Jarren, Otfried (Hg., 2004): Medienge-
sellschaft. Strukturen, Merkmale, Entwicklungsdynamiken, Wiesbaden: VS.
Imhof, Kurt/Eisenegger, Mark (1999): »Politische Öffentlichkeit als Inszenierung.
Resonanz von ›Еуепіѕ‹ in den Medien«. In: Peter Szyszka (Hg.), Öffentlichkeit:
Diskurs zu einem Schlüsselbegriff der Organisationskommunikation, Opladen:
Westdeutscher Verlag, S. 195-218.
Inglehart, Ronald (1977): The Silent Revolution. Changing Values and Political Styles
Among Western Publics, Princeton/New Jersey: Princeton University Press.
348 | IMAGE. ZUR GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN
Ivins, William Mills (1953): Prints and Visual Communication, Cambridge: Harvard
University Press.
Ivins, William Mills (1938): On the Rationalization of Sight, New York: Da Capo Press.
Jäckel, Michael/Kochhan, Christoph/Rick, Natalie (2002): »Ist die Werbung aktuell?
Ältere Menschen als Werbeträger«. In: Herbert Willems (Hg.), Die Gesellschaft
der Werbung, Opladen: VS, S. 675-691.
Jäckel, Michael (2006): Einführung in die Konsumsoziologie. 2., vollständig überar-
beitete und erweiterte Aufl., Wiesbaden: VS.
Jäckel, Michael (2008): Medienwirkungen. Ein Studienbuch zur Einführung, Wies-
baden: VS.
Jäger, Jens (1996): Gesellschaft und Photographie. Formen und Funktionen der Pho-
tographie in Deutschland und England 1839-1860, Opladen: Leske + Budrich.
Jalbert, Paul (Hg., 1999): Media Studies: Ethnomethodological Approaches, Lanham/
New York/Oxford: University Press of America.
Jansson, Andre (2002): »The Mediatization of Consumption: Towards an Analytical
Framework of Image Culture«. Journal of Consumer Culture 2 (1), S. 5-31.
Jay, Martin (1989): »In the Empire of the Gaze«. In: Lisa Appingnanesi (Hg.), Post-
modernism, London: Free Association Books, S. 49-74.
Jay, Martin (1992): »Scopic Regimes of Modernity«. In: Scott Lash/Jonathan Fried-
man (Hg.): Modernity and Identity, Oxford: Wiley-Blackwell, S. 178-195.
Jay, Martin (2002): »That Visual turn: The Advent of Visual Culture«. Journal of Vi-
sual Culture 1 (3), S. 267-278.
Jendrosch, Thomas (2000): Sex Sells. Der neue Trend zur Lust in Wirtschaft und Ge-
sellschaft, Darmstadt: GIT.
Jenks, Chris (Hg., 1995): Visual Culture, London/New York: Routledge.
Jensen, Stefan (1984): »Aspekte der Medientheorie: Welche Funktionen haben die
Medien in Handlungssystemen?« Zeitschrift für Soziologie 13 (2), S. 145-164.
Jhally, Sut/Kline, Stephen/Leiss, William (1985): »Magic in the Marketplace: An Em-
pirical Test for Commodity Fetishism«. Canadian Journal of Political and Social
Theory 9 (3), S. 1-22.
Jongmanns, Georg (2003): Bildkommunikation: Ansichten der Systemtheorie, Biele-
feld: transcript.
Junge, Uli (2003): »Leben und Treiben auf Straßen und Plätzen. Städtebilder und
Lokalaufnahmen der Kaiserzeit«. In: Peter Zimmermann/Kay Hoffmann (Hg.),
Triumph der Bilder: Kultur- und Dokumentarfilme vor 1945 im internationalen
Vergleich, Konstanz: UVK, S. 27-39.
Jünger, Ernst (1934): »Über den Schmerz«. In: Ders. Blätter und Steine, Hamburg:
Hanseatische Verlagsanstalt, S. 154-213.
Kaid, Linda Lee/Tedesco, John (1998): »Die Arbeit am Image. Kanzlerkandidaten in
der Wahlwerbung. Die Rezeption der Fernsehspots von SPD und CDU«. In: Chri-
stina Holtz-Bacha (Hg.), Wahlkampf in den Medien — Wahlkampf mit den Medi-
en. Ein Reader zum Wahljahr 1998, Opladen: Westdeutscher Verlag, S. 218-241.
LITERATUR | 349
Karmasin, Helene (1993): Produkte als Botschaften: was macht Produkte einzigartig
und unverwechselbar? Die Dynamik der Bedürfnisse und die Wünsche der Kon-
sumenten, Wien: Carl Ueberreuter.
Karp, Markus/Zolleis, Udo (2004): »Imagebildung als Kern moderner Wahlkampf-
strategien — Chancen des Politischen Marketings bei Wahlkämpfen«. Politische
Studien. Zweimonatszeitschrift für Politik und Zeitgeschehen 55 (395), S. 71-84.
Kautt, York/Willems, Herbert (2006): »Zur Beschreibung einer massenmedialen (Ке-)
Konstruktion von Alltagswissen«. In: Karl-Siegbert Rehberg (Hg.), Soziale
Ungleichheit — Kulturelle Unterschiede, Verhandlungen des 32. Kongresses
der Deutschen Gesellschaft für Soziologie in München 2004, Frankfurt a.M.:
Campus.
Kemp, Wolfgang (Hg., 1980): Die Theorie der Fotografie I, 1839-1912, München:
Schirmer/Mosel.
Kepplinger, Hans Mathias/Maurer, Marcus (2003): »Image-Optimierung. Eine em-
pirische Studie zu den Images von Gerhard Schröder und Edmund Stoiber im
Bundestagswahlkampf 2002«. In: Ulrich Sarcinelli/Jens Tenscher (Hg.), Macht-
darstellung und Darstellungsmacht. Beiträge zu Theorie und Praxis moderner Po-
litikvermittlung, Baden-Baden: Nomos, S. 219-231.
Kern-Foxworth, Marilyn (1994): Aunt Jemima, Uncle Ben and Rastus: Blacks in Ad-
vertising, Yesterday, Today, and Tomorrow, Westport: Praeger Paperback.
Keun, Irmgard (1994): Das kunstseidene Mädchen, 5. Aufl., München: Deutscher
Taschenbuch-Verlag (Originalausgabe: Deutsche Verlags-Aktiengesellschaft Uni-
versitas Berlin 1932).
Kirchner, Joachim (1962): Das deutsche Zeitschriftenwesen. Seine Geschichte und
seine Probleme (2 Bde.), Wiesbaden: Harrassowitz.
Kittler, Friedrich A. (1993): »Geschichte der Kommunikationsmedien«. In: Jörg Hu-
ber/Alois Martin Müller (Hg.), Raum und Verfahren. Interventionen 2, Basel/
Frankfurt a.M.: Stroemfeld, S. 169-188.
Kittler, Friedrich A. (2002a): Optische Medien, Berlin: Merve.
Kittler, Friedrich A. (2002b): »Computergrafik. Eine halbtechnische Einführung«. In:
Herta Wolf (Hg.), Paradigma Fotografie. Fotokritik am Ende des fotografischen
Zeitalters, Frankfurt a.M.: Suhrkamp, S. 178-194.
Klages, Helmut (1988): Wertedynamik: Über die Wandelbarkeit des Selbstverständ-
lichen, Zürich: Edition Interfrom.
Klary, С. (1903): La Pose et l’Eclairage en Photographie dans les Ateliers et les Ap-
partements, Paris.
Klein, Gabriele (1999): Electronic Vibration. Pop Kultur Theorie, Hamburg: Rogner
& Bernhard.
Klein, Gabriele (2002): »Image und Performanz. Zur lokalen Praxis der Verkörpe-
rung globalisierter Bilder«. In: Kornelia Hahn/Michael Meuser (Hg.), Körper-
repräsentationen. Die Ordnung des Sozialen und der Körper, Konstanz: UVK,
S. 165-178.
350 | IMAGE. ZUR GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN
Klein, Naomi (2000): No Logo! New York: Alfred A. Knopf.
Kleining, Gerhard (1961): »Über soziale Images«. Kölner Zeitschrift für Soziologie
und Sozialpsychologie, Sonderheft 5, S. 145-170.
Kleinspehn, Thomas (1989): Der flüchtige Blick: Sehen und Identität in der Kultur
der Neuzeit, Reinbek: Rowohlt.
Knegendorf, Petra (1989): Das Bild des Mannes in der Zeitschriftenwerbung,
Schriftenreihe des FB Wirtschaft der Hochschule Bremen, Diplomarbeit.
Knies, Karl (1857): Der Telegraph als Verkehrsmittel. Mit Erörterungen über den
Nachrichtenverkehr überhaupt, Tübingen: Laupp Knoche (Nachdruck 1996,
München: Fischer).
Knoblauch, Hubert (2005): Wissenssoziologie, Konstanz: UVK.
Koch-Hillebrecht, Manfred (1978): Der Stoff, aus dem die Dummheit ist. Eine Sozi-
alpsychologie der Vorurteile, München: C.H. Beck.
Kochhan, Christoph (1999): Jugendlichkeit in der Werbung. Zur Dynamik und Ein-
schätzung eines Werbeelements, Frankfurt a.M. u.a: Peter Lang.
Kochhan, Christoph/Jäckel, Michael (2000): »Als Zielgruppe anerkannt? Werbung
mit älteren Menschen«. medien praktisch 24 (4), S. 50-55.
Kommer, Sven (1996): Kinder im Werbenetz. Eine qualitative Studie zum Werbean-
gebot und zum Werbeverhalten von Kindern, Opladen: Leske + Budrich.
Koppetsch, Cornelia (2000): Körper und Status. Zur Soziologie der Attraktivität,
Konstanz: UVK.
Koppetsch, Cornelia (2002): »Die Verkörperung des schönen Selbst: Attraktivität als
Imagefrage«. In: Herbert Willems (Hg.), Die Gesellschaft der Werbung, Wiesba-
den: Westdeutscher Verlag, S. 359-382.
Koppetsch, Cornelia (2004): »Die Werbebranche im Wandel. Zur Neujustierung von
Ökonomie und Kultur im neuen Kapitalismus«. In: Kai-Uwe Hellmann/Dominik
Schrage (Hg.), Konsum der Werbung. Zur Produktion und Rezeption von Sinn in
der kommerziellen Kultur, Wiesbaden: VS, S. 147-161.
Korte, Helmut/Lowry, Stephen (1994): »Heinz Rühmann — ein Star der deutschen
Filmgeschichte«. Medien und Erziehung: Zeitschrift für Medienpädagogik 38 (6),
S. 348-355.
Koschatzky, Walter (1989): Die Kunst der Photographie. Technik, Geschichte, Mei-
sterwerke, Wien/Salzburg: Residenz.
Köstler, Andreas/Ernst Seidl (Hg., 1998): Bildnis und Image. Das Portrait zwischen
Intention und Rezeption, Köln/Weimar/Wien: Böhlau, S. 285-308.
Kracauer, Siegfried (1977): Das Ornament der Masse, Frankfurt a.M.: Suhrkamp.
Kracauer, Siegfried (1990): »Die Photographie (1927)«. In: ders., Aufsätze 1927-1931
(Schriften Bd. 5/2), Frankfurt a.M.: Suhrkamp, S. 83-98.
Krauss, Rosalind (1985): The Originality of the Avant-Garde and Other Modernist
Myths, Cambridge: MIT Press.
Kriegeskorte, Michael (1992): Werbung in Deutschland: 1945-1965. Die Nachkriegs-
zeit im Spiegel ihrer Anzeigen, Köln: DuMont.
LITERATUR | 351
Kriegeskorte, Michael (1994): Automobilwerbung in Deutschland 1948-1968. Bilder
eines Aufstiegs, Köln: DuMont.
Kroeber-Riel, Werner (1990): Konsumentenverhalten, München: Vahlen.
Krohne, Stefan (1995): »It’s aMen’s World. Männlichkeitsklischees in der deutschen
Fernsehwerbung«. In: Siegfried J. Schmidt/Brigitte Spieß (Hg.), Werbung, Medi-
en und Kultur, Opladen: Westdeutscher Verlag, S. 136-152.
Kröll, Katrin (2002): Urbane Theatralität im Spätmittelalter. Methodische Überle-
gungen zur historischen Verortung und sozialen Spezifik performativer Hand-
lungen, unveröffentlichtes Manuskript, Berlin.
Krotz, Friedrich (2003): »Medien als Ressource der Konstitution von Identität. Eine
konzeptionelle Klärung auf der Basis des symbolischen Interaktionismus«. In:
Carsten Winter/Tanja Thomas/Andreas Hepp (Hg.), Medienidentitäten. Identität
im Kontext von Globalisierung und Medienkultur, Köln: Herbert von Halem.
Krotz, Friedrich (2005): Neue Theorien entwickeln. Eine Einführung in die Grounded
Theory, die Heuristische Sozialforschung und die Ethnographie anhand von Bei-
spielen aus der Kommunikationsforschung, Köln: Herbert von Halem.
Kruse, Lenelis (1986): »Drehbücher für Verhaltensschauplätze oder: Scripts für Set-
tings«. In: Gerhard Kaminski (Hg.), Ordnung und Variabilität im Alltagsgesche-
hen, Göttingen/Toronto/Zürich: Hogrefe, S. 135-153.
Kückelhaus, Andrea (1998): Public Relations: Die Konstruktion von Wirklichkeit.
Kommunikationstheoretische Annäherungen an ein neuzeitliches Phänomen,
Opladen: Westdeutscher Verlag.
Kunczik, Michael (1990): Die manipulierte Meinung: Nationale Image-Politik und
internationale Public Relations, Köln: Böhlau.
Künzler, Jan (1989): Medien und Gesellschaft. Die Medienkonzepte von Talcott
Parsons, Jürgen Habermas und Niklas Luhmann, Stuttgart: Enke.
Kurt, Ronald (1998): »Der Kampf um Inszenierungsdominanz: Gerhard Schröder
im ARD-Politmagazin ZAK und Helmut Kohl im Boulevard Bio«. In: Herbert
Willems/Martin Jurga (Hg.), Inszenierungsgesellschaft, Opladen: Westdeutscher
Verlag, S. 565-582.
de Laborde, Léon (1980): »Die Revolution der Reproduktionsmittel«. In: Wolfgang
Kemp (Hg.), Die Theorie der Fotografie I, 1839-1912, München: Schirmer/Mosel,
S. 97-99 (Zuerst: De l'union des arts et l'industrie, Bd. 2, Paris 1859, S. 57 Ё).
Laird, Pamela Walker (1996): »Progress in Separate Spheres: Selling Nineteenth-
Century Technologies«. Knowledge and Society (10), S. 19-49.
Lagaay, Alice/Lauer, David (Hg., 2004): Medientheorien. Eine philosophische Ein-
führung, Frankfurt a.M.: Campus.
Läge, Damian/Kälin, Stephan (2005): »Imageforschung mit Kognitiven Karten: Die
Landschaft der Fernsehsender in der Wahrnehmung der Zuschauer/innen: Teil 2,
Zielgruppenspezifität und Merkmalsbasiertheit der Senderlandschaft sowie die
Sichtweise von TV-Expert/inn/en«. Zeitschrift für Medienpsychologie 17 (1),
S. 13-23.
352 | IMAGE. ZUR GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN
Laqueur, Thomas (1992): Auf den Leib geschrieben. Die Inszenierung der Geschlech-
ter von der Antike bis Freud, Frankfurt a.M.: Campus.
Lasch, Christopher (1982): Das Zeitalter des Narzißmus, München: dtv.
Lears, Jackson (1994): Fables of Abundance: A Cultural History of Advertising in
America, New York: Basic Books.
van Leeuwen, Theo/Jewitt, Carey (2001): Handbook of Visual Analysis, London:
Sage Publications.
Leggewie, Claus (1997): »Kampagnenpolitik — eine nicht ganz neue Form politischer
Mobilisierung«. In: Ulrike Röttger (Hg.), PR-Kampagnen. Über die Inszenierung
von Öffentlichkeit, Opladen: Westdeutscher Verlag, S. 151-173.
Leggewie, Claus (2006): »Marke Deutschland, Sport als Medium kollektiver Iden-
tität im Globalisierungsprozeß«. In: Jürgen Schwier/Claus Leggewie (Hg.), Wett-
bewerbsspiele. Die Inszenierung von Sport und Politik in den Medien (Interaktiva
— Schriftenreihe des Zentrums für Medien und Interaktivität (ZMD), Gießen, Bd.
3), Frankfurt a.M.: Campus, S. 105-119.
Leiss, William (1983): »Market Icons«. Communication et Information 5, S. 133-
154.
Leithäuser, Thomas/Salje, Gunther/Volmerg, Ute/Wutka, Bernhard (1977): Entwurf
zu einer Empirie des Alltagsbewußtseins, Frankfurt a.M.: Suhrkamp.
Leonhardt, Nic (2007): Piktoral-Dramaturgie. Visuelle Kultur und Theater im 19.
Jahrhundert (1869-1899), Bielefeld: transcript.
Levy, Sidney J. (1959): »Symbols for Sale«. Harvard Business Review 37 (4), S. 117-
124.
Lichtwark, Alfred (1894): Die Bedeutung der Amateurphotographie, Halle: Wilhelm
Knapp.
Link, Jürgen (1997): Versuch über den Normalismus. Wie Normalität produziert wird,
Opladen: Westdeutscher Verlag.
Lippmann, Walter (1964): Die öffentliche Meinung, München: Rütten + Loening
(Originalausgabe 1922: Public Opinion, New York: The Macmillan Company).
Löffler, Petra (2004): Affektbilder. Eine Mediengeschichte der Mimik, Bielefeld:
transcript.
Ludes, Peter (2001): »Schlüsselbild-Gewohnheiten. Visuelle Habitualisierungen und
visuelle Koordinationen«. In: Thomas Knieper/Marion G. Müller (Hg.), Kommu-
nikation visuell: Das Bild als Forschungsgegenstand, Grundlagen und Perspekti-
ven, Köln: Herbert von Halem, S. 64-78.
Lüdtke, Alf (Hg., 1989): Alltagsgeschichte. Zur Rekonstruktion historischer Erfah-
rungen und Lebensweisen, Frankfurt a.M.: Campus.
Luhmann, Niklas (1972): »Einfache Sozialsysteme«. Zeitschrift für Soziologie 1 (1),
S. 51-65.
Luhmann, Niklas (1974): »Einführende Bemerkungen zu einer Theorie symbolisch gene-
ralisierter Kommunikationsmedien«. Zeitschrift für Soziologie 3 (3), S. 236-255.
Luhmann, Niklas (1975): Macht, Stuttgart: Enke.
LITERATUR | 353
Luhmann, Niklas (1978): »Soziologie der Moral«. In: Niklas Luhmann/Stephan H.
Pfürtner (Hg.), Theorietechnik und Moral, Frankfurt a.M.: Suhrkamp, S. 8-116.
Luhmann, Niklas (1982): Liebe als Passion. Zur Codierung von Intimität, Frankfurt
a.M.: Suhrkamp.
Luhmann, Niklas (1983): »Das sind Preise«. Soziale Welt. Zeitschrift für sozialwis-
senschaftliche Forschung und Praxis 34 (2), S. 153-170.
Luhmann, Niklas (1987): »Sprache und Kommunikationsmedien: Ein schieflaufender
Vergleich«. Zeitschrift für Soziologie 16 (6), S. 467-468.
Luhmann, Niklas (1988a): »Wie ist Bewußtsein an Kommunikation beteiligt?« In:
Hans Ulrich Gumbrecht/Karl Ludwig Pfeiffer (Hg.), Materialität der Kommuni-
kation, Frankfurt a.M.: Suhrkamp, S. 884-905.
Luhmann, Niklas (1988b): Die Wirtschaft der Gesellschaft, Frankfurt a.M.: Suhr-
kamp.
Luhmann, Niklas (1989): »Individuum, Individualität, Individualismus«. In: ders.,
Gesellschaftsstruktur und Semantik. Studien zur Wissenssoziologie der modernen
Gesellschaft, Bd. 3, Frankfurt a.M.: Suhrkamp, S. 149-258.
Luhmann, Niklas (1990): Die Wissenschaft der Gesellschaft, Frankfurt a.M.: Suhr-
kamp.
Luhmann, Niklas (1993): Gibt es in unserer Gesellschaft noch unverzichtbare Nor-
men? Heidelberger Universitätsreden 4, Heidelberg: C. F. Müller.
Luhmann, Niklas (1995): Die Kunst der Gesellschaft, Frankfurt a.M.: Suhrkamp.
Luhmann, Niklas (1996): Die Realität der Massenmedien, 2. Aufl., Opladen: West-
deutscher Verlag.
Luhmann, Niklas (1997): Die Gesellschaft der Gesellschaft, Frankfurt a.M.: Suhrkamp.
Luserke, Matthias (1996): »Kultur, Literatur, Medien. Aspekte einer verwickelten
Beziehung«. In: Renate Glaser/Matthias Luserke (Hg.), Literaturwissenschaft —
Kulturwissenschaft. Positionen, Themen, Perspektiven, Opladen: Westdeutscher
Verlag, S. 169-191.
Maas, Ellen (Hg., 1975): Das Photoalbum 1858-1918. Eine Dokumentation zur Kul-
tur- und Sozialgeschichte, München: Lipp.
Maas, Ellen (1977): Die goldenen Jahre der Photoalben, Köln: DuMont.
Majetschak, Stefan (2002): »»Iconic Turn«. Kritische Revisionen und einige Thesen zum
gegenwärtigen Stand der Bildtheorie«. Philosophische Rundschau 49 (1), S. 44-64.
Maletzke, Gerhard (1972): »Propaganda. Eine begriffskritische Analyse«. Publizistik
17 (2), S. 153-164.
Marchand, Roland (1985): Advertising the American Dream: Making Way for Moder-
nity, 1920-1940, Berkeley: University of California Press.
Martin, Anton Georg (1865): Handbuch der gesamten Photographie, mit besonde-
rer Berücksichtigung ihres Verhältnisses zur Wissenschaft, zur Kunst und zum
Gesetze, 6. vollst. neu bearbeitete Aufl., Wien: Gerold. (=Martin, Anton Georg
(1979): Handbuch der gesamten Photographie, Nachdruck des Facsimile von
1854, New York: Arno Press.)
354 | IMAGE. ZUR GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN
Matthiesen, Ulf (1988): »Outfit & Ichfinish. Zur beschleunigten Wandlungstypik der
gegenwärtigen Bekleidungsmoden«. In: Hans-Georg Soeffner (Hg.), Kultur und
Alltag, Göttingen: Schwartz, S. 413-448.
Mauthner, Fritz (1982): Beiträge zu einer Kritik der Sprache, Bd. 3, Zur Grammatik
und Logik (1901/1902), Frankfurt a.M.: Böhlau.
McCauley, Elizabeth Anne (1994): Industrial Madness: Commercial Photography in
Paris 1848-1871, New Haven/London: Yale University Press.
McCracken, Grant (1992): »Die Geschichte des Konsums. Ein Literaturüberblick und
Leseführer«. In: Günther Rosenberger (Hg.), Konsum 2000: Veränderungen im
Verbraucheralltag, Frankfurt a.M.: Campus, S. 25-53.
McLuhan, Marshall (1965): Understanding Media. The Extensions of Man, New
York: McGraw-Hill.
Merlau-Ponty, Maurice (1986): Das Sichtbare und das Unsichtbare, hg. von Claude
Lefort, München: Fink.
Mersch, Dieter (2002): Ereignis und Aura. Untersuchungen zu einer Ästhetik des Per-
formativen, Frankfurt a.M.: Suhrkamp.
Mersmann, Birgit (2004): »Bildwissenschaft als Kulturbildwissenschaft? Von der
Notwendigkeit eines inter- und transkulturellen Iconic Turn«. Zeitschrift für Äs-
thetik und Allgemeine Kunstwissenschaft 49 (1), S. 91-109.
Mersmann, Birgit/Schulz, Martin (Hg., 2006): Kulturen des Bildes, München: Fink.
Merten, Klaus (2000): »Struktur und Funktion von Propaganda«. Publizistik 45 (2),
S. 143-162.
Metz, Christian (2003): »Foto, Fetisch«. In: Herta Wolf (Hg.), Diskurse der Foto-
grafie. Fotokritik am Ende des fotografischen Zeitalters, Bd. II, Frankfurt a.M.:
Suhrkamp, S. 215-225.
Meyer, Heinz (1973): »Der Hochleistungssport — ein Phänomen des Showbusineß«.
Zeitschrift für Soziologie 2 (1), S. 59-78.
Meyer, Thomas/Ontrup, Rüdiger (1998): »Das Theater des Politischen. Politik und
Politikvermittlung im Fernsehzeitalter«. In: Herbert Willems/Martin Jurga (Hg.),
Inszenierungsgesellschaft, Opladen: Westdeutscher Verlag, S. 523-542.
Meyrowitz, Joshua (1987): Die Fernseh-Gesellschaft. Wirklichkeit und Identität im
Medienzeitalter, Weinheim/Basel: Beltz.
Mikos, Lothar (1988): »Frühjahrsputz revisited. Das Frauenbild in der Fernsehwer-
bung hat sich kaum verändert«. Medium: Zeitschrift für Hörfunk, Fernsehen,
Film, Bild, Ton 18 (4), S. 54-57.
Mirzoeff, Nicholas (Hg., 1998): The Visual Culture Reader, London/New York: Routledge.
Mitchell, William J. Thomas (1986): Iconology: Image, Text, Ideology, Chicago: Uni-
versity of Chicago Press.
Mitchell, William J. Thomas (1990): »Was ist ein Bild?« In: Volker Bohn (Hg.), Bild-
lichkeit (übers. v. Jürgen Blasius), Frankfurt a.M.: Suhrkamp, S. 17-68.
Mitchell, William J. Thomas (1994): Picture Theory. Essays on Verbal and Visual
Representation, Chicago: University of Chicago Press.
LITERATUR | 355
Mitchell, William J. Thomas (1997): »Der Pictorial Turn«. In: Christian Kravagna
(Hg.), Privileg Blick. Kritik der visuellen Kultur, Berlin: Edition ID, S. 15-40.
Moore, Harriett/Kleining, Gerhard (1959): »Das Bild der sozialen Wirklichkeit. Ana-
lyse der Struktur und der Bedeutung eines Images«. Kölner Zeitschrift für Sozio-
logie und Sozialpsychologie 11 (3), S. 353-376.
Moser, Klaus (1990): Werbepsychologie. Eine Einführung, München: Psychologie
Verlagsunion.
Müller, Wendelin (1997): Interkulturelle Werbung, Heidelberg: Physica.
Müller-Fohrbrodt, Gisela (1975): »Zum Image von Institutionen: Die Wahrnehmung
der Innovationsfähigkeit von Schulen durch angehende Lehrer«. Soziale Welt.
Zeitschrift für sozialwissenschaftliche Forschung und Praxis 26 (3), S. 310-331.
Müller, Gernot (1971): Das Image des Markenartikels, Opladen: Westdeutscher Ver-
lag.
Müller, Hans-Peter (1992): Sozialstruktur und Lebensstile: Der neuere theoretische
Diskurs über soziale Ungleichheit, Frankfurt a.M.: Suhrkamp.
Müller-Doohm, Stefan (2000): Medien- und Kommunikationssoziologie. Eine Ein-
führung in zentrale Begriffe und Theorien, Weinheim: Juventa.
Müller-Schneider, Thomas (1994): Schichten und Erlebnismilieus, Wiesbaden:
DUV.
Murken-Altrogge, Christa (1977): Werbung, Mythos, Kunst am Beispiel Coca-Cola,
Tübingen: Wasmuth.
Neumann, Thomas (1989): Sozialgeschichte der Photographie, Neuwied/Berlin:
Luchterhand.
Neumann, Gerhard (1997): »Das Gastmahl als Inszenierung kultureller Identität.
Europäische Perspektiven«. In: Hans Jürgen Teuteberg/Gerhard Neumann/Alois
Wierlacher (Hg.), Essen und kulturelle Identität: Europäische Perspektiven, Ber-
lin: Akademie, S. 37-68.
Newcomb, Horace/Hirsch, Paul (1986): »Еегпѕеһеп als kulturelles Forum. Neue Per-
spektiven für die Medienforschung«. Rundfunk und Fernsehen. Zeitschrift für
Medien- und Kommunikationswissenschaften 34 (2), S. 177-190.
Newhall, Beaumont (1961): The Daguerreotype in America, New York: Duell, Sloan
& Pearce.
Nieland, Jörg-Uwe (2004): Politikdarstellung und Unterhaltungskultur. Zum Wandel
der politischen Kommunikation, Köln: Herbert von Halem.
Niethammer, Lutz (1985): »Fragen — Antworten — Fragen. Methodische Erfahrungen
und Erwähnungen zur Oral History«. In: Lutz Niethammer/Alexander von Plato
(Hg.), »Wir kriegen jetzt andere Zeiten«. Auf der Suche nach der Erfahrung des
Volkes in nachfaschistischen Ländern, Bonn: Dietz, S. 392-445.
Nimmergut, Jörg (1966): Werben mit Sex, München: Moderne Industrie.
Noelle-Neumann, Elisabeth (1970): Das Image des deutschen Krankenhauses. Ergeb-
nisse einer allgemeinen Bevölkerungsbefragung des Instituts für Demoskopie Al-
lensbach, Wuppertal: Brockhaus.
356 | IMAGE. ZUR GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN
North, Michael (1995): Kommunikationsrevolutionen. Die neuen Medien des 16. und
des 19. Jahrhunderts, Köln: Böhlau.
Ме, Wilfried (2000): Handbuch der Semiotik, Stuttgart: Metzler.
Novalis (1969): Novalis Werke, hg. von Gerhard Schulz, München: Beck.
Nowak, Kjell (1984): »Cultural Indicators in Swedish Advertising 1950-1975«. In:
Gabriele Melischek/Karl Erik Rosengren/James Stappers (Hg.), Cultural Indica-
tors: An International Symposion, Wien: Austrian Academy of Sciences Press, S.
217-235.
Nünning, Ansgar/Nünning, Vera (2003): Konzepte der Kulturwissenschaften. Theore-
tische Grundlagen – Ansätze — Perspektiven, Stuttgart: Metzler.
Oevermann, Ulrich (1993): »Die objektive Hermeneutik als unverzichtbare methodo-
logische Grundlage für die Analyse von Subjektivität. Zugleich eine Kritik an der
Tiefenhermeneutik«. In: Thomas Jung/Stefan Müller-Doohm (Hg.), Wirklichkeit
im Deutungsprozeß. Verstehen und Methoden in der Kultur der Sozialwissen-
schaften, Frankfurt a.M.: Suhrkamp, S. 106-189.
Ogilvy, David (1988): Was mir wichtig ist: provokative Ansichten eines Werbemannes,
Düsseldorf: Econ.
Otte, Gunnar (2005): »Hat die Lebensstilforschung eine Zukunft? Eine Auseinander-
setzung mit aktuellen Bilanzierungsversuchen«. Kölner Zeitschrift für Soziologie
und Sozialpsychologie 57 (1), S. 1-31.
Packard, Vance (1958): Die geheimen Verführer. Der Griff nach dem Unbewußten in
Jedermann, Düsseldorf: Econ.
Paneth, Erwin (1926): Entwicklung der Reklame von Altertum bis zur Gegenwart.
Erfolgreiche Mittel der Geschäfts-, Personen- und Ideenreklame aus allen Zeiten
und Ländern, München: Oldenbourg.
Petermann, Werner (2000): »Fotografie- und Filmanalyse«. In: Uwe Flick/Ernst von
Kardorff/Ines Steinke (Hg.), Qualitative Forschung. Ein Handbuch, Hamburg:
Rowohlt, S. 228-231.
Peters, Birgit (1996): Prominenz. Eine soziologische Analyse ihrer Entstehung und
Wirkung, Opladen: Westdeutscher Verlag.
Picard, Max (1929): Das Menschengesicht, München: Delphin.
Pink, Sarah (2001): Doing Visual Ethnography: Images, Media and Representation in
Research, London: Sage Publications.
Plumpe, Gerhard (1990): Der tote Blick. Zum Diskurs der Photographie in der Zeit
des Realismus, München: Fink.
Pollay, Richard W./Gallagher, Katherine (1990): » Advertising and Cultural Values:
Reflections on the Distorted Mirror«. International Journal of Advertising 9 (4),
S. 359-372.
Pope, Daniel (1983): The Making of Modern Advertising, New York: Basic Books.
Pöttker, Horst (1987): »Gutgläubigkeit. Zum Objektivitäts-Image des Mediums Fern-
sehens«. Medium. Zeitschrift für Hörfunk, Fernsehen, Film, Bild, Ton 17 (3),
S. 55-60.
LITERATUR | 357
Pöttker, Horst (1997): »Über das notwendig schlechte Image der Journalisten«. In:
Marcel Machill (Hg.), Journalistische Kultur: Rahmenbedingungen im internatio-
nalen Vergleich, Opladen: Westdeutscher Verlag, S. 81-94.
Prisching, Manfred (2006): »Werbung: Glück ist käuflich«. In: Alfred Bellebaum/
Detlef Herbers (Hg.), Glücksangebote in der Alltagswelt, Münster: Aschendorff,
S. 131-149.
Pritchard, Michael (1990): »The Rise of British Photographic Manufacturing 1839-
1862. Sources and Trends«. In: ders., Technology and Art. The Birth and Early
Years of Photography, Bath: R.P.S. Historical Group, S. 57-65.
Raab, Jürgen/Soeffner, Hans-Georg (2005): »Körperlichkeit in Interaktionsbezie-
hungen«. In: Markus Schroer (Hg.), Soziologie des Körpers, Frankfurt a.M.:
Suhrkamp, S. 166-188.
Raulff, Ulrich (Hg., 1987): Mentalitäten-Geschichte, Berlin: Wagenbach.
Regenthal, Gerhard (2002): Identität und Image. Praxishilfen für den Umgang mit
Corporate Identity, Neuwied: Luchterhand.
Reichhardt, Rolf (2004): »Zur visuellen Dimension geschichtlicher Symbole am Bei-
spiel der Bastille«. In: Rolf Schlögel/Bernhard Giesen/Jürgen Osterhammel (Hg.),
Die Wirklichkeit der Symbole. Grundlagen der Kommunikation in historischen
und gegenwärtigen Gesellschaften, Konstanz: UVK, S. 303-338.
Reinhardt, Dirk (1993): Von der Reklame zum Marketing. Geschichte der Wirtschafts-
werbung in Deutschland, Berlin: Akademie.
Reisch, Lucia A. (2002): »»Symbols for Sale<: Funktionen des symbolischen Kon-
sums«. In: Christoph Deutschmann (Hg.), Die gesellschaftliche Macht des Geldes,
Leviathan, Sonderheft 21, S. 226-248.
Renn, Joachim (2006): »Die Differenz der Medien. Die Ambivalenz systemtheore-
tischer Medienkonzeptionen als Indiz für eine notwendige Pragmatisierung der
Systemtheorie«. In: Andreas Ziemann (Hg.), Medien der Gesellschaft — Gesell-
schaft der Medien, Konstanz: UVK, S. 57-88.
Richard, Birgit (1999): »Manipulation oder Strategien des Hyperkonsums? Die Tech-
no und House Szene«. In: Maset Pierangelo (Hg.), Pädagogische und psycholo-
gische Aspekte der Medien-Ästhetik, Opladen: Leske + Budrich, S. 115-134.
Riepenhausen, Axel (1979): Blechplakate. Die Geschichte der emaillierten Werbe-
schilder, Münster: Coppenrath.
Riesman, David/Reuel, Denny/Glazer, Nathan (1958): Die einsame Masse. Eine Un-
tersuchung der Wandlungen des amerikanischen Charakters, Reinbek: Rowohlt.
Ritter, Gabriele/Wiegand, Jürgen (1997): »Repräsentative Typen-Medien-Typologie:
Repräsentative Zeitschriften-Titel«. Media-Spectrum: Kommentare, Analysen,
Meinungen (1), S. 32-34.
Roeck, Bernd (2003): »Visual turn? Kulturgeschichte und Bilder«. Geschichte und
Gesellschaft 29 (2), S. 294-315.
Roh, Franz (1925): Nach-Expressionismus. Magischer Realismus. Probleme der
neuesten europäischen Malerei, Leipzig: Klinkhardt & Biermann.
358 | IMAGE. ZUR GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN
Rössel, Jörg (2005): Plurale Sozialstrukturanalyse. Eine handlungstheoretische Re-
konstruktion der Grundbegriffe der Sozialstrukturanalyse, Wiesbaden: VS.
Roucek, Michel (1971): »Advertising as a Means of Social Control«. International-
Behavioural-Scientist 3 (4), S. 1-34.
Rouille, Andre (1982): L'Empire de la Photographie. Photographie et Pouvoir Bour-
geois 1839-1870, Paris: Editions le Sycomore.
Ruppel, Peter (1965): Die Bedeutung des Images für das Verbraucherverhalten, Dis-
sertation Göttingen, Göttingen.
Rust, Holger (1984): »Die verführte Politik. Medienhistorische Nachbemerkung zum
amerikanischen Wahlkampf«. Medium: Zeitschrift für Hörfunk, Fernsehen, Film,
Bild, Ton 14 (11), S. 7-11.
Rust, Holger (1992): »Theorie der Werbung«. In: Roland Burkart/Walter Hömberg
(Hg.), Kommunikationstheorien. Ein Textbuch zur Einführung, Wien: Braumül-
ler, S. 153-170.
Sachs-Hombach, Klaus/Rehkämper, Klaus (1998): Bildgrammatik. Interdisziplinäre
Forschungen zur Syntax bildlicher Darstellungsformen, Magdeburg: Scriptum.
Savage, Jon (2007): Teenage. The Creation of Youth Culture, London: Viking
Books.
Scharfe, Martin (2005): »Vignetten. Zur verborgenen Bedeutung von Bildbagatel-
len«. In: Helge Gerndt/Michaela Haibl (Hg.), Perspektiven einer volkskundlichen
Bildwissenschaft, Münster: Waxmann, S. 135-154.
Schatzman, Leonard/Strauss, Anselm L. (1973): Field Research: Strategies for an Na-
tural Sociology, Englewood Cliffs: Prentice Hall.
Schelsky, Helmut (1955): Soziologie der Sexualität, Reinbek: Rowohlt.
Scheuch, Erwin (1961): »Sozialprestige und soziale Schichtung«. Kölner Zeitschrift
für Soziologie und Sozialpsychologie, Sonderheft 5, S. 65-103.
Scheurer, Hans (1987): Zur Kultur- und Mediengeschichte der Photographie. Die In-
dustrialisierung des Blicks, Köln: DuMont.
Schild, Wolfgang (1998): »Das Portrait des gerechten Herrschers«. In: Andreas Köst-
ler/Ernst Seidl (Hg.), Bildnis und Image. Das Portrait zwischen Intention und Re-
zeption, Köln/Weimar/Wien: Böhlau, S. 65-84.
Schilling, Johannes (1980): »Das große Kaleidoskop«. In: Wolfgang Kemp (Hg.), Die
Theorie der Fotografie I, 1839-1912, München: Schirmer/Mosel, S. 266 ff. (zuerst
in ders.: Künstlerische Sehstudien, Leipzig 1906, S. 47 ff.).
Schilling, Michael (1990): Bildpublizistik der Frühen Neuzeit. Aufgaben und
Leistungen des illustrierten Flugblatts in Deutschland bis um 1700, Tübingen:
Niemeyer.
Schindelbeck, Dirk (2003): Marken, Moden und Kampagnen. Illustrierte deutsche
Konsumgeschichte, Darmstadt: Primus.
Schirner, Michael (1991): Werbung ist Kunst, München: Klinkhardt & Biermann.
Schivelbusch, Wolfgang (1980): Das Paradies, der Geschmack und die Vernunft. Eine
Geschichte der Genußmittel, München: Carl Hanser.
LITERATUR | 359
Schmerl, Christiane (Hg., 1992): Frauenzoo der Werbung, München: Frauenoffen-
sive.
Schmidt, Siegfried J. (1995): »Werbung zwischen Wirtschaft und Kunst«. In: Sieg-
fried J. Schmidt/Brigitte Spieß (Hg.), Werbung, Medien und Kultur, Opladen:
Westdeutscher Verlag, S. 26-43.
Schmidt, Siegfried J./Spieß, Brigitte (1994): Die Geburt der schönen Bilder. Fernse-
hen und Medienkultur, Opladen: Westdeutscher Verlag.
Schmidt, Siegfried J./Spieß, Brigitte (1997): Die Kommerzialisierung der Kommuni-
kation. Fernsehwerbung und sozialer Wandel 1956-1989, Frankfurt a.M.: Suhr-
kamp.
Schmiedchen, Jürgen (1953): Kurzer Beitrag zur Geschichte der deutschen Wirt-
schaftswerbung, ihrer Männer, ihrer Organisationen, ihrer Presse, Tübingen: Wer-
kring.
Schneider, Helmut (2004): Marken in der Politik. Erscheinungsformen, Relevanz,
identitätsorientierte Führung und demokratietheoretische Reflexion, Wiesbaden:
VS.
Schnez, Reinhard (1985): »Der Star: Imago und Ideologie — Folge 1: Mary Pickford«.
Filmfaust 11 (47/48), S. 53-55.
Schnierer, Thomas (1999): Soziologie der Werbung, Opladen: Leske + Budrich.
Scholz, Oliver (2004): Bild, Darstellung, Zeichen, Frankfurt a.M.: Klostermann Vit-
torio.
Schorman, Rob (1996): »Ready or Not: Custom-Made Ideals and Ready-Made Clo-
thes in Late 19th-Century America«. Journal of American Culture 19 (4), S. 111-
120.
Schudson, Michael (1978): Discovering the News: A Social History of American
Newspapers, New York: Basic Books.
Schudson, Michael (1984): Advertising, the Uneasy Persuasion: Its Dubious Impact
on American Society, New York: Basic Books.
Schult, Susanne (2000): Rudi Carrell. Das Image eines Stars in der Geschichte des
deutschen Fernsehens, Osnabrück: Der Andere.
Schulze, Gerhard (1992): Die Erlebnisgesellschaft. Kultursoziologie der Gegenwart,
Frankfurt a.M.: Campus.
Schütte, Dagmar (1996): Das schöne Fremde. Anglo-amerikanische Einflüsse auf die
Sprache der deutschen Zeitschriftenwerbung, Opladen: Westdeutscher Verlag.
Schwartzenberg, Roger-Gerard (1980): Politik als Showgeschäft. Moderne Strategien
im Kampf um die Macht, Düsseldorf/Wien: Econ.
Schwarz, Jürgen (1990): Bildannoncen aus der Jahrhundertwende, Frankfurt a.M.:
Kunstgeschichtliches Institut der Universität Frankfurt.
Segeberg, Harro (1996): Die Mobilisierung des Sehens: Zur Vor- und Frühgeschichte
des Sehens in Literatur und Kunst, München: Fink.
Seidl, Ernst/Köstler, Andreas (Hg., 1998): Bildnis und Image. Das Portrait zwischen
Intention und Rezeption, Köln/Weimar/Wien: Böhlau.
360 | IMAGE. ZUR GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN
Sekula, Allan (2003): »Der Körper und das Archiv«. In: Herta Wolf (Hg.), Diskurse
der Fotografie. Fotokritik am Ende des fotografischen Zeitalters, Frankfurt a.M.:
Suhrkamp, S. 269-334.
Sennett, Richard (1983): Verfall und Ende des öffentlichen Lebens. Die Tyrannei der
Intimität, Frankfurt a.M.: Fischer.
Sennett, Richard (1985): Autorität, Frankfurt a.M.: Fischer.
Sexton, Donald E./Haberman, Phyllis (1974): »Women in Magazine Advertisements«.
Journal of Advertising Research 14 (4), S. 41-46.
Shirley, Isabel (1965): How to Pose for the Camera, New York: American Photogra-
phic Books Pub. Co.
Siebel, Walter (1994): »Die Festivalisierung der Stadtpolitik«. In: Birgit Brandner/
Kurt Luger/Ingo Mörth (Hg.), Kulturerlebnis Stadt: theoretische und praktische
Aspekte der Stadtkultur, Wien: Picus, S. 95-102.
Siegert, Gabriele (2001): »Ökonomisierung der Medien aus systemtheoretischer Per-
spektive«. Medien & Kommunikationswissenschaft 49 (2), S. 167-176.
Siegert, Gabriele/Eberle, Sibylle (2004): Kommerzialisierung der Kommunikation.
Die Werbebranche der Schweiz und die Hybridisierung der Kommunikationsan-
gebote. Universität Zürich, Philosophische Fakultät, Institut für Publizistikwis-
senschaft und Medienforschung.
Siegrist, Hannes/Kaelble, Hartmut/Kocka, Jürgen (Hg., 1997): Europäische Konsum-
geschichte. Zur Gesellschafts- und Kulturgeschichte des Konsums (18. bis 20.
Jahrhundert), Frankfurt a.M.: Campus.
Silbermann, Alphons (1989): »Nationale Imagebildungen durch den Spielfilm«. In:
Heinz-Dietrich Fischer (Hg.), Positionen und Provokationen zur Massenkommu-
nikation und Kunstsoziologie: Aufsätze und Abhandlungen aus vier Jahrzehnten,
Bochum: Studienverlag Brockmeyer, S. 273-282.
Simmel, Georg (1995, zuerst 1905): Philosophie der Mode, Gesamtausgabe, Bd. 10,
hg. v. Otthein Rammstedt, Frankfurt a.M.: Suhrkamp, S. 7-39.
Skelly, Gerald U./Lundstrom, William J. (1981): »Male Sex Roles in Magazine Ad-
vertising, 1959-1979«. Journal of Communication 31 (4), S. 52-57.
Slater, Don (1995): »Photography and Modern Vision: The Spectacle of Natural Ma-
gic«. In: Chris Jenks (Hg.), Visual Culture, London: Routledge, S. 218-237.
Smith, Stephen M./Haugtvedt, Curtis P./Anton, Mark R. (1996): »Nackte Werbung
verkühlt sich leicht«. Vierteljahreshefte für Media- und Werbewirkung: Media-
and Advertising Research International 21 (1), S. 11 ff.
Solomon, Michael R./Longo, Laura C./Ashmore, Richard D./Koeppler, Karlfritz
(1993): »Schön sein ist nicht genug«. Vierteljahreshefte für Media- und Werbe-
wirkung: Media and Advertising Research International 18 (4), S. 36-39.
Spellerberg, Annette (2002): »Gesellschaftliche Dauerbeobachtung anhand von Le-
bensstilindikatoren«. In: Wolfgang Glatzer/Roland Habich/Karl Ulrich Mayer
(Hg.), Sozialer Wandel und gesellschaftliche Dauerbeobachtung, Opladen: Leske
+ Budrich, S. 297-315.
LITERATUR | 361
Stafford, Barbara Maria (1996): Good Looking. Essays of the Virtue of Images, Cam-
bridge/London: The MIT Press.
Staiger, Janet (1997): »Das Starsystem und der klassische Hollywoodfilm«. In: Werner
Faulstich/Helmut Korte (Hg.), Der Star. Geschichte, Rezeption, Bedeutung, Mün-
chen: Fink, S. 48-59.
Stark, Susanne (1992): Stilwandel von Zeitschriften und Zeitschriftenwerbung. Ana-
lyse zur Anpassung des Medienstils an geänderte Kommunikationsbedingungen,
Heidelberg: Physica.
Starl, Timm (1983): »Sammelfotos und Bildserien. Geschäft, Technik, Vertrieb«. Fo-
togeschichte 3 (9), S. 3-20.
Starl, Timm (1989): »Fortschritt und Phantasma. Zur Entstehung der photographischen
Bildwelt«. In: Bodo von Dewitz/Reinhard Matz (Hg.), Silber und Salz. Zur Früh-
zeit der Photographie im deutschen Sprachraum 1839-1860, Köln/Heidelberg:
Edition Braus, S. 80-87.
Starl, Timm (2006): »Vom Lächeln. Erörterungen zu einer seltenen fotografischen Er-
scheinung des 19. Jahrhunderts«. In: Katharina Sykora/Ludger Derenthal/Esther
Ruelfs (Hg.), Fotografische Leidenschaften, Marburg: Jonas, S. 33-39.
Stein, Sally (2003): »Mainstream-Differenzen. Das unverwechselbare Aussehen von
Life und Look in der Medienkultur der USA«. In: Herta Wolf (Hg.), Diskurse
der Fotografie. Fotokritik am Ende des fotografischen Zeitalters, Bd. II, Frankfurt
a.M.: Suhrkamp, S. 135-172.
Stenger, Erich (1943): Die beginnende Photographie im Spiegel von Tageszeitungen
und Tagebüchern, Würzburg: Triltsch.
Stiegler, Bernd (2001): Philologie des Auges. Die photographische Entdeckung der
Welt im 19. Jahrhundert, München: Fink.
Stiegler, Bernd (2006): Theoriegeschichte der Photographie, München: Fink.
Stöber, Rudolf (2003): Mediengeschichte. Die Evolution »neuer< Medien von Guten-
berg bis Gates. Eine Einführung (2 Bde.), Wiesbaden: Westdeutscher Verlag.
Strauss, Anselm L. (1987): Qualitative Analysis for Social Scientists, Cambridge:
Cambridge University Press.
Strauss, Anselm L. (1991): Grundlagen qualitativer Sozialforschung. Datenanalyse
und Theoriebildung in der empirischen Sozialforschung, München: Fink.
Strobel, Ricarda/Faulstich, Werner (1998): Die deutschen Fernsehstars, Bd. 2: Show-
und Gesangstars, Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht.
Tänzler, Dirk (2005): »Theatrokratie. Oder: Zur Geschmacksdiktatur in der Mediende-
mokratie«. In: Erika Fischer-Lichte/Christian Horn/Sandra Umathum/Matthias
Warstat (Hg.), Diskurse des Theatralen, Tübingen/Basel: Francke, S. 135-149.
Tartler, Rudolf (1961): Das Alter in der modernen Gesellschaft, Stuttgart: Enke.
Tenbruck, Friedrich (1965): Jugend und Gesellschaft, Freiburg im Breisgau: Rom-
bach.
Thoms, Ulrike (1995): »Dünn und dick, schön und häßlich. Schönheitsideal und Kör-
persilhouette in der Werbung 1850-1950«. In: Peter Borscheid/Clemens Wischer-
362 | IMAGE. ZUR GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN
mann (Hg.), Bilderwelt des Alltags. Werbung in der Konsumgesellschaft des 19.
und 20. Jahrhunderts, Stuttgart: Franz Steiner, S. 224-281.
Trentmann, Frank (Hg., 2006): The Making ofthe Consumer: Knowledge, Power and
Identity in the Modern World, Oxford: Berg.
Tropp, Jörg (1997): Die Verfremdung der Werbung. Eine Analyse zum Zustand des
Werbewirtschaftssystem, Opladen: Westdeutscher Verlag.
Twitchell, James B. (1996): Adcult USA: The Triumph of Advertising in American
Culture, New York: Columbia University Press.
Ursic, Anthony C./Ursic, Michael L./Ursic, Virginia L. (1986): »A Longitudinal Stu-
dy ofthe Use ofthe Elderly in Magazine Advertising«. Journal of Consumer Re-
search 13, S. 131-133.
Veblen, Thorstein (1997): Theorie der feinen Leute. Eine ökonomische Untersuchung
der Institutionen, Frankfurt a.M.: Fischer.
Venkatesan, Margaret/Losco, Jean-Paul (1975): »Women in Magazine Ads: 1959-71«.
Journal of Advertising Research 15 (5), S. 49-54.
Vester, Michael (1993): Soziale Milieus im gesellschaftlichen Strukturwandel: Zwi-
schen Integration und Ausgrenzung, Köln: Der Bund.
Virilio, Paul (1989): Die Sehmaschine, Berlin: Merve.
Vogt, Ludger (2002): »Scharping im Pool. Über Chancen und Risiken der Privatisie-
rung des Politischen«. In: Christian Schicha/Carsten Brosda (Hg.), Politikvermitt-
lung in Unterhaltungsformaten. Medieninszenierungen zwischen Popularität und
Populismus, Münster: Lit, S. 134-151.
Wadle, Elmar (1997): »Markenschutz für Konsumartikel. Entwicklungsstufen des mo-
dernen Markenrechts in Deutschland«. In: Hannes Siegrist/Hartmut Kaelble/Jürgen
Kocka (Hg.), Europäische Konsumgeschichte. Zur Gesellschafts- und Kulturgeschich-
te des Konsums (18. bis 20. Jahrhundert), Frankfurt a.M.: Campus, S. 649-670.
Wagner, John (Hg., 1979): Images of Information. Still Photography and the Social
Sciences, London: Sage Publications.
Warburg, Aby (2003): Der Bilderatlas MNEMOSYNE, hg. von Martin Warnke unter
Mitarbeit von Claudia Brink, 2. Aufl., Berlin: Akademie.
Warnke, Martin (1998): »Das Kompositbildnis«. In: Andreas Köstler/Ernst Seidl
(Hg.), Bildnis und Image. Das Portrait zwischen Intention und Rezeption, Köln/
Weimar/Wien: Böhlau, S. 143-150.
Wartella, Ellen (1980): »Frauen und Fernsehwerbung: Die Zusammenhänge von Rol-
lenklischees und Verkaufsstrategien«. Fernsehen und Bildung 1 (2), S. 102-112.
Weber, Max (1956): Wirtschaft und Gesellschaft (2 Bde.), Tübingen: Laupp.
Wehner, Christa (1996): Überzeugungsstrategien in der Werbung. Eine Längsschnitt-
analyse von Zeitschriftenanzeigen des 20. Jahrhunderts, Opladen: Westdeutscher
Verlag.
Weischenberg, Siegfried (1990): »Der Untergang des Abendlandes? Kommerzielle
und publizistische Aspekte der Medienentwicklung«. In: Wilfried von Bredow
(Hg.), Medien und Gesellschaft, Stuttgart: Hirzel, S. 41-56.
LITERATUR | 363
Weiß, Johannes (1998): Handeln und handeln lassen: über Stellvertretung, Opladen:
Westdeutscher Verlag.
Weisser, Michael (1981): Die Frau in der Reklame, Münster: Coppenrath.
Weisser, Michael (2002): Cigaretten Reklame. Über die Kunst blauen Dunst zu verkaufen.
Die Geschichte der Zigarette, ihrer Industrie und ihrer Werbung, Bassum: Döll.
Wellhoener, Barbara (1992): Das Image von Reisezielen: Eine Studie zum Schwer-
punktthema der Reiseanalyse 1990 des Studienkreises für Tourismus e.V. Starn-
berg, Starnberg: Studienkreis für Tourismus.
Werber, Niels (1992): Literatur als System. Zur Ausdifferenzierung literarischer Kom-
munikation, Opladen: Westdeutscher Verlag.
Wernebursg, Brigitte (1994): »Die veränderte Welt: Der gefährliche anstelle des ent-
scheidenden Augenblicks. Ernst Jüngers Überlegungen zur Fotografie«. Fotoge-
schichte, 14 (51), S. 51-67.
Wernick, Andrew (1991): Promotional Culture: Advertising, Ideology and Symbolic
Expression, Newbury Park: Sage Publications.
Westerbarkey, Joachim (2002a): »Wervan: Strategien, Formen und Funktionen ide-
alisierter Selbstinszenierung«. In: Herbert Willems (Hg.), Die Gesellschaft der
Werbung, Wiesbaden: Westdeutscher Verlag, S. 345-358.
Westerbarkey, Joachim (2002b): »Mimikry, Symbiosen, Metamorphosen: mediale
Modulationen persuasiver Frames«. In: Herbert Willems (Hg.), Die Gesellschaft
der Werbung, Wiesbaden: Westdeutscher Verlag, S. 615-629.
Westphal, Uwe (1989): Werbung im dritten Reich, Berlin: Transit.
Wibbelt, Ludger (2007): »Zahlen, Daten und Fakten zum Werbejahr 2006«. In: Willi
Schalk/Helmut Thoma/Peter Strahlendorf (Hg.), Jahrbuch der Werbung 2007. Für
den deutschsprachigen Raum, Berlin: Econ, S. 63-77.
Wiegand, Wilfried (Hg., 1981): Die Wahrheit der Photographie. Klassische Bekennt-
nisse zu einer neuen Kunst, Frankfurt a.M.: Fischer.
Wilk, Nicole (2002): Körpercodes. Die vielen Gesichter der Weiblichkeit in der Wer-
bung, Frankfurt a.M.: Campus.
Willems, Herbert (1997): Rahmen und Habitus. Zum theoretischen und methodischen
Ansatz Erving Goffmans: Vergleiche, Anschlüsse und Anwendungen, Frankfurt
a.M.: Suhrkamp.
Willems, Herbert (1998): »Elemente einer Theorie der Theatralität »unanständigen«
Verhaltens«. Berliner Journal für Soziologie 8 (2), S. 201-222.
Willems, Herbert (1999): »Institutionelle Selbstthematisierungen und Identitäts-
bildungen im Modernisierungsprozeß«. In: Herbert Willems/Alois Hahn (Hg.),
Identität und Moderne, Frankfurt a.M.: Suhrkamp, S. 62-101.
Willems, Herbert/Hahn, Alois (1999): »Modernisierung, soziale Differenzierung und
Identitätsbildung«. In: Herbert Willems/Alois Hahn (Hg.), Identität und Moderne,
Frankfurt a.M.: Suhrkamp, S. 9-32.
Willems, Herbert (2001): »Medienerlebniskultur. Zu einigen Formen und Aspekten
der Entertainisierung der Massenmedien — Von der »Wetterkarte< bis zu »Big
364 | IMAGE. ZUR GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN
Brother««. kultuRRevolution. Zeitschrift für angewandte Diskurstheorie (41/42),
S. 63-72.
Willems, Herbert (Hg., 2002): Die Gesellschaft der Werbung, Wiesbaden: Westdeut-
scher Verlag.
Willems, Herbert/Kautt, York (2003): Theatralität der Werbung. Theorie und Analyse
massenmedialer Wirklichkeit. Zur kulturellen Konstruktion von Identitäten, Ber-
lin/New York: de Gruyter.
Williams, Linda (2003): »Pornografische Bilder und die körperliche Dichte des Se-
hens«. In: Herta Wolf (Hg.), Diskurse der Fotografie. Fotokritik am Ende des
fotografischen Zeitalters, Bd. II, Frankfurt a.M.: Suhrkamp, S. 226-266.
Williamson, Judith (1978): Decoding Advertisements: Ideology and Meaning in Ad-
vertising, London: Boyars.
Willis, Paul (1981): »Profan Culture«. Rocker, Hippies: Subversive Stile der Jugend-
kultur, Frankfurt a.M.: Syndikat.
Winter, Rainer/Eckert, Roland (1990): Mediengeschichte und kulturelle Differenzie-
rung. Zur Entstehung und Funktion von Wahlnachbarschaften, Opladen: West-
deutscher Verlag.
Winter, Rainer (1995): Der produktive Zuschauer: Medienaneignung als kultureller
und ästhetischer Prozeß, Berlin/München: Quintessenz.
Wohlfeil, Rainer (1998): »Kaiser Karl V. Vom »burgundischen Ritter zum »Ahnherrn
Österreichs««. In: Andreas Köstler/Ernst Seidl (Hg.), Bildnis und Image. Das Por-
trait zwischen Intention und Rezeption, Köln/Weimar/Wien: Böhlau, S. 163-178.
Wolf, Herta (Hg., 2003): Diskurse der Fotografie. Fotokritik am Ende des fotogra-
fischen Zeitalters, Bd. П, Frankfurt a.M.: Suhrkamp.
Worthmann, Thomas (1992): »Arbeitsbibliographie »Image««. In: Werner Faulstich
(Hg.), Image, Imageanalyse, Imagegestaltung. 2. Lüneburger Kolloquium zur
Medienwissenschaft, Bardowick: Wissenschaftler Verlag, S. 177-207.
Wouters, Cas (1979): »Informalisierung und der Prozeß der Zivilisation«. In: Peter
Gleichmann/Johan Goudsblom/Hermann Korte (Hg.), Materialien zu Norbert Eli-
as) Zivilisationstheorie, Frankfurt a.M.: Suhrkamp, S. 279-298.
Wren-Lewis, Justin (1983): »The Encoding/Decoding Model: Criticisms and Rede-
velopments for Research on Decoding«. Media, Culture and Society 5 (2), S.
179-197.
Wündrich, Hermann (1992): »Wirtschaftswerbung während der NS-Zeit. Versuch ei-
ner Analyse«. Geschichtswerkstatt 10 (25), S. 5-12.
Würtz, Stefanie/Eckert, Roland (1998): »Aspekte modischer Kommunikation«. In:
Herbert Willems/Martin Jurga (Hg.), Inszenierungsgesellschaft. Ein einführendes
Handbuch, Opladen: Westdeutscher Verlag, S. 177-190.
Zahn, Ernest (1989): »Konsumgeschichte als prosaische Kultursoziologie«. In: Wal-
ter Nutz (Hg.), Kunst, Kommunikation, Kultur. Festschrift zum 80. Geburtstag
von Alphons Silbermann, Frankfurt a.M.: Peter Lang, S. 169-183.
Zankl, Hans Ludwig (1971): Image und Wirklichkeit, Osnabrück: Fromm.
LITERATUR | 365
Zerfaß, Ansgar/van Ruler, Betteke/Sriramesh, Krishnamurthy (Hg., 2008): Public Re-
lations Research. European and International Perspectives and Innovations, Wies-
baden: VS.
Ziehe, Thomas (1998): »Jugendlichkeit und Körperbilder«. In: Peter Kemper/Thomas
Langhoff/Ulrich Sonnenschein (Hg.), »but I like it< . Jugendkultur und Popmusik,
Stuttgart: Reclam, S. 131-138.
Ziemann, Andreas (2006): Soziologie der Medien, Bielefeld: transcript.
Zimmermann, Peter/Hoffmann, Kay (Hg., 2003): Triumph der Bilder. Kultur- und
Dokumentarfilme vor 1945 im internationalen Vergleich, Konstanz: UVK.
Zurstiege, Guido (1998): Mannsbilder. Männlichkeit in der Werbung. Zur Darstellung
von Männern in der Anzeigenwerbung der 50er, 70er und 90er Jahre, Opladen:
Westdeutscher Verlag.
von Zur Westen, Walter (1925): Reklamekunst aus zwei Jahrtausenden, Berlin: Ei-
genbrödler.
ZfK - Zeitschrift für Kulturwissenschaften
Birgit Althans, Kathrin Audem,
Zeitschrift für
Kulturwis
u Beate Binder, Moritz Ege, Alexa Färber (Hg.)
ЭЗЕ Kreativität. Eine Rückrufaktion
Zeitschrift für Kulturwissenschaften,
Heft 1/2008
März 2008, 138 Seiten, kart., 8,50 €
ISSN 9783-9331
ZFK - Zeitschrift für Kulturwissenschaften
Der Befund zu aktuellen Konzepten kultumissenschaftlicher Analyse und
Synthese ist ambivalent: Neben innovativen und qualitativ hochwertigen
Ansätzen besonders jüngerer Forscher und Forscherinnen steht eine
Masse oberflächlicher Antragsprosa und zeitgeistiger Wissensproduktion -
zugleich ist das Werk einer ganzen Generation interdisziplinärer Pioniere
noch wenig erschlossen.
In dieser Situation soll die Zeitschrift für Kulturwissenschaften eine
Plattform für Diskussion und Kontroverse über Kultur und die
Kulturwissenschaften bieten. Die Gegenwart braucht mehr denn je
reflektierte Kultur, historisch situiertes und sozial verantwortetes Wissen.
Aus den Einzelwissenschaften heraus kann so mit klugen interdisziplinären
Forschungsansätzen fruchtbar über die Rolle von Geschichte und
Gedächtnis, von Erneuerung und Verstetigung, von Selbststeuerung und
ökonomischer Umwälzung im Bereich der Kulturproduktion und der
naturwissenschaftlichen Produktion von Wissen diskutiert werden.
Die Zeitschrift für Kulturwissenschaften lässt gerade auch jüngere
Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen zu Wort kommen, die aktuelle
fächerübergreifende Ansätze entwickeln.
Lust auf mehr?
Die Zeitschrift für Kulturwissenschaften erscheint zweimal jährlich in
Themenheften. Bisher liegen die Ausgaben Fremde Dinge (1/2007),
Filmwissenschaft als Kulturwissenschaft (2/2007) und Kreativität. Eine
Rückrufaktion (1/2008) vor.
Die Zeitschrift für Kulturwissenschaften kann auch im Abonnement für
den Preis von 8,50 € je Ausgabe bezogen werden.
Bestellung per E-Mail unter: bestellung.zfk@transcript-verlag.de
www.transcript-verlag.de
Kultur- und Medientheorie
Erika Fischer-Lichte,
Kristiane Hasselmann,
Alma-Elisa Kittner (Hg.)
Kampf der Künste!
Kultur im Zeichen
von Medienkonkurrenz
und Eventstrategien
Dezember 2008, ca. 300 Seiten,
kart., zahlr. Abb., ca. 28,80 €,
ISBN: 978-3-89942-873-5
Susanne Regener
Visuelle Gewalt
Menschenbilder aus
der Psychiatrie
des 20. Jahrhunderts
Dezember 2008, ca. 220 Seiten,
kart., zahlr. Abb., ca. 25,80 €,
ISBN: 978-3-89942-420-1
Gerald Kapfhammer,
Friederike Wille (Hg.)
»Grenzgänger«
Mittelalterliche Jenseitsreisen
in Text und Bild
Dezember 2008, ca. 300 Seiten,
kart., zahlr. Abb., ca. 31,80 €,
ISBN: 978-3-89942-888-9
Christian Kassung (Hg.)
Die Unordnung der Dinge
Eine Wissens- und
Mediengeschichte des Unfalls
Dezember 2008, ca. 400 Seiten,
kart., zahlr. Abb., ca. 33,80 €,
ISBN: 978-3-89942-721-9
Kristiane Hasselmann
Die Rituale der Freimaurer
Zur Konstitution eines
bürgerlichen Habitus im
England des 18. Jahrhunderts
Dezember 2008, ca. 300 Seiten,
kart., zahlr. Abb., ca. 29,80 €,
ISBN: 978-3-89942-803-2
Kathrin Ackermann,
Christopher F. Laferl (Hg.)
Transpositionen
des Televisiven
Fernsehen in
Literatur und Film
Dezember 2008, ca. 200 Seiten,
kart., zahlr. Abb., ca. 25,80 €,
ISBN: 978-3-89942-938-1
Alma-Elisa Kittner
Visuelle Autobiographien
Sammeln als Selbstentwurf
bei Hannah Höch,
Sophie Calle und
Annette Messager
Dezember 2008, ca. 300 Seiten,
kart., zahlr. Abb., ca. 29,80 €,
ISBN: 978-3-89942-872-8
Sandra Poppe,
Thorsten Schüller,
Sascha Seiler (Hg.)
9/11 als kulturelle Zäsur
Repräsentationen
des 11. September 2001
in kulturellen Diskursen,
Literatur und
visuellen Medien
Dezember 2008, ca. 294 Seiten,
kart., ca. 28,80 €,
ISBN: 978-3-8376-1016-1
Özkan Ezli, Dorothee Kimmich,
Annette Werberger (Hg.)
Wider den Kulturenzwang
Migration, Kulturalisierung
und Weltliteratur
Dezember 2008, ca. 400 Seiten,
kart., ca. 29,80 €,
ISBN: 978-3-89942-987-9
Leseproben und weitere Informationen finden Sie unter:
www.transcript-verlag.de
Kultur- und Medientheorie
Ulrike Haß,
Nikolaus Müller-Schöll (Hg.)
Was ist eine Universität?
Schlaglichter auf
eine ruinierte Institution
Dezember 2008, ca. 160 Seiten,
kart., ca. 12,80 €,
ISBN: 978-3-89942-907-7
Christian Pundt
Medien und Diskurs
Zur Skandalisierung
von Privatheitin der
Geschichte des Fernsehens
November 2008, 408 Seiten,
kart., 36,80 €,
ISBN: 978-3-89942-994-7
Bettina Lockemann
Das Fremde sehen
Der europäische Blick auf
Japan in der künstlerischen
Dokumentarfotografie
November 2008, 338 Seiten,
kart., zahlr. z.T. farb. Abb., 33,80 €,
ISBN: 978-3-8376-1040-6
Annette Bitsch
Diskrete Gespenster
Die Genealogie des
Unbewussten aus der
Medientheorie und
Philosophie der Zeit
November 2008, 552 Seiten,
kart., 42,80 €,
ISBN: 978-3-89942-958-9
Doris Kolesch, Vito Pinto,
Jenny Schrödl (Hg.)
Stimm-Welten
Philosophische,
medientheoretische und
ästhetische Perspektiven
November 2008, 232 Seiten,
kart., 24,80 €,
ISBN: 978-3-89942-904-6
York Kautt
Image
Zur Genealogie eines
Kommunikationscodes
der Massenmedien
November 2008, 368 Seiten,
kart., zahlr. Abb., 29,80 €,
ISBN: 978-3-89942-826-1
Daniel Gethmann,
Susanne Hauser (Hg.)
Kulturtechnik Entwerfen
Praktiken, Konzepte
und Medien in Architektur
und Design Science
November 2008, 300 Seiten,
kart., zahlr. Abb., ca. 29,80 €,
ISBN: 978-3-89942-901-5
Susanne von Falkenhausen
KugelbauVisionen
Kulturgeschichte
einer Bauform von der
Französischen Revolution
bis zum Medienzeitalter
Oktober 2008, 214 Seiten,
kart., zahlr. Abb., 24,80 €,
ISBN: 978-3-89942-945-9
Ines Kappert
Der Mann in der Krise
oder: Kapitalismuskritik
in der Mainstreamkultur
Oktober 2008, 250 Seiten,
kart., 24,80 €,
ISBN: 978-3-89942-897-1
Ramön Reichert
Amateure im Netz
Selbstmanagement und
Wissenstechnik im Web 2.0
Oktober 2008, 246 Seiten,
kart., zahlr. z.T. farb. Abb., 24,80 €,
ISBN: 978-3-89942-861-2
Leseproben und weitere Informationen finden Sie unter:
www.transcript-verlag.de
Kultur- und Medientheorie
Dorothee Kimmich,
Wolfgang Matzat (Hg.)
Der gepflegte Umgang
Interkulturelle Aspekte
der Höflichkeit in Literatur
und Sprache
Oktober 2008, 226 Seiten,
kart., 22,80 €,
ISBN: 978-3-89942-820-9
Uwe Seifert, Jin Hyun Kim,
Anthony Moore (eds.)
Paradoxes of Interactivity
Perspectives for Media Theory,
Human-Computer Interaction,
and Artistic Investigations
Oktober 2008, 344 Seiten,
kart., zahlr. Abb., 35,80 €,
ISBN: 978-3-89942-842-1
Gunther Gebhard, Oliver
Geisler, Steffen Schröter (Hg.)
StreitKulturen
Polemische und antagonistische
Konstellationen in Geschichte
und Gegenwart
September 2008, 236 Seiten,
kart., 25,80 €,
ISBN: 978-3-89942-919-0
Henri Schoenmakers,
Stefan Bläske, Kay Kirchmann,
Jens Ruchatz (Hg.)
Theater und Medien/
Theatre and the Media
Grundlagen - Analysen -
Perspektiven.
Eine Bestandsaufnahme
September 2008, 584 Seiten,
kart., zahlr. Abb., 19,80 €,
ISBN: 978-3-8376-1064-2
Michael Schetsche,
Martin Engelbrecht (Hg.)
Von Menschen und
Außerirdischen
Transterrestrische
Begegnungen im Spiegel
der Kulturwissenschaft
August 2008, 286 Seiten,
kart., 27,80 €,
ISBN: 978-3-89942-855-1
Geert Lovink
Zero Comments
Elemente einer
kritischen Internetkultur
August 2008, 332 Seiten,
kart., 28,80 €,
ISBN: 978-3-89942-804-9
Christa Sommerer,
Laurent Mignonneau,
Dorothée King (eds.)
Interface Cultures
Artistic Aspects of Interaction
August 2008, 348 Seiten,
kart., zahlr. Abb., 34,80 €,
ISBN: 978-3-89942-884-1
Simone Loleit
Wahrheit, Lüge, Fiktion:
Das Bad in der deutsch-
sprachigen Literatur
des 16. Jahrhunderts
Juli 2008, 390 Seiten,
kart., 41,80 €,
ISBN: 978-3-89942-666-3
Antonia Wunderlich
Der Philosoph im Museum
Die Ausstellung
»Les Immateriaux« von
Jean Francois Lyotard
Juli 2008, 264 Seiten,
kart., zahlr. Abb., 28,80 €,
ISBN: 978-3-89942-937-4
Leseproben und weitere Informationen finden Sie unter:
www.transcript-verlag.de